Ludwig Linkmann (* 16. Juni 1902 in Gießen, † 2. Juni 1963 in Westerland / Sylt)
Ludwig Linkmann wurde in der kleinen (und auch meinen) hessischen Universitäts-Stadt Gießen geboren, wo er mit längeren Unterbrechungen auch bis in die letzten Jahre vor seinem Tod lebte. Gelernt hatte er zunächst das Schmiede-Handwerk. Aber schon früh zog ihn die Bühne mächtig an. Als Statist wirkte er ab mitte der 20er Jahre im heimischen Stadttheater mit. Als im Jahr 1927 in Shakespeares "Sommernachtstraum" der Darsteller des 'Zettel' erkrankte, sprang Linkmann mit Freuden ein. Es wurde die große Chance seines Lebens. Als ihm kurz darauf ein Engagement an dem - viel später von Dieter Wedel 'en passant' in gleich mehreren Filmproduktionen als besonders provinziell verspotteten - Stadttheater Gießen angeboten wurde, nahm er unverzüglich an und blieb den heimischen Brettern bis 1931 treu. Von 1931 bis 1933 war Linkmann dann am Preußischen Theater Gera tätig und von 1933 bis 1938 am Hessischen Landestheater Darmstadt. 1938 bis 1944 agierte er in Berlin auf der Volksbühne, welche die Stätte für seine Entwicklung zu einem der großen Charakterdarsteller des deutschen Theaters wurde.
Von 1947 bis 1953 gehörte Linkmann zum Ensemble des Schauspielhauses Düsseldorf. Zu seinen Rollen hier zählten der 'Banditen-Unterhauptmann' in "Die Banditen" (1948), der 'Bäcker' in Pagnols "Die Frau des Bäckers" (1951), der 'Narr' in Shakespeares "Wie es euch gefällt" (1951), der 'Fischer' in Giraudoux´ "Undine" (1952) und 'Habakuk' in "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" (1952). ---------- Zum Ende seines Engagements in Düsseldorf hier eine kleine Anekdote am Rande:
"Kinnhaken in der Kulisse" Im Parkett der Gründgens-Bühne applaudierten noch die Zuschauer, als Regisseur Peter Gorski, 28, Adoptivsohn Gründgens´, die Leistung des Schauspielers Ludwig Linkmann in der Düsseldorfer Erstaufführung von Hofmannsthals "Der Unbestechliche" mit einem soliden Kinnhaken quittierte. Dieser einseitige Faustkampf - es folgten noch zwei weitere Volltreffer an den Kopf des ehemaligen Grobschmiedes und späteren Filmschauspielers Linkmann - war die Vorbereitung der 48 Stunden später von Gustaf Gründgens ausgesprochenen fristlosen Entlassung des Düsseldorfer Publikumslieblings Linkmann. Ludwig Linkmann, 51, und seit seiner frühesten Jugend gleichermaßen mit körperlicher Arbeit vertraut, wie auf kluge Zurückhaltung trainiert, ließ die Schläge ohne Widerstand passieren. "Wer Gorski schlägt, trifft Gründgens", hatte es Wochen vorher bei der Auseinandersetzung zwischen Regisseur Fritz Peter Buch und Regieassistent Peter Gorski geheißen. Buch und Gorski waren grundsätzlich verschiedener Ansicht über die Inszenierung des "Unbestechlichen". Zwei Tage vor der Premiere wechselte die Regiebesetzung: Buch ging, Gorski rückte vom Assistentenplatz auf den Regisseurstuhl. An den Ausgang der Differenz Buch-Gorski dachte Linkmann, als er auf die Folgerung von "Aug'' um Auge, Zahn um Zahn" verzichtete. In der gleichen Samstagnacht mied Linkmann die inoffizielle Premierenfeier und besuchte statt dessen offiziell seinen Hausarzt. Der bestätigte ihm eine mittelschwere Gehirnerschütterung und unterschrieb das Attest. Ludwig Linkmann meldete sich am nächsten Tage krank.
Gustaf Gründgens wog währenddessen zwischen dem Regisseur und Menschen Gorski und dem Schauspieler und Menschen Linkmann ab. Am Schluß senkte sich die Waage zugunsten Gorskis. Ludwig Linkmann, seit Offenbachs "Banditen" im Düsseldorfer Opernhaus, 1948, beliebtes Mitglied des Gründgens-Ensembles, wurde fristlos gekündigt. Grund: mangelnde Disziplin, Nichtbefolgen der Regieanweisung, Gefährdung der Ensembleleistung. Tatsächlich war Linkmann bei der Hofmannsthal-Premiere nach Ansicht einiger Kritiker aus der Reihe getanzt. Der Regieauffassung von Fritz Peter Buch nahestehend, hatte er sich an dessen Anweisungen gehalten. Bei der Premiere stand Gorski hinter der ersten Kulisse und kreidete Linkmann seine schauspielerischen Fehler an. Linkmann verbat sich nach dem ersten Akt die Störungen des Regisseurs. Es gab eine kurze Auseinandersetzung. Linkmann spielte seine Rolle weiter, wie sie ihm und Buch vorschwebte. Er stieß sich an den Einwänden Gorskis genau sowenig, wie er viel früher im "Alpenkönig und Menschenfeind" Differenzen mit Fritz Kortner aus dem Wege gegangen war. Am Schluß jubelte das Premierenpublikum Linkmann zu. Als er zum wiederholten Male auf die Bühne gerufen wurde, ließ Gorski den Vorhang endgültig schließen. Die Besucher applaudierten vergebens. Im Geiste noch in der Titelrolle des "Unbestechlichen", ging Linkmann zu seinem Regisseur und sagte ihm im hessischen Dialekt zwei wenig schmeichelhafte Worte. Gorski stellte den sich brüsk Abwendenden hinter den Kulissen. Der Rest war Anlaß zu Linkmanns Krankheitsurlaub. Wenige Tage nach dem Premierenzwischenfall waren alle Rollen Linkmanns in Düsseldorf bereits umbesetzt. "Ihr seid so liebe Menschen", hatte Linkmann bei seiner Antrittsfeier zu Kolleginnen und Kollegen der Gründgens-Bühne gesagt. Sein Abschied vollzog sich weniger feierlich. Der Name Linkmann verschwand über Nacht von allen Plakaten der Gründgens-Bühne. Ludwig Linkmann hat, trotz seines unbestrittenen Niveaus als Vollblutkomödiant, nie zum engen Kreis der Gründgens-Bühne gehört. Freunde nennen ihn einen verträumten, weichherzigen Menschen, der auf eine von ihm eigenhändig und mit allen Raffinessen der Kochkunst aufgegossene Kanne Kaffee stolzer als auf seine schauspielerischen Leistungen sei. in Hofmannsthals "Der Unbestechliche" spielte er den redlichen Diener Theodor. (aus 'Spiegel Online') ----------
1953 wechselte Linkmann an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wo er als 'Dorfrichter Adam' in Kleists "Der zerbrochne Krug", als Titelfigur in Molières "George Dandin" (immer eine seiner liebsten Rollen), 'Babberley' in "Charleys Tante", 'Isolani' in Schillers "Wallensteins Tod" und 'Orgon' in Molières "Tartuffe" zu sehen war. Die Zeit als feinhumoriger, behender Komödiant am Deutschen Schauspielhaus stellte den Höhepunkt von Linkmanns Theaterlaufbahn dar.
Seit 1939 wirkte Ludwig Linkmann auch als Nebendarsteller in verschiedenen Filmen mit, darunter berühmte Streifen wie "Hanussen", "Der Hauptmann von Köpenick", "Der Maulkorb" oder "Alt Heidelberg". Eine kleine aber auffallend schöne Rolle neben Heinz Rühmann bekleidete Linkmann in "Der eiserne Gustav" als 'Paulchen'. Besonders interessant für die Themen des hiesigen Forums waren Linkmanns Auftritte in den kriminalistisch angehauchten Filmen "Nasser Asphalt", "Peter Voss, der Millionendieb" - und vor allem natürlich als 'Henry Longvale' in "Der Rächer". Linkmann verkörperte den Schlossherren Longvale als freundlich-skurrilen älteren Herrn, der, augenscheinlich ein wenig aus der Zeit gefallen, aus scheinbar putzigem Interesse einem modernen Filmteam sein Anwesen - und ein wenig sich selbst - als Set zur Verfügung stellt. Allerdings nicht ganz ohne Hintergedanken....
Leider erkrankte Ludwig Linkmann zu Beginn der 60er Jahre an Krebs und verstarb im Alter von nur knapp 61 Jahren bei einem Krankenhausaufenthalt in der Nordseeklinik Westerland auf Sylt.
