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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 1.503 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Georg Offline




Beiträge: 3.259

10.04.2016 11:47
"Brücke des Schicksals" (Thriller, BRD 1960) Zitat · Antworten

Über den folgenden Film fand ich bisher gar keinen Eintrag im Forum (außer Titelnennungen), was mich ob der tollen Besetzung und der guten Geschichte eigentlich etwas verwundert.

BRÜCKE DES SCHICKSALS
Thriller, BRD 1960, s/w

Mit Hannes Messemer, Sabina Sesselmann, Günter Pfitzmann, Elisabeth Flickenschildt, Carl Lange, Eva Maria Meineke, Hans Dieter Zeitler, Günter Lamprecht, Karl Lieffen, Bum Krüger, Joseph Offenbach, E. O. Fuhrmann, Edith Mill, Rosel Schäfer und Bobby Todd

Buch: Fritz Böttger, Joachim Wedekind, Heinz-Werner John, Michael Kehlmann, Carl Merz
Kamera: Karl Schröder
Musik: Herbert Jarczyk
Regie: Michael Kehlmann

Der Journalist Klaus Urban (Messemer) ist ein Außenseiter, ein eiskalter Einzelgänger, skrupellos. Für eine große Story ist er bereit, alles zu tun. Von seinen Kollegen wird er belächelt. Der alleinlebende Mann, der zur Untermiete bei einer ältlichen Dame (Flickenschildt) wohnt, muss sich jedoch mit langweiligen Alltagsgeschichten herumschlagen. Nach und nach reift ihn ihm der Entschluss, selbst Schlagzeilen zu provozieren. Dabei entwickelt er eine ungeahnte kriminelle Energie. Sein Drang nach Anerkennung bringt ihn schließlich gar dazu, dass er bewusst das Leben anderer aufs Spiel setzt und auch vor Mord nicht zurück schreckt ...

Michael Kehlmann, erprobter und erfolgreicher Fernsehregisseur, inszenierte mit "Brücke des Schicksals" seinen ersten Kinofilm und liefert damit eine packende Mischung aus Thriller und psychologisch exakt geschnitztem Porträt eines skrupellosen, charakterschwachen Einzelgängers ab. Die Kriminalgeschichte, die sich langsam entwickelt, wird vordergründig auch zur Anprangerung des Sensationsjournalismus verwendet. Kehlmann inszeniert stringent und spannend bis zum dramatischen Finale.
Hannes Messmer brilliert wahrlich in der Titelrolle als Außenseiter und "photographierender Amokläufer" (Hamburger Abendblatt), ihm zur Seite steht ein Ensemble aus gerngesehenen und gut agierenden Akteuren: mit Günter Pfitzmann, Carl Lange, Sabina Sesselmann, Elisabeth Flickenschildt sind wichtige Wallace-Akteure vertreten, Karl Lieffen, Bum Krüger, Günter Lamprecht und E. O. Fuhrmann repräsentieren die Durbridge-Front. Die Musik stammt von "Kommissar"-Komponist Herbert Jarczyk und wurde kurze Zeit später für die Serie "Alarm in den Bergen" recycelt, wo exakt die gleiche Titelmelodie verwendet wurde.
Die Presse äußerte sich über "Brücke des Schicksals" (übrigens anders als im Internet genannt, nicht mit definitem Artikel vor "Brücke" im Vorspann) überwiegend sehr positiv. Neben einigen Kritikpunkten erwähnte das Hamburger Abendblatt (Nr. 28/ Oktober 1961), dass man "aber einräumen [muss], dass sie – für deutsche Verhältnisse – faszinierend erzählt und ungewöhnlich gut dargestellt wird, so dass man streckenweise ein Meisterwerk vor Augen zu haben meint. Wie es scheint, hat der Regisseur Michael Kehlmann mit diesem Film seine Karte für eine Laufbahn abgegeben, geschmückt mit den glänzenden Autogrammen von Hannes Messemer, Elisabeth Flickenschildt, Günther Pfitzmann, Carl Lange und dem mehr als nur hübschen Schnörkel Sabina Sesselmanns."
Das Lexikon des Internationalen Films meint: "Kritische Anmerkungen zum Thema Sensations- und Skandaljournalismus treten hinter den ausgezeichnet inszenierten Nervenkitzel zurück."
Kino.de ist folgender Ansicht: "Das Kinodebüt des TV-erfahrenen Regisseurs Michael Kehlmann aus dem Jahre 1960 [...] legt den Fokus vielmehr auf eine spannende Story im typischen Thriller-Stil. Kehlmann inszeniert temporeich und mit sicherer Hand, Hannes Messemer in der Hauptrolle stellt sowohl die Geltungssucht als auch die Zweifel seiner Figur überzeugend dar. Ein Film, der bestens unterhält, seine durchaus brisantes Thema aber unter den Oberflächenreizen einer Krimihandlung begräbt."
Letzterer Kritik kann ich mich vollkommen anschließen.




Giacco Offline



Beiträge: 2.499

10.04.2016 17:05
#2 RE: "Brücke des Schicksals" (Thriller, BRD 1960) Zitat · Antworten

Eine positive Kritik gab es seinerzeit auch im "Film Echo":

" Der Film ist ein harter Brocken. Er unternimmt nicht den mindesten Versuch, die Problematik zu verniedlichen. Er geht in der Wahl seiner Mittel etwas weit. Die ausführliche Motivierung der grausigen Taten aber sichert ihm einen hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit ... auch wenn es für diesen talentierten Reporter heutzutage möglich sein müsste, ohne Aufnahmen von lebenden Fackeln und aus dem Fenster fallenden Frauen anerkannt zu werden. Der Film will auf eine leidige Tendez in der Sensationspresse hinweisen und dies ist ihm gelungen. Er geht unter die Haut.
Der vom Fernsehen kommende Regisseur Michael Kehlmann konnte auf einem ausgewogenen, in den Akzenten präzisen Drehbuch aufbauen. Die sachliche, streckenweise stark unterkühlte Inszenierung passt sich dem nüchternen Zeitungsmilieu an. Neben guter Darsteller-Führung fällt die treffliche Auswahl von Typen für die Randszenen auf.
Das Schwergewicht des Spiels liegt bei Hannes Messemer als Bildreporter des Satans. Er entwickelt die Rolle mit dem erprobten Nuancenreichtum seines darstellerischen Reservoirs. Auch Günter Pfitzmann, Carl Lange - sein zynischer Blick ist eine bittere Schlußpointe -, Bobby Todd, Sabina Sesselmann und Elisabeth Flickenschildt bleiben nachhaltig in Erinnerung. Die Kamera von Karl Schröder trägt wesentlich zur Dichte der Atmosphäre bei. Man möchte den Film als einen solide gebauten Reißer mit ernst zu nehmendem Anliegen bezeichnen. Das Interesse des Publikums scheint - nach ersten Beobachtungen - stark zu sein."


Auf diese ersten Beobachtungen folgte jedoch bald die Ernüchterung. Der Ende Oktober 1960 gestartete Film fiel beim Publikum durch. Das belegte schon die Film-Echo-Erstnote: 5,2 (mäßig, Tendenz zu schlecht). Als der Union-Verleih Anfang 1961 Konkurs anmeldete (er hatte etliche Flops zu verkraften), wurde der Film von Constantin zur weiteren Auswertung übernommen und war noch bis Anfang 1962 im Einsatz. Endnote: 5,3 (27 Meldungen).

Georg Offline




Beiträge: 3.259

10.04.2016 17:42
#3 RE: "Brücke des Schicksals" (Thriller, BRD 1960) Zitat · Antworten

Interessante Kritik! Danke! Ein starker und interessanter Film, auch wenn er nicht so gut besucht war.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

08.05.2016 14:56
#4 RE: "Brücke des Schicksals" (Thriller, BRD 1960) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Brücke des Schicksals" (Deutschland 1960)
mit: Hannes Messemer, Sabina Sesselmann, Günter Pfitzmann, Elisabeth Flickenschildt, Carl Lange, Eva Maria Meineke, Hans Dieter Zeidler, Bobby Todd, Rosl Schäfer, Bum Krüger, Karl Lieffen, Heinrich Trimbur, Edith Mill, Karl Borell, Franziska Liebing u.a. | Drehbuch nach einer Idee von Fritz Böttger unter Mitarbeit von
Joachim Wedekind und Heinz Werner John | Regie: Michael Kehlmann

Der Fotograf Klaus Urban hat mit seinen künstlerischen Fotos bei seiner Redaktion keinen Erfolg. Die Parole der Stunde heißt Sensation und dazu sind die Porträts aus Kunst und Kultur nicht geeignet. Urbans Freund Mosthav rät ihm, sich um eine Reportage zu bemühen. Aus einem spontanen Einfall heraus begeht Urban sein erstes Verbrechen, indem er in einem Gasthaus Feuer legt und die Flucht der Menschen aus dem brennenden Gebäude mit seiner Kamera dokumentiert. Das anerkannte Magazin "Life" bringt den Exklusivbericht und Urban - vom Erfolg angestachelt - überlegt sich, wie er neue Sensationen bringen kann....

"Tote können doch unsere Generation nicht mehr schrecken, dazu waren es doch zu viele..." (Carl Lange zu Hannes Messemer)



Der Film wird in einer Rückblende erzählt und eröffnet mit einem Leichenfund, der noch viele Fragen aufgeben wird. Wer war Klaus Urban? Ein Blick in seinen Presseausweis zeigt einen akkurat gescheitelten Mann mittleren Alters ohne besondere Kennzeichen. Doch wie so oft, täuscht die Fassade auch hier und hinter dem Äußeren eines Biedermanns versteckt sich ein zutiefst verstörter, kriminell veranlagter Mensch. Bemitleidet das Publikum den sensiblen Mann, der zurückgezogen mit seiner Katze bei einer älteren Dame zur Untermiete wohnt anfangs noch, so durchschaut es ihn recht bald und erkennt die Skrupellosigkeit, die er hinter seiner Unscheinbarkeit verbirgt. Der Zuschauer steht in der ersten Reihe gleich neben Urban, wenn dieser seine Fotos des Grauens knipst und sich an Unglücken weidet, die er selbst herbeigeführt hat. Die Intimität des Todes, das Leid der Verwundeten und die Angst der Sterbenden werden mit Urbans Kamera eingefroren und zu einem bizarren Spiegel der Sensationslust der Öffentlichkeit. Der Ruf nach immer spektakuläreren Bildern löst in dem Fotografen die Handbremse seines Gewissens und lässt seinem Egoismus freien Lauf. Sein ohnehin nur schwach vorhandenes Mitgefühl für andere Menschen wird endgültig ausgeschaltet und er kennt nur mehr ein Interesse: seinen eigenen Ruhm zu festigen.

Mit der Gründung der "BILD"-Zeitung am 24. Juni 1952 hielt auch in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Art des Journalismus Einzug. Überwogen anfangs noch die Bilder, so nahmen bald griffige Tagesthemen die Aufmerksamkeit der breiten Leserschaft in Anspruch. Dieser war mit einer Mischung aus Politik und Boulevard natürlich an die Masse angepasst. Stefan Aust schreibt im "Bild"-Buch des Taschen-Verlags folgendes, was sich auch auf Klaus Urbans Denken beziehen lässt: "BILD war milde gestimmt, doch fast alle späteren Kampfthemen klangen bereits an. Davon träumte Axel Springer mit dem Wort 'modern': einer Tageszeitung, die die Wirklichkeit abbildete, ohne wirkliche politische Stoßrichtung." So sind auch für den Fotoreporter Urban die Auswirkungen seiner Bilder nur insofern interessant, als sie seinen Bekanntheitsgrad erhöhen und ihm zu einem schönen Honorar verhelfen. Er will weder Missstände aufzeigen, noch die Leserschaft vor Gefahren warnen. Leider wird in einigen Szenen vermittelt, dass der Fotograf größenwahnsinnig sei, was sich vor allem zeigt, wenn er getrunken hat. Soll dies die Tatsache verschleiern, dass er "im Vollbewusstsein seiner geistigen Kräfte" gehandelt hat und seine Taten als jene eines Verrückten darstellen? Ich hätte mir ein stringenteres Kalkül gewünscht und weniger Versuche, seine Handlungen durch Gasthausexzesse zu verharmlosen.

Hannes Messemer spielt im wahrsten Sinn des Wortes groß auf und tritt aus dem Schatten der Bedeutungslosigkeit ins Scheinwerferlicht der öffentlichen Wahrnehmung. Er ist ein Mann, der leicht unterschätzt wird und zeigt hier, wie hartnäckig er sich behaupten kann. Sabina Sesselmann, die synchronisiert wurde (ich glaube, Rosemarie Fendel herauszuhören), um ihrer Figur einen Hauch Verruchtheit zu verleihen, ist die Frau aus der Vergangenheit Urbans, deren Empathie auf ebenso kleiner Flamme köchelt wie jene ihres ehemaligen Liebhabers. Günter Pfitzmann als Freund und Kollege ist der Mann der Tat, der immer wieder eingreift und den gesunden Menschenverstand repräsentiert. Die verschrobene Zimmervermieterin wird von Elisabeth Flickenschildt mit Nelly-Oaks-Einschlag gespielt, wobei die Schauspielerin ihre Figur mit dem Klischee der einsamen Frau ausstattet, die gleichzeitig Mutter und Geliebte sein will. Da der Film in München spielt, sieht man auch einige Originale wie Wanningers Haushälterin Franziska Liebing als Putzfrau oder Karl Borell aus der "Funkstreife Isar 12" als Polizist. Das rasende Finale entschädigt für kurze Durchhänger im Mittelteil und treibt die Akteure im Kampf gegen die Zeit zu Höchstleistungen an. Ein unbeeindruckter Carl Lange als Karrierist ohne Moral rundet den außergewöhnlichen Film gelungen ab.

Ein Selfmademan und die Frage "Wie weit darf man gehen, um der Öffentlichkeit das zu liefern, wonach sie begehrt?" sind im Zeitalter des Internets und des Datenschutzes aktueller denn je. Hannes Messemer als Schakal streift mit seiner Kamera durch eine Stadt, die er als Jagdrevier betrachtet und zieht mit seinen Bildern von Unglück und Katastrophe ein Publikum in den Bann, das die Fotos zwar sehen will, sie aber im gleichen Atemzug als anstößig und menschenverachtend verurteilt. Mit diesem Zwiespalt muss der Zuschauer leben - auch nach dem Abspann. 4,5 von 5 Punkten

Metropolis Offline



Beiträge: 26

08.08.2016 03:20
#5 RE: "Brücke des Schicksals" (Thriller, BRD 1960) Zitat · Antworten

Auch ich bin erstaunt, daß dieser Film so gut wie unbekannt ist.
Er wurde 1967 das erste Mal im Fernsehen gezeigt - das letzte Mal 2008 auf Nostalgie.
Ich muß ganz klar sagen, daß die ÖR ihren Auftrag nicht erfüllen und hinter der Qualität von vor 25 Jahren zurückbleiben.

Dieser Film ist an erster Stelle deprimierend - die Spannung tritt damit in den Hintergrund.
Karrieresucht um jeden Preis - die Hemmungen verschwinden total.
Anerkennung um jeden Preis - das ist auch heute noch der Fall.Er verarbeitet selbstbegangene Verbrechen zu Sensationsnachrichten.

Die schrecklichste Szene für mich war der inzinierte Unfall bezw. Mord an der Putzfrau.
Ein Unbeteiligter muß noch den Handlanger für den Verbrecherjournalist spielen.

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