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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 816 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Jan Offline




Beiträge: 1.753

04.07.2016 20:10
Der Forellenhof Zitat · Antworten

Mal etwas ganz anderes: Eine Serie ohne Mord und ohne Totschlag, kein Raubüberfall geschieht und auch eine Entführung oder ein anderes Ungemach kriminalistischer Natur ist in der von Heinz Oskar Wuttig für den Südwestfunk geschriebenen Serie "Der Forellenhof" nicht Bestandteil des Geschehens. Wenn auf einen TV-Beitrag aus grauer Vorzeit der Hinweis zutrifft, er sei bei heutiger Betrachtung völlig aus der Zeit gefallen, dann auf den "Forellenhof", den die Familie Buchner im Südwestschwarzwald als Erholungshotel betreibt.

Der Forellenhof
Eine TV-Familienserie in acht Teilen von Heinz Oskar Wuttig
Darsteller: Hans Söhnker (Otto Buchner), Jane Tilden (Anna Buchner), Gerhard Lippert (Jörg Buchner), Helmut Förnbacher (Klaus Buchner), Tilly Lauenstein (Ruth Buchner), Helga Anders (Christa Buchner), Adolf Dell (Franz Buchner), Franz-Otto Krüger (Kellner Charly), Herta Worell (Kaltmamsell Melanie), Werner Veidt (Hausdiener Karl), Albert Venohr (Chefkoch Edmund), Karin Hardt (Lottchen), Stefan Behrens (Kochlehrling), sowie episodenweise Dirk Dautzenberg, Lukas Ammann, Matthias Habich, Margarete Hagen, Ilse-Marie Roland, Maria Mucke sowie Heinz Oskar Wuttig uvm.
Musik: Rolf-Hans Müller
Kamera: Adalbert Plica
Bauten: Helmut Nentwig
Produktion: Fritz Aeckerle für Südwestfunk
Regie: Wolfgang Schleif
EA: 29.09.1965 (Teil 1 "Hochsaison"), 27.10.1965 (Teil 2 "Bitte nicht stören!"), 24.11.1965 (Teil 3 "Fahrerflucht"), 22.12.1965 (Teil 4 "Hauskonzert"), 26.01.1966 (Teil 5 "Gäste aus Kanada"), 23.02.1966 (Teil 6 "Schreck in der Abendstunde"), 16.03.1966 (Teil 7 "Lange Finger"), 20.04.1966 (Teil 8 "Der 75. Geburtstag")

Genau genommen ist es gar nicht ganz korrekt zu schreiben, es gäbe in dieser seichten Kost keinerlei kriminalistische Ausflüchte. Eine Kleptomanin vergreift sich durchaus einmal an den Wertgegenständen ihrer Mitbewohner, ein Langfinger bedient sich an den Forellenteichen und verschleudert die Fische auf eigene Rechnung und ein gewitztes Pärchen versucht, die Hotelrechnung zu prellen. Diese zwischenmenschlichen Unzulänglichkeiten jedoch versteht der in flachen Gewässern des Unterhaltungsmetiers nicht untalentierte Heinz Oskar Wuttig mit derart viel Anstand und Noblesse zu versehen, dass weder der Preller noch der Geprellte ernstzunehmende Spuren davon trägt. Kurzum: Es handelt sich bei dem "Forellenhof" um eine Familienserie reinsten Wassers; Fernsehen ohne Probleme möchte man den Achtteiler in Anlehnung an die Harald-Reinl-Dokumentation bezeichnen. In der Familie Buchner regt sich kaum Zwist. Der engagierte Juniorchef Jörg gibt Mutti morgens brav ein Küsschen, kümmert sich darum, seine Schwester Christa pünktlich in die Schule zu bringen und taucht auch ansonsten wie auf's Stichwort stets dann auf, wenn ein ganzer Kerl gefordert ist. Selbst das schwarze Schaf der Buchners, Sohn Klaus, wirkt in all seiner vordergründigen Andersartigkeit so gesellschaftskonform wie seine Verwandten. Durchaus nicht ohne Ironie durch Helmut Förnbacher gespielt, darf Klaus Buchner aus der Welt der Hotelerie sachte und sorgsam herausfallen, um in der großen Stadt sein Glück als Schriftsteller zu suchen. Vater Otto nimmt's mit einem Augenzwinkern hin, Mutter Anna hat eh den Drang zur leichten Muse.

Die einzelnen Stories von Heinz Oskar Wuttig drehen sich voll und ganz um das Hotel der Buchners - die nicht eben sonderlich prominent besetzten Gastrollen bleiben ein notdürftiges Beiwerk. Der Hotelbetrieb spielt neben der Forellenzucht von Opa Buchner den Hauptpart dieser Serie. Dabei ist es durchaus bemerkenswert, wie stoisch Wuttig eine jeder der acht Folgen auf die selbe Weise beginnen lässt: Otto Buchner tritt am frühen Morgen vor die Tür seines Hotelbetriebes, hebt den Kopf zum Himmel und sinniert kurz und bündig wahlweise mit seinem Boxerhund (!) oder mit Hausdiener Karl über das bevorstehende Wetter. Streckenweise mag dem Zuschauer die Gutherzigkeit und der Edelmut der Buchners etwas in die Knochen fahren - Wuttig, der in anderen Produktionen durchaus auch kantige Figuren anlegen konnte, war beim "Forellenhof" nicht zimperlich. Seine Figuren sind hier allesamt edel und fröhlich.

Passend dazu fand Produzent Aeckerle genau den Regie-Deckel, der auf diesen Harmonie-Topf zu setzen war: "Immenhof"-Regisseur Wolfgang Schleif inszenierte die Buchners und ihr Hotel mit badischer Getragenheit. Es ist anzunehmen, dass sein Regiestil bereits im Jahr 1965 veraltet erschien. Betulich schob er seine Akteure durch die von Helmut Nentwig ansprechend erbauten Kulissen, verlangte ihnen kaum mehr ab als dauerlächelndes Sonnenscheingemüt. Es bleibt offen, wie märchenhaft Schleifs Regie bereits zu Zeiten der Erstausstrahlung gewirkt haben muss, setzte sie doch im Wesentlichen darauf, eine Märchenwelt auf die Mattscheibe zu bringen, die so in der Realität kaum anzutreffen gewesen sein wird. So oder so hat es den Anschein, als habe sich Schleif in den 480 Minuten, die er für den Südwestfunk drehte, durchaus wohl gefühlt. Letztlich passten diese Sujets zu seinem Regiestil, mit dem er in anders gelagerten Produktionen (z.B. "Der rote Rausch") nicht immer voll überzeugen konnte.

Wer sich also an einem verregneten Sonntagnachmittag einmal mit der Familie Buchner bekannt machen möchte, der sollte die DVD-Komplettbox in Betracht ziehen und er kann sich sicher sein, dass bei Familie Buchner stets die Sonne scheint!

Gruß
Jan

Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

04.07.2016 22:33
#2 RE: Der Forellenhof Zitat · Antworten

Nette Serie. Hattte ich als Kind mal im TV gesehen und mir dann vor ein paar Jahren die DVD-Box gekauft.

Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

05.07.2016 22:03
#3 RE: Der Forellenhof Zitat · Antworten

Die Geschichten erzählen das natürliche Leben einer Hoteliersfamilie ganz ohne
Effekthascherei und zickige Streitereien. Diese normale ideale Welt der Werte
mag heute langweilig und mit erhobenem Zeigefinger erscheinen. Falls dem so ist,
zeigt dies leider nur wo sich unsere Gesellschaft hin entwickelt hat. Meine beiden
Kleinen gefällt diese Serie jedenfalls und die damals noch deutlich gespielten
Charaktere, heute würde man das negativ polarisierend nennen, wirken keinesfalls
langweilig, im Gegenteil. Und wer das mag, kann dort heute noch Urlaub machen.

Gruss
Havi17

Jan Offline




Beiträge: 1.753

06.07.2016 20:39
#4 RE: Der Forellenhof Zitat · Antworten

Zitat von Havi17 im Beitrag #3
Die Geschichten erzählen das natürliche Leben einer Hoteliersfamilie ganz ohne
Effekthascherei und zickige Streitereien.

Ja, da grübel ich noch ein bisschen, wie das in den 1960ern angelegt war. Dieses ganz große Stelldichein der Harmonie wirkt selbst auf mich, der ich von den ganzen persönlichen Nebenkriegsschauplätzen aktueller Produktionen extrem genervt bin, ein wenig dicke. Daher meine ich eher, dass die Figuren nicht dem natürlichen oder realen Leben entnommen sind, sondern eine Märchenwelt aufführen. Das wäre als solches auch nicht sonderlich bemerkenswert, wenn man die Serie in einer Reihe mit den erfolgreichen Heimatfilmen der 1950er Jahre betrachtet, die sich auf eben jene Märchenwelten verlegt hatten. Bemerkenswert daran ist eher, dass Wuttig es fertig brachte, ganz ohne dramatische Plots auszukommen. Entgegen der berühmten Vorgänger auf der Leinwand strickte er keine Wilderer, liebestechnischen Nebenbuhler oder geldgierigen Schwiegersöhne in seine Geschichten hinein. Die dargebotenen Handlungsstränge, die neben dem Familienleben eingeflochten sind, nehmen sich da überaus unverbindlich und bescheiden aus. Dies ist umso beachtlicher, als dass Wuttig 480 Sendeminuten zu füllen hatte. Am ehesten erinnert mich die Dramaturgie - trotz jeglicher Unvereinbarkeit der Stoffe - mit Howard Hawks' "Hatari!". Auch Hawks' John-Wayne-Vehikel kommt ohne einen echten Plot aus. Eine Kunst ist es, dennoch einen interessanten Film bzw. ein interessante Serie daraus machen zu können.

Übrigens spielt Heinz Oskar Wuttig in Episode 3 des "Forellenhofes" einen Gast aus Berlin! Soweit mir bekannt, sein einziger Ausflug vor die Kamera.

Gruß
Jan

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