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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 494 mal aufgerufen
 Giallo Forum
Prisma Offline




Beiträge: 7.591

15.11.2015 14:00
Die Mörderklinik (1966) Zitat · Antworten



DIE MÖRDERKLINIK

LA LAMA NEL CORPO / LES NUITS DE L'ÉPOUVANTE / DAS MONSTER AUF SCHLOSS MOORLEY / NIGHT OF TERRORS (I|F|1966)
mit William Berger, Mary Young, Françoise Prévost, Barbara Wilson, Philippe Hersent, Germano Longo, Harriet Medin und Delfi Mauro
eine Produktion der Ci. Ti. Cinematografica | Leone Film | Orphée Productions | im Alpha Filmverleih
ein Film von Elio Scardamaglia





»Ich freue mich auf die Erfahrung, die Geliebte eines Mörders zu sein!«



Dr. Robert Vance (William Berger) betreibt eine Heilanstalt, in der Patienten mit angeschlagener psychischer Konstitution betreut werden. Da die Einrichtung sehr abgeschieden liegt, sollen seine Schutzbefohlenen von der vorhandenen Ruhe profitieren, jedoch wird durch diese Voraussetzung auch ein unheimlicher Frauenmörder angelockt, der seine Opfer mit einem Rasiermesser tötet. Doch es scheinen sich noch weitere Geheimnisse in dem alten Gemäuer zu verbergen. Aus dem oberen Stockwerk sind sehr beunruhigende Geräusche zu vernehmen. Als man der Sache auf den Grund gehen will, kommt es zu einer schauerlichen Entdeckung. Derweil mordet das Phantom weiter und in der Klinik scheint es von Verdächtigen nur so zu wimmeln...

Bereits der Vorspann mit seinen nahezu verheißungsvollen Klängen erweist sich nicht nur als atmosphärische Einführung in Elio Scardamaglias Beitrag, sondern der Zuschauer bekommt auch gleichzeitig eine sehr charakteristische Einführung in das bevorstehende Szenario geboten, da es sich um eine karussellartige Führung durch das titelgebende Gemäuer handelt. Die abwechselnd eingeblendeten Lettern, die die beteiligten Darsteller groß ankündigen, stehen sinnbildlich für die bemerkenswerten Leistungen des Ensembles, sodass man sich entspannt und erwartungsvoll zurücklehnen darf. Blitzschnell kommt es zum ersten Mord, der in Verbindung mit der morbiden Atmosphäre für Aufsehen sorgen wird, auch die Konstellationen werden rasch durchleuchtet, damit man nach einer kurzen Einspielphase weiß, mit wem man es zu tun bekommt. Zumindest scheint es so. Dieser schnelle, und ebenso konsequente Einstieg legt die Vermutung nahe, dass man es mit einem erfahrenen Regisseur zu tun hat, jedoch zeigt sich beim Betrachten von Elio Scardamaglia, der eigentlich als Filmproduzent tätig war, dass "Die Mörderklinik" auch gleichzeitig seine komplette Filmografie darstellt. Solche Gegebenheiten kann man zwar skeptisch betrachten, doch hier sollte man nur das Naheliegende tun und sich einfach auf diese Wundertüte der Unterhaltsamkeit konzentrieren. Eine in Schwarz gehüllte Gestalt schleicht im prunkvollen Ambiente, beziehungsweise in einem Set umher, das sehr aufwendig und der Zeit entsprechend originalgetreu simuliert wirkt. Es entstehen sehr spannende Phasen, wenn beispielsweise die Zielscheiben des Mörders um ihr Leben rennen müssen. Generell fällt das gelungene Spiel mit Licht und Schatten auf, die entstehenden Kontraste sorgen für Stimmungen, meistens der unbehaglicheren Art.







Nach einiger Zeit kristallisiert sich deutlich heraus, dass die Regie auf ein gedrosseltes Erzähltempo setzt, zugunsten einer Art Detail-Verliebtheit und dichten Zeichnung der beteiligten Charaktere, so dass die Kulturgäste des Hauses auch hinlänglich vorgestellt werden, um sie im weiteren Verlauf kritisch und empfindlich durchleuchten zu können. Die Marschrichtung, beziehungsweise die allgemein angewandte Strategie wird diesem Beitrag einen nahezu kultivierten Charakter verleihen, das Aufsparen von Effekten und expliziten Gewaltspitzen kommt dem ruhigen Verlauf zugute, da unter diesen Voraussetzungen die Pointen viel klarer und in Reinkultur wirken können. In diesem Zusammenhang soll natürlich ebenfalls erwähnt werden, dass es sich bei Scardamaglias Beitrag um einen atypischen Giallo handelt, dessen Konturen sich mit etlichen anderen Genres verschmelzen, um gedankliche Brücken zu schlagen. Und aus dieser empfundenen Ausgewogenheit schöpft der Verlauf seine Kraft, da es mangels Spektakel viele einladende Alternativen geben wird, die den geneigten Zuschauer fesseln möchten. Die bunte und gefährliche Welt rund ums Sanatorium hat zahlreiche Abhandlungen erfahren, charakteristische bis interessante Beiträge stellen beispielsweise Fernando Di Leos "Das Schloss der blauen Vögel" oder Pierre Chenals "Die Schamlosen" dar, doch eines haben diese, meistens sehr streng ortsgebundenen Bonbons alle gemeinsam: nämlich, dass sie auf der Basis der angeschlagenen Psyche, der trüben Vergangenheit und dunklen Geheimnisse eine Absolution in sich darstellen, um die bizarrsten, abenteuerlichsten und verwirrendsten Blüten zu treiben. Zu diesem Zweck dreht sich das Karussell der angeschlagenen Gemütszustände in hohen Umdrehungen und die Insassen geben im Spektrum von Wahnvorstellungen bis Schizophrenie einige überzeichnete Vorstellungen zum Besten.

So treten immer neue Personen auf, die Verwirrung stiften, viele von ihnen wirken geheimnisvoll und unberechenbar, ja eigentlich agieren die meisten von ihnen so, als seien sie dem Wahnsinn nah, oder als hätte er sie bereits längst eingeholt. In diesem Zusammenhang muss die Besetzungsliste erwähnt werden, die mit vergleichsweise wenigen großen Namen des Geschäfts aufwartet, sogar vielmehr mit Schauspielern, deren Filmografien nicht gerade üppig wirken. Wie dem auch sei, in solchen Fällen muss es eben zu einer gehörigen Portion Überzeugungsarbeit kommen, die hier glücklicherweise nicht ausbleibt. Das Sanatorium wird von keinem geringeren als William Berger, alias Dr. Robert Vance geleitet, alleine seine Präsenz sorgt für die nötigen Momente zwischen Skepsis und Vertrauen. An seiner Seite sieht man Mary Young, die hier in ihrem zweiten und letzten Film zu sehen ist. Sie entfaltet eine vereinnahmende Aura und jongliert dabei mit einem, dem Empfinden nach unüberwindbaren Distanzaufbau. Die Diskussionen über eheliche Rechte und Bürden mit ihrem Mann scheinen alltäglich zu sein. William Berger strahlt seine gewohnte Souveränität aus. Es scheint, als sitze er Probleme einfach aus, im Zweifelsfall kommt es kurzerhand zu naturwissenschaftlichen Betrachtungen. Diese Strategie provoziert Temperament und Emotionen seiner Gattin, die gerne giftig die Krallen ausfährt, sich in schwerwiegende Vorwürfe und Beschuldigungen hüllt. In diesen Situationen macht sich die teilweise präzise Dialogarbeit bezahlt, wenngleich der Film insgesamt durch seine Dialogarmut auffällt, und eher mit der opulenten Bildsprache zu punkten versucht. Durch seine tatkräftigen Darsteller bekommt "Die Mörderklinik" einen interessanten Schliff, vor allem weil sich bekannte und unverbrauchte Gesichter hier die Klinke in die Hand geben und zur Dynamik des Verlaufs beitragen.







