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Dieses Thema hat 108 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Count Villain Offline




Beiträge: 4.615

28.08.2016 15:22
#91 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #89
"Rule Britannia, Britannia rule the waves....!"

Ach, so geht der Text richtig. Ich habe immer verstanden: Britannia rule always...

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.08.2016 15:25
#92 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Du meinst, die BREXIT-Befürworter hatten damals schon die Oberhand?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.09.2016 14:40
#93 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten




16 Uhr 50 ab Paddington (Murder, She Said)

Kriminalkomödie, GB 1961. Regie: George Pollock. Drehbuch: David Pursall, Jack Seddon (Buchvorlage „4:50 from Paddington“, 1957: Agatha Christie). Mit: Margaret Rutherford (Miss Jane Marple), Arthur Kennedy (Dr. Quimper), Muriel Pavlow (Emma Ackenthorpe), James Robertson Justice (Luther Ackenthorpe), Charles Tingwell (Inspektor Craddock), Stringer Davis (Mr. Stringer), Ronnie Raymond (Alexander Eastley), Ronald Howard (Brian Eastley), Thorley Walters (Cedric Ackenthorpe), Conrad Phillips (Harold Ackenthorpe) u.a. Uraufführung (GB): 26. September 1961. Uraufführung (BRD): 2. Februar 1962. Eine Produktion von George H. Brown Productions für Metro-Goldwyn-Mayer.

Zitat von 16 Uhr 50 ab Paddington
Ackenthorpe Hall hinter der Bahnlinie von London nach Milchester erregt Miss Marples Aufmerksamkeit. Die alte Dame war im 16:50-Uhr-Zug ab Paddington Zeugin geworden, wie in einem Abteil auf dem Nachbargleis in der Nähe eben jenes Landsitzes eine Frau brutal erwürgt wurde. Da ihr die Polizei nicht glaubt und keine Leiche im Waggon oder an den Gleisen auftaucht, beschließt Miss Marple, selbst die Fährte zu verfolgen und eine Stellung als Wirtschafterin bei den Ackenthorpes anzunehmen. In dieser Funktion muss sie nicht nur nach der Leiche Ausschau halten, sondern auch die Wutausbrüche des verhassten Familienoberhaupts über sich ergehen lassen ...


Agatha Christie beschrieb Miss Marple als eine harmlos wirkende, aber sich doch stets tadellos und würdevoll verhaltende alte Dame, die aufrecht sitzt, sich keine Gemütsausbrüche erlaubt und die Beobachtungen ihrer flinken blauen Augen galant in Lebenslektionen verpackt. Der fragilen, klassenbewussten und besonnenen Dame hätte der MGM-Drehstab keine beißendere Antithese entgegenstellen können als Margaret Rutherford, das untersetzte, selbstsichere, mit dick aufgetragenen Gesten agierende Komödiengewächs. In dieser Besetzung, die als leading lady fraglos perfekt funktioniert (sonst wäre Rutherfords Miss Marple nicht zur Kultfigur und einer der bekanntesten Detektivinnen der Kinogeschichte geworden), aber eben mit den Büchern kaum etwas gemein hat, zeigt sich ein Musterbeispiel der Binsenweisheit, dass verschiedene Medien unterschiedliche Herangehensweisen erfordern und das Krimi-Unterhaltungskino der Sechzigerjahre – zu Agatha Christies öffentlich geäußertem Verdruss – mit der Originalfigur aus den Büchern nicht das Geringste anzufangen wusste.

Immerhin stellt „Murder, She Said“ eine veritable Adaption des zum Entstehungszeitpunkts jüngsten Miss-Marple-Romans „4:50 from Paddington“ dar, welche die Schlangenlinien des Buches gegen einen geradlinigen Handlungsverlauf eintauscht. Da sich die Produktionsfirma die Rechte für eine ganze Reihe von Adaptionen gesichert hatte, stand mit dem Trick, Margaret Rutherford in Personalunion die Funktionen gleich dreier Figuren der Vorlage erfüllen zu lassen, unzweifelhaft der Gedanke im Mittelpunkt, sie dem Zuschauer als omnipräsente, anpackende Detektivin für weitere Abenteuer nahezubringen. Die Drehbuchautoren David Pursall und Jack Seddon betonen vor allem mit dem Kniff, Jane Marple statt Mary-Poppins-Verschnitt Lucy Eyelesbarrow als Haushälterin ins Ackenthorpe-Anwesen einzuschleusen, die universelle Verwendbarkeit der rüstigen und wortgewandten Dame. Hierbei kommt es dem Film besonders zugute, ihn in der Originalversion zu betrachten, da die deutsche Synchronisation Miss Marples Exzentrik überzeichnet und den Film in Richtung klamaukiger Klamotte umkippen lässt, wohingegen die englische Fassung nicht albern, sondern lediglich süffisant gerät.

In dieser Form demonstriert „16 Uhr 50 ab Paddington“ eine ausgewogene Mischung zwischen Leichtherzigkeit und Spannung, wobei vor allem die dauerhafte Gefahr, in der Miss Marple schwebt, genüsslich (man möchte meinen: im Vergleich zur sehr gestrafften Romanhandlung etwas allzu ausführlich) ausgekostet wird. Sich bewegende Vorhänge, ein abendlicher Stromausfall und der diabolisch-harmlose Klang einer Spieluhr, die der Toten gehörte, sind Mittel, mit denen angenehmer Grusel geschaffen wird. Verblüffend, aber filmhistorisch wohl eher zufällig ist die Ähnlichkeit zwischen den Szenen im Lagerschuppen im vorliegenden Film und jenen im Gartenhaus in dem nur einen Monat zuvor uraufgeführten Gruselschocker „Ein Toter spielt Klavier“, die sich der gleichen zeitgenössischen Art des Spannungsaufbaus bedienen. „16 Uhr 50 ab Paddington“ ist allerdings eher für die Teestunde, der Hammer-Film für die Mitternachtssichtung geeignet.

Eine gute Arbeit leistet der George-Pollock-Film nicht nur bei der optisch einfallsreichen Ausgestaltung der Szenen auf Ackenthorpe Hall, sondern auch bei der prägnanten Zeichnung der Familienmitglieder, die beinah vergessen macht, dass dem Zuschauer am Ende eine von Christies typischen, manchmal etwas unbefriedigenden „Keiner der Verdächtigen ist der Täter“-Lösungen präsentiert wird. Vor allem James Robertson-Justice als grantelnder Kranker und Thorley Walters als Unsympath, der den Verdacht um jeden Preis von sich abzulenken versucht und dabei jeden Verwandten ans Messer liefern würde, bleiben in nachdrücklicher Erinnerung. Ein wenig dick aufgetragen wurde hingegen bei der Kinderrolle des Alexander Eastley, der zum dauerhaften Sparringspartner für Rutherford wird, an sich aber kaum etwas zur Handlung beiträgt.

Gemütlicher Krimiklassiker mit Hang zur Effekthascherei, der in der Entfernung unnötiger Komplikationen aus der Romanvorlage einen Schritt zu radikal vorging und die eigentliche Miss-Marple-Figur gleich mit hinausoperierte. Margaret Rutherford ist ein unterhaltsamer, aber kaum adäquater Ersatz für Christies Detektivin, bei dem ein starker Nostalgiebonus die sachlichen Zweifel beiseite kehren muss. 3,5 von 5 Punkten.



Fakten und Trivia zu „16 Uhr 50 ab Paddington“

* Während Hercule Poirot schon Anfang der 1930er Jahre in Gestalt von Austin Trevor auf der Leinwand ermittelte, ist „16 Uhr 50 ab Paddington“ der erste Kinofilm, in dem Christies zweite große Detektivfigur auftritt. Nur eine amerikanische TV-Adaption des Romans „Ein Mord wird angekündigt“ gab es schon fünf Jahre vor dem MGM-Projekt. Darin spielte Gracie Fields die Miss Marple und der junge Roger Moore den verdächtigen Patrick Simmons.

* Im 1957 erschienenen Roman „4:50 from Paddington“ trägt das Familienanwesen den prophetischen Namen Rutherford Hall. Das Filmteam änderte nicht nur diesen, sondern auch den der Familie von Crackenthorpe in Ackenthorpe.

* In Anlehnung an den Titel des Films, „Murder, She Said“, benannte Universal seine 1984 gestartete Krimiserie um Autorin Jessica B. Fletcher „Murder, She Wrote“ („Mord ist ihr Hobby“).

patrick Offline




Beiträge: 3.245

18.09.2016 14:43
#94 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Murder She Said (16 Uhr 50 ab Paddington, 1961)



Filmdaten

Deutscher Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington
Originaltitel: Murder She Said
Produktionsland: Vereinigtes Königreich
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 1961
Länge: 83 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Stab:

Regie: George Pollock
Drehbuch: Agatha Christie (Romanvorlage), David D. Osborn, David Pursall, Jack Seddon
Produktion: George H. Brown
Musik: Ron Goodwin
Kamera: Geoffrey Faithfull
Schnitt: Ernest Walter

Besetzung:

Margaret Rutherford: Miss Jane Marple, Stringer Davis: Mr. Jim Stringer, James Robertson Justice: Luther Ackenthorpe, Muriel Pavlow: Emma Ackenthorpe, Charles Tingwell: Inspektor Craddock, Arthur Kennedy: Dr. Paul Quimper, Thorley Walters: Cedric Ackenthorpe, Joan Hickson: Mrs. Kidder, Ronnie Raymond: Alexander Eastley (Neffe Ackenthorpe), Conrad Phillips: Harold Ackenthorpe, Ronald Howard: Brian Eastley, Gerald Cross: Albert Ackenthorpe, Michael Golden: Gärtner Hillman, Barbara Leake: Mrs. Hilda Stainton, Gordon Harris: Inspektor Bacon, Peter Butterworth: Eisenbahnschaffner, Richard Briers: „Mrs. Binster“, Lucy Griffiths: Lucy


Handlung:

Die altjungferliche Hobby-Detektivin Miss Jane Marple kann von ihrem Zugabteil aus erspähen, wie in einem anderen überholenden Zug eine Frau erdrosselt wird. Die Polizei glaubt ihr kein Wort, da weder in einem der Waggons noch auf der Strecke die Spur einer Leiche gefunden wird.
Der betagten Schnüfflerin bleibt daher nichts anderes übrig, als private Ermittlungen anzustellen, welche Sie zum Wohnsitz der wohlhabenden Familie Ackenthorpe bringen, wo eine heiße Fährte hinführt. Sie lässt sich dort als Haushälterin anstellen und lernt den bärbeißigen alten Luther Ackenthorpe und dessen Familie kennen. Seine hübsche Tochter Emma hat ein heimliches Verhältnis mit seinem Arzt Dr.Paul Quimper.
In einem Schuppen findet Miss Marple schließlich die Leiche einer Frau, welche Französin zu sein scheint und offenbar in einem Brief an Emma Ackenthorpe zu verstehen gab, mit ihrem im Krieg gefallenen Bruder verheiratet gewesen zu sein. Kurz darauf wird die ganze Familie beim Abendessen mit Arsen vergiftet, wobei lediglich Albert Ackenthorpe eine tödliche Dosis abbekommt. Harold Ackenthorpe wird später mit seiner eigenen Jagdflinte ermordet. Die Hinweise verdichten sich, dass ein Mitglied der Familie die anderen aus dem Wege räumen will um an deren Anteil aus dem zu erwartenden Erbe zu gelangen...

Humor:

Diese erste Miss-Marple-Verfilmung mit Margaret Rutherford (1892-1972) ist bereits sehr humorvoll geraten, ohne dabei in plumpe Albernheit abzugleiten. Das Rezept sollte zum Markenzeichen der Reihe werden. Der Streifen wirkt auch heute noch, trotz des altmodischen Flairs, frisch, schwungvoll und unterhaltsam und besticht in seiner typisch britischen Machart mit nicht minder typisch britischem Wortwitz, der in der deutschen Vertonung freilich wieder einmal völlig verloren geht. Eine synchronisierte Fassung würde ich mir daher auch nicht mehr ansehen. Trotz des Humors hat man es hier aber dennoch mit einem echten Krimi zu tun, da die Briten es wie kaum jemand anderer verstanden, komödiantische Aspekte mit Thrillerelementen geschickt auszubalancieren. Hier waren unverkennbar Profis mit Mut zum Altmodischen am Werk, die mit einem Augenzwinckern eine natürliche und unbeschwerte Leichtigkeit einzubringen verstanden, die den gesamten Film durchzieht. Ganz und gar nicht gelungen ist dieser Glücksgriff dagegen in dem späteren verunglückten und in pure Albernheit abgegleiteten Poirot-Film "Die Morde des Herrn ABC".

Spannung:

Die vorliegende Verfilmung vermag zu unterhalten und zu fesseln, ist durchaus spannend und bietet keinerlei Längen. Die Geschichte ist sehr rund und geschickt inszeniert. Es wird eine Vielzahl Verdächtiger angeboten, wobei es bei der Erstsichtung nicht wirklich einfach ist, den Täter zu entlarven. Die Auflösung zeigt eine doch recht schlau ausgetüftelte Story auf. Auch atmosphärisch wird bei sehr schönem Schwarzweiss einiges geboten. Alte Scheunen, stürmische Nächte und viktorianische Einrichtungen sorgen für eine liebgewonnene typisch britische Thriller-Stimmung.

Charaktere:

Für die meisten von uns ist und bleibt Margarethe Rutherford DIE Miss Marple, auch wenn sie von der literarischen Vorlage deutlich abweicht. Schuld daran sind sowohl ihr Charme und ihre Kaltschnäuzigkeit als auch die gute Chemie mit ihrem Sidekick Mr.Stringer (gespielt von Ihrem Ehemann Stringer Davis, 1899-1973) und nicht zuletzt die Qualität ihrer vier Filme. Aber auch sämtliche andere Darsteller, vom wenig feinfühligen Familientyrann James Robertson Justice (1907-1975) bis hin zum frechen und altklugen Jugendlichen Ronnie Raymond (1946-2015) überzeugen auf der ganzen Linie.

Fazit:

Auch wenn nach den vielen Fernseh-Wiederholungen dieses Klassikers, die ich bereits als Jugendlicher genoss, das Interesse daran in den Hintergrund gerückt ist, möchte ich nach wie vor dessen Qalität loben. Vor allem hatte ich nun auf DVD erstmals die Gelegenheit, den Film im Original-Ton zu sichten, was einen unbeschreiblichen Gewinn darstellt. Für diesen gewitzten und charmanten Krimi gebe ich gerne 4,5 von 5.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

25.09.2016 20:25
#95 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten



Der Wachsblumenstrauß (Murder at the Gallop)

Kriminalkomödie, GB 1963. Regie: George Pollock. Drehbuch: James P. Cavanagh, David Pursall, Jack Seddon (Buchvorlage „After the Funeral“, 1953: Agatha Christie). Mit: Margaret Rutherford (Miss Jane Marple), Robert Morley (Hector Enderby), Flora Robson (Miss Milchrest), Charles Tingwell (Inspektor Craddock), Stringer Davis (Mr. Stringer), Robert Urquhart (George Crossfield), Katya Douglas (Rosamund Shane), James Villiers (Michael Shane), Finlay Currie (der alte Enderby), Gordon Harris (Sergeant Bacon) u.a. Uraufführung (GB): 24. Juni 1963. Uraufführung (BRD): 19. Dezember 1963. Eine Produktion von George H. Brown Productions für Metro-Goldwyn-Mayer.

Zitat von Der Wachsblumenstrauß
„Aber er wurde doch ermordet, nicht wahr?“ fragt Cora Lansquenet bei der Testamentseröffnung ihres an Herzversagen verstorbenen Bruders in die Runde. Der Rest der Familie findet derlei Andeutungen offenbar nicht amüsant, denn kurz darauf ist Cora ebenfalls ruhiggestellt. Dumm für Miss Marple, die sich von der kecken Frau eine Aussage über das Ableben des alten Enderby erhofft hatte. Also mietet sich die Hobbydetektivin, die Inspektor Craddock bei der Aufklärung beider Todesfälle unbedingt zuvorkommen möchte, in das Reithotel ein, das Enderbys Bruder Hector gehört. Auch die anderen Erben sind dort zugegen, weil noch Uneinigkeiten über die Aufteilung der Hinterlassenschaft bestehen ...


Schon in den ersten Romanen und Kurzgeschichten, in denen Miss Marple bei Agatha Christie auftrat, bewegte sie sich in Milieus, die im Gegensatz zu ihrem weltläufigeren Pendant Hercule Poirot vor traditioneller Britishness nur so strotzen. Wenn schon nicht in der Zeichnung der Hauptrolle, so behielten die Verantwortlichen für die Rutherford-Reihe dieses Charakteristikum nicht nur bei, sondern bauten es nach dem eher unverbindlichen Landhauskrimi „16 Uhr 50 ab Paddington“ zu speziellen Ausflügen in einzelne quintessenziell englische Themenbereiche aus: Miss Marple wird zum Reiten, ans Theater und zur Marine geschickt, als sei sie die vorderste Repräsentantin der traditionellen Landeskultur. Darin findet sich vor allem für deutsche Zuschauer ein besonderer Reiz, der während der prägenden Phase der England als ultimatives Krimiterritorium ausweisenden Wallace-Filme auf fruchtbaren Boden fiel und dafür sorgte, dass Miss Marple in Gestalt der Rutherford die in allen Belangen eigentlich präsentere Poirot-Schöpfung hierzulande auf Platz 2 verdrängte.

Für „Der Wachsblumenstrauß“ bietet der spezielle Schauplatz zahllose Chancen, die das Autorenteam mit Vergnügen aufgriff: Auf der breiten Stimmungspalette kombinieren sie die slapstickhaften Momente des verunglückten Reiters Robert Morley mit einem als Mordwaffe eingesetzten aufgescheuchten Pferd, geben Miss Marple als wichtigsten Anhaltspunkt den Teil eines Stiefelabdrucks an die Hand und zeigen das Reithotel als gefährlichen Aufenthaltsort egoistischer Profiteure. Man mag verzeihen, dass sich die Detektivin eigentlich auf das Terrain ihres Konkurrenten vorwagt, denn der gleichnamige Poirot-Roman wurde bis zur Unkenntlichkeit abgewandelt und findet sich nur in wenigen kleinen Motiven wieder, die allerdings ähnlich dem Stil der mosaikhaft arbeitenden Rathbone-Holmes-Filme verdeutlichen, wie flüssig und schlüssig es Autoren damals gelang, Versatzstücke mit neuen Ideen zu kombinieren. Das stets vorantreibende Spiel Rutherfords sowie die auf kompakte 78 Minuten zusammengestauchte Handlung lassen dem Zuschauer ohnehin kaum Gelegenheit, distanziert über die Filmqualität zu reflektieren, sondern provozieren sofortiges Einlassen und Mitfiebern, was durch galant inszenierte Todesszenen und Leichenfunde unterstützt wird. Wie sagte noch Ariadne Oliver, Christies alter ego, in „Cards on the Table“? „What really matters is plenty of bodies! If the thing’s getting a little dull, some more blood cheers it up“ – das scheint auch das Motto dieser Serie zu sein.

In der gut gelaunten Darstellerriege profiliert sich Robert Morley mit zurückhaltendem komödiantischem Talent und gibt vor allem mit dem Entgleiten seiner Gesichtszüge stumm einige der besten Antworten des Films. Die anderen Familienmitglieder bleiben austauschbare Randcharaktere, denen der Film zugunsten einer rastlosen Dramaturgie (sie hätten ohnehin alle mehr oder minder das gleiche Motiv) überflüssige Aufmerksamkeit verwehrt. Stattdessen erhält Flora Robson als duckmäuserischer Kompagnon der herrischen Cora Lansquenet einige raffinierte Szenen. Es bleibt jedoch immer Margaret Rutherford, die den uneingeschränkten Fokus beansprucht. Da man die alte Dame ohnehin allein auf ihre brenzligeren Ermittlungen schickte und sie im Zweifelsfall auf die Unterstützung durch Inspektor Craddock zählen konnte, ist die überflüssige Rolle ihres Assistenten Mr. Stringer, mit dem sie wie mit einem kleinen Kind spricht, ein Musterbeispiel für Nepotismus in der Filmbranche: Wir sehen Stringer Davis in diesen Filmen nur, weil er mit Margaret Rutherford verheiratet war; nicht, weil er irgendeine nennenswerte Funktion erfüllen würde ...

Eine bemerkenswerte Arbeit legte mit allen vier Filmen der Reihe, aber im Besonderen mit „Der Wachsblumenstrauß“, der Komponist Ron Goodwyn ab, dessen Arbeit noch heute der am ehesten mit Agatha-Christie-Filmen in Zusammenhang gebrachte Filmscore ist, im vorliegenden Fall aber zusätzlich um ein ebenso einprägsames Motiv erweitert wurde, das an die Fanfaren bei Fuchsjagden auf hohem Ross erinnert. Der Film demonstriert gleichfalls, dass die perfekte Symbiose zwischen Musik und Inhalt keine Einbahnstraße ist, sondern räumt den memorablen Melodien auf dem Tanzabend, der für das diabolische Finale einen eigenwilligen Schauplatz bildet, kurzerhand die ihnen gebührende Bühne ein.

„Der Wachsblumenstrauß“ findet eine ansprechende Balance zwischen echtem Christie und totalem Pastiche und bewegt sich in dieser Grauzone mit Bravour. Alles andere als grau geraten Hauptfiguren und Spannungsszenen, wobei letztere von den amüsanten Momenten nicht erdrückt, sondern als bizarre Schreckmomente hervorgehoben werden. Gute 4 von 5 Punkten.



Fakten und Trivia zu „Der Wachsblumenstrauß“

* Agatha Christie betrachtete die Rutherford-Marple-Filme mit Verachtung. Statt an ihre Detektivin erinnere sie Margaret Rutherfords Darstellung an einen Jagdhund, frotzelte die Autorin. Es bereite ihr zudem ein unverbesserliches Vergnügen, dass den Filmen großer kommerzieller Erfolg verwehrt bleibe.

* Der aufmerksame Zuschauer entdeckt in „Der Wachsblumenstrauß“ Bezüge sowohl auf den Vorgängerfilm (der Rittmeister, der ebenso wie der Gärtner in „16 Uhr 50 ab Paddington“ Hillman heißt) als auch die folgende Produktion (Miss Marple benutzt hier bereits den Shakespeare-Ausspruch „murder most foul“).

* Die Kirche, die während des Vorspanns und als Hintergrund für ein Gespräch Miss Marples mit dem Pfarrer zu sehen ist, ist St John the Baptist, die Dorfkirche von Little Marlow, in der im Jahr 1932 die Beerdigungsfeierlichkeiten von Edgar Wallace abgehalten wurden.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

25.09.2016 20:29
#96 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Murder at the Gallop (Der Wachsblumenstrauß, 1963)



Filmdaten:

Deutscher Titel: Der Wachsblumenstrauß
Originaltitel: Murder at the Gallop
Produktionsland: Großbritannien
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 1963
Länge: ca. 78 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Stab:

Regie: George Pollock
Drehbuch: James P. Cavanagh
Produktion: George H. Brown für Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) (UK)
Musik: Ron Goodwin
Kamera: Arthur Ibbetson
Schnitt: Bert Rule

Besetzung:

Margaret Rutherford: Miss Marple, Stringer Davis: Mr. Stringer, Robert Morley: Hector Enderby, Flora Robson: Miss Milchrest, Charles Tingwell: Inspektor Craddock, Gordon Harris: Sergeant Bacon, Robert Urquhart: George Crossfield, Katya Douglas: Rosamund Shane, James Villiers: Michael Shane, Noel Howlett: Mr. Trundell, Finlay Currie: Der alte Enderby, Duncan Lamont: Hillman, Kevin Stoney: Doctor Markwell, Frank Atkinson: Nachtportier, Roger Avon: Polizei-Fotograf, Fred Griffiths: Kneipenwirt


Handlung:

Als Miss Marple und Mr.Stringer für wohltätige Zwecke sammeln, führt sie ihr Weg zu dem geizigen alten Mr.Enderby, der prompt vor ihren Augen tot zusammenbricht. Am Ort des Geschehens findet Miss Marple ein Stück Erde, das, wie es scheint, vom Stiefel einer anderen Person stammt und den Abdruck der Sohle wiedergibt.
Bei der Testamentseröffnung versammelt sich Mr.Enderbys gierige Verwandschaft und dessen Schwester äußert den gehegten Verdacht, dass es sich beim Ableben ihres Bruders wohl um Mord handelte. Kurz darauf wird sie selbst getötet. Auch auf Miss Marple wird ein Anschlag verübt, dem sie aber entgehen kann, bevor ein weiterer Mord an George Crossfield geschieht. Die alte Schnüfflerin, die sich im selben Reitsport-Hotel wie die liebe Verwandtschaft eingemietet hat, hegt aber bereits einen Verdacht und ist drauf und dran, dem Täter eine Falle zu stellen, wobei sie sich in ungeahnte Gefahr begibt…

Spannung:

Das bewährte Rezept von „Murder She Said“, welcher sich durch seinen erfrischenden Humor, gepaart mit einer ernsthaften Krimihandlung, auszeichnete wurde hier 1:1 übernommen und damit ein weiteres unterhaltsames Abenteuer abgeliefert. Es fehlt auch diesmal nicht an einer beachtlichen Anzahl von Verdächtigen, wobei man sich als geübter Whodunit-Konsument hier etwas leichter tut mitzuraten als beim Vorgängerfilm, da eine "auffällig unauffällige" Person immer wieder auftaucht, welche doch so oft als Täter in dieser Art Krimi fungiert.

Rein atmosphärisch kann der vorliegende Streifen m.E. die Qualität von „Murder She Said“ einigermassen halten. Zwar finde ich den alten Wohnsitz im ersten Film einfach reizvoller als die Stimmung, welche das Gallop-Hotel und das Reitsport-Ambiente vermitteln, doch wird das mit den vielen dunklen Gänge und Höfen, welche die resolute Schnüfflerin immer wieder durchwandert, recht gut kompensiert. Nicht unoriginell finde ich auch das musikalisch leicht ergänzte Titelthema.

Charaktere:

Auch diesmal werden zahlreiche sehr glaubhaft dargestellte Charaktere präsentiert, mit denen man nicht wirklich warm wird und die fast alle Dreck am Stecken zu haben scheinen. Der lediglich als erstes Mordopfer durchs Bild taumelnde Erblasser Mr.Enderby erinnert in seiner verschrobenen und zynischen Art, welche bei der Vorlesung des Testaments zum Ausdruck kommt, an James Robertson Jusice in „Murder She Said“. Sehr amüsant ist das Zusammenspiel von Margaret Rutherford und Robert Morley. Wie bereits in "Murder She Said" bekommt die alte Jungfer auch am Ende dieses Films wieder einen Heiratsantrag, den sie natürlich ablehnt. Durchaus zum Ablachen ist die Twist-Einlage von Miss Marple und Mr.Stringer.

Fazit:

Ordentlicher zweiter Streich der populären Miss-Marple-Serie, der den Kult-Status der Reihe nicht zu Unrecht weiter gefestigt hat. Es sind recht viele Parallelen zum ersten Film erkennbar und wohl auch beabsichtigt um einen ähnlichen Erfolg zu garantieren. Einen Wachsblumenstrauß sucht man hier allerdings vergeblich, was nicht gerade für die deutsche Titelgebung spricht. 4,5 von 5.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.10.2016 14:40
#97 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten



Vier Frauen und ein Mord (Murder Most Foul)

Kriminalkomödie, GB 1964. Regie: George Pollock. Drehbuch: David Pursall, Jack Seddon (Buchvorlage „Mrs McGinty’s Dead“, 1952: Agatha Christie). Mit: Margaret Rutherford (Miss Jane Marple), Ron Moody (H. Driffold Cosgood), Charles Tingwell (Inspektor Craddock), Ralph Michael (Ralph Summers), Pauline Jameson (Maureen Summers), James Bolam (Bill Hanson), Alison Seebohm (Eva McGonigall), Stringer Davis (Mr. Stringer), Dennis Price (Harris Tumbrill), Francesca Annis (Sheila Upward) u.a. Uraufführung (GB): März 1964. Uraufführung (BRD): 4. Juni 1965. Eine Produktion von Lawrence P. Bachmann Productions für Metro-Goldwyn-Mayer.

Zitat von Vier Frauen und ein Mord
Weil sie einen unschuldig des Mordes an der ehemaligen Schauspielerin Mrs. McGinty Angeklagten vor einem Fehlurteil bewahren möchte, schließt sich Miss Marple inkognito der Theatergruppe um den exaltierten Schauspieler und Produzenten Driffold Cosgood an. Nachdem auch die Ensemblemitglieder umfallen wie die Fliegen, macht die Botschaft, wer sich wirklich hinter dem Neuzugang verbirgt, rascht die Runde. Nun schwebt auch Miss Marple selbst in Lebensgefahr, denn sie hat die Spuren bis zu einer dreizehn Jahre zurückliegenden Aufführung des Stücks „Remember September“ verfolgt, welche Mrs. McGinty zu einer Erpresserin werden ließ ...


Man kann Agatha Christies Ärger über die wild zusammengepuzzelten und mit neuem Handlungskorsett zusammengehaltenen Filme durchaus verstehen, wenn man ihre Romane nicht nur als fertige Produkte betrachtet, sondern die Mühe nachvollzieht, die die Autorin selbst als erprobte Spezialistin auf ihrem Gebiet noch in das Austüfteln ihrer Plots steckte. Ihre Notizbücher geben allein für den Roman „Vier Frauen und ein Mord“, in dem Hercule Poirot zwei Morde mit Bezug auf eine Verbrecherin untersucht, die ihre Identität verschleiert hat und nun im Dörfchen Broadhinny lebt, 70 Seiten Planungsmaterial her, auf denen die Autorin alle möglichen Konstellationen durchspielte, die Verdächtigen zu den titelgebenden vier kompromittierten Frauen aus dem Artikel der Klatschreporterin zuzuordnen. Im Gegensatz zum eher unauffälligen Nachfolgerstoff „Der Wachsblumenstrauß“, bei dem man tatsächlich argumentieren könnte, dass den Filmautoren mit ihrer Neukomposition etwas Ikonischeres gelungen ist als Christie selbst, ist die Spannung in der überaus düsteren 1952er-Geschichte, die dieser Verfilmung zugrunde liegt, um ein Vielfaches höher als in der eher lapidaren, auf Familienunterhaltung gebürsteten Rutherford-Adaption.

Diese konzentriert sich zu lange nur auf die Zugkraft ihrer Heldin und die komischen Momente der Theaterclique, bevor sie mit dem sehenswerten Gastauftritt von Dennis „Dr. Armstrong“ Price und der Nennung der Schauspielerin Rose Kane das kriminalistische Feuer gebührend entfacht. Im Roman stellt die Kenntnis der Figuren aus der Vergangenheit nicht den letzten Hinweis zur Lösung des Falles dar, sondern umgekehrt die Grundlage für die Ermittlungen, was auch dem Film mit seinem abstrakten Hinweis auf „eine Rose mit anderem Namen, die duften würde“ gut zu Gesicht gestanden und zusätzliche Spannung, wie sie hier leider erst im Finale greifbar wird, verliehen hätte. Stattdessen werden die Ermittlungen im Hause der toten Mrs. McGinty (deren Ermordung vor dem Vorspann mit weniger alberner Handschrift auch tatsächlich gruselig hätte ausfallen können) sowie Miss Marples Einschleusung in Driffold Cosgoods unüberschaubare Schauspielertruppe mit einer Ausführlichkeit zelebriert, die dem knappen und effektiven Duktus der ersten beiden Filme der Reihe zuwidergeht. Ähnlich wie in „16 Uhr 50 ab Paddington“ und „Der Wachsblumenstrauß“ werden nur einige wenige Verdächtige genauer beleuchtet, was im Gegensatz zu den vorangegangenen Familienkonstellationen diesmal jedoch eher Verwirrung über eine unangemessen große und austauschbare Verdächtigengruppe stiftet.

Margaret Rutherfords gewinnende Art übertrumpft nach wie vor zahlreiche der inhaltlichen Bedenken, sodass die Bewertung des Films stark von der Prioritätensetzung des Betrachters abhängt, ob die One Woman Show der Hauptakteurin für sich genommen schon als lohnend genug für eine hohe Bewertung empfunden wird. Vor allem ihr halsstarrig-selbstzufriedener Auftritt vor Gericht als auch ihre inbrünstige Interpretation einer düsteren Ballade auf der Bühne des Palace Theatre beeindrucken den Zuschauer nachhaltig, weil sie von der starken, gewinnenden Persönlichkeit der Rolle und ihrer Darstellerin zeugen, was der herkömmlichen Filmpraxis, solche Eigenschaften nur jungen Charakteren zukommen zu lassen, einen entlarvenden Spiegel vorhält.

Neben Ron Moody, der die Grenzen des feinen, krimiverträglichen Humors nicht so sauber absteckt wie vor ihm Robert Morley und James Robertson Justice, wird nur der von Alison Seebohm verkörperten Schauspielerin Eva McGonigall nennenswerter Raum zu Ansätzen charakterlicher Entfaltung gewährt, die dann jedoch nicht zu Ende gedacht werden. Sie erfüllt gleichzeitig die Funktionen des tragischen und des geheimnisvollen Sidekicks, wobei ihre Vorahnungen und die Schlafwandlerei leider keine vernünftige Erklärung finden und somit als bloße Gimmicks des Drehbuchs verbucht werden müssen.

Mit interessanter Hintergrundgeschichte ausgestattet, demonstriert „Vier Frauen und ein Mord“ die Fähigkeit der MGM-Autoren, effektive Überführungen mit spannenden Build-ups zu verfassen. Leider steigt die Stimmung erst recht spät im sonst in puncto Nervenkitzel, Timing und Schauwerte seinen Vorgängern unterlegenen Film, der Qualitätseinbußen einer Fließbandproduktion sichtbar werden lässt. Während sich Margaret Rutherford und Charles Tingwell noch immer auf hohem Niveau duellieren, wird es schwer sein, im vorliegenden Film auch nur annähernd so erinnerungswürdige Gastdarstellerleistungen zu finden wie in den ersten beiden Beiträgen zur Reihe. 3 von 5 Punkten.



Fakten und Trivia zu „Vier Frauen und ein Mord“

* Die Ballade, die Miss Marple auf der Bühne vorspricht, schrieb Robert W. Service 1907 unter dem Titel „The Shooting of Dan McGrew“. Sie ist neben „The Cremation of Sam McGee“ das berühmteste Gedicht des nach Kanada ausgewanderten Schotten und diente Robert Kroetsch als Inspiration für seinen 1998 erschienen Roman „The Man from the Creeks“.

* Driffold Cosgood bestärkt seine Truppe, ihr Theaterstück werde sicher so lange laufen wie „Die Mausefalle“. Agatha Christies erfolgreichstes Theaterstück läuft seit 1952 durchgehend im Londoner West End – dem gleichen Jahr also, aus dem die Buchvorlage zu diesem Film stammt.

* Im gleichen Monat, in dem „Vier Frauen und ein Mord“ in Großbritannien uraufgeführt wurde, erhielt Margaret Rutherford den Oscar als beste Nebendarstellerin in Anthony Asquiths „Hotel International“. Margaret Rutherford war auf der Verleihung nicht persönlich zugegen. In ihrem Namen nahm ausgerechnet der spätere Poirot Peter Ustinov den Goldjungen entgegen.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

02.10.2016 14:41
#98 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Murder Most Foul (Vier Frauen und ein Mord, 1964)



Filmdaten:

Deutscher Titel: Vier Frauen und ein Mord
Originaltitel: Murder Most Foul
Produktionsland: Großbritannien
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 1964
Länge: 87 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Stab

Regie: George Pollock
Drehbuch: David Pursall, Jack Seddon
Produktion: Ben Arbeid
Musik: Ron Goodwin
Kamera: Desmond Dickinson
Schnitt: Ernest Walter

Besetzung:

Margaret Rutherford: Miss Marple, Ron Moody: H. Driffold Cosgood, Charles Tingwell: Inspektor Craddock, Andrew Cruickshank: Richter Crosby, Megs Jenkins: Gladys Thomas, Dennis Price: Theateragent Harris Tumbrill, Ralph Michael: Ralph Summers, James Bolam: Bill Hanson, Stringer Davis: Jim Stringer, Francesca Annis: Sheila Upward, Pauline Jameson: Maureen Summers, Annette Kerr: Dorothy, Alison Seebohm: Eva McGonigall, Windsor Davis: Sergeant Brick, Neil Stacy: Arthur, Maurice Good: George Rowton, Stella Tanner: Mrs. Florrie Harris, Terry Scott: Constable Wells


Handlung:

Ein Polizeiwachtmeister erblickt bei seinem nächtlichen Rundgang durch ein Fenster eine erhängte Person und stürmt in das Haus, wo der Vermieter neben der Leiche kniet. Über den Boden sind zahlreiche Pfundnoten verstreut. Der Fall scheint offensichtlich, doch stimmt bei dem folgenden Geschworenenprozess Miss Jane Marple zum Leidwesen Aller als einzige für „nicht schuldig“. Die Leiche, eine Frau, trug zum Tatzeitpunkt eine Rose, was etwas ungewöhnlich erscheint und nicht auf ein Treffen mit dem Vermieter schließen lässt, da zwischen den Beiden keine romantische Beziehung bestand. Miss Marple beginnt ihre Ermittlungen in der Unterkunft der Toten, wo sie sich durch deren Schwester unter dem Vorwand, für wohltätige Zwecke alte Gegenstände zu sammeln, Zutritt verschafft. Während Mr.Stringer die Schwester ablenkt, durchsucht Miss Marple das Zimmer der Verschiedenen und entdeckt eine Zeitung, aus der Teile herausgeschnitten wurden. Nach einem Vergleich mit einer vollständigen Zeitung erkennt sie, welche Buchstaben fehlen und dass die Ermordete jemanden aus einer kleinen Theatergruppe erpresst haben muss. Da sie dort logischerweise den Mörder vermutet, lässt sie sich kurzerhand unentgeltlich anstellen, nachdem sie eine Kostprobe ihres Schauspieltalents abliefert. Kurz darauf fällt ein Mitglied der Theatergruppe einer Vergiftung zum Opfer. In Miss Marples Unterkunft stirbt dann auch noch eine Frau durch Giftgas, nachdem sie mitten in der Nacht in eine Falle tappt, die eigentlich für Miss Marple selbst ausgelegt war. Bei der Theatergruppe entdeckt sie das Bild einer Frau namens Rose, welche im Zusammenhang mit einem 13 Jahre alten Stück steht, in dem auch die Ermordetet dazumal mitwirkte. Rose wurde nach dem Mord an ihrem Gatten hingerichtet und hinterließ ein Kind, das in die Obhut des späteren Opfers kam. Der Verdacht erhärtet sich, dass entweder Roses Liebhaber oder das mittlerweile erwachsene Kind, deren Identität nicht mehr ausgemacht werden können, der Täter ist…

Anmerkungen:

Wieder einmal wird eine sehr gut ausgetüftelte und spannende Kriminalgeschichte geboten, die auch logisch nachvollziehbar ist. Geschickt werden zahlreiche Verdachtsmomente kreiert, die so ziemlich jeden einbinden. Dabei stört es wenig, dass die Grundstruktur der beiden Vorgänger einmal mehr übernommen wurde. Auch diesmal lässt sich Miss Marple anstellen, um der als verdächtig in Frage kommenden Personengruppe nahe zu sein und in allen drei Filmen wohnt sie vorübergehend am Ort ihrer Ermittlungen. Auch gibt es jedesmal 3 Morde. Der deutsche Titel ist allerdings zum wiederholten mal etwas befremdlich, da es nicht wirklich schlüssig erscheint, wieso gerade „vier Frauen“ herausgehoben werden und wer damit gemeint ist. Doch tut das der Qualität des Films keinen Abbruch, der gewohnt unterhaltsam ausgefallen ist und mit mehreren Verdächtigen aufwartet, die ein Mitraten doch sehr schwierig machen. Die Gothic-Momente bleiben mehr oder weniger auf den 3.Mord beschränkt und als Setting dient in erster Linie das Theater; doch ist das ganze wieder einmal recht flott inszeniert und hat keine Durchhänger. Das Gasthaus neben dem Tatort des ersten Würge-Mordes, wo der Polizeiwachtmeister sich ein Bierchen genehmigt, trägt übrigens den Namen "The Hangmans Rest" und weist auf makabere Weise auf das folgende Geschehen hin.

Fazit:

Das ursptüngliche Schema wird beibehalten, was allerding wenig stört, da durch die ständig wechselnden Locations und das stimmige Tempo trotzdem genügend Abwechsltung geboten wird. 4,5 von 5.

Gubanov ( gelöscht )
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09.10.2016 21:00
#99 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten



Mörder ahoi! (Murder Ahoy)

Kriminalkomödie, GB 1964. Regie: George Pollock. Drehbuch: David Pursall, Jack Seddon (frei nach Agatha Christie). Mit: Margaret Rutherford (Miss Jane Marple), Lionel Jeffries (Kapitän Sydney de Courcy Rhumstone), Charles Tingwell (Chefinspektor Craddock), Joan Benham (Alice Fanbraid), Derek Nimmo (Unterleutnant Eric Humbert), William Mervyn (Kommandant Breeze-Connington), Stringer Davis (Mr. Stringer), Francis Matthews (Leutnant Compton), Norma Foster (Shirley Boston), Nicholas Parsons (Dr. Crump) u.a. Uraufführung (GB): Juli 1964. Uraufführung (BRD): 19. März 1965. Eine Produktion von Lawrence P. Bachmann Productions für Metro-Goldwyn-Mayer.

Zitat von Mörder ahoi!
Es ist etwas faul auf der Battledore! Das Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung für gestrauchelte Jugendliche, die an Bord des Segelschiffs vor der englischen Küste mit militärischem Drill wieder auf den rechten Weg gebracht werden sollen, will seinen Kollegen – darunter auch Miss Marple, der Nachfahrin des Stiftungsvaters – offenbar von einer skandalösen Beobachtung auf dem Schiff erzählen, bevor er tot zusammenbricht. Sein Schnupftabak war vergiftet worden! Welches Geheimnis soll hier unter allen Umständen gewahrt werden? Miss Marple beschließt, der Battledore ebenfalls einen Besuch abzustatten – sehr zum Unmut von Kapitän Rhumstone ...


Ähnlich wie bei anderen Hobbydetektiven stellt sich auch bei Miss Marple irgendwann die Frage, wie man die Dame sinnvoll in Kriminalfälle involvieren kann, bei denen sie erstens nicht nur aus der Zeitung vom Verbrechen erfahren und zweitens die Möglichkeit haben soll, Tatort und Verdächtige einer persönlichen Untersuchung zu unterziehen. „Mörder ahoi!“ löst diese Probleme glaubwürdiger als „Vier Frauen und ein Mord“ mit seiner gestelzten Geschworenenidee, indem Miss Marple familiäre Bande zur Stiftung zugesprochen bekommt, welche die Battledore bewirtschaftet. Auch der Punkt des ersten Mordes – just als die Szene im Aufsichtsrat etwas zu geschwätzig zu werden droht – ist gut gewählt; der übrige Film baut logisch darauf auf und stellt keine Ansprüche auf Akkuratesse in Bezug auf irgendeinen Christie-Roman. Stattdessen erhalten andere Autoren, deren Elaborate in Miss Marples Privatbibliothek fein säuberlich aufgereiht stehen, mehr Aufmerksamkeit: Während das als Vorbild für die Filmmorde immer wieder angeführte Buch „The Doom Box“ und sein dazugehöriger Verfasser J. Plantagenet Corby nie existierten, erkennt man bei genauer Betrachtung, dass Miss Marple auch „The Flying Squad“ eines gewissen Edgar Wallace gelesen hat.

Der Grund, weshalb „Mörder ahoi!“ üblicherweise als der schwächste Teil der Tetralogie angeführt wird, besteht in seinem sehr kammerspielartigen, eingeschränkten Schauplatz an Bord des Schiffs, auf dem die Geschehnisse einen Tick zu lang verharren. Immerhin wird die Atmosphäre durch die gelungene Zusammenstellung der Besatzung aufgelockert, die sich ins Zeug legt, verwirrende Fährten zu streuen und an die Exzentrik der vorherigen Filme anzuknüpfen. Dies gelingt vor allem Lionel Jeffries, dessen aufgekratzte Darstellung des Kapitäns liebenswert und irritierend zugleich ausfällt, aber auch Joan Benham, gegen die man als routinierter Krimizuschauer automatisch stärkeren Verdacht hegt als gegen ihre junge, hübsche Kollegin. Leider tappt der Film schlussendlich in die Falle, die unauffälligste Person als Mörder zu entlarven und damit einen wenig kreativen Weg zu gehen, den Agatha Christie selbst wohlwissentlich, dass er neben Überraschung auch Enttäuschung auslöst, selten einschlug. Der qualitative Unterschied zu den dénouements der drei Vorgängerfilme, die sich wenigstens grob an Christie-Stoffen orientieren, kann nicht verleugnet werden, auch wenn sich George Pollock alle Mühe gab, das Manko mit einem effektvollen Degenkampf (für den Rutherford einen Monat Fechtunterricht nahm) zu übertünchen. Die „Spezialkräfte“, die Miss Marple in ihrer Jugend bis zur Medaillenreife beherrschte, sind damit vollzählig und ein niedlicher running gag, der sich durch alle vier Produktionen zieht (Golfen, Reiten, Schießen, Fechten).

Eine gesonderte Erwähnung verdient Charles Tingwell als gehörnter Inspektor, der trotz des ihm zur Verfügung stehenden Polizeiapparats der gehässigen Miss Marple stets einen Schritt hinterherläuft. Gestalten sich Tingwells erste Auftritte noch recht zurückhaltend, so gewinnt seine Rolle im Laufe der Filme immer mehr Profil und erweckt im Zuschauer eine kuriose Mischung aus Amüsement und Mitleid, die zu Teilen sicher auch aus einer Verbrüderung mit Craddock gegen die „besserwisserische alte Jungfer“ resultiert. Im Gegensatz zu Mr. Stringer, der nie aus Miss Marples Schatten tritt, findet die Ermittlerin in Craddock einen würdigen Gegner, aber auch gelegentlichen Retter und Unterstützer.

Obgleich man spekulieren kann, die Serie wäre vielleicht nicht so erfolgreich gewesen, hätte sie mit „Mörder ahoi!“ statt mit „16 Uhr 50 ab Paddington“ begonnen, so endet die verhältnismäßig kurze Exkursion der Rutherford ins Krimigenre doch auf solidem Niveau und vor dem Auftreten allzu signifikanter Verschleißerscheinungen. Rückblickend muss man eingestehen, dass die Filme trotz ihrer Ignoranz der hochqualitativen Buchvorlagen Idealbeispiele für die Effektivität der britischen B-Film-Landschaft in den 1960er Jahren sind, die sich auf geschickte Skizzierung malerischer Milieus und auf jene Qualitäten ihrer Hauptdarstellerin verlassen, die Georg Seeßlen in seinem Buch „Mord im Kino: Detektive“ als „der lustvollen Impertinenz nicht mangelnde[] Neugier“ bezeichnet (S. 178). Sie öffnen damit auch für neugierige Zuschauer aus dem Hier und Jetzt eine reizvolle Pforte in ein vergangenes Märchenland; nur sollte dieses dringend differenziert vom Namen Agatha Christies betrachtet werden.

Marine-Flair bietet „Mörder ahoi!“ zwar nur auf sehr kleinem Fuß; dies passt jedoch zur beschaulichen Natur der Miss-Marple-Filme gegenüber den größer angelegten Poirot-Abenteuern. Margaret Rutherfords stete Leistung vom ersten bis zum letzten Marple-Teil veredelt auch diesen Fall, der zwar etwas simpel gestrickt ist, aber durchaus ordentlich unterhält und die Serie auf einer wohligen Note mit Anklängen an das Theaterstück „The Mousetrap“ ausklingen lässt. 3,5 von 5 Punkten.



Fakten und Trivia zu „Mörder ahoi!“

* Abgesehen von der Parodie „Eine Leiche zum Dessert“ und einer 39-teiligen japanischen Zeichentrickserie ist „Mörder ahoi!“ der einzige Agatha-Christie-Film, der nicht wenigstens lose auf einem ihrer Bücher oder Theaterstücke basiert. Folglich wird der Name der Autorin aus rechtlichen Gründen im Vorspann nicht genannt.

* Sowohl in den USA als auch in Deutschland wurde „Mörder ahoi!“ mehrere Monate vor „Vier Frauen und ein Mord“ uraufgeführt.

* Nicht nur Agatha Christie hatte ihre Bedenken bezüglich der Krimikomödien mit Miss Marple – auch die Verpflichtung von Margaret Rutherford erforderte langjährige Überzeugungsarbeit. Die Aktrice sagte: „Ich habe Mord nie amüsant gefunden. Ich mag nichts, was dazu angetan ist, jemanden herabzusetzen, zu entwürdigen und zu erniedrigen.“ Die vier Filme schadeten auch der persönlichen Freundschaft zwischen Christie und Rutherford nicht, der die Schriftstellerin ihren Roman „Mord im Spiegel“ widmete.

patrick Offline




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09.10.2016 21:52
#100 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Murder Ahoy (Mörder Ahoi, 1964)



Filmdaten

Deutscher Titel: Mörder ahoi!
Originaltitel: Murder Ahoy
Produktionsland: GB
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 1964
Länge: 89 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Stab:

Regie: George Pollock
Drehbuch: David Pursall
Jack Seddon
Produktion: Lawrence P. Bachmann
Musik: Ron Goodwin
Kamera: Desmond Dickinson
Schnitt: Ernest Walter

Besetzung:

Margaret Rutherford: Miss Marple, Lionel Jeffries: Cpt. Sidney de Courcy Rhumstone, Stringer Davis: Mr. Jim Stringer, Francis Matthews: Lt. Compton, Charles Tingwell: Inspektor Craddock, William Mervyn: Breeze-Connington, Joan Benham: Hausmutter Alice Fanbraid, Nicholas Parsons: Dr. Crump, Miles Malleson: Bischof, Henry Oscar: Lord Rudkin, Derek Nimmo: Humbert, Henry Longhurst: Ffolly-Hardwicke, Gerald Cross: Kapitänleutnant Dimchurch, Bernard Adams: Dusty Miller, Tony Quinn: Landstreicher Kelly


Handlung:

Miss Marple besucht eine jährliche Kuratoriumssitzung, wo eines der männlichen Mitglieder mausetot zusammenbricht, als er gerade voller Ungeduld einen mündlichen Bericht abgeben will. Der unverwüstlichen Schnüfflerin fällt sofort auf, dass der Inhalt seiner Schnupftabakdose spurlos verschwunden ist und jemand offensichtlich über die Feuerleiter flüchtete. Da allerdings versehentlich eine Prise verschüttet wurde, analysiert sie diese zuhause und erkennt, dass dem Schnupftabak Strychnin beigemengt ist. Auch hegt sie den Verdacht, dass sich der Mörder auf dem Schiff H.M.S. Battledore befinden muss, da der verstorbene Kurator dort, wie es scheint, etwas aufgedeckt hat und daher zum Schweigen gebracht wurde. Kurzerhand besteht Miss Marple nun, zum Leidwesen des Captains, darauf, einige Tage auf dem Schiff zu verbringen. Sehr bald wird dort ein weiterer Mord an einem der Offiziere verübt, dessen Leiche nun vom Mast baumelt. Das Schiff ist eine Art Besserungsanstalt für gestrauchelte Jugendliche und seltsamerweise geschehen an Land zahlreiche sich häufende Diebstähle, welche mit der Crew in Zusammenhang stehen. Ein weiterer Mord durch einen giftigen Stich bleibt nicht aus, bevor Miss Marple dem Täter gegenübersteht…

Anmerkungen:

Auch diesmal geschehen die obligatorischen 3 Morde und wieder drängt sich Miss Marple dem Verdächtigenkreis regelrecht auf, indem sie sich ungeniert in der Höhle des Löwen einmietet. Obwohl die Hafengegend und das Wasser als Ambiente ausgesprochen ansprechen sind, kämpft der Film mit den nicht wegzuleugnenden Ermüdungserscheinungen einer Serienproduktion. Auch wenn „Murder Ahoy“ sich mit den ersten drei Streifen qualitativ immer noch fast auf Augenhöhe bewegt, schleicht sich erstmals eine gewisse Übersättigung ein. Vor allem aber die Aufdeckung des Täters beeindruck überhaupt nicht mehr und man äußert dabei lediglich ein gedachtes „Aha.“ Ein großes Plus allerdings ist Miss Marples finaler Mantel-und-Degen-gerechter Fechtkampf gegen den Mörder. Dabei weist sie zum wiederholten Male als "running gag" auf eine Ihrer sportlichen Großtaten aus der Jugend hin. Diese scheint, wie man den Bemerkungen aus sämtlichen Filmen der Reihe entnimmt, recht lange, nämlich von 1910 bis 1931, gedauert zu haben. Auch der Mörder kann diesmal mit einer ähnlichen Trophäe aufwarten.

Als Miss Marples exzentrisches Gegengewicht fungiert nun Lionel Jeffries (1926-2010) und fällt dabei vor allem durch sein überzogenes Overacting auf, das unrund wirkt und deutlich hinter die Performance eines James Robertson Justice oder Robert Morley zurückfällt. Übrigens kann Miss Marple nicht unbedingt mit Ihrem Gesangstalent prahlen, was bei dem Lied „Rule, Britannia“ klar zum Ausdruck kommt.

Die britische Doppelmoral wird in ironischer Weise angeprangert, indem Liebschaften unter den Crewmitgliedern nach aussen als tabu gelten, tatsächlich aber sogar von oberster Stelle heimlich praktiziert werden.

Warum die Reihe nach diesem Film eingestellt wurde, lässt Raum für Spekulationen offen. Neben dem Umstand, dass die Produktionen sich langsam in Routine totlaufen, dürfte wohl auch der sich rasch wandelnde Filmgeschmack in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre dazu beigetragen haben. Zumindest in’s Jahr 1965 hätte aber ein weiteres Miss-Marple-Abenteuer freilich noch gepasst und dabei sicher den albernen „Die Morde des Herrn ABC“ übertroffen.

Fazit:

Weiterer unterhaltsamer Beitrag zur Reihe, der gegenüber seinen Vorgängern gewisse Schwächen zeigt, die aber durch das Ambiente, welches trotz der Routine frisches Blut einbringt, bis zu einem gewissen Grad wettgemacht werden. 4 von 5.

Gubanov ( gelöscht )
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16.10.2016 20:15
#101 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten



Mord im Spiegel (The Mirror Crack’d)

Kriminalfilm, GB 1980. Regie: Guy Hamilton. Drehbuch: Jonathan Hales, Barry Sandler (Buchvorlage „The Mirror Crack’d from Side to Side“, 1962: Agatha Christie). Mit: Angela Lansbury (Miss Jane Marple), Edward Fox (Inspektor Craddock), Elizabeth Taylor (Marina Rudd), Rock Hudson (Jason Rudd), Geraldine Chaplin (Ella Zielinsky), Kim Novak (Lola Brewster), Tony Curtis (Marty N. Fenn), Maureen Bennett (Heather Babcock), Wendy Morgan (Cherry), Charles Lloyd Pack (Vikar) u.a. Uraufführung (USA): 19. Dezember 1980. Uraufführung (GB): Februar 1981. Uraufführung (BRD): 5. Februar 1981. Eine Produktion von G.W. Films Ltd. und EMI Films für Columbia-Warner.

Zitat von Mord im Spiegel
St. Mary Mead feiert kein reguläres Dorffest, sondern zugleich die Ankunft eines amerikanischen Filmteams auf dem örtlichen Landsitz Gossington Hall, wo Szenen für den Historienfilm „Mary, Queen of Scots“ gedreht werden sollen. Auf einem Empfang erliegt eine Dorfbewohnerin einem vergifteten Cocktail, der eigentlich für die Hauptdarstellerin Marina Gregg, verheiratete Rudd, gedacht war. Hat es jemand auf Marina abgesehen? Bevor Miss Marple die Wahrheit herausfinden kann, kommt es zu einem zweiten Mord ...


Eine gewisse Verspieltheit lässt sich der als follow-up des erfolgreichen Ustinov-Poirot-Debüts „Tod auf dem Nil“ gedrehten Großproduktion nicht absprechen. So weiß gleich die Einstiegsszene, in der dem Publikum eine feine Parodie auf schwarzweiße Schlösser-und-Grusel-Krimis präsentiert wird, vollends zu überzeugen, denn der Umstand, dass wir Miss Marple hier zum ersten Mal bei der dörflichen Kinovorführung begegnen, deutet schon dezent auf die Thematik des folgenden Films hin und stellt gleichzeitig ihre Fähigkeit vor, ihre mit scharfem Auge gemachten Beobachtungen mithilfe ihrer Lebenserfahrung zu entschlüsseln. Dennoch ist „Mord im Spiegel“ dem Vergleich mit den beiden großen Sternstunden der Christie-Kinofilme, „Tod auf dem Nil“ und „Das Böse unter der Sonne“, in keiner Weise gewachsen. Obwohl die Produktion keine nennenswerten Fehler in Bezug auf die Umsetzung des Christie-Romans macht, sieht man ihr oft – und das schmälert das Vergnügen merklich – ihr Bemühen, ihre Angestrengtheit an.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich um eine im originalgetreuen Stil erzählte Aufarbeitung des 1962 erschienenen Romans, dessen Titel „The Mirror Crack’d from Side to Side“ das britisch-amerikanische Team kurzerhand auf eine besser vermarktbare Kurzform herunterbrach. Auch in anderen Punkten beschleicht den Zuschauer das Gefühl, die „harte Arbeit“ zu sehen, die die Macher in eine Popcornkino-Variante des Marple-Romans steckten: Obwohl Angela Lansbury die Figur mit deutlich mehr Fingerspitzengefühl verkörpert als Margaret Rutherford, handelt es sich doch sowohl aufgrund ihres (zu jungen) Alters als auch ihrer (zu tantenhaften) Persönlichkeit um eine maßgeschneiderte Mainstream-Miss-Marple, die dem Christie-Vorbild nicht gerecht wird. Ihr gemütliches Cottage und das herausgeputzte Dorf schwelgen in sommerlich angenehmer Kulissenhaftigkeit; den eigentlichen Dorfbewohnern, die sonst in den Fällen der Hobbydetektivin oft im Mittelpunkt stehen, wird aufgrund der Übermacht des über sie hereinbrechenden amerikanischen Filmteams kaum Luft zum Atmen zugestanden. Selbst Miss Marple wird von den präpotenten Auftritten von Elizabeth Taylor und Kim Novak an den Rand des Geschehens gedrängt.

Als ginge es darum, dem Publikum möglichst scherenschnittartige Charaktere zu präsentieren, bemühen sich vor allem Rock Hudson, Tony Curtis, Kim Novak und Geraldine Chaplin um die Erfüllung möglichst vieler Yankee-Klischees. Die Szenen mit Curtis und Novak sind stellenweise so dick aufgetragen, dass man nur von einer schlechten Schmierenkomödie sprechen kann und sich fragt, ob es wirklich immer nötig ist, dass Schauspieler so übertreiben, wenn sie Figuren aus ihrer eigenen Berufsgruppe verkörpern. Vielschichtiger – dies ist wohl Verdienst der Vorlage – fällt die zentrale Figur des gealterten Filmstars Marina Rudd aus, dem Elizabeth Taylor eine entschiedene Vulnerabilität verleiht. Oft fragt man sich, ob ihre Exzentrik echt oder nur Fassade ist, was in einer famosen Szene mit dem von Edward Fox stilecht gespielten Inspektor explizit angesprochen wird.

Das vielleicht grundlegenste Problem des Films ist seine Langatmigkeit. Die Rutherford-Filme bedachten von Anfang an, dass die kleiner ausgelegten Fälle der Hobbydetektivin Miss Marple weniger Stoff für lange Adaptionen hergeben als die umfangreicher konstruierten Meisterstücke Poirots. Die Dorfkrimis auf eine Dauer von über 90 Minuten auszuwalzen, erfordert besonderes Geschick und exzellente Kenntnis der Christie-Figuren, wie die spätere Joan-Hickson-Serie unter Beweis stellte. Mit einer auf große Geste getrimmten Verfilmung eines Spätromans wie in diesem Fall war das Scheitern aber fast schon vorprogrammiert.

Im Vergleich zu „Tod auf den Nil“ kann „Mord im Spiegel“ nur als ernsthafte Enttäuschung bezeichnet werden. Selbst die fragwürdigen Rutherford-Filme geraten im Endeffekt unterhaltsamer als dieser Film, bei dem man es in erster Linie mit einer groß aufgeblasenen Nichtigkeit zu tun bekommt, in der die (zu) sympathische Angela Lansbury als Miss Marple von rücksichtslosen oder überkandidelten Verdächtigen total verdrängt wird. Sehenswert machen „Mord im Spiegel“ einige kleinere Regieeinfälle sowie die sehr soliden Leistungen von Elizabeth Taylor und Edward Fox. 3 von 5 Punkten.



Fakten und Trivia zu „Mord im Spiegel“

* Christie-Experte Matthew Bunson bezeichnet den geschäftlichen Misserfolg von „Mord im Spiegel“ als den Wendepunkt, ab dem Adaptionen der Bücher der Queen of Crime von der großen Leinwand immer stärker in Richtung günstigerer TV-Produktionen tendierten. Tatsächlich entstanden 1980 und 1981 bei London Weekend Television die ersten britischen Christie-TV-Filme seit 1959, 1982 mit „Die Agatha-Christie-Stunde“ sogar die erste TV-Serie überhaupt, die ausschließlich auf Christie-Vorlagen basierte.

* Miss Marple überrascht ihren Neffen Dermot Craddock (der in den Romanen nicht mit ihr verwandt ist) mit ihrer Kenntnis von Phenylethylmalonyluren. Sie sagt, sie kenne es aus ihrer Kriegsarbeit im Krankenhaus von Bridge Hampton. Tatsächlich arbeitete Agatha Christie während des Ersten Weltkriegs in der Apotheke des Krankenhauses von Torquay, wo sie sich ihr profundes Wissen über Gifte aneignete, das ihr gleich in ihrem ersten Roman „Das fehlende Glied in der Kette“ (1920) zupass kam.

* Ähnlich wie bei der Rutherford-Reihe gab es auch hier nicht verwirklichte Pläne für eine Fortsetzung. Lansburys zweiter Auftritt hätte eine Adaption von „Ein Mord wird angekündigt“ werden und „Appointment with Murder“ heißen sollen.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

16.10.2016 20:15
#102 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

The Mirror Crack'd (Mord im Spiegel, 1980)



Filmdaten:

Deutscher Titel: Mord im Spiegel
Originaltitel: The Mirror Crack’d
Produktionsland: UK
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 1980
Länge: 105 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12

Stab:

Regie: Guy Hamilton
Drehbuch: Jonathan Hales
Barry Sandler
nach Agatha Christies Roman
Produktion: John Brabourne
Richard B. Goodwin
Musik: John Cameron
Kamera: Christopher Challis
Schnitt: Richard Marden


Besetzung:

Angela Lansbury: Miss Jane Marple, Geraldine Chaplin: Ella Zielinsky, Tony Curtis: Martin N. Fenn, Edward Fox: Inspektor Dermot Craddock, Rock Hudson: Jason Rudd, Kim Novak: Lola Brewster, Elizabeth Taylor: Marina Rudd, Wendy Morgan: Cherry Baker, Margaret Courtenay: Dolly Bantry, Maureen Bennett: Heather Babcock, Richard Pearson: Dr. Haydock, Eric Dodson: Mayor, Charles Lloyd Pack: Vikar


Handlung:

1953 kommt unerwartetes Leben in das kleine englische Dorf St.Mary Mead, als eine amerikanische Filmgesellschaft sich dort niederlässt, um einen Historienfilm zu drehen. Hauptdarstellerin sollte die mittlerweile in die Jahre gekommene und nach der Geburt eines behinderten Kindes psychisch aus dem Geleichgewicht geratene und daher im Filmgeschäft nicht mehr sehr präsente Marina Rudd sein. Bei einer Feier bricht Heather Babcock, ein großer Fan von Marina, urplötzlich tot zusammen. Unmittelbar davor quasselt sie ihr Idol noch voll, während diese geistesabwesend und wie gebannt auf ein religiöses Bild starrt. Eine Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass Heather Babcock vergiftet wurde und der Anschlag offenbar Marina galt. Diese bekommt in Folge auch Drohbriefe. Während der Dreharbeiten gerät sie in Panik, da mit Ihrem Kaffee etwas nicht stimmt. Tatsächlich ist diesem Arsen beigemengt. Sie verlässt fluchtartig das Set. Kurz darauf geschieht ein weiterer Mord…

Anmerkungen:

Eigentlich hat die vorliegende Geschichte eine hochinteressante Auflösung, nur krankte es bei der Umsetzung leider an allen Ecken und Enden. Angela Lansbury (geb. 1925) ist zwar dem Vernehmen nach (gelesen habe ich die Geschichten nicht) die wesentlich literaturgetreuere Jane Marple als Margaret Rutherford, allerdings vermag sie es nicht, den Film zu tragen, sondern verschwindet im Schatten der eigentlichen Hauptdarstellerin Elisabeth Taylor (1932-2011). Erst gegen Schluss hin bäumt sie sich dann etwas auf. Der offizielle Ermittler ist ihr Neffe Inspektor Craddock, gespielt von Edward Fox (geb.1937), dessen fehlendes Charisma auch keine Bereicherung für den Film darstellt. Man sollte vielleicht auch keine Vergleiche zu dem altbekannten Gespann Margaret Rutherford/Stringer Davies ziehen, ist aber irgendwie trotzdem geneigt es zu tun, was auf das hier agierende Duo leider kein sehr strahlendes Licht wirft.

Doch wäre das alles noch tolerierbar, im Vergleich mit dem viel gewichtigeren Fehlen von Spannung, dramaturgischer Qualität, Atmosphäre und interessanten Aufnahmen. Ein ernsthafter Thriller-Freund, der bereit ist Längen als manchmal notwendige Übel über sich ergehen zu lassen, wird für seine Geduld mit noch mehr Längen belohnt. Im Grunde zieht sich der ganze Film wie ein Kaugummi dahin, bis er erst gegen Schluss hin lediglich in die Nähe von Spannung mündet. Leider darf man sich auch da nicht wirklich viel erwarten, denn die recht faden Aufnahmen kommen wie Alltagsbilder daher und verstehen es nicht, der durchaus brauchbaren Geschichte angemessenes Leben einzuhauchen. Bei den Morden selbst ist nicht viel zu sehen, was den Film um ein weiteres dramaturgisches Moment bringt. Zugegebenermaßen wird dem Auge des Zusehers sowohl typisch britisches Dekor als auch saftige Günfläche präsentiert, doch sehen die Aufnahmen eher so aus, als wolle man für eine Gartenparty werben, als irgendjemanden in Thriller-Stimmung zu versetzten. Die flaue und einschläfernde Musik rundet die gepflegte Langeweile weiter ab.

Der Streifen wartet, ähnlich wie die Poirot-Verfilmungen dieser Zeit, mit einer eindrucksvollen Schauspieler-Riege auf, die jedoch den Zenit ihrer Schaffensperiode schon lange hinter sich hat und darstellerisch nicht sonderlich gefordert wird. Die 50er-und 60er-Jahre-Ikonen Elisabeth Taylor und Kim Novak (geb.1933) liefern sich ein Duell in Affektiertheit, wobei der Punkt eindeutig an Letztere geht, die in praktisch jeder Ihrer Szenen überbetont künstlich daherkommt. Da die beiden Damen dabei aber wohl bewusst eine Persiflage ihrer selbst abliefern, ist das präsentierte Zicken-Theater soweit noch in Ordnung. Tony Curtis nimmt man nur am Rande wahr und Rock Hudson bekleidet eine zwar solide, aber auch nicht wirklich nachhaltige, Altersrolle. Mit seinen graumelierten Haaren erinnert er etwas an den reiferen Cary Grant der 50er-Jahre.

Wichtig für die Auflösung sind das Gespräch zwischen Marina Rudd und Heather Babcock, das eigentlich eher ein von Letzterer getragener Monolog ist, das Bild auf welches Marina wie gebannt starrt und der Umstand, dass sie eine Fehlgeburt erlitten hatte. Mehr sei hier nicht verraten, auch wenn es für einen Zuseher mit Hobbydetektiv-Ambitionen ohnehin kaum möglich ist, den Täter und das Motiv zu erraten, bevor gewisse relevante Fakten erwähnt werden, was erst gegen Schluss hin der Fall ist. Bedauerlich, dass aus dem Film nicht mehr als ein in Punkto Spannung bedeutungsloses Vehikel geworden ist, denn Potential hätte die Story allemal gehabt. Eigentlich schade, dass ausgerechnet Goldfinger-Regisseur Guy Hamilton (1922-2016) so ein zweifelhaftes Krimi-Vergnügen ins Leben rief. Allerdings zeigte er bereits bei "Diamantenfieber", dass auf ihn leider nicht immer Verlass war.

Fazit:

Um es in aller Kürze auf den Punkt zu bringen, würden die Worte „stinklangweilig und träge inszeniert“ vollkommen ausreichen. 1,5 von 5.

Count Villain Offline




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17.10.2016 18:28
#103 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #101
* Ähnlich wie bei der Rutherford-Reihe gab es auch hier nicht verwirklichte Pläne für eine Fortsetzung. Lansburys zweiter Auftritt hätte eine Adaption von „Ein Mord wird angekündigt“ werden und „Appointment with Murder“ heißen sollen.

Schade. Den Film mit Starbesetzung hätte ich gerne gesehen. Hätten sie den besser als Erstes gedreht. Eine - wie ich finde - viel dankbarere Vorlage.

Ray Offline



Beiträge: 1.928

17.10.2016 22:29
#104 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

Hebe den Film mal für 2,99€ bei Müller erstanden und fand ihn recht gut. Das lag aber insbesondere an der Starbesetzung, die ich auch an den Poirot-Kinofilmen so schätze. Bin aber absoluter Christie-Laie. Kenne nur die Rutherford-Filme (finde ich nicht so toll), die bekannten Poirot-Kinofilme (mag ich sehr) und "Das blaue Schloss" (geht so).

Interessant finde ich noch, dass für die Figur Elisabeth Taylors das Leben Gene Tierneys Pate gestanden haben soll.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.08.2017 15:20
#105 RE: Mord auf Zelluloid: Agatha-Christie-Kinofilme Zitat · Antworten

BEWERTET: "Ein Unbekannter rechnet ab" (Deutschland / Spanien / Italien / Frankreich 1974)
mit: Oliver Reed, Richard Attenborough, Elke Sommer, Gert Fröbe, Stéphane Audran, Adolfo Celi, Herbert Lom, Maria Rohm, Alberto de Mendoza, Charles Aznavour | Drehbuch: Peter Welbeck, Erich Kröhnke und Enrique Llovet nach dem Roman von Agatha Christie | Regie: Peter Collinson

Zehn Fremde treffen zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt in einem persischen Palast in der Wüste ein. Sie folgen der Einladung eines gewissen U.N. Owen, den keiner von ihnen zuvor gesehen hat. Am ersten Abend stellt sich heraus, dass sie in eine Falle gelockt wurden: ihr unbekannter Gastgeber beschuldigt sie per Tonband ungesühnter Verbrechen und verspricht, jeden von ihnen zur Rechenschaft zu ziehen. Spätestens nach dem zweiten Todesfall wird der Gruppe klar, dass sich der Täter unter ihnen befindet. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, bei dem jeder dem anderen misstraut. Wird es gelingen, den Rächer zu entlarven? Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor das Rätsel gelöst wird?

Das Staraufgebot ist - wie immer, wenn Agatha Christie ruft - beträchtlich. Die Garantie internationaler Beachtung und Dreharbeiten in edlem Ambiente locken stets die großen Namen vor die Kamera, um eines der kniffligen Mörderrätsel umzusetzen, das die englische Schriftstellerin so vorzüglich zu Papier zu bringen pflegte. Jeder machte gerne mit, obwohl er sich gerade im Fall des düsteren "Zehn kleine Negerlein" bewusst sein musste, dass seiner Figur bald das Lebenslicht ausgeblasen wird. So stirbt die uninteressanteste Person zuerst - der Sänger Michael Raven, dessen Chansons schlecht zu dem wortlosen Morden gepasst hätten. Nach und nach scheiden alle Figuren aus, die von der Autorin für entbehrlich gehalten wurden, während sich die übrigen stärker profilieren können, was vor allem durch Geständnisse persönlicher Art und eine Fokussierung auf Emotionen gelingt. Das Kombinationstalent der Anwesenden wird leider in immer kürzeren Abständen im Keim erstickt, weil Gedanken nicht zu Ende gedacht und Spuren nicht bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgt werden. Glaubwürdig wirkt die ablehnende Haltung der Personen zueinander; es werden kaum Bande geknüpft oder Allianzen geschmiedet, selbst die sonst so klassische Liebesgeschichte zwischen Vera Clyde und Hugh Lombard bleibt steril und leidet gerade in den letzten Minuten unter dem abrupten Ende, das keine Erklärung für die Pointe abliefert, sondern sich halb verschämt, halb arrogant mit dem Schlussbild des Hubschraubers verabschiedet.

Zitat von Das Agatha Christie Lesebuch, Scherz Verlag 1990, S. 97/98
Warum weckt die Ungerechtigkeit ihres Todes bei uns kein Mitleid? Warum vergessen wir die armen Leute so schnell (...)? Vielleicht gibt es dafür eine sehr einfache Erklärung: Wir werden nicht gern daran erinnert, dass wir keine besseren Garantien für Sicherheit und Gesundheit haben als die Opfer. In unserer Verwundbarkeit sind wir alle gleich. (...) Es macht keinen Spaß, sich mit Verlierern zu identifizieren.



Einzelne Stars beeindrucken mehr als ihre Kollegen. Bei den Herren sind es vor allem Gert Fröbe, Adolfo Celi und Herbert Lom, die Akzente setzen und ihre Figuren unverwechselbar machen. Neben der Physiognomie und Entschlossenheit ihrer Darsteller liegt das vor allem an den dankbaren Figurenzeichnungen, welche diese Männer mit prägnanten Eigenschaften ausstatten, während andere blass bleiben. Leider gilt dies auch für die wichtige Rolle des Richters, den Richard Attenborough mit einer stoischen Farblosigkeit darstellt, die seine Interpretation leider zu einer der schwächsten aller Verfilmungen des Stoffes werden lässt. Sein Arthur Cannon entbehrt jeglichen Esprit und macht einen verkniffenen, faden Eindruck. Die bösen Taten, welche den Personen vorgeworfen werden, sind glaubhaft. Anders als im cosy little whodunit "Geheimnis im blauen Schloss" wirken die Charaktere teilweise verkommen und abgehalftert und nehmen ihr Schicksal fast gleichmütig auf. Das wunderbare Shah Abbas Hotel in Isfahan bildet eine Kulisse wie aus dem Märchen, liefert aber zugleich eine klinische Umgebung ohne Gruselatmosphäre. Im Gegensatz zu dem Alpenschloss, dessen Schwarzweiß von Licht und Schatten profitiert, fühlt man die Bedrohung in den eleganten, fließenden Räumen nie wirklich. Ein Pluspunkt ist das Gewitter, das die Wohlfühlatmosphäre in den freundlich ausgeleuchteten Sälen jedoch noch steigert. Momente der Gefahr drohen höchstens in der Szene im Maschinenraum, wo vor allem Gert Fröbe für eine Steigerung des Adrenalinspiegels sorgt.

Die drei Damen Maria Rohm, Elke Sommer und Stéphane Audran sind sehr unterschiedlich und während man von der ersten leider kaum etwas sieht - sie trägt nicht nur eine Sonnenbrille, sondern erfährt auch ein rasches Ende - können die Deutsche und die Französin deutlich markanter aufspielen. Es dauert ein wenig, bis Sommer ihr Potential zeigen kann, weil sie zu Beginn recht bieder inszeniert wird. Ihre Anhänglichkeit an den bad Boy Oliver Reed ist deutlich unharmonischer als in den übrigen Verfilmungen und sie schwingt sich erst zu vollen Höhen auf, als sie aus dem Klischeebild der bedrohten Schönheit ausbrechen darf. Stéphane Audran hat es leichter. Ihre Figur ist von Beginn an von zweifelhafter Natur; der Zuschauer muss sich fragen, ob sie eine berechnende Lügnerin und rücksichtslose Intrigantin ist oder einfach nur Pech in ihrem früheren Leben hatte. Sie ist die Frau mit Vergangenheit und dient allein von der Optik her als Gegengewicht zu der braven Vera Clyde. Trotz der erlebten Enttäuschungen jammert sie nicht, sondern erhebt ihren Kopf über die Stolpersteine des Lebens, dem sie nach wie vor die Stirn bietet. Sie ist eine der wenigen Figuren, die Verdachtsmomente auf sich lädt und von der Bühne abtritt, bevor man ausreichend über sie erfahren hat. Maria Rohm steht diese Möglichkeit der Entfaltung mangels Spielzeit nicht zur Verfügung. Standesunterschiede wie in "Geheimnis im blauen Schloss" spielen hier keine Rolle, weil die Damen und Herren der Gesellschaft im selben Boot sitzen und sich auch dementsprechend benehmen.

Opulente Interieurs, imposante antike Säulen und die Wärme des Wüstensands sorgen für das von Agatha Christie so geliebte exotische Ambiente. Abstriche müssen leider teilweise bei der Spannung und einigen Schauspielern (Attenborough, Aznavour und streckenweise Reed) gemacht werden, ebenso zeigt die Produktion beim Schnitt oft wenig Feingefühl. 4 von 5 Punkten

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