Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 734 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Peter Offline




Beiträge: 2.886

06.11.2016 10:52
Der schlechte Soldat Smith (1963, TV) Zitat · Antworten

Der schlechte Soldat Smith


Deutschland 1963 (ARD/SDR). Regie: Fritz Umgelter. Darsteller: Hanns Lothar, Richard Münch, Hellmut Lange, Gerhard Just, Werner Hessenland, Günther Neutze, Volker Lechtenbrink, Peter Vogel, Harald Dietl, Herwig Walter, Hans E. Schons u.a. Länge: 98 Min.



Eine Gruppe britischer Offiziere betrachtet Fliegerstaffeln, die dezimiert von ihren Einsätzen zurückkehren. Das ist die Routine im September 1944, nach dem Start der Invasion.
Im Stabsquartier eines Panzerregiments herrschen raue Kommiss-Töne. Getrunken wird reichlich, meist zum Wohle der Jungs von der Luftwaffe, gern auch schon morgens. Genauso reichlich regnen Witze über Hitler, Frauen, Homosexuelle, Pazifisten ("Marzipanpüppchen") - und Nachrichtenoffiziere ("Alles Schlappschwänze").
Genau dieser Nachrichtenoffizier des Stabes rückt in den Mittelpunkt der Geschichte: Captain (Hauptmann) Smith. Ein Mann, der sich selbst keine Neigungen zum Heldentum unterstellt, der aber ein unzerstörbares Gewissen hat (dazu auch eine große Klappe) und dessen Opportunismus und Gehorsam daher arg begrenzt sind.
Der aufkommende Anlass zur Eskalation ist dramatisch. Der deutsch besetzte Stützpunkt Le Havre soll von alliierten Truppen überrannt und zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen werden. Das Ersuchen eines deutschen Generals, die französische Zivilbevölkerung zu evakuieren, wird abgelehnt. Smith weiß nun, was er immer ahnte, dass der Krieg in seiner Endphase zu einem sinnlosen Projekt von totaler Zerstörung und Vernichtung geworden ist.
Noch vor Beginn des Angriffs meutert Smith. Sein Gesuch, man möge sein Offizierspatent zurücknehmen, wird zunächst mit Gelächter quittiert. Aber Smith meint es ernst. Er weigert sich formell, einem Befehl seines Kommandeurs nachzukommen und den Kampf weiterzuführen. Tatsächlich sterben bald Tausende von Zivisten. Auf Betreiben des Majors, der die Franzosen im Prinzip genauso verachtet wie die Deutschen - und dem die gnadenlose Bombardierung aller Nicht-Insulaner sehr willkommen ist, wird die Befehlsverweigerung von Smith geahndet....



Der Titel des zu Grunde liegenden Schauspiels "The Bad Soldier Smith" von William Douglas Home ist als ironische Variante von Jaroslav Haseks berühmtem Roman-/Filmtitel "Der brave Soldaten Schwejk" zu verstehen.
Beschrieben wird das alte Lied von der Zivilcourage im Widerstreit mit der soldatischen Pflicht - bis hin zum Kadavergehorsam.Und das große Politikversagen auf allen Seiten.
Die Geschichte ist kein durchdekliniertes Modell, sondern ein authentischer milieu-echter Erlebnisbericht. Die ausgeprochenen Wahrheiten legen dem Zuschauer dennoch ein modellhaftes Verständnis ans Herz.
Die allzu wahren Thesen von Smith waren gerade in britischen Militärkreisen unpopulär, Kritik in den eigenen Reihen dort zudem ein seltenes Phänomen. Smith tadelt die Konditionen des Friedensschlusses von Versailles im Jahre 1919, die Deutschland zu einem ausgeplünderten Sündenbock machte und den Aufstieg eines Despoten vom Schlage Hitlers erst ermöglichte. Er schimpft über die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation der Deutschen, die jeden innerdeutschen Widerstand im Keim erstickte. Er ereifert sich über die Propaganda der Alliierten, die alle Deutschen zu Teufeln mache.
"Glauben Sie ehrlich", fragt Smith den Regimentspfarrer, "dass es im Interesse der Welt, der Menschheit, der Christenheit und all dem liegt, immer weiter zu hauen, zu bomben, zu töten, wie ein Pack von stummen Bestien?" Man solle einmal Pause machen und verhandeln.
Als er hört, daß dem deutschen Kommandanten von Le Havre die Evakuierung der Franzosen versagt wird, revoltiert Smith: "Wir predigen unseren Feinden, daß sie Krieg nach unseren Regeln führen, daß sie sich human benehmen sollen und so weiter, und in dem Augenblick, wo einer von ihnen human wird, schlagen wir ihm eins in die Fresse."

Fritz Umgelter wählte für die Umsetzung in sein Fernsehspiel eine weitgehend kühle und sachliche Atmosphäre und gewährt auch den Akteuren nur wenige Ausbrüche. Umso intensiver und subtiler in der Mimik werden alle wichtigen Rollen auf sehr interessante Weise mit Leben gefüllt.
Hanns Lothar überragt in einem starkem Ensemble. Er macht seine Gewissensqualen spürbar, seine vergebliche Überzeugungsarbeit, seine intellektuelle Vorausschau auf die sich anbahnenden Katastrophen, während er von den Anderen zwar ansatzweise verstanden, letztlich aber nur als wunderlicher Quertreiber betrachtet und behandelt wird. Auf der Höhe seiner Schaffenskraft angelangt, spielt Lothar hier seinen Widerständler mit großer Klasse und zeigt uns eine unvergessliche Melange aus Sarkasmus, Melancholie, Zorn und Tragik.
Gerhard Just als Major ist der Gegenpol von Smith, der fasziniert ist von der Funktionalität der Zerstörung - und der aus seinem Hass auf fast alles und jeden keinen Hehl macht - und sich bei einer auf Vernichtung ausgerichteten Luftwaffe sichtlich pudelwohl fühlt.
Richard Münch ist in seiner Figur des Sanitäts-Offiziers von Natur aus menschlicher ausgerichtet, hat aber die Anwendung des gesunden Menschenverstandes zu Gunsten eines Abtauchens in die Welt geistiger Getränke eingestellt. Widerstand und Menschlichkleit bleiben in Ansätzen und guten Ratschlägen stecken. In starken, mehrschichtige Rollen dieser Art war Münch leider zu selten zu sehen.
Hellmut Lange als Regiments-Pfarrer versäumt es, eine Rolle wie Smith zu übernehmen, die eigentlich seine Aufgabe wäre. Er weiss, dass er wenig zu melden hat - und tut entsprechend - nichts. Kein Zufall, dass in Büchern dieser Zeit die Kirche häufig schlecht wegkommt. Die unerfüllte Erwartungshaltung freilich spielt Lange glänzend
Günther Neutze gewohnt bärbeißig. Ein kühler Profi, der sich perfekt arrangiert und die früher durchaus vorhandene Moral beerdigt hat.
Schließlich Werner Hessenland als Oberst, Leiter des Stabes. Er spielt auch hier wieder glaubhaft einen und von Natur aus durchaus vernünftigen Berufsoffizier, der letztlich aber doch stets widerstandslos den äußeren Zwängen folgt und davor zurückscheut, seinen Einfluss geltend zu machen. Die Krankheit aller hohen Offiziere, die im Zweifelsfall zu viel bequemen Lebensstandard zu verlieren, um die richtigen Vernunftentscheidungen zu treffen. Von solchen Leuten wimmelte es im Krieg, allen voran natürlich in Deutschland...

Ein Film, dessen spannende Handlung dank seiner lebendigen Figuren nachwirkt. Intensiv gespielt und in den Dialogen erstaunlich modern. Sehr empfehlenswertes Schmuckstück.

Fräulein Janine Offline




Beiträge: 130

07.11.2016 21:03
#2 RE: Der schlechte Soldat Smith (1963) Zitat · Antworten

Da ist Ihnen einte tolle Filmbeschreibung gelungen.
ich finde auch, dass Hanns Lothar, hier in einer seiner besten Rollen zu sehen ist.
Lediglich das Auftauchen der verbissenen, geifernden Soldatin gegen Ende, finde ich
Überflüssig, ansonsten...... kluge, spannende und packende Fernsehunterhaltung der Oberklasse.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

08.11.2016 12:34
#3 RE: Der schlechte Soldat Smith (1963) Zitat · Antworten

Zitat von Fräulein Janine im Beitrag #2
..... das Auftauchen der verbissenen, geifernden Soldatin ......

Stimmt. Das hat mir auch nicht gefallen, deswegen ging ich gar nicht drauf ein. Es scheint aber eine unschöne Realität gewesen zu sein, vor welcher der Autor die Augen nicht verschlossen hat....
.... Übrigens duzen wir uns im Forum grundsätzlich, das ist viel angenehmer...

Fräulein Janine Offline




Beiträge: 130

08.11.2016 12:36
#4 RE: Der schlechte Soldat Smith (1963) Zitat · Antworten

.... Übrigens duzen wir uns im Forum grundsätzlich, das ist viel angenehmer... [/quote]
Sehr gerne!

 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz