Wollte hier mal einen Film vorstellen, der gestern bei pidax erschienen ist und der für viele im Forum von Interesse sein dürfte:
Die Strohpuppe (GB 1964)
Regie: Basil Dearden
Darsteller: Gina Lollobrigida, Sean Connery, Ralph Richardson u.a.
Charles Richmond (Ralph Richardson) lebt mit seinem Neffen Anthony (Sean Connery) und Dienstpersonal auf einem malerischen Anwesen in Großbritannien. Der alte Herr ist an den Rollstuhl gefesselt und macht mit seinen schlechten Eigenschaften seinen Mitmenschen das Leben schwer. Auf der Suche nach einer Krankenschwester für seinen Onkel gerät Anthony an die aparte Maria (Lollobrigida) und verfolgt mit ihr einen ganz speziellen Plan: Sie soll das Herz seines Onkels erwärmen, ihn heiraten und dafür sorgen, dass er sein Riesenvermögen (ca. 50 Millionen Pfund) nicht an einen Tierschutzverein, sondern an sie vererben soll. Für die "Vermittlung" soll er dann 1 Million kassieren. Ob der Plan aufgeht?
Es ist kaum zu glauben, dass diese Perle bis gestern auf dem deutschen Markt nicht erhältlich war. Nach einer zugegebenermaßen gemächlichen ersten Hälfte zieht der Film dermaßen an, dass einem Hören und Sehen vergeht. Es überschlagen sich die Ereignisse. Das hervorragende Buch zaubert eine Wendung nach der anderen aus dem Hut, Connery legt seine zunächst eher zurückhaltende Haltung ab und liefert eine Meisterleistung ab. Rein optisch besteht kein Unterschied zu Bond, auch die Figur des Richmond hat eine Affinität für den feinen Zwirn. Sein Spiel schlägt - zumindest in der zweiten Hälfte - jedoch in eine ganz andere Kerbe und offenbart neue Facetten im Schauspiel des jungen Connery. Regie und Kamera auf hohem Niveau, die Szenerie rund um das Anwesen (es erinnert mich sehr an das aus "Goldfinger", vielleicht ist es das gleiche??) wird in z.T. malerische Bilder getaucht, die Innenaufnahmen, die in den legendären Pinewood Studios, in denen bis heute die Bond-Filme entstehen, aufgenommen wurden, sind nicht minder beeindruckend. Für die Bauten war im Übrigen Ken Adam verantwortlich, der im Laufe seiner Karriere mehrere Oscars einheimsen konnte und die frühen Bond-Filme mit seinen opulenten Kulissen wesentlich mitprägte. "Lollo" Lollobrigida bietet ein hervorragendes Gegengewicht und steht Connery in kaum etwas nach. Der tolle Vorspann versprüht besten Sixties-Flair und die klassische Musik von Beethoven als Untermalung machen den Film zu einem wahren Vergnügen.
Die DVD passt sich dem Niveau des Films an. Das Bild kann man bei einem Film von 1964 als "sehr gut" bezeichnen. Der Ton ist stets verständlich. Zudem finden sich im Booklet neben dem standardmäßigen Abdruck der Illustrierten Film-Bühne ein recht interessanter Set-Bericht sowie kurze Biografien von Connery und Lollobrigida.
"Die Strohpuppe" ist ein wahrer Krimileckerbissen: ein tolles Star-Duo, hochwertige Inszenierung und Filmmusik, schöne Kulissen sowie eine zweite Hälfte, die man so schnell nicht vergisst, dazu allerbeste Sixties-Atmosphäre. Uneingeschränkte Empfehlung von meiner Seite. 5/5 Punkten.
Ein passabler, mMn aber allenfalls durchschnittlicher Genrebeitrag.
Ohne Frage schön gefilmt und mit der klassischen Musik pompös, aber passend untermalt, schwächelt es doch manchmal bei den Darstellern, und auch das Drehbuch wirkt stellenweise etwas unglaubwürdig.
Schauspielerisches Highlight ist leider der, der zur Halbzeit schon aus dem Film scheidet: Ralph Richardson, der als boshaftes, sadistisches Ekelpaket mit dickem Scheckbuch eine reine Freude ist. Lollobrigida ist für die ihr zugedachte Rolle einfach zu sehr "Grande Dame", um wirklich zu überzeugen (hier hätte ich die Loren präferiert) und leidet zudem an der unpassenden Synchronstimme von Marianne Wischmann (sprach auch - ebenfalls sehr unpassend - Ingrid Bergmann in der ZDF-Synchro von Hitchcocks "Berüchtigt"). Connery... Tja, Connery ist eben Connery (sogar mit der gewohnten Synchronstimme von Gert Günther Hoffmann). Als schnöseliger Berufserbe mit düsteren Absichten geht er anfangs durchaus in Ordnung, nur die planerische Brillianz, die ihm das Drehbuch in der zweiten Hälfte zuschanzt, mag ich ihm einfach nicht abkaufen, ebensowenig wie der Lollobrigida ihre himmelschreiende Blödheit (die auch ihre - herkunftsbedingt - mangelnde Vertrautheit mit dem englischen Recht nur unzureichend begründet).
Der Schlußtwist dagegen ist nochmal richtig nett, wenn auch durch des Onkels vorher schon ausgiebig zelebrierte technische Spielereien nicht wirklich überraschend.
Etwas zu lang geratener und stellenweise unglaubwürdiger Erbschleicherkrimi mit durchwachsenen schauspielerischen Leistungen, aber in erlesener Inszenierung. Gute Unterhaltung ist "Die Strohpuppe" allemal, aber es gibt besseres.
Solche überraschenden Twists sind natürlich immer eine Gratwanderung. Im vorliegenden Film halten sie sich aber meines Erachtens noch in einem Rahmen, in dem sie ihre Wirkung nicht verfehlen. Aber gerade weil es eben ein schmaler Grat ist, kann man dies sehr gut anders sehen. Danke jedenfalls für deine Rezension.
Vielleicht haben noch mehr den Film gesehen und möchten vielleicht das Meinungsbild weiter ergänzen?
Hatte mir die Tage mal die Sonderausgabe "Die besten Thriller aller Zeiten" von TVMovie geholt, weil solche Listen - wie ja auch entsprechende Ranglisten hier im Forum zeigen - immer eine interessante Diskussionsgrundlage bieten und die ein oder andere Anregung bereithalten.
In dieser Liste belegt "Die Strohpuppe" einen beachtlichen 47. Platz.
Nicht weniger bemerkenswert erscheint mir Platz 41 für "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe". Gerade wenn man bedenkt, dass TV Movie doch ziemlich für "Mainstream" steht und man immer das Gefühl hat, dass solche Filme bei solchen Ranglisten außen vor bleiben.
Gerade der erste Platz erscheint mir zweifelhaft. Hab den Film zwar nicht gesehen, aber ich denke doch, dass er etwas hoch eingeschätzt wird, was bei neueren Filmen ja generell so ist. Der ein oder andere von den Filmen aus der Top 100 würde wahrscheinlich in ein paar Jahren nicht mehr genannt werden.
Ansonsten sind natürlich einige Hitchcock-Filme und für Freunde des Noir "Chinatown" und "Frau ohne Gewissen" vertreten.
Über "Die Strohpuppe" erfährt man noch, dass Connery für den Film eine Million Dollar Gage erhielt, für seine beiden zuvor abgedrehten ersten beiden Bond-Filme hatte er nur 6000 Dollar erhalten. Aus heutiger Sicht unfassbar.
BEWERTET: "Die Strohpuppe" (Woman of Straw) (Großbritannien 1964) mit: Gina Lollobrigida, Sean Connery, Ralph Richardson, Johnny Sekka, Laurence Hardy, Danny Daniels, Peter Madden, Alexander Knox, Joseph Wise, Douglas Wilmer u.a. | Drehbuch: Robert Muller, Stanley Mann und Michael Relph nach einem Roman von Catherine Arley | Regie: Basil Dearden
Charles Richmond ist einer der reichsten Männer Englands. Seinen einzigen Verwandten, den Sohn seines verstorbenen Bruders, straft er mit Verachtung , weshalb er sein Testament zugunsten wohltätiger Zwecke abfasste. Sehr untypisch für ihn, da er ansonsten ein harter, kompromissloser Tyrann und zudem an den Rollstuhl gefesselt ist. Als Neffe Anthony die Krankenschwester Maria Marcello engagiert, erfährt der Alte das erste Mal Widerstand gegen sein herrisches Verhalten. Er heiratet die selbstbewusste Frau, ahnt jedoch nicht, dass Anthony bereits einen raffinierten Plan ersonnen hat: Maria soll Charles Richmond beerben und dessen Neffen einen stattlichen Anteil am Erbe auszahlen, sobald sie in den Besitz des Vermögens gelangt. Und das soll nicht mehr lange dauern....