In diesem Zusammenhang muss natürlich auch Françoise Prévost als die namhafteste weibliche Darstellerin der Produktion genannt werden, die sich mit William Berger die Funktion der Zugpferde teilt. Die verschlagen wirkende Französin bereichert jede, nach zweifelhaften Charakteren dürstende Geschichte ungemein. Hier wird sie nach der kurzen, aber schmerzvollen Trennung von ihrem Mann von Dr. Vance aufgelesen und wo könnte man sich schneller und nachhaltiger erholen als in seinem Sanatorium? Der neue Kurgast Gisèle lebt sich jedenfalls umgehend ein und damit erst gar keine Langeweile aufkommt, nimmt sie das alte Gemäuer und die Herrschaften des Hauses etwas genauer unter die Lupe, um aus purer Neugierde wenigstens noch Profit schlagen zu können, doch das Temperament der gewohnheitsmäßigen Erpresserin wird schnellstens ausgebremst. Prévost liefert eine beachtliche Leistung ab, genau wie beispielsweise Delfi Mauro, Philippe Hersent und vor allem Barbara Wilson, als umwerfend aussehende Krankenschwester des Etablissements. Der zentrale Punkt für Angst und Verbrechen ist und bleibt die Klinik, die neben den sorgfältig eingeführten Charakteren ein weiteres Geheimnis birgt. In der Anfangsphase des Films kommt es zu ersten Andeutungen in Verbindung mit Zuständen von Insassen, die auf den Zuschauer zunächst wie Wahnvorstellungen wirken. Es existiert eine obere Etage, für die der Zutritt strengstens untersagt ist. Man hört Geräusche, man nimmt Schritte wahr, doch wirken diese Hinweise lediglich wie Einbildungen der Patienten, bis sich der Verdacht bestätigt, dass sich dort ein Monster befindet. Die Karten werden mit jeder kruden Verhaltensweise der Personen neu gemischt, so dass der Verdacht auch mehr oder weniger auf jeden einzelnen gelenkt wird, doch die Hintergründe bleiben über lange Strecken nebulös.

Insgesamt wird das eigentliche Thema nie aus den Augen verloren. Man nimmt beobachtende Blicke wahr, weitere Existenzen steuern auf ein abruptes Ende zu, Leichen kommen, gehen und verschwinden und im Bereich der beunruhigenden Szenen bekommt man ein paar wenige Zero-Effekte geboten, wie beispielsweise das Experimentieren an einem Hamster, oder weitere Morde, bei denen das Blut jedoch nicht gerade in Fontänen sprudeln wird. Die Kamera hält sich dabei an die Gesetze des Ambientes und wirkt zwar interessiert, hinterlässt vielleicht sogar kultivierte Absichten, allerdings kommt es nicht zur exzessiven Experimentierfreudigkeit, da man hauptsächlich auf konventionelle Grusel-Zutaten setzt, die ihre Wirkung über Kontraste und Schattenspiele aufbauen. Das letzte Drittel des Films wird mit der Offenbarung des Monsters eingeleitet. Werden sich also nun die Effekte halsbrecherisch überschlagen? Die Antwort lautet nein, doch das Tempo wird über forcierter, direkter und geschliffener wirkende Dialoge gesteigert, außerdem wird das alte Gemäuer von immer lauteren Schreien durchzogen. Die permanent vorhandene atmosphärische Dichte erweist sich nicht nur als gelungenes Stilmittel, sondern vor allem als adäquates Gegengewicht zum manchmal zu behäbigen Tempo. Beim Thema Spannung kommt man ebenfalls durchgehend auf seine Kosten, da das ständig kursierende nervöse Element eine geheimnisvolle Grundstimmung schürt, außerdem kann man sich auf eine abwechslungsreiche Auflösung mit diskretem Whodunit freuen. "Die Mörderklinik" geht schließlich als Film in die persönliche Filmhistorie ein, der nicht zuletzt wegen seines klaren Aufbaus punktet und insgesamt sorgsam durchdacht wirkt. Zustande gekommen ist schließlich ein mörderischer, beziehungsweise klinischer Spaß, der in den Sphären der landläufig bekannten Gialli als nahezu aristokratisch wirkendes Exemplar in Erinnerung bleiben wird. Top!

