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Dieses Thema hat 306 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Lord Peter Offline




Beiträge: 621

20.12.2015 12:44
#151 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Wobei "Maigret" die Milieustudien und die Präsentation der gescheiterten Charaktere um einiges subtiler und damit besser gelingt, als dem mMn oftmals zu dick auftragenden Reinecker. Hier wird innerhalb des Polizeiteams viel zuviel resümiert und breitgetreten, bis es auch der begriffsstutzigste Zuschauer endlich kapiert hat, während die englischen Autoren die Charaktere und ihre Lebensumstände für sich sprechen lassen. Beide Serien sind Krimiserien, was Reinecker aber gerade bei den späteren Folgen gerne mal vergaß, wenn er die immer wieder gern genommenen Handlungs- und Personenbausteine zum 20. Mal wiederverwertet hat und der Kriminalfall nicht mehr als der Aufhänger für die Präsentation gescheiterter Existenzen in düsteren Lebensumständen war. Möglich, daß "Der Kommissar" auch im Kontext seiner Entstehungszeit betrachtet werden muß, aber mir persönlich hat er nie sonderlich zugesagt, während "Maigret" praktisch eine "Liebe seit der ersten Folge" ist.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

20.12.2015 15:28
#152 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

@Berthold Deutschmann

Vielen Dank für das liebenswürdige Feedback sowie für die gebührende Würdigung der Tätigkeit von Eileen Diss. Leider wird ihr Name wird im deutschen Abspann nicht erwähnt. Seien es die gemütliche Wohnung der Maigrets, das behagliche Büro des Kommissars, die Gaststuben und Hinterzimmer der Bistros und Restaurants, die Ladengeschäfte und Büros, die mondän möblierten Villen der Begüterten und die bescheidenen Wohnungen der Mittel- und Unterschicht - alles atmet französische Atmosphäre.



Die Wohnung der Maigrets in "Maigret und die Tänzerin Arlette" und in "Maigret und sein Revolver"



Das Vorzimmer und das Büro von Kommissar Maigret in "Maigret und die Tänzerin Arlette" sowie in "Maigret hat Skrupel"



"Maigret in der Liberty Bar" und "Mein Freund Maigret"



Das hochherrschaftliche Ambiente in den Villen von Dr. Bellamy in "Maigret nimmt Urlaub" sowie von Professor Gouin in "Hier irrt Maigret"



Die Kleinbürger-"Idylle" von Madame und Monsieur Martin und die Behausung der "verkrachten Existenz" Roger Couchet in "Maigret und der Schatten am Fenster"

Mir sind bisher lediglich zwei minimale Hinweise auf das Ursprungsland dieser un-englischsten englischen Serie, die ich bisher gesehen habe, aufgefallen:



Das Praxisschild von Dr. Gillaume Serre in “Maigret und die Bohnenstange” sowie eine Wandnotiz in der Pension von Mademoiselle Clèment in “Maigret als möblierter Herr”

@schwarzseher Was die Parallelen zwischen Maigret - wenn auch in der Version mit Jean Gabin - zu “Der Kommissar” angeht, so wurden diese bereits von mir thematisiert: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen (36) Was die Fassungen mit Rupert Davies angeht, so würde ich in meinen Ausführungen keinerlei Änderungen machen. Ergänzen sollte man noch, dass es mitunter durchaus ähnliche Szenen in "Kommissar Maigret" und in "Der Kommissar" gibt, zum Beispiel lässt Kommissar Maigret in “Maigret als möblierter Herr” einen jungen Kriminellen zunächst erst etwas essen, bevor er ihn ausgiebig verhört, und auch Kommissar Keller beordert seine Sekretärin Fräulein Rehbein in “Der Tod fährt 1. Klasse” mit einem Tatverdächtigen zum Essen in die Kantine. In beiden Serien werden überdies gelegentlich im Büro die Mahlzeiten eingenommen. Kommissar Maigret isst in “Hier irrt Maigret” ein belegtes Brötchen und bestellt sich in “Maigret und der Kopflose” ein Sandwich zum Bier, während Kommissar Keller und seine Mitarbeiter unter anderem in “Toter Herr im Regen” Würstchen verspeisen.

Ich stimme übrigens mit Lord Peter nicht überein, denn gerade das Lokalkolorit finde ich in “Der Kommissar” - meine deutsche Lieblingskriminalserie - ausgezeichnet getroffen. Eine umfangreiche Besprechung des Falles zwischen den Ermittlern, die gern auch ausführlich sein darf, denn Nachdenken ist allemal besser als blinder Aktionismus, empfand ich nie als störend. Übrigens gibt es dergleichen auch bei “Maigret”.
Und wie bei seinem französischen Kollegen hat auch der Kommissar aus München es nicht ausschließlich mit gescheiterten Existenzen zu tun sondern im Gegenteil mit einem breiten Spektrum der Bevölkerung, das Wohlhabende ebenso einschließt wie Kleinbürger, Verwahrloste und Berufsverbrecher. Gerade dass “Der Kommissar” sich mit den Schattenseiten des Lebens in allen Gesellschaftsschichten beschäftigt, macht ihn für mich so interessant und ebendies empfand ich nie als Wiederholung sondern im Gegenteil als eine Bereicherung.

Was ich hingegen uneingeschränkt teile, ist die Liebe auf den ersten Blick zu Rupert Davies als Kommissar Maigret:

Zitat
„Maigret-Fans werden keine weiteren Informationen brauchen; diejenigen, die die Bekanntschaft noch vor sich haben, seien gewarnt, dass Maigret süchtig machen kann.“
„Maigret fans will need no further information; those who have yet to make his acquaintance are warned that Maigret is habit-forming.“

(Zitiert nach: “Best Sellers” From the United States Government Printing Office, Band 27, 1967, S. 457)



Lord Peter Offline




Beiträge: 621

25.12.2015 19:54
#153 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Jedem seine Meinung. Meinen persönlichen Geschmack traf "Der Kommissar" eben nicht, aber alles Ansichtssache. Vielleicht habe ich bei dem Dutzend Folgen, das ich gesehen habe, auch einfach Pech gehabt (andererseits waren darunter "legendäre" Fälle wie "Grauroter Morgen" und "Der Papierblumenmörder"). Ich bin auch mit den Nachfolgern "Derrick" und "Der Alte" nie wirklich warm geworden, war einfach nicht mein Ding. Bei "Maigret" dagegen sprang sofort der Funke über, ähnliches habe ich zuvor nur bei "Van Der Valk" erlebt (Kindheitslieben wie "Mit Schirm, Charme und Melone" mal ausgenommen).

Gelöschtes Mitglied
Beiträge:

26.12.2015 08:09
#154 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Tja, so verschieden können Meinungen nun mal sein. Ich persönlich liebe ja den alten schwarzweiß-Serien-Klassiker "Der Kommissar" mit dem väterlichen Erik Ode seit meiner Jugend, da ich damit in den frühen 70er-Jahren quasi aufgewachsen bin und mittlerweile alles auf DVD habe. Und auch für Dich wäre zumindest das Synchronsprecher/-innen-Festival in dieser Serie bestimmt ein wahrer Leckerbissen gewesen. Dafür konnte ich wiederum mit "Kommissar Maigret" noch nie was anfangen, da dieser Funke bei mir halt nicht gezündet hat. Trotzdem finde ich es richtig gut, dass es hier so viele Fans von ihm und anderen Klassikern gibt, da gerade dies das Forum so flexibel und informativ macht.

Gruß
Klaus

"Henry Lightman, nochmal werd' ich Ihren Tee nicht trinken!"

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

27.12.2015 12:54
#155 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten









“Maigret und sein Toter”
(“The Winning Ticket”)


Regie: Harold Clayton

Drehbuch: Giles Cooper

Darsteller: Rupert Davies (Kommissar Jules Maigret), Helen Shingler (Madame Maigret), Ewen Solon (Lucas), Noel Howlett (Comeliau), George Pravda (Jan Bronsky), Harold Kasket (Marchand), Nadja Regin (Maria), Norman Mitchell (Gaston), Sian Pryce (Mimi), Henry Soskin (Albert Rochain), Marianne Stone (Nina Rochain), Michael Ripper (Ferdinand Lemere), Paul Stockman (Serge Madok), Wolfe Morris (Carl)

Literarische Vorlage: “Maigret et son mort” (“Maigret und sein Toter”) von Georges Simenon


Der folgende Beitrag enthält Spoiler.


