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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 509 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

16.11.2016 20:59
Hotel Adlon (1955) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Hotel Adlon" (Deutschland 1955)
mit: Sebastian Fischer, Nelly Borgeaud, Werner Hinz, René Deltgen, Erich Schellow, Karl John, Hans Caninenberg, Lola Müthel, Claude Farrell, Helmut Lohner, Peter Mosbacher, Nadja Tiller, Walther Bluhm, Werner Peters, Albert Bessler, Ralph Lothar, Kurt Buecheler, Stanislav Ledinek, Arno Paulsen u.a. | Drehbuch: Emil Burri und Johannes Mario Simmel nach den Lebenserinnerungen von Hedda Adlon | Regie: Josef von Báky

Der Page Paul Rippert beginnt im Jahr 1907 seinen Dienst im neu eröffneten Hotel am Pariser Platz in Berlin. Er wird dem Haus durch die Jahrzehnte treu bleiben und erlebt den Besuch Kaiser Wilhelms II. ebenso wie den Ersten Weltkrieg, die ausgelassenen Zwanziger Jahre, die Weltwirtschaftskrise und das Aufziehen des Nationalsozialismus, der im Zweiten Weltkrieg und der Zerstörung des Hotels mündet. Der Lebensweg von Paul Rippert und seiner Frau Ninette zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung und begleitet das renommierte Haus wie ein guter Freund.



Die Aushangposter in den Schaukästen der Lichtspielhäuser versprachen einen "erregenden Großfilm" als "Treffpunkt der Wünsche und Träume". Wie eine Starparade läuft das Geschehen ab, obgleich gerade jener Mann, dessen Spiel so sympathisch und berührend abläuft, ein unbeschriebenes Blatt ist: Sebastian Fischer. Aus der Sicht des strebsamen Angestellten werden die entscheidenden Ereignisse der Historie aufgezeigt, ohne dazu den gesteckten Rahmen des Hotels und seiner Umgebung zu verlassen. Er wird mit dem Glanz der feinen Welt, aber auch mit deren Ungerechtigkeiten, Skandalen und dekadenten Neigungen konfrontiert. Dabei vermittelt die Artur-Brauner-Produktion den berechtigten Eindruck, dass offene, wahre und mutige Worte in den Mauern der Luxusherberge je nach politischem oder gesellschaftlichem Wind unerwünscht oder gar existenz- und lebensbedrohlich sein konnten. Dabei waren nicht nur die kleinen Pagen, Kellner oder Zimmermädchen zur Diskretion verpflichtet, sondern auch die Direktion sah im Sinne der Wahrung des Ansehens und der Maxime "Der Gast hat immer recht!" über manche Entgleisung hinweg. So werden Leichen im Morgengrauen abtransportiert, ein versuchtes Attentat auf einen ausländischen Potentaten vertuscht und politische Agitatoren als künftige Machthaber vorbeugend dienstbar geduldet. Jene, welche sich eine abweichende Meinung erlauben, finden den Tod.

Zitat von Menschen im Hotel - Filmische Begegnungen in begrenzten Räumen, Katalog Cinefest 2015
"Welch ein Stoff! Prall und vielfältig und dokumentarisch - die Geschichte eines Hotels, eines internationalen Hotels im Herzen einer Weltstadt, bis unter das Dach voller Historie und Schicksal. Monarchen und Grandseigneurs in der Drehtür, Nazis, Kommunisten und Sowjetsoldaten, Gauner, Luxusweibchen und Industrielle, zusammengeweht aus aller Welt, auseinandergetrieben - umgeben von pikfeiner, stets diskreter Atmosphäre erst, später auf den Trümmern der sogenannten großen Welt. Die Geschichte eines Hotels, die zugleich Deutschlands Geschichte ist."


Bei der Vielzahl an klingenden Namen fällt es schwer, einige davon hervorzuheben. Nichtsdestotrotz sei auf den vornehmen, traditionsverpflichteten Werner Hinz als Seniorchef und Gründer des Hotels hingewiesen, der in erster Linie an das Haus denkt, selbst als Soldaten sich Einlass verschaffen; den zweifelnden Hans Caninenberg, der von seiner Mission nicht überzeugt nach einem Ausweg sucht; den eloquenten Karl John, der bei der Hymne "Deutschland, Deutschland über alles" ebenso verstummt wie die Französin Nelly Borgeaud und sich zu einer folgenschweren Entscheidung überreden lässt; den gefassten Erich Schellow, dessen Unaufdringlichkeit eine stille Mahnung an den Anstand ist und René Deltgen, der wieder einmal einen unbequemen Querdenker spielt, dessen Rat in einer Welt des Chaos' dringend benötigt wird. Die Damen bekleiden mit Ausnahme von Nelly Borgeaud und Lola Müthel nur schmückende Funktionen. So zehrt Claude Farrell von den schmeichelnden Worten eines liebestrunkenen Helmut Lohner, während Nadja Tiller als Hoteldiebin vulgäre Tricks anwendet, die besser in den überkandidelten Rolf-Thiele-Film von 1958 gepasst hätten. Der Aufwand ist beträchtlich und reicht von Ballszenen und rauschenden Diners über olympische Euphorie zu den Bombennächten und den Schrecken einer ungewissen Zukunft nach der deutschen Kapitulation. Der Kreis schließt sich mit dem optimistischen Knaben, der symbolisch für einen Neubeginn steht und eine ungezwungenere Zeit verheißt.

Das Hotel als Sammelbecken von Menschen verschiedener Nationen und unterschiedlicher sozialer Herkunft ist zugleich Treffpunkt von Abenteurern, Lebenskünstlern und Betrügern und dient als große Bühne für publikumswirksame Auftritte. Josef von Báky inszeniert präzise und führt seine Schauspieler mit sicherer, ermutigender Hand. Die Übergänge zwischen den Episoden sind fließend und sorgen für ein ausgewogenes Stimmungsbild. 4 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

19.11.2016 20:30
#2 RE: Hotel Adlon (1955) Zitat · Antworten

René Deltgen wird im Rückblick oft an seinem Mitwirken an politisch opportunen Produktionen während der Zeit des Dritten Reiches gemessen. Bei genauerem Blick auf sein filmisches Schaffen nach 1945 zeigt sich aber:

Zitat von Michael Wenk. Ein Kerl zum Pferdestehlen: Der Schauspieler René Deltgen in Film & Fernsehen. In: René Deltgen: Eine Schauspielerkarriere. Luxemburg: CNA, 2002. S. 102
Politisch Relevantes findet sich noch öfter im Filmschaffen Deltgens [...], auch [in seinem] Part in Josef von Bakys Hotel Adlon (1955), mit dem die CCC-Film des Produzenten Artur Brauner die Historie des Berliner Nobelhotels von dessen Eröffnung 1907 bis zu seiner Zerstörung 1945 nachzeichnet. Deltgen fällt [...] die Episodenrolle des serbischen Zwangsarbeiters Gravic zu, den es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nach Berlin verschlägt. Wegen seines gepflegten Umgangs mit Menschen wird er als Oberkellner im Adlon eingesetzt, wo es zu einer Revolte ausländischer Angestellter gegen die schmarotzenden Diplomaten ihrer eigenen Heimatländer kommt.


Wenk weist auf den Unterschied nicht nur im Gehalt solcher politisch ausgefütterter Produktionen, sondern auch in Deltgens Spielleidenschaft im Vergleich mit seichteren Melodramastoffen jener Zeit wie „Ohne dich wird es Nacht“ oder „Frühlingslied“ hin (wobei ich zugeben muss, an letzteren sehr wohlige Erinnerungen zu haben). Im Speziellen mag der Anspruch von „Hotel Adlon“, die vielleicht bewegtesten vierzig Jahre der deutschen Geschichte im Betrieb des Hotels am Pariser Platz und innerhalb nur einer Produktion episodenhaft zu spiegeln, vielleicht sogar ein wenig zu hoch gegriffen gewesen sein.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

08.10.2018 16:15
#3 RE: Hotel Adlon (1955) Zitat · Antworten

Hotel Adlon (BRD 1955)

Regie: Josef von Báky

Darsteller: Sebastian Fischer, Nelly Borgeaud, Werner Hinz, Karl John, Erich Schellow, Nadja Tiller, Claude Farell, Werner Peters, René Deltgen, Stanislav Ledinek, Helmuth Lohner, Peter Mosbacher u.a.



Der Film erzählt episodenhaft die Geschichte des Berliner Luxushotels von 1907 bis kurz nach Kriegsende. Trotz dieses großen Zeitraums und der vielen Geschehnisse, die sich in diesem sowohl im Hotel als auch in der Außenwelt zugetragen haben, schafft es dieser von Josef von Báky inszenierte Film aus den Mittfünfzigern, nie in eine Hatz auszuarten. Akzente liegen auf der Kaiserzeit, der Blütezeit für das Hotel zu Zeiten der Weimarer Republik, dem enormen Bruch, den die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten natürlich auch für das Hotel bedeutete, den Olympischen Spielen in Berlin sowie dem unmittelbaren Kriegsende. Aus der großen abgedeckten Zeitspanne folgt konsequent auch eine große Spanne an Akteuren. Zusammengehalten wird das Ganze durch die von Sebastian Fischer verkörperte Figur des Paul Rippert, der 1907 als Page im Hotel beginnt und über die Zeit zum Hotelmanager aufsteigt. Fischer, der vor kurzem seinen 90. Geburtstag feierte, hatte nur wenige Auftritte in Film und Fernsehen und verlegte sich neben der Tätigkeit am Theater auf Synchrontätigkeiten. Eine prägnante Rolle im Film nimmt des Weiteren Karl John ein, der sich nach der Emigration von Rippert anlässlich eines Besuchs der Olympischen Spiele zu einer verhängnisvollen Rückkehr überreden lässt. Angesichts der Entstehungszeit überraschende nackte Tatsachen liefert Nadja Tiller als gewiefte Hoteldiebin. In weiteren Rollen sieht der Betrachter etwa René Deltgen, Werner Peters, Helmuth Lohner, Werner Hinz oder Claude Farell.

Die CCC-Produktion markiert dank des breit angelegten und hochwertigen Casts, der opulenten Ausstattung und der natürlichen Aura, die vom titelgebenden Hotel ausgeht, Kurzweil auf sehr hohem Niveau. Eine Geschichtsstunde mal aus einer anderen Perspektive.

Die Blu-Ray von Pidax präsentiert den Film in ausgezeichneter Qualität, verzichtet aber einmalmehr auf das bei den DVD-Auswertungen obligatorische Booklet. Sehr schade!


Josef von Bákys "Hotel Adlon" offeriert eine packende Geschichtsstunde der etwas anderen Art. 4,5 von 5 Punkten.

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