Josh Offline




Beiträge: 7.928

16.11.2015 21:41
#2 RE: Die Mörderklinik (1966) Zitat · Antworten

Danke für dieses hervorragende Review, es steigert meine Vorfreude auf den Film. Leider muss ich noch bis Mitte Dezember auf die Scheibe warten

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

22.11.2015 21:10
#3 RE: Die Mörderklinik (1966) Zitat · Antworten

Danke! Ich hoffe mal, dass "Die Mörderklinik" auch deinen Geschmack treffen wird, ist nämlich nicht gerade ein Giallo, wie man ihn sich vorstellt. Mir hat die alternative Herangehensweise ziemlich gut gefallen, ich finde, dass man im weiteren Sinne sogar fast schon einige Bezüge zu den Wallace-Filmen herstellen kann. Bin gespannt, wie der Film dir gefällt, oder ob er dir überhaupt gefällt.

Josh Offline




Beiträge: 7.928

23.11.2015 21:31
#4 RE: Die Mörderklinik (1966) Zitat · Antworten

Ich bin auch gespannt, bei Gialli bin ich ja eher konservativ, aber anderen Genres bin ich ja eigentlich für jeden Mist zu haben.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

12.12.2015 09:46
#5 RE: Die Mörderklinik (1966) Zitat · Antworten

Gestern gesehen: ein nicht uninteressanter, stets latent spannend bleibender Gruselkrimi in einem schönen Setting. Der Ende des 19. Jahrhunderts spielende Film sorgt auch durch die fast in jeder Szene vorhandene, etwas beunruhigende Musik für stetig leichte Gänsehaut. Als Giallo im eigentlichen Sinn ist er in meinen Augen jedoch nicht zu betrachten, dafür fehlen einige Stilelemente. Der Mörder in der Kutte erinnert mich eher an einige Wallace-Gruselkrimis, denn an ital. Kriminalfilme der 70er. La lama nel corpo, der Originaltitel ("Die Klinge im Körper"), weckt da vielleicht auch falsche Assoziationen, denn der Film ist (Gott sei Dank) reichlich unblutig und bezieht seine Spannung aus Dramaturgie, Bildaufbau, Location und Musik. Die deutschen Alternativtitel Das Monster auf Schloß Moorley und Das Ungeheuer in der Mörderklinik gefallen mir da wesentlich besser.
Insgesamt ein schöner Mit-60er-Gruselkrimi nach Whodunitmuster!

P.S.: Auch wenn der Film in England spielt, gedreht wurde er dem Schloss nach in Italien. Dem Aussehen des Schlosses nach eventuell im Veneto.
P.P.S.: Mich wundert erneut die in den 60ern praktizierte Unsitte, sämtlichen Darstellern und Stabmitgliedern englische Pseudonyme zu geben. Ich habe nur eine Videoaufzeichnung des Films mit deutschem Vorspann, dort hat man den Eindruck, es handle sich um eine rein englische Produktion. Es war der Versuch, den ital. Film zu internationalisieren, in meinen Augen aber auch ein ausdrückliches Zeichen fehlenden Selbstbewusstseins der Italiener. Selbst Sergio Leone und Ennio Morricone gaben sich in den 60ern engl./amerik. Pseudonyme...

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

13.12.2015 12:25
#6 RE: Die Mörderklinik (1966) Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag #5
P.P.S.: Mich wundert erneut die in den 60ern praktizierte Unsitte, sämtlichen Darstellern und Stabmitgliedern englische Pseudonyme zu geben.

Genau das ist mir auch erneut aufgefallen, als ich die Namen nach der Filmsichtung mal durchgegangen bin. Einige der Darsteller haben ja nur ganz wenige Auftritte in ihren Filmografien zu Buche stehen und daher lag die Vermutung nahe, dass Pseudonyme und Echtnamen bei Filmdatenbanken vielleicht nicht als identisch erkannt werden, aber es ist offenbar tatsächlich so, dass hier Schauspieler dabei waren, die wirklich keine Karrieren hatten, was aber nicht heißen soll, dass sie durch weniger überzeugende Leistungen aufgefallen wären. No Names mit mutmaßlich internationalem Flair angestrichen, zumindest hier.

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