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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 1.230 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.04.2017 15:45
Herz ohne Gnade (1958) Zitat · Antworten



Herz ohne Gnade

Kriminaldrama, BRD 1958. Regie: Viktor Tourjansky. Drehbuch: Hans Jacoby (Romanvorlage: Eduard Rhein). Mit: Barbara Rütting (Anja Wegener), Hansjörg Felmy (Ulrich Rombach), Werner Hinz (Friedrich Rombach), Margarete Haagen (Mimi Busse), Hans Nielsen (Dr. Waagemann), Josef Dahmen (Kriminalrat Dorn), Günter Pfitzmann (Dr. Knoll), Kai Fischer (Christa), Corny Collins (Hilde Wegener), Lotte Brackebusch (Frau Wegener) u.a. Uraufführung: 24. April 1958. Eine Produktion der Real-Film Hamburg im NF Neuen Filmverleih München.

Zitat von Herz ohne Gnade
In den Rombach-Werken dampfen nicht nur die Schlote. Auch zwischen Generaldirektor Friedrich Rombach und seinem Sohn Ulrich ist ein Zwiestreit entbrannt, der noch an Intensität zunimmt, als Rombach-Senior die Privatsekretärin Anja Wegener ins Haus holt. Sowohl Vater als auch Sohn verlieben sich in die Frau, die aus Geborgenheit und Pflichtgefühl den Heiratsantrag des alten Rombach annimmt. Als sich dennoch die Anhaltspunkte für ihre Affäre mit dem Sohn mehren und der Generationenstreit zu eskalieren droht, liegt der Vater auf einmal tot in seinem Bett ...


Obwohl sich der zentrale Todesfall erst nach über einer Stunde Spielzeit zuträgt, bleibt der sich lange ankündigende Fall Rombach doch durchweg spannend und konfliktreich. „Herz ohne Gnade“ gehört zu jenen Krimis, in denen die Vorgeschichte fast noch wichtiger ist als die nachträglichen Ermittlungen, weil die Erkundung der familiären Verhältnisse in der Industriellenvilla und die Reaktionen der Privatsekretärin Anja Wegener auf die für sie neuen Eindrücke im Mittelpunkt stehen. Der Zuschauer blickt Barbara Rütting quasi über die Schulter und interessiert sich dabei weniger für die Arbeit, die sie eigentlich in die Position bringt, als Grünohr in die privatesten Abgründe eines zerrütteten Vater-Sohn-Verhältnisses zu blicken, als vielmehr für die Rolle, die sie in dem sich zuspitzenden Drama zwischen Werner Hinz und Hansjörg Felmy einnimmt. Misstrauen und die Vorwürfe, die das Nichterfüllen hoher Anforderungen nach sich ziehen, bestimmen das Auftreten des Vaters gegenüber seinem Sohn, der sich ob des ihm abverlangten Gehorsams und Selbstverzichts mit beleidigenden Scherzen, zweifelhaften Freunden und dem Griff zur Flasche ablenkt.

Dieser Unterschied in den Charakteren Rombach seniors und juniors lässt Anja Wegener sich für den Vater entscheiden, der ihr gegenüber mit zurückhaltender Wertschätzung auftritt, anstatt dem rüpelhaften „Ungeheuer“ Ulrich den Vorzug zu geben. Die für Außenstehende unnachvollziehbare Entscheidung brandmarkt Anja Wegener als Einzelkämpferin, der böse Zungen bis in die eigene Familie hinein Erbschleicherei und eine Affäre hinter dem Rücken des gutgläubigen Geschäftsführers mit dessen Sohn nachsagen. Dass sich Anja gegen derlei Anschuldigungen zur Wehr setzen und ihre Glaubwürdigkeit und Seriosität verteidigen muss, macht „Herz ohne Gnade“ zu gleichen Teilen zum Zeitbild und zum Vordenker des Fünfzigerjahrekrimis, der seine Ursprünge in einem populären Fortsetzungsroman nicht erst zu verbergen sucht.



Geschickt eingebaute Spannungsmomente beleben das Familien- und Liebesdrama des ehemaligen Ufa-Regisseurs Viktor Tourjansky, dem die Figurenzeichnung ohne krimitypische Eindimensionalität gelingt. Ulrich Rombachs Fehltritt in der Nacht, das fatale Autorennen und versteckte Hinweise auf ein wohl gehütetes Familiengeheimnis bieten den Protagonisten Raum zur Entwicklung und der Darstellung verschiedener Facetten ihrer Persönlichkeiten, was natürlich in erster Linie Hansjörg Felmy und Werner Hinz zugute kommt. Dennoch kann man „Herz ohne Gnade“ guten Gewissens als Ensemblefilm bezeichnen, da die Einzelleistungen die sehr ansprechenden Darbietungen der kleineren Rollen nicht überschatten. Dies gilt für den erst spät in Aktion tretenden Hans Nielsen, dem wieder einmal die Weitsicht und Besonnenheit für eine Lösung aller Rätsel gegeben sind, ebenso wie für die dezent von Lotte Brackebusch und Corny Collins angedeuteten Familienschicksale und auch für die erstaunlich un-alberne Margarete Haagen.

Entstanden in den Hamburger Real-Film-Studios, zeigt „Herz ohne Gnade“ auch einige unverkennbare Spuren seiner Herkunft. Meint man, das Geschehen könne sich aufgrund der Industrieromantik der Auftaktszenen auch gut im Ruhrgebiet abwickeln, so taucht wenig später als Wohnsitz der Rombachs die später auch von Jürgen Roland für „Vier Schlüssel“ als Bankdirektorenresidenz verwendete Elbchaussee-Villa auf, die dem Geschehen, erweitert durch geschmackvolle Innenaufnahmen, ein edleres Gepräge verleiht. So balanciert der Film effektiv zwischen kleinbürgerlichen und edlen Momenten, zwischen Krimi und Drama, zwischen einem atypischen Aufbau und konservativen Machtmanipulationen. Ein Film der Gegensätze, der dennoch zu einem stimmigen Gesamtbild findet, was die Hochwertigkeit der Produktion, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und nun in guter Qualität wiederentdeckt werden kann, belegt.

Vielleicht kann man den etwas melodramatischen Titel „Herz ohne Gnade“ als eine Vorwarnung betrachten, dass dieser Krimi nicht nur plumpe Mord- und Actionspannung verspricht. Die vielschichtige Handlung stellt die verbrecherische Komponente zugunsten einer nicht weniger interessanten Familiengeschichte zunächst hintan und bietet so der Besetzung um Rütting, Felmy und Hinz volle Gelegenheit, ihre Kunstfertigkeit unter Beweis zu stellen. 4,5 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

09.04.2017 20:11
#2 RE: Herz ohne Gnade (1958) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Herz ohne Gnade" (Deutschland 1958)
mit: Barbara Rütting, Hansjörg Felmy, Werner Hinz, Hans Nielsen, Margarethe Haagen, Manfred Kunst, Corny Collins, Lotte Brackebusch, Josef Dahmen, Kai Fischer, Günter Pfitzmann, Elly Burgmer u.a. | Drehbuch: Hans Jacoby nach einem Fortsetzungsroman von Klaus Hellmer | Regie: Viktor Tourjansky

Anja Wegener tritt bei dem Industriellen Friedrich Rombach eine Stellung als Privatsekretärin an. Bald darauf macht dieser ihr einen Heiratsantrag, den sie überraschend annimmt, obwohl ihr auch dessen Sohn Ulrich Avancen macht. Die Beständigkeit und Sicherheit, die ihr Rombach senior bieten kann, wiegen schwerer als der Altersunterschied. Nach einem Verkehrsunfall müssen Anja und Ulrich zusammen in einem Doppelzimmer übernachten, was den Alten in rasender Eifersucht zu einem folgenschweren Entschluss veranlasst....

Die Themen, an die der Film rührt, weisen sowohl auf eine unbewältigte Vergangenheit hin, richten sich jedoch auch nach veränderten Gesellschaftsformen, die selbst in den bürgerlichen Häusern Einzug gehalten haben. Die vornehme Villa des Industriellen beherbergt keine Musterfamilie, sondern Individualisten, die zwar miteinander leben, deren Lebensanschauungen jedoch unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Patriarch trägt die Verantwortung für die Werke, welche seinen Namen tragen, allein. Das Verhältnis zu seinem Sohn ist gespannt, worauf dieser mit Rebellion und Verhaltensweisen reagiert, die auch jene abschrecken, bei denen er sich eigentlich in ein gutes Licht rücken möchte. Auch der Neuankömmling trägt die Sorge um finanziell abhängige Familienmitglieder allein und handelt so, wie es Vernunft und Anstand gebieten. Jene, welche unbeschwert die Nacht zum Tage machen, bilden das Gegenstück zum Rombach-Clan, riskieren dabei aber Leben und Ruf. Alte Feindschaften, unausgesprochene Wahrheiten und bittere Resignation vermischen sich zu einem Pulver, das nicht nur die Beziehungen der Personen sprengt, sondern weite Kreise zieht. Die Öffentlichkeit erlangt Kenntnis von Dingen, die in jenen Sphären üblicherweise unter Verschluss gehalten werden und das Private wird zum Politikum. Gleichzeitig führen die Untersuchungen der Behörden zu einer Aufarbeitung der Familiengeschichte, die andernfalls ausgeblieben wäre. Die Personen sind gezwungen, sich mit unliebsamen Tatsachen auseinander zu setzen; ein Umstand, der in den Fünfziger Jahren erst nach und nach eintrat. Die heilsame Wirkung der Wahrheit sorgt für neue Allianzen und lässt bisher ungeklärte Verhaltensweisen in klarem Licht erscheinen.



Barbara Rütting führt nicht nur die Besetzungsliste an, sondern mischt den männlichen Haushalt, der aus dem humor-und toleranzfreien Werner Hinz und Filou Hansjörg Felmy besteht, mit ihrer geradlinigen Art auf. Sie verkörpert das gesunde Maß an Verständnis, Loyalität und Weitsicht, das ihren Partnern schon vor langer Zeit abhanden gekommen ist. Sie erscheint den beiden Männern deshalb so wünschenswert, weil sie jene Eigenschaften mitbringt, die für das Zusammenleben Erwachsener unabdingbar sind. Die Klimax lässt nicht lange auf sich warten, doch die Frau widersteht den Anfeindungen von beiden Seiten mit der ihr eigenen Stärke und Ruhe. So entwickelt sich das Familiendrama zu einem Kriminalfall reinen Wassers, der das Mitwirken versierter Protagonisten wie dem immer gern gesehenen Hans Nielsen in seiner Paraderolle als Mann des Rechts möglich macht. In einer für sie typischen Rolle tanzt Kai Fischer durchs Geschehen, flankiert von Günter Pfitzmann, der zwischen Pflicht und Neigung hin-und hergerissen ist. Manfred Kunst, der in "Stahlnetz: Sechs unter Verdacht" eine ähnlich pfiffige Rolle spielt, sorgt für den Knuffigkeitsfaktor und die wenigen Momente, in denen Hansjörg Felmy sein Bad-Boy-Image ablegen kann. So gibt es gerade in seinem Verhältnis mit Partnerin Barbara Rütting viele Parallelen zu "Die Schatten werden länger", der drei Jahre später gedreht wurde. Die Spannung resultiert allein aus dieser menschlich schwierigen Konstellation, die unbeherrschten Leichtsinn mit disziplinierter Vernunft zusammenbringt und so per se für Irritationen sorgt. Die atmosphärische Dichte der eleganten Interieurs, die immer wieder durch Fluchten in die dunkle Nacht oder die Nüchternheit eines Industriebetriebs aufgebrochen wird, wird in Anlehnung an die Vorlage durch ein Blättern im Buch des Lebens umrahmt, was optisch zusätzlich reizvoll ist.

Schlafende Hunde müssen manchmal geweckt werden, um die Fesseln der Vergangenheit abstreifen zu können. Barbara Rütting, Werner Hinz und Hansjörg Felmy agieren mit präziser Hingabe in einer Familiengeschichte, deren Verlauf gleichbleibendes Interesse erzeugt und für viele spannende Momente sorgt. 4,5 von 5 Punkten

Ray Offline



Beiträge: 1.929

10.04.2017 18:40
#3 RE: Herz ohne Gnade (1958) Zitat · Antworten

Habe den Film auch vor einigen Tagen gesehen. Leider hatte ich nicht die Zeit, eine ausführliche Rezension zu schreiben. Mir hat er auch gefallen, dabei insbesondere Barbara Rütting (die ich bei Wallace nicht so gerne sehe) und der Einfall, die Szenenübergänge aus einem bebilderten Buch zu zeigen. Ein gut gemachter Kriminalfilm aus den 1950ern, der es durchaus wert ist, entdeckt zu werden!

Ray Offline



Beiträge: 1.929

04.04.2020 11:10
#4 RE: Herz ohne Gnade (1958) Zitat · Antworten

Zum Tode Barbara Rüttings...


Herz ohne Gnade (BRD 1958)

Regie: Viktor Tourjansky

Darsteller: Hansjörg Felmy, Barbara Rütting, Werner Hinz, Hans Nielsen, Margarete Haagen, Corny Collins, Günther Pfitzmann, Josef Dahmen, Kai Fischer u.a.



Der reiche Industrielle Rombach stelt die junge und ledige Anja Wegener als Privatsekretärin im eigenen Haushalt ein. Rombach hat einen Sohn, mit dem er ein schwieriges Verhältnis hat, weil er mit dessen Lebenswandel nicht einverstanden ist. Der junge Rombach macht der Sekretärin Avancen, stößt jedoch auf Ablehnung. Vielmehr sagt sie spontan "ja", als der Senior sie überraschend um die Hand anhält. Noch vor Vollzug der Hochzeit stirbt Rombach Senior. Hat Rombach junior bei dem Tod des Vaters die Finger im Spiel?

Dieser zum Ende der 1950er-Jahre produzierte Kriminalfilm legt seinen Schwerpunkt eindeutig auf das dramatische Element. Über eine Stunde dauert es, bis es zum Todesfall Rombachs kommt und sich Ermittlungen anschließen, die mit einer überraschenden Auflösung aufwarten. Trotz dieses "Ungleichgewichts" aus Drama und Kriminalfilm macht "Herz ohne Gnade" einen soliden Gesamteindruck. Der lange Vorlauf bietet dem Trio Felmy-Rütting-Hinz genug Zeit, sich zu entfalten. Während man Felmy in einer für ihn eher untypischen, weil sehr ambivalenten Rolle sieht, zeigt sich Hinz wie ein Jahr später als Jean Buddenbrook als Patriarch, wo er übrigens abermals den Vater Hansjörg Felmys mimte. Anders als später in den Wallace-Filmen spielt Barbara Rütting keine auf ihre Persönlichkeit zugeschnittene Figur, sondern eine solche, die auch viele andere ihrer Kolleginnen hätten spielen können. Trotzdem fließt ihre Art natürlich in die Interpretation der Rolle ein, weswegen ihre Figur nicht so eindimensional bleibt, wie sie wahrscheinlich auf dem Papier war. In einer weiteren Rolle agiert Hans Nielsen (mal wieder) in der Rolle des Anwalts, die er gefühlt so häufig bekleidet hat wie Albert Bessler diejenige des Butlers. Josef Dahmen darf schon mal für seinen Part in der "Hafenpolizei" üben, mit Günther Pfitzmann, Corny Collins und Kai Fischer sind drei weitere spätere Wallace-Darsteller in Nebenrollen zu sehen. In inszenatorsicher Hinsicht ist hervorzuheben, dass die Übergänge zwischen den Szenen aus einem bebilderten Buch heraus gezeigt werden. Ein schöner Einfall.

"Herz ohne Gnade" ist in der (inzwischen eingestellten?) Krimi-Klassiker-Edition von Icestorm erschienen. Das Bild der DVD ist ordentlich.


Drama überwiegt Krimi in diesem zum Ende der 1950er-Jahre entstandenen Film mit überzeugender Besetzung und überraschender Auflösung. 4 von 5 Punkten.

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