“Ach, ich wünschte, ich wäre englischer Kriminalbeamter. In England mischt sich kein Mensch in den Fall, bis er vor Gericht verhandelt wird. Und hier wollen sie Antworten auf Fragen, die man sich gerade erst selbst gestellt hat. Das macht mich krank!”
(Maigret)

“Hör zu, du musst feststellen, wer in Paris und Umgebung einen gelben Citroën hat. Das ist ‘ne Lebensaufgabe für dich.”
(Lucas zu Lapointe am Telefon)

“In der Picardie geht’s zu wie im Mittelalter. Da treibt eine Bande ihr Unwesen. Sie überfällt einsame Bauernhöfe, ermordet sämtliche Bewohner auf viehische Weise und nimmt alles mit, was sie findet. Hier - “Die Metzger der Picardie”.”
(Maigret)

“Sag mal, wer ist Onkel Théophile, von dem du mich gegrüßt hast?”
(Madame Maigret)
“Das war Lucas.”
(Maigret)

“Warum bist du eigentlich so aufgekratzt?"
(Madame Maigret)
“Weil ich den Namen des Toten weiß. Albert.”
(Maigret)
“Albert? Weiter nichts?”
(Madame Maigret)
“Nein. “Le Petit Albert”. Seine Bar heißt auch so.”
(Maigret)
“Warum hast du das Monsieur Comèliau nicht gesagt?”
(Madame Maigret)
“Ich denk’ gar nicht dran. Der kann kleine Bars nicht leiden, aber ich.”
(Maigret)

“Du musst hier ‘n bisschen kochen und meine Frau spielen. Nein, nein, nur tagsüber natürlich ...”
(Lucas zu Mimi am Telefon)

“Ich bin froh, wenn du die Stöcke endlich los bist. Wie willst du damit einen Verbrecher verfolgen?”
(Maigret)
“Ich kann sie ihm ja ins Kreuz werfen ...”
(Lucas)

“Übrigens was macht dein Bein?”
(Maigret)
“Vielen Dank, aber es tut immer noch weh.”
(Lucas)
“Das ist der Schmerz, daran gewöhnt man sich.”
(Maigret)

“Wenn das ein Bauer war, ess’ ich für den Rest meines Lebens Rüben.”
(Maigret)

“Was wollen Sie in diesem Fall unternehmen?”
(Comèliau)
“Den Mörder fassen.”
(Maigret)
“Ich denke, Sie waren dabei, als er die Tat beging. Man sollte annehmen, dass Sie es da schon versucht haben.”
(Comèliau)
“Oh, das habe ich auch, Monsieur. Ich habe ihn angefleht, zu bleiben, aber er wollte nicht. Hier, Lucas sprang hinter ihm her. Aber leider ...”
(Maigret)
“Ich hatte leider keinen Fallschirm ...”
(Lucas)

“Sollten Sie jemanden verhaften, möchte ich sofort informiert werden.”
(Comeliau)
“Auch wenn Sie schlafen, Monsieur?”
(Maigret)

“Warum wollten Sie sie los sein?”
(Maigret)
“Warum? Weil es Bestien waren ...”
(Hotelier)

“Sind die Stühle hier nicht abgestaubt worden? Warum bietest du Monsieur keinen Platz an?”
(Maigret zu Lucas)

“Sagen Sie, wissen Sie denn überhaupt etwas?”
(Comèliau)
“‘n bisschen schon ...”
(Maigret)

“Na Kind, antworten Sie ihm doch. Umso schneller sind wir ihn wieder los.”
(Krankenschwester zu Maria über Maigret)

“Das ist doch kein Schlafen. Warum ziehst du dich nicht aus und legst dich richtig ins Bett?”
(Madame Maigret)
“Ich möchte lieber ein Glas Bier.”
(Maigret)

“Wenn das Comèliau ist, du hast mich seit Wochen nicht mehr gesehen.”
(Maigret zu seiner Frau beim Klingeln des Telefons)

“Was sind das nur für Menschen? Unfassbar sowas!”
(Maigret)

“Maigret! Ihre Frau sagte mir, Sie wären hier. Ich bin gekommen, um gegen diese skandalöse Vernachlässigung Ihrer Pflichten zu protestieren. Anstatt sich mit aller Energie dafür einzusetzen, dass dieser Fall endlich gelöst wird, finde ich Sie hier - in einem Nachtlokal, an der Bar.”
(Comèliau)
“Ja, da haben Sie vollkommen recht. À la vôtre, Monsieur!”
(Maigret)


Kommissar Maigret erhält einen Telefonanruf, von einem Mann, der sich weigert, seinen Namen zu nennen, jedoch seine Ehefrau Nina erwähnt. Der Anrufer befindet sich auf der Flucht, da er um sein Leben fürchtet. In der selben Nacht wird die Leiche eines Mannes an der Place de la Concorde aus einem fahrenden Citroën geworfen. Der Tote ist erstochen worden. Erst nach intensiven Ermittlungen stellen Maigret und seine Mitarbeiter fest, dass es sich bei dem Ermordeten um den Barbesitzer Albert Rochain handelt. “Le Petit Albert”, das Lokal des Ermordeten, ist verwaist. Von seiner Frau Nina fehlt jede Spur. Maigret beordert Lucas als vermeintlichen neuen Inhaber in die Bar. Als im Beisein des Kommissars dort ein gewisser Victor erschossen wird, führt ihn das auf die Spur einer höchst gefährlichen Bande von illegalen Einwanderern, die in der Picardie auf ebenso skrupellose wie brutale Weise Raubüberfälle auf Landwirte begangen haben, bei denen sie innerhalb von sechs Monaten siebzehn Menschen ermordeten.

Anmerkungen:

Zitat
“”Na, dann wollen wir mal den alten Affen aufsuchen” brummte Maigret vor sich hin, der den Richter Comèlieau nie hatte riechen können. Er wusste, dass dieser ihn sehr kühl empfangen und ihm die als schlimmsten Vorwurf gemeinte Bemerkung an den Kopf werfen würde: “Ich habe Sie schon erwartet, Herr Kommissar.” Am liebsten würde er ihm darauf antworten: “Das habe ich mir gedacht.” Er amüsierte sich selber köstlich über diesen Einfall. Seit halb drei Uhr morgens lebte Maigret nur noch für seinen Toten.”

“Zivilisierte Menschen fürchten sich vor wilden Tieren, besonders vor denen ihrer eigenen Rasse, die sie an die längst vergangenen Zeiten erinnern, als ihre Ahnen noch in den Wäldern hausten.”

“Die Straßen waren öde und leer, und die Stille wirkte nach dem Wirbel der letzten Stunden fast unheimlich. Nichts erinnerte mehr an die Razzia. Die Lampen hinter den Fenstern waren erloschen. Alles schlief, außer denen, die man in die Präfektur gebracht hatte, außer Maria, die gewiss gerade im Krankenhaus ihr Kind gebar, und Lucas, der vor der Tür auf- und abging. Maigret stellte, wie er es versprochen hatte, zwei Männer auf Wache, gab ihnen genaue Anweisungen und musste an der Rue de Rivoli eine ganze Weile warten, bis ein Taxi kam. Es war eine klare, kühle Nacht.”

(Georges Simenon: “Maigret und sein Toter”)



In “Maigret und sein Toter” wird erneut eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele unternommen. Die Episode beschreibt anschaulich, wie dünn die Tünche der Zivilisation sein kann, wenn sich das Animalische Bahn bricht. Nicht von ungefähr vergleicht Simenon die kriminellen Akteure im Roman des öfteren mit wilden Tieren. Kommissar Maigret nennt im Film Maria eine “Tigerin”, die buchstäblich um sich beißt.

Wie bereits gewohnt hat Drehbuchautor Giles Cooper in seiner Adaption einige Veränderungen gegenüber Georges Simenons Roman vorgenommen.
Inspektor Colombani von der Sûreté Nationale, der Kommissar Maigret bei seinen Ermittlungen unterstützt, wurde ebenso eliminiert wie einige Nebenfiguren. Statt Inspektor Chevrier, der im Roman mit seiner Gattin Irma das “Petit Albert” zeitweise bewirtschaftet, wird dies in der Fernsehfassung von Inspektor Lucas und einer gewissen Mimi übernommen, wobei Kommissar Maigret, den Lucas gegenüber dem Stammgast Gaston pikanterweise als seinen Schwiegervater ausgibt, beim Ausschank alkoholischer Getränke weitaus fachkundiger agiert als sein Mitarbeiter. Die gravierendste Abweichung besteht jedoch darin, dass die “Metzger der Picardie” - wie sie übrigens nur bei Cooper, nicht allerdings bei Simenon - sehr treffend genannt werden, in der literarischen Vorlage weitaus ausführlicher charakterisiert werden als in der Fernsehfassung, wo man gerade einmal ihre Namen erfährt. Das Innenleben der Bande ist von einer moralischen Verkommenheit geprägt, die der Brutalität bei ihren kriminellen Aktivitäten in nichts nachsteht. Die Gangsterbraut Maria, die obgleich sie selbst ein Kind erwartet, dazu fähig ist, im Angesicht eines jungen Mädchens deren Mutter zu foltern, unterhält zu sämtlichen Bandenmitgliedern sexuelle Beziehungen, was zu Hass und Eifersucht führt und darin gipfelt, dass einer der Verbrecher seinen Kumpan umbringt und sich anschließend voller Selbstgefälligkeit abführen lässt, während in der Fernsehfassung beide während einer Schießerei mit der Polizei auf der Strecke bleiben. Die ausgedehnte Verfolgungsjagd auf Victor im Roman, der grundsätzlich relativ viel Action enthält, hätte sich für eine Verfilmung geradezu angeboten, doch lies man diese Möglichkeit ungenutzt. Während Maigret im Roman zum Schutz unbeteiligter Personen ausdrücklich darauf verzichtet, den Hintermann der Bande in den “Folies Bergère”, wo dessen Geliebte als Tänzerin auftritt, zu verhaften, findet die Festnahme in der Verfilmung in der Tat an deren Arbeitsplatz statt, der als “Club Mozambique” angegeben wird.

Maigrets Erkältung, die den Kommissar bewegt, sich nach Hause zu begeben, um seinen Schnupfen auszukurieren, entstammt hingegen exakt dem Roman, nur dass der literarische Maigret seine Erkrankung als willkommener Anlass dient, sich aus dem Trubel am Quai des Orfèvres ins heimische Bett zu flüchten, während er in der Fernsehadaption - zum Leidwesen seiner wie stets liebevoll um ihn besorgten Gattin - schnellstmöglich wieder seiner gewohnten Tätigkeit nachgeht.
Die bewegende Schlusssequenz zwischen Maigret und Alberts Witwe Nina wurde ebenfalls vollständig aus dem Roman übernommen, wobei Rupert Davies wieder einmal die tiefe Mitmenschlichkeit und Güte des Kommissars deutlich macht.

Dass sich der dynamische Inspektor Lucas bei der Verfolgung von Victors Mörder das Bein verletzt, ist eine Erfindung von Cooper, die für einige erheiternde Momente sorgt. Die unterhaltsamsten Auftritte liefert dieses Mal jedoch ausgerechnet der ebenso humorlose wie beschränkte Untersuchungsrichters Comèliau, der sich in einer Art Running Gag die gesamte Folge über erkundigt, wie weit die Ermittlungen von Kommissar Maigret gediehen sind, darüber aber weder von diesem noch von Lucas zufriedenstellend informiert wird. In völliger Verkennung der Umstände hält Comèliau sogar die Festnahme des Haupttäters im"Club Mozambique" für ein innerhalb der Dienstzeit abgehaltenes Trinkgelage von Maigret.

“Maigret und sein Toter” zeigt erneut die Neigung des Kommissars zur Musik. Als die Identität von Albert Rochain feststeht, summt er - wie bereits in anderen Episoden - erfreut vor sich hin. Die von Victor zurückgelassene Mundharmonika, immerhin ein wichtiges Indiz, nimmt Maigret sogleich an sich, um darauf zu musizieren.

Michael Ripper (1913-2000) ist das wohl vertrauteste Gesicht unter den Gaststars dieser Folge. Bekannt wurde er durch seine regelmäßigen Auftritte als Nebendarsteller in Streifen der Produktionsgesellschaft Hammer Films.

Den ungleich stärkeren Eindruck hinterlässt jedoch Nadja Regin in ihrer Rolle als Maria. Die jugoslawische Schauspielerin (Jahrgang 1931) trat in ihrer Karriere unter anderem in zwei James-Bond-Filmen auf (als Ali Kerim Beys Geliebte in “Liebesgrüße aus Moskau” sowie als Bonita in “Goldfinger”)

Abschließend ein Zitat zum Vergleich von "Kommissar Maigret" mit Rupert Davies und "Der Kommissar" mit Erik Ode:

Zitat
"Vaterfigur des "Kommissars" ... , den das ZDF kurz zuvor in der Besetzung von Erik Ode etabliert hatte, der sich wiederum ... an der Darstellung des Maigret durch Rupert Davies orientiert hatte. Die Maigret-Serie war Mitte der Sechziger Jahre auch im deutschen Fernsehen erfolgreich und hatte eine europäische Variante der bis dahin stark amerikanisch geprägten Fernsehermittler durchgesetzt."

(Knut Hickethier: "Die umkämpfte Normalität. Kriminalkommissare in deutschen Fernsehserien und ihre Darsteller" in Karl Ermert / Wolfgang Gast (Hg.): "Der neue deutsche Kriminalroman. Beiträge zu Darstellung, Interpretation und Kritik eines populären Genres" Rehburg-Loccum 1985, S. 189-206)

Berthold Deutschmann Offline




Beiträge: 194

30.12.2015 13:41
#156 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

"Maigret und sein Toter" gehört zusammen mit "Maigret stellt eine Falle" zu den Maigrets, die man filmisch umsetzen könnte mit einem sehr hohen Grad an Brutalität. In ersterem werden einfache Leute vom Land von einer Gangsterbande solange bestialisch gefoltert, bis sie ihr Geldversteck preisgegeben haben, aber das nützt ihnen gar nichts, denn sie verlieren, damit keine Zeugen übrigbleiben, auf jeden Fall ihr Leben. Im zweiterwähnten Maigret werden mehrere Frauen in Paris von einem einzelnen psychopathischen Serientäter umgebracht.

Beide Fälle wurden als Comic hervorragend umgesetzt. Es sind die einzigen Maigret-Comics, die ich von ihrer künstlerischen Qualität her ohne Einschränkungen empfehlen kann, es gibt sie antiquarisch in mehreren Sprachen:

http://www.trussel.com/maig/bandes.htm

Was man im Film nicht so leicht hinkriegt, ist hier in den Comics verwirklicht: Maigret-Portraits in unterschiedlichem Alter. In "Falle" hat der Zeichner Philippe Wurm Maigret als einem Mann unter 40 präsentiert, in "sein Toter" hingegen als einen über 50, jedoch vom Typ her gleich. Der Fall "Maigret und sein Toter" wird als sehr gelungener Comic ernsthaft und mitreißend erzählt, "Maigret stellt eine Falle" ebenso. Eventuell sind diese beiden zeichnerischen Versionen sogar besser als die originalen Romanvorlagen und auch besser als alle Filmepisoden, die ich kenne, einschließlich der mit Rupert Davies. "sein Toter" mit Davies ist mir nicht ernsthaft genug im Verhältnis zur Schwere der Verbrechen. Maigrets Hantieren mit der Mundharmonika und andere Leichtigkeiten wie das unnütze und oftmalige Auftreten des nervigen Untersuchungsrichters Coméliau verweichlichen den Fall zu sehr.

Beiden erwähnten Simenon-Themen hat sich nun auch ITV angenommen. Ob Komiker Rowan Atkinson allerdings der geeignete Maigret-Darsteller ist für solch ernste Kriminalfälle - warten wir's ab. Die Dreharbeiten der zwei abendfüllenden Fernsehfilme sind momentan im Gange.

Liebe Cora Ann, ein herzliches Dankeschön für Deine wiederum intensive Beschäftigung mit Buch und Film, diesmal: "Maigret und sein Toter". Beim nachträglichen Durchlesen Deines Beitrags läuft der Film nochmal im Kopf ab. In meiner Nähe, griffbereit, liegt aber auch der Comic!

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

31.12.2015 20:00
#157 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Erst einmal wieder vielen Dank für das freundliche Feedback.

Zitat von Berthold Deutschmann im Beitrag #156
"sein Toter" mit Davies ist mir nicht ernsthaft genug im Verhältnis zur Schwere der Verbrechen. Maigrets Hantieren mit der Mundharmonika und andere Leichtigkeiten wie das unnütze und oftmalige Auftreten des nervigen Untersuchungsrichters Coméliau verweichlichen den Fall zu sehr.


Das sehe ich etwas anders, zumal Comèliau ja auch im Roman in seiner enervierenden Art in Erscheinung tritt. Die vorgebliche Höflichkeit, die Maigret ihm gegenüber - besonders beim Besuch des Untersuchungsrichters am Boulevard Richard-Lenoir 132 - an den Tag legt, ist übrigens kongenial zum Roman umgesetzt, nur dass die literarische Madame Maigret mehr Ehrfurcht vor Comèliau empfindet als ihr filmisches Pendant. Comèliau dient im Roman allerdings in deutlich geringerem Maße als Comic Relief als in der Fernsehadaption. Mir persönlich sind derlei Momente von leichter Erheiterung durchaus willkommen wie etwa auch bei den gelegentlichen ironischen Wortwechseln zwischen Maigret und Lucas, da sie nicht deplatziert wirken, sondern der zeitweiligen Auflockerung in einem ernsten Film dienen. Dergleichen gibt es übrigens selbst in der bisher wohl düstersten Folge “Maigret und die Anarchisten”, zum Beispiel als Maigret Lucas kaum Informationen entlocken kann, da dieser sich von einer attraktiven Dame am Nachbartisch zu sehr ablenken lässt.

Die Erwähnung der von den Verbrechern begangenen Grausamkeiten reicht mir persönlich völlig aus, ebenso wie das Zeigen eines der Mordwerkzeuge, das man in ihrer Behausung gefunden hat. Maigrets Einvernahme des Hoteliers und sein Verhör von Maria im Krankenhaus sowie Lucas’ Konfrontation des jungen Mädchens mit Maria im Hospital sind durchaus der Schwere und Ernsthaftigkeit des Falles angemessen. Darüber hinaus empört sich Maigret in zwei Gesprächen mit seiner Frau sehr heftig über die Brutalität der Verbrecher.

Womit wir bei Madame Maigret wären, deren drei Auftritte an der Seite ihres Gatten mein Herz wieder einmal ganz besonders erwärmen.

Lord Peter Offline




Beiträge: 621

05.01.2016 09:13
#158 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Vol. 3 ist unterwegs!

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

05.01.2016 18:57
#159 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Dieses manchmal etwas "leichte" auftreten von Maigret ist mir zB. im "möblierten Herrn " auch besonders aufgefallen.Der junge Lapointe kämpft im Krankenhaus ums Überleben und M. behandelt die Verdächtigen eher väterlich verständnisvoll .Also das Ganze wie eine Art Rätsel in einem Mörderspiel.Also etwas mehr "Härte/Ernsthaftigkeit" hätten einigen Fällen evtl . sogar besser zu Gesicht gestanden.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

05.01.2016 21:28
#160 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Zitat
“Da war ein dickes Mädchen mit kindlichem Blick, das die Pensionsinhaberin spielte, ein alter Komödiant, der kleinen Mädchen Gesangsstunden gab, weil er selber nicht mehr in der Oper singen konnte, ein Student, der vor Hunger fast einging und gegen den Schlaf ankämpfte, in der Hoffnung, eines Tages ein Arzt- oder Zahnarztschild an seiner Tür aufhängen zu können. Da war eine kleine, faule Dirne, die den ganzen Tag lang Romane auf ihrem Bett las, wo sie einen alten Herrn dreimal in der Woche empfing, und eine junge Stenotypistin, die sich nachts in einem Taxi nach Hause bringen lies. Da waren die Lotards mit ihrem Baby, Safts, die eins erwarteten, Monsieur Kridelka, der aussah wie ein Verräter im Film und wahrscheinlich der sanfteste Mensch der Welt war. Da war ...
Anständige Menschen, wie Mademoiselle Clèment sagte. Leute, die es überall gab, die so viel Geld verdienen mussten, dass sie jeden Tag ihr Essen und jeden Monat die Miete bezahlen konnten. ... Was hätte man gefunden, wenn man die Straße mit dem Staubkamm durchkämmt hätte? In der Hauptsache das, was man anständige Leute nennt. Keine Reichen, einige Arme. Wahrscheinlich auch einige, die halbwegs Lumpen waren. Aber den Mörder?”

“Gesichter, die er bis vor drei Tagen nie gesehen hatte, waren ihm so zur Gewohnheit geworden, dass er später wahrscheinlich harmlos Vorübergehende grüßen würde in der Annahme, es seien Freunde.”

“Seien Sie davon überzeugt, Madame Boursicault, dass ich nicht Ihr Feind bin. Es ist meine Pflicht, die Wahrheit aufzudecken, und ich werde sie aufdecken. Ich wünsche, dass das mit so wenig Kummer wie nur möglich für Sie verbunden ist, und ich bitte gerade Sie das zu verstehen.”

(Georges Simenon: “Maigret als möblierter Herr”)



Die “Maigrets” leben davon, dass ihr Protagonist sich ganz und gar in das jeweilige Milieu seiner Fälle versenkt, durch sein immenses Einfühlungsvermögen und Verständnis sowie durch seine ausgedehnten, meist mit kluger Zurückhaltung geführten Verhöre den Täter überführt.

Trotz seiner düsteren Ankündigung zu Beginn:

Zitat
“Ich weiß genau, dass man mir nachsagt, ich würde einen Verbrecher manchmal nicht hart genug behandeln, aber das Schwein, das ihn angeschossen hat, wird so etwas nicht behaupten.”
(Rupert Davies als Kommissar Maigret in "Maigret als möblierter Herr")



finden sich Härte oder gar Erbarmungslosigkeit aufgrund persönlicher Betroffenheit weder beim literarischen noch beim filmischen Titelhelden in "Maigret als möblierter Herr".

Auch im Roman führt Kommissar Maigret mit väterlicher Güte und Gelassenheit seine Ermittlungen durch, so sehr ihn die Schwere der Verletzung seines jungen Mitarbeiters (im Roman Janvier / im Film Lapointe) bestürzt. In der literarischen Vorlage von Georges Simenon wird sogar eine gewisse “Entfremdung” des Kommissars zum Opfer geschildert, da er anfangs den Inspektor noch persönlich im Hospital besucht, sich später lediglich telefonisch über dessen Gesundheitszustand informieren lässt und zwar Mitgefühl mit ihm empfindet, aber in erster Linie von seinem Fall in Anspruch genommen wird.

Im Roman ist Maigret regelrecht mit Skrupeln belastet, wenn er seine Verhöre führt, etwa als er Madame Boursicault vernimmt - immerhin die Person, von der er weiß, dass sie den Täter deckt. Der dünne Hals der Frau erinnert ihn an ein Huhn und weckt drastische Reminiszenzen an seine Kindheit, als der damals etwa Zwölfjährige auf Bitten seiner Mutter einem Huhn den Kopf abschlagen musste. Die dramatische Auseinandersetzung zwischen Maigret und Madame Boursicault, während der sie sich heftig empört, er jedoch von ruhiger Gelassenheit bleibt, ist im Film adäquat zum Roman gestaltet.

Auch die finale Konfrontation zwischen Maigret und dem Täter ist von ebensolcher Ruhe geprägt. Im Film ist sie sogar etwas dramatischer als im Roman, da die Beiden persönlich auf einander treffen, und der Täter ihn mit einer Waffe bedroht, ehe er aufgibt. Im Roman telefonieren der Kommissar und der Täter ohne große Gefühlsaufwallungen mit einander, bevor sich der Schuldige stellt und zum Quai des Orfèvres gebracht wird, wo er die Hintergründe seiner Tat darlegt. Während Lapointe über die Verhaftung des Täters geradezu in Begeisterung ausbricht, bleibt Maigret völlig ruhig.

Wenn es beim filmischen Titelhelden in “Maigret als möblierter Herr” Augenblicke der Entspannung von dem tragischen Fall gibt, dann bestehen sie weniger in den sanft, doch hartnäckig geführten Verhören sondern etwa in dem Moment, als der Kommissar das ihm vom Opernsänger Vamas geliehene Nachthemd mit verschmitztem Lächeln vor dem Spiegel prüfend gegen seinen Körper hält, ob es ihm passt oder in der heiteren Schlussszene mit seiner Gattin und seiner Vermieterin. Beides sind Einfälle von Drehbuchautor Roger East, die man mögen kann oder auch nicht. Mir persönlich gefallen beide Szenen ausgezeichnet.

Wer den filmischen Kommissar Maigret einmal als "tough guy" erleben möchte, dem sei "Maigret und die alte Dame" ans Herz gelegt, wo er gegen einen der Beteiligten massiv handgreiflich wird, während er im Roman einen Inspektor in Bezug auf den betreffenden Herren instruiert: "Begleite Monsieur. Ich ermächtige dich im übrigen, ihm zum Abschied einen kräftigen Tritt in den Arsch zu geben!"

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

09.01.2016 22:26
#161 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten







“Maigret und Inspektor Lognons Triumph”
(“Inspector Lognon’s Triumph”)


Darsteller: Rupert Davies (Kommissar Jules Maigret), Helen Shingler (Madame Maigret), Henry Oscar (Inspektor Lognon), Ewen Solon (Lucas), Neville Jason (Lapointe), David Lawton (Mariani), Delphi Lawende (Madeleine Goldfinger), Anne Firbank (Eve), John Barret (Michel Goldfinger), Lloyd Lamble (Commodore Bresson), George Roubicek (Daniel)

Regie: John Harrison

Drehbuch: Giles Cooper

Literarische Vorlage: “Maigret et l’Inspecteur Malchanceux” / “Maigret et l’Inspecteur Malgracieux” (“Maigret und der brummige Inspektor” / “Maigret und Inspektor Lognon” / “Maigret und Inspektor Griesgram”) von Georges Simenon


Der folgende Beitrag enthält Spoiler.

“Ein übler Patron.”
(Lucas)
“Ja, ein Glück, wenn wir den loswerden.”
(Maigret)
“Ein Verwandter von ihm ist Abgeordneter.”
(Lucas)
“Das ist mir egal. Und wenn er der Bruder vom Präsidenten wäre. So ein Kerl hat bei uns nichts zu suchen.”
(Maigret)

“Falscher Alarm.”
(Daniel)
“Na, ich weiß nicht. War das nicht ein Schuss?”
(Maigret)

“Sie sollen aber die Leiche liegen lassen, bis ich komme. Falls überhaupt eine da ist.”
(Maigret)

“Ich bin mir darüber klar, dass man in gewissen Kreisen meine Arbeit nicht zu würdigen versteht. So peu a peu versucht man, mich abzuschieben.”
(Lognon)
“Das wär aber schade ...”
(Maigret)

“Entschuldigen Sie, dass ich schon in aller Frühe hereinplatze.”
(Lognon)
“Ach, das macht nichts. Ich bin Kummer gewohnt.”
(Maigret)
“Als es vorhin geklingelt hat und ich die Tür aufgemacht habe, wäre ich ihm beinahe um den Hals gefