Kennt jemand diesen Giallo von Silvio Amadio, der unter verschiedenen Titeln wie "Das Haus der tödlichen Sünden", "Alla ricerca del piacere", "Amuck!" oder "Maniac Mansion" firmiert? Hier im Forum wurde er, wenn ich mich nicht täusche, noch nirgends auseinandergepflückt. Die Besetzung liest sich äußert vielversprechend - u.a. sind Farley Granger, Barbara Bouchet, Rosalba Neri und Umberto Raho mit an Bord. Die Beschreibungen hingegen lassen auf ein eher sleaziges Vergnügen schließen, das sich gut in Amadios übrige Filmografie (u.a. "Liebe, Sex und Ärgernisse", "Leidenschaften einer Minderjährigen" und "Sonne, Sand und heiße Schenkel") eingliedert.
Der Film erscheint Ende des Monats bei Camera Obscura und ist in England (deutlich preisgünstiger) schon vom Label 88 Films erhältlich, das ebenfalls ein ganz beachtliches italienisches Genreprogramm auf DVD bzw. Blu-ray anbietet.
Der ist mir auch unbekannt, ich habe von dem Film zum ersten Mal gehört, als CO den angekündigt hat. Aber das sollte sich bald ändern, die VÖ wird gekauft.
"Amadio's finest, most erotic and morbid sexy-Thriller, featuring several sadeian understones as well as a curious and effective lesbian Scene between Neri & Bouchet, accompanied by Teo Usuelli's unusual Music score." Das Buch gibt 3 von 5 Sternen. Zusätzlich ist der Film mit "4 Kreisen" bewertet. Diese Bewertung geht von 1 bis 5 Kreise mit der Beurteilung: "We found it [...] interesting to point out with the symbol ° (from ° to °°°°°) a few titles which stand out for their extravagant and/ or bizarre-erotic nature." Na bitte - für mich klingt das alles so wie "ziemlich trashig".
Den hab ich vor Ewigkeiten unter dem Titel Amuck! auf ner mieserablen DVD gesehen und irgenwie wieder verdrängt, war recht wirr und trashig aber dabei auch irgenwie langweilig trotz der hübschen Frauen Wobei die bei brauchbarer Bildqualität vielleicht zum ankucken wieder interessanter werden ;-)
Farley Granger hat sein Talent leider gerne mal an seltsame Filme verschwendet und Neri war sich für offenherzige Szenen selten zu schade.
Das Haus der tödlichen Sünden (Alla ricerca del piacere)
Erotikthriller, IT 1971/72. Regie und Drehbuch: Silvio Amadio. Mit: Farley Granger (Richard Stuart), Barbara Bouchet (Greta Franklin), Rosalba Neri (Eleanora Stuart), Nino Segurini (Commissario Antonelli), Dino Mele (Sandro), Umberto Raho (Diener Giovanni), Patrizia Viotti (Sally Reece), Petar Martinovitch (Rocco) u.a. Uraufführung (IT): 21. März 1972.
Zitat von Das Haus der tödlichen SündenUm das Verschwinden ihrer Freundin Sally zu untersuchen, lässt sich Greta Franklin von deren letztem Arbeitgeber, dem Autor Richard Stuart, anstellen, der eine Villa an der Lagune von Venedig bewohnt. Rasch wird Greta in ein schauerliches Abenteuer verwickelt, das Sallys Schicksal zu gleichen scheint – ein Taumel aus Alpträumen, Drogen und Sex bringt auch sie in tödliche Gefahr. Richard entschließt sich, mit Greta Katz und Maus zu spielen: Er verarbeitet Sallys Verschwinden in seinem neuen Buch, dessen Entwürfe Greta abtippen muss ...
Vom Covermotiv der DVD kann man auf unzählige typische Genremerkmale von „Das Haus der tödlichen Sünden“ schließen: Gestaltet im leicht wiedererkennbaren Look der gelben italienischen Krimitaschenbücher, die dem Giallo seinen Namen verliehen, mischen sich bedrohte Frauen, eine düster nach ihnen greifende Krallenhand und eine schummrige Andeutung von Venedig bei Nacht zu einem ersten Eindruck, der Silvio Amadios Thriller zu Ehren gereicht. Es sind in erster Linie die Schrecken, die zunächst Sally und dann Greta widerfahren, aus welchen der Film seine erzählerische und bildliche Antriebskraft gewinnt. Barbara Bouchet stellt eine mutige junge Frau dar, deren Entschlossenheit sie in gefährliche Situationen bringt. Auch wenn sie als Undercover-Detektivin zunächst blauäugig erscheinen mag, so führt sie ihre Schnüffeleien im unheimlichen Haus doch beharrlich fort. Amadio stellt ihr dabei eine lehrbuchhafte Reihe von Hindernissen in den Weg, die von einem verschlossenen Keller über eine parapsychologische Todesandrohung bis hin zu der (sehr giallesken) Gefahr, als Liebessklavin des Autors und seiner Gespielin zu enden, reichen.
Auch wenn Richard Stuarts Doppelspiel, Greta, deren wahre Identität er schnell enthüllt, mittels eines „fiktiven“ Romans über das Schicksal ihrer Freundin zu informieren und sie mit seinen diesbezüglichen Andeutungen gleichsam hinzuhalten und auf die Folter zu spannen, sehr reizvoll ausfällt, so geht die Hauptgefahr doch von Eleanora aus, die die treibende Kraft hinter den Ereignissen zu sein scheint. Rosalba Neri gefällt in der Rolle der intriganten femme fatale – einer Rolle, der die Darstellerin zu Recht eine „starke Persönlichkeit“ attestierte. Sie wird als klare Antagonistin herausgearbeitet – hier mit dem Gewehr im Anschlag, dort kaltblütig eine Vergewaltigung beobachtend –, während sich der Zuschauer über das Ausmaß von Grangers Beteiligung an den Verbrechen lange nicht im Klaren sein kann.
Zwar bietet „Das Haus der tödlichen Sünden“ trotz seiner geheimnisvollen Aura und der zahlreichen Schockmomente nie wirklich hochkarätige Angstspannung wie die Filme von Argento, Martino, Fulci oder den beiden Bavas. Amadios Inszenierung muss aber dennoch als besonders dicht und ansprechend hervorgehoben werden. Farbkombinationen, Ausleuchtung und Kameraeinsatz belegen künstlerisches Können auf einem hohen Niveau, das durch verschiedene Momente, in denen sich der Zuschauer an die Klassiker von Alfred Hitchcock erinnert fühlt, unterstrichen wird. Die Ankunft Gretas im einsamen Palazzo wirkt beinahe surreal – vom Steg aus erscheinen der Garten und die Hausfassade wie eine Theaterkulisse und der Blick zurück auf Venedig gleicht auch eher dem auf ein Gemälde als auf eine reale Stadt. Eine in den morastigen Schilfauen der Lagune angesiedelte Jagdszene kopiert offenkundig die Flucht Cary Grants durchs Maisfeld in „Der unsichtbare Dritte“ – mit dem Unterschied, dass Barbara Bouchet nicht aus der Luft, sondern vom Wasser her verfolgt wird.
Teo Usuellis Musikuntermalung erfüllt einerseits viele Bedingungen, die man von einem Giallo-Score erwartet. Herrlich melodisch und harmonisch klingt die Titelmusik ans Ohr, spätere Variationen und ein Stück, in dem hypnotisierend die Worte sexually und perché wiederholt werden, passen hervorragend zu ihren jeweiligen Szenen. Andererseits beschleicht mich jedoch das Gefühl, dass die Musik einer der Gründe dafür ist, warum „Das Haus der tödlichen Sünden“ nie wirklich unheimlich wird und stellenweise trotz guter Machart und engagierter Handlung ein dezidierter B-Film-Eindruck entsteht. Dieser bewegt sich jedoch immer in einem liebenswerten Rahmen, das Endprodukt wirkt – auch dank hochwertiger Auftritte in den Nebenrollen von Umberto Raho, Nino Segurini und Petar Martinovitch – nie billig. Insofern tun Taglines wie „An explosion of sexual frenzy“ oder Alternativtitel wie „Hot Bed of Sex“ oder „Leather and Whips“ dem Film unrecht, der optisch wie inhaltlich mit mehr zu überzeugen weiß als nur mit Zeitlupenaufnahmen lesbischer Dusch- oder Liebesszenen.
Fifty shades of grey trifft old dark house mystery. „Das Haus der tödlichen Sünden“ schafft rasch klare Fronten, um die Wagnisse, Risiken und Leiden von Barbara Bouchet ganz in den Mittelpunkt zu stellen. Was in den Händen eines anderen Filmemachers zu einem abgeschmackten Sexkrimi geworden wäre, packt Silvio Amadio mit einer ausgewogenen Mischung aus Fingerspitzengefühl, Stilbewusstsein und dem Entschluss, dem italienischen Kinopublikum der frühen 1970er Jahre das Erwartete zu bieten, an. 4 von 5 Punkten.
Die DVD von 88-Films (UK-Import): Das britische Label 88-Films hat „Das Haus der tödlichen Sünden“ unter seinem englischen Titel „Amuck!“ mit dem gleichen hochwertig restaurierten Scopetransfer wie das deutsche Label Camera Obscura veröffentlicht. Beide Veröffentlichungen bieten ausschließlich englischen und italienischen Ton an, 88-Films liefert optionale englische Untertitel, CO englische und deutsche. Bei den Beigaben beschränkt sich das britische Release auf drei interessante Interviewfeaturettes – eine mit Rosalba Neri und zwei mit Barbara Bouchet. Wer COs „Italian Genre Cinema Collection“ nicht ohnehin vollständig sammelt, kann sich also überlegen, ob Audiokommentar, Booklet und Soundtrack-CD den Preissprung von 5 Pfund auf 25 Euro rechtfertigen.