"It's so easy to set fire to a Woman of Straw" behauptet das Filmplakat und liefert eine angeblich plausible Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Filmtitels. Die attraktive Frau als Köder, um einen alten Mann steuern zu können - dieser Einfall ist nicht neu und setzt voraus, dass sich die aus bescheidenen Verhältnissen stammende Fremde bereitwillig formen und lenken lässt. Die Aussicht auf ein immenses Vermögen geht einher mit einem angenehmen Lebensstil und der scheinbaren Freiheit in nicht allzu ferner Zukunft. Was wie ein abgekartetes Spiel aussieht, erhält durch die Unberechenbarkeit menschlicher Emotionen neuen Esprit und gerät zu einem Kräftemessen der drei Hauptdarsteller. Gespannt verfolgt der Zuschauer, welcher Charakter sich durchsetzen wird und ob es zu Abweichungen im perfekt choreografierten Ablauf kommen wird.
Gina Lollobrigida zeichnet die Figur der Maria sehr behutsam und verleiht ihr die Facetten einer willensstarken Frau, deren Herkunft sie geprägt hat. Die solide Basis ihres Berufs lässt ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit in geordneten Bahnen verlaufen; sie hat im England der "stiff upper lip" bereits gelernt, ihre Gefühle zu kontrollieren und sich kühl zu geben. Der Kontrast zwischen ihren privaten Momenten im eigenen Zimmer, in denen sie sich in Unterwäsche und rauchend zeigt und der gefassten Haltung in der Öffentlichkeit, wird mehrmals betont. Sie ist kein Backfisch, der sich begeistert von dem smarten Anthony einwickeln lässt, sondern eine nachdenkliche Frau, deren Motivation aus längeren Überlegungen wächst. Obwohl ihr Äußeres sehr ansprechend in Szene gesetzt wird, besticht sie durch natürliche Eleganz. Sophia Loren hätte ich hier als vulgär empfunden.
Sean Connery führt seine Rolle als James Bond mit anderen Mitteln fort und fügt sich nahtlos in die erlesene Umgebung. Er setzt seinen Charme feindosiert ein und zeigt in den passenden Momenten Härte - genau das, was sein Publikum von ihm erwartet. Als einziges Bindeglied zwischen dem ruppigen Alten und der empathischen Maria obliegt ihm die Aufgabe, sowohl zu vermitteln, als auch eine klare Linie zu verfolgen. Vertrauen und Misstrauen halten sich die Balance und warten auf den Moment, in dem die Maske fällt. Dann kommen Gier, Verachtung und Skrupellosigkeit zum Vorschein, was ihn wiederum angreifbar macht. Der stolze Schotte scheint sich ohnehin immer ein wenig über den Snobismus seiner südlichen Nachbarn zu amüsieren, die ihr Inseldenken und den Wunsch nach einer elitären Vormachtstellung nie richtig ablegen konnten. Das zeigt sich auch am Verhalten des Alten gegenüber seinen schwarzen Dienern, die er als willenlose Erfüllungsgehilfen betrachtet.
Die großzügig bemessene Spielzeit entspricht einem Epos und gibt der Geschichte ausreichend Zeit, sich zu entfalten. Rückschläge und Schwierigkeiten erhalten somit glaubhafte Bedeutung und geben dem kriminalistischen Gehalt der Geschichte den nötigen Raum. Luxuriöse Interieurs, weitläufige Parkanlagen und eine strahlende Mittelmeeratmosphäre zeigen eine Opulenz, die dem Auge schmeichelt. In Verbindung mit dem Besten, was aus den verschiedenen Bereichen zu bekommen war - man denke an Dior, Beethoven und eine Luxusyacht vor Mallorca - verwöhnt "Die Strohpuppe" nicht nur optisch, sondern auch durch das stringente, spannende Drehbuch, das keine Wünsche offen lässt.
Klare Empfehlung an alle Krimifreunde, die ein exquisites Ambiente ebenso schätzen wie ein listiges, hinterhältiges Rätsel und prägnante Figurenzeichnungen. 5 von 5 Punkten.
Die Starbesetzung, die liebevolle Ausstattung und die edle Optik tragen sicherlich zum Enthusiasmus für diesen Film bei. Zieht man diese Boni aber mal ab, dann bleibt für mich wie für Lord Peter auch eine eher durchschnittliche Story. Als geübter Krimiseher kann man in meinen Augen auch jeden Twist voraussehen, so dass die Filmhandlung doch recht vorhersehbar ist. So oder so ähnlich habe ich das schon ein paar mal gesehen oder gelesen. Zudem ist die erste Hälfte viel zu lang. Die darstellerisch beste Leistung liefert für mich übrigens auch der wunderbare Ralph Richardson ab, der als altes Ekel wirklich brilliert. Unter dem Strich bleibt ein passabler Krimi, der sicherlich unterhält und in die Kategorie der besseren seines Fachs gehört, für mich bei weitem aber auch kein absolutes Meisterwerk ist.
Vielen Dank für eure Rezensionen. Da scheinen sich ja zwei Meinungsströme herauszubilden: Meisterwerk vs. passabler Krimi.
Zitat von Georg im Beitrag #10Die Starbesetzung, die liebevolle Ausstattung und die edle Optik tragen sicherlich zum Enthusiasmus für diesen Film bei. Zieht man diese Boni aber mal ab, dann bleibt für mich wie für Lord Peter auch eine eher durchschnittliche Story.
Ein nachvollziehbarer, jedoch keineswegs unproblematischer Gedankengang, wie ich finde. Denn sollte man nicht bei einer Gesamtabwägung die Plus- und Minuspunkte gegeneinander abwägen? Nimmt man dich beim Wort, erscheint es so, als hättest du nur die wesentlichen Pluspukte abgezogen.
Der Film hat mir ja durchaus gefallen. In einem Krimi ist für mich jedoch stets die Handlung das Wichtigste und diese war - zumindest für mein Empfinden - über weite Teile vorhersehbar, wenn man sich mit diesem Genre intensiv auseinandersetzt.
Ich habe den Film inzwischen ebenfalls gesichtet und sehe es ähnlich wie Lord Peter und Georg.
Ein recht unterhaltsamer, nichts desto trotz durchschnittlicher Film mit einer Schlusswendung, die zwar nett erdacht ist, aber doch nicht unerwartet geschieht. ("Crime doesn't pay!")
Was die darstellerischen Leistungen angeht, so empfinde ich Sean Connerys Spiel als ausgesprochen hölzern und weit entfernt von späteren Glanzpunkten seiner Karriere wie etwa als Sergeant Johnson in "Mein Leben in seiner Gewalt" (1973) oder als William von Baskerville in "Der Name der Rose" (1986) Ganz im Gegensatz dazu glänzt der brillante Ralph Richardson (1902-1983) mit dem Porträt eines verbitterten Mannes, den sowohl das Alter als auch seine körperliche Behinderung seelisch deformiert haben. Erst unter dem Einfluss von Maria Marcello setzt eine zaghafte Wandlung zum Besseren ein. Berührend etwa die Szene, in der Charles Richmond unter Aufbietung aller seiner ihm verbliebenen Kräfte versucht, einen überdimensionalen Fisch an Land zu ziehen, um sich selbst zu beweisen, dass er noch nicht völlig am Ende ist. Auch als er Maria Abbitte leisten muss, auf dass sie zu ihm zurückkehrt, entfaltet sich Richardsons großartige Schauspielkunst.
Es wäre zu einfach, sich den Charakter von Charles Richmond damit zu erklären, dass ihn das Alter und seine Krankheit bitter gemacht haben. Vielmehr denke ich, dass er schon immer so war. Es wird mehrfach auf seine Geschäftsgepflogenheiten hingewiesen und die Tatsache, dass er die Schwäche seines Bruders zu seinen Gunsten ausgenutzt hat. Aufgrund seiner privilegierten Herkunft wurde er wohl in dem Glauben erzogen, dass ihm so ein Verhalten zukommt, weil er es sich leisten kann, sich über andere zu erheben. Niemand wagte einen Widerspruch, aus Angst, sich selbst zu schaden; viele waren von ihm abhängig. Gerade hier zeigt sich der Mut von Maria, die ihm ohne Rücksicht auf Verluste ins Gesicht sagt, was sie von seiner präpotenten Selbstherrlichkeit hält.