Filmografie (IMDB): 1963: Das kleine Hofkonzert - Musikalisches Lustspiel aus der Welt Carl Spitzwegs (TV Movie) - Poet Knipps 1962: Der tolle Tag (TV) - Antonio, Schloßgärtner 1962: Golden Boy (TV) - Mr. Bonaparte 1961: So viele Kinder (TV) - Slippy Wokingham 1961: Zwei unter Millionen - Bienert 1960: Wenn die Heide blüht - Heidebewohner 1960: Der Rächer - Henry Longvale
1960: Kein Engel ist so rein - Diakon Plinius 1959: Peter Voss, der Held des Tages - Rechtsanwalt Perrier 1959: Alt Heidelberg - Kellermann 1959: Neues aus dem sechsten Stock (TV) - Marcenac 1959: Der Fall Pinedus (TV) - Vagabund 1958: Solange das Herz schlägt - Dr. Bernburg 1958: Der Schinderhannes (ohne Credit) 1958: Der eiserne Gustav - Paulchen Klinke 1958: Peter Voss, der Millionendieb - van Zanten 1958: Der Maulkorb - Kanzler 1958: Die Sache mit Kasanzew (TV) - Notkin 1958: Der Mann im Strom - Herr Buchmann 1958: Das Pflichtmandat (TV) - Angeklagter Fowle 1958: Grabenplatz 17 - Ein Arzt 1958: Schmutziger Engel - Direktor Franke 1958: Nasser Asphalt - Tanek 1958: Die Abiturientin (TV) - Professor Dr. Dominik Cibula 1957: Das Herz von St. Pauli - Täto-Willi 1957: Helden (TV) - Bulgarischer Major Paul Petkoff 1957: Nachts im grünen Kakadu - Prof. Hagedorn, Psychiater 1957: Der gläserne Turm - Blume 1957: Abu Kasems Pantoffeln (TV) - Bettler Dschebadad 1957: Minna von Barnhelm (TV) - Just 1957: Die Zürcher Verlobung (ohne Credit) 1956: Heidemelodie - Windewitt 1956: Der Hauptmann von Köpenick - Betrunkener Zivilist 1956: Ich und meine Schwiegersöhne - Hauswart Zielke 1955: Kein Alibi - Lokalredakteur Becker 1955: Hanussen - Herr Scholz 1954: Neues aus dem sechsten Stock (TV) - Marcenac 1954: Künstlerpech (TV) - Müller II 1949: Die Reise nach Marrakesch - Bobby 1948: Via Mala - Die Strasse des Bösen -- Der Amtsdiener 1947: ... und über uns der Himmel - Georg 1945: Der Fall Molander (ohne Credit) 1945: Leuchtende Schatten (ohne Credit) 1942: Die Erbin vom Rosenhof - Schäufele 1942: Der Strom - Bürgermeister 1940: Der Kleinstadtpoet - Friedrich Klemke 1940: Die Rothschilds -- Leib Herch - Mayer Amschels Faktotum 1939: Kornblumenblau (ohne Credit)
Der gefühlt kürzeste Gesangsauftritt der Welt, dennoch ein Genuss. Ludwig Linkmann als 'Paulchen' in "Der eiserne Gustav"
Kleiner Nachtrag zu Gießen: Ich finde es ja recht beachtlich, dass mit dem 'Hai' Richard Münch und mit dem 'Rächer' Ludwig Linkmann gleich zwei berühmte Wallace-Bösewichter im beschaulichen Gießen geboren wurden....
Wie schon woanders erwähnt, war ich sehr überraschend, als ich erstmals Ludwig Linkmanns Geburtsjahr erfahren habe. Natürlich gab es zu dieser Zeit einige Schauspieler, die älter wirkten, als sie waren, und entsprechend besetzt wurden. Aber in seinem Fall ist es nicht nur das Gesicht; auch von der Art zu sprechen, der Körperhaltung und Bewegung her wirkt er wie Mann jenseits der 75. Als Schauspieler ist mir Linkmann bisher nur in dieser Rolle untergekommen. Falls ihn jemand auch in anderen Filmen gesehen hat: Wirkte er dort auch körpersprachlich so? Oder war es vielleicht Teil der Rolle, da Henry Longvale der Vergangenheit extrem verhaftet ist (er kleidet sich wie ein Mensch des 19. Jahrhunderts und verehrte seinen Vorfahren, der in eine noch frühere Zeit gehört).
Zitat von Savini im Beitrag #3Wie schon woanders erwähnt, war ich sehr überraschend, als ich erstmals Ludwig Linkmanns Geburtsjahr erfahren habe. Natürlich gab es zu dieser Zeit einige Schauspieler, die älter wirkten, als sie waren, und entsprechend besetzt wurden. Aber in seinem Fall ist es nicht nur das Gesicht; auch von der Art zu sprechen, der Körperhaltung und Bewegung her wirkt er wie Mann jenseits der 75. Als Schauspieler ist mir Linkmann bisher nur in dieser Rolle untergekommen. Falls ihn jemand auch in anderen Filmen gesehen hat: Wirkte er dort auch körpersprachlich so? Oder war es vielleicht Teil der Rolle, da Henry Longvale der Vergangenheit extrem verhaftet ist (er kleidet sich wie ein Mensch des 19. Jahrhunderts und verehrte seinen Vorfahren, der in eine noch frühere Zeit gehört).
Tatsächlich hat Linkmann dieses ältliche Auftreten in allen mir bekannten Rollen. Spontan fallen mir der Diener in "Der gläserne Turm" ein wie der Kneipenbesucher in "Der Hauptmann von Köpenick". Einen Gutteil dazu bei trug stets auch seine gebrechlich wirkende Stimme. Dass er dann häufig das Rollenfach des ängstlich-wirschen alten Mannes übertragen bekam, verwundert wenig. Bemerkenswert ist aber wirklich, dass Linkmann in all diesen Rollen nicht einmal 60 Jahre alt war. In gewisser Weise verbindet ihn das mit Schauspielern wie Bobby Todd oder Joseph Offenbach. Bedenkt man, dass beide noch einmal zwei Jahre jünger waren als Linkmann, bedienten sie doch ähnliche Rollenfächer. Ein Endfünfziger aus heutiger Zeit könnte dagegen deren Sohn verkörpern - rein optisch betrachtet. Man denke beispielsweise an Klaus J. Behrendt, der heute schon über 60 ist und den jovialen Tatort-Kommissar mimt. Da hat sich schon einiges verändert.
Danke für die Antwort! Wobei ich Offenbach nicht als so krass "alt wirkend" wahrgenommen habe.
Seinen Auftritt in Käutners "Hauptmann" hatte ich gar nicht bemerkt (und in der Filmliste übersehen). Wahrscheinlich war er der ältere Mann, der den angetrunkenen Soldaten immer wieder mahnt: "Mach dir nich´ unglücklich, noch biste Soldat!".
Es fällt doch häufig auf, dass Leute damals viel älter aussahen, als heute. Das ist auch ganz klar: Viele (vor allem Männer) mussten durch zwei Weltkriege gehen - mit allem, was dazugehört: Hunger, Angst, unbehandelten Krankheiten, Traumata. Das macht doch etwas mit einem und hinterlässt auch äußerlich Spuren. Seht euch doch heute mal einen 45jährigen Obdachlosen und einen 45jährigen Banker oder Politiker an: Da liegen auch Welten dazwischen! Das Leben und die Lebensumstände formen. So gesehen wundert es mich nicht, wenn v. a. Schauspieler der 60er älter aussehen, als sie waren...
Sicher kommt es einem so vor, wenn man es mit Menschen derselben Altersklasse heutzutage vergleicht. Aber bei manchen Schauspielern dürfte es selbst zu dieser Zeit extrem gewesen sein, wenn man sie in Rollen besetzte, deren Alter ihr eigenes deutlich überstieg. Oder wenn jemand (wie eben hier Linkmann) nicht nur vom Gesicht, sondern auch von seinen Bewegungen her wie ein um einige Jahrzehnte älterer Mann wirkte.
Zitat von Savini im Beitrag #5 Danke für die Antwort! Wobei ich Offenbach nicht als so krass "alt wirkend" wahrgenommen habe.
Nein, nicht so sehr wie im Falle Linkmann. Offenbach kam mir in all den Rollen, aus denen ich ihn kenne, stets irgendwie gleichaltrig vor.
Zitat von Savini im Beitrag #5 Seinen Auftritt in Käutners "Hauptmann" hatte ich gar nicht bemerkt (und in der Filmliste übersehen). Wahrscheinlich war er der ältere Mann, der den angetrunkenen Soldaten immer wieder mahnt: "Mach dir nich´ unglücklich, noch biste Soldat!".
Linkmann oder Offenbach? Tatsächlich ist Linkmann genau dieser Kneipengast, der den Randalierer immer wieder mahnend zurückhalten will. Offenbach spielt den buckligen Schneidergehilfen.
Ansonsten ist es halt genau so, wie Georg schreibt. Andersrum formuliert sind es wohl vorrangig die positiv entwickelten Umwelteinflüsse der jüngeren Vergangenheit, die zu allgemein erheblich weniger Belastung und damit Alterungsprozess geführt haben werden. Weniger körperliche Arbeit dürfte hinzukommen. Auch sicher nicht unerheblich: Auf die Entbehrungen zweier Weltkriege sowie die Zeiten der Mangelwirtschaft jeweils danach folgte die Überkompensation in der Wirtschaftswunderzeit mit allen möglichen Verlockungen im Übermaß, die zuvor entbehrt wurden. Demgegenüber wuchsen die heute Sechzigjährigen, geboren in den 1960er Jahren, in unbeschwerter und zunehmend von einem veränderten Körpergefühl geprägten Zeit auf.
Zitat von Jan im Beitrag #8Linkmann oder Offenbach? Tatsächlich ist Linkmann genau dieser Kneipengast, der den Randalierer immer wieder mahnend zurückhalten will. Offenbach spielt den buckligen Schneidergehilfen.
Natürlich meinte ich Linkmann; der Schneidergehilfe ist ja eine in mehreren Szenen auftretende Rolle mit relativ viel Text, so dass man Offenbach leicht identifizieren kann.