Wer den Film "Der schwarze Abt" kennt, denkt bei Harry Alford, dem 18. Earl von Chelford, an einen Herrn mittleren Alters. Verkörpert wird er bekanntermaßen von Dieter Borsche, der bei den Dreharbeiten 53 Jahre alt war. Beim Durchblättern einiger Ausgaben des Romans fand ich hingegen folgende Altersangaben für Harry:
- "in der ersten Hälfte der Dreißig" (Übersetzung von Dr. Otto Albrecht van Bebber, Weltbild Sammler-Edition (Vorkriegstext) und auch Goldmann 1958) - "Anfang Dreißig" (Übersetzung von Gregor Müller, Goldmann ca. 1977) - "noch keine Dreißig" (Übersetzung von Jürgen Bavendam, Scherz 1984)
Der Originaltext (1926) lautet so: "on the right side of thirty".
Eine Recherche nach diesem Ausdruck hat ergeben, dass mit der "richtigen Seite der Dreißig" ein Alter gemeint ist, das unter Dreißig liegt. Über Dreißig wäre dann die "wrong side". Harry Alford ist also tatsächlich ein noch recht junger Bursche. Sein Halbbruder Dick entstammt aus einer zweiten Ehe des gemeinsamen Vaters, dürfte also sogar erst Mitte Zwanzig sein. Bei den Dreharbeiten zum Film war Joachim Fuchsberger bereits 36, also auch deutlich zu alt, wenn man der Buchvorgabe folgt.
Zitat von Thomas Eckel im Beitrag #2Ich denke aber das trotz der Altersunterschiede eine gute Wahl getroffen wurde!!!
Auf jeden Fall. Ich war nur aufgrund der unterschiedlichen Übersetzungen etwas stutzig geworden und dachte, dass das vielleicht von allgemeinem Interesse ist.
Ich sehe das etwas anders. Das war ja schon einmal Thema hier. Dieter Borsche war wirklich ein toller Darsteller, den ich selten fehlbesetzt empfand. In diesem besonderen Fall jedoch muss ich schon zugestehen, dass er einfach nicht in die Rolle passt. Noch verstärkt wird das unglückliche Besetzungshändchen mit der Wahl von Grit Böttcher. Auch gegen Frl. Böttcher ist grundsätzlich nichts einzuwenden, jedoch wirkt sie hier neben Dieter Borsche zwangsläufig vielmehr wie eine ungeliebte Tochter. Zwar müht sich das Buch, die beiden als fremdbestimmt verbandeltes Paar darzustellen, weil es der böse Harry Wüstenhagen auf Borsches Reichtum abgesehen hat. So recht plausibel macht das diese Paarung aber auch nicht. Auch die Besetzung mit Alice Treff - nur drei Jahre älter als Dieter Borsche - empfand ich immer etwas merkwürdig. Letztlich ist Borsche einfach zu alt für die Rolle gewesen - ungeachtet der Tatsache, dass sich selbst die deutschen Buchübersetzer interessanterweise mit seinem von Wallace angedachten Alter offensichtlich etwas schwer taten. Vielleicht wäre der Part des Harry Chelford mit Karl-Michael Vogler gut besetzt gewesen...
Wenn man die arrangierte Natur der Verbindung zwischen Harry Alford und Leslie Gine bedenkt, ist es doch eigentlich gar nicht verkehrt, dass es diesen Altersunterschied gibt. Er macht die angekündigte Ehe zusätzlich zu Harrys Spleens mit dem Schatz und dem Abt noch unangenehmer und die Option Böttcher + Fuchsberger umso attraktiver. Kein Vorwurf an Wendlandt für die Besetzung also, gerade wenn ich mir deinen Alternativvorschlag ansehe, der vielleicht als Muttersöhnchen, aber nicht als gefährlicher Wahnsinniger glaubhaft durchgehen würde.
Zugegeben, als ich das Buch las bzw. wenn ich das Hörbuch höre, hatte / habe ich auch nicht Borsche im Kopf, sondern eher so die Richtung Louis Jourdan. Zu dumm, dass die Rialto keine US-Koproduktionen herstellte ...
Mir gefällt Borsche in der Rolle außerordentlich gut. Ich kenne zwar nicht den Roman, allerdings das Hörspiel von Europa, welches ich als Kind hatte. Kann mich aber nicht dran erinnern, dass dort auf das Alter eingegangen wurde. Was mir aber auch von Anfang an komisch vorkam waren Treff/Borsche als Mutter/Sohn . Das dies nicht passt ist schon sehr augenfällig, da sie ja nicht nur faktisch sondern auch optisch annähernd gleich alt waren.
Zitat von Gubanov im Beitrag #5Kein Vorwurf an Wendlandt für die Besetzung also, gerade wenn ich mir deinen Alternativvorschlag ansehe, der vielleicht als Muttersöhnchen, aber nicht als gefährlicher Wahnsinniger glaubhaft durchgehen würde.
Naja, einen gefährlichen Wahnsinnigen habe ich in Borsche allerdings auch so nie gesehen. Unter anderem bedingt durch die Altersgegebenheiten blieb da bei mir stets ein etwas verwirrter oller Zausel in Erinnerung, der in einer nahezu gleichaltrigen Frau die Mutter sah und der nach Jahren, in denen er offensichtlich mit seinem Goldschatz liiert war, eine viel zu hübsche und viel zu junge Frau aufgedrängt bekommen sollte. Da ich den Film gerade nur sporadisch vor Augen habe, erinnere ich leider auch nicht die Erklärung, wegen der die hübsche Leslie zunächst überhaupt als seine Außerwählte gilt. Dass ihr Bruder dahinter steckt, ist klar. Aber mit was brachte er sie dazu, den ollen Zausel zumindest in Betracht zu ziehen?
Zitat von Gubanov im Beitrag #5Wenn man die arrangierte Natur der Verbindung zwischen Harry Alford und Leslie Gine bedenkt, ist es doch eigentlich gar nicht verkehrt, dass es diesen Altersunterschied gibt. Er macht die angekündigte Ehe zusätzlich zu Harrys Spleens mit dem Schatz und dem Abt noch unangenehmer und die Option Böttcher + Fuchsberger umso attraktiver. Kein Vorwurf an Wendlandt für die Besetzung also, gerade wenn ich mir deinen Alternativvorschlag ansehe, der vielleicht als Muttersöhnchen, aber nicht als gefährlicher Wahnsinniger glaubhaft durchgehen würde....
Genau das sind die entscheidenden Punkte. Deshalb - und aus guter ABT-Tadition, ist Dieter Borsche für mich gesetzt, ein anderer Harry ist wirklich nicht so leicht vorstellbar, zumal beispielsweise K. M. Vogler, den ich für seine späteren Rollen durchaus sehr schätze, im direkten Vergleich zu Borsche 1963 noch wie ein ganz blasser Jüngling gewirkt hätte.
Zitat von patrick im Beitrag #6Was mir aber auch von Anfang an komisch vorkam waren Treff/Borsche als Mutter/Sohn . Das dies nicht passt ist schon sehr augenfällig, da sie ja nicht nur faktisch sondern auch optisch annähernd gleich alt waren.
Gute internationale Tradition. Ich glaube, Patrick hat dies auch schon einmal erwähnt, was soll´s, aber in Hitchens "unsichtbarem Dritten" war Cary Grant auch nur gut sieben Jahre jünger als die Darstellerin seiner Mutter, Jessie Royce Landis. Allerdings hatte sich Cary ja wirklich ganz gut gehalten....
Ich verquicke Dieter Borsche und seinen Leinwand-Harry immer am ehesten mit Manfred Steffens Europa-Hörspiel-Harry. Und diese beiden entsprechen sich absolut. Ich heb zwar den Abt auch schon gelesen, zum Alter blieb mir da nichts hängen, aber ich finde, dass Borsche und Steffen gerade wegne ihres nicht mehr ganz so jugendlichen Alters ganz wunderbar in diese Rolle passen. Wie schon in diesem Thread geschrieben, gibt das der Beziehung zu der blutjungen Leslie, die standestechnisch geschickt verfüttert werden soll, eine besondere, schal-eklige Würze.
In seiner Darstellung kommt Borsche sicherlich nicht wie ein Kinski daher, aber ungefährlich und geistig vollständig berechenbar wirkt er keinesfalls. Er hat meiner Meinung nach genau die richtige Einstellung gefunden und Ausstrahlung gehabt. Da ist das Alter zweitrangig.
Auch der mangelnde Unterschied zu Alice Treff ist für mich nicht störend, denn sie wirkt so zerbrechlich und dadurch schon ältlich, dass man ihnen die Mutter-Sohn-Beziehung durchaus abnehmen kann. Zumal sie ja durch das Unsterblichkeitsserum des "guten" Abtes bestimmt auch gleich eine gepflegte Anti-Falten-Kur zu sich nimmt.
Zitat von Peter im Beitrag #8in Hitchens "unsichtbarem Dritten" war Cary Grant auch nur gut sieben Jahre jünger als die Darstellerin seiner Mutter, Jessie Royce Landis.
Ähnlich wie bei Ford/Connery in Indy 3.
Der Gipfel war aber Bea Arthur, die in "Golden Girls" sogar ein Jahr älter war als ihre Serien-Mutter Estelle Getty.
Zitat von Peter im Beitrag #8in Hitchens "unsichtbarem Dritten" war Cary Grant auch nur gut sieben Jahre jünger als die Darstellerin seiner Mutter, Jessie Royce Landis.
Ähnlich wie bei Ford/Connery in Indy 3.
Der Gipfel war aber Bea Arthur, die in "Golden Girls" sogar ein Jahr älter war als ihre Serien-Mutter Estelle Getty.
Zwischen Connery und Ford liegen immerhin zwölf Jahre. Der Bart sorgt für den Rest. ;-)
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. Das dies nicht passt ist schon sehr augenfällig, da sie ja nicht nur faktisch sondern auch optisch annähernd gleich alt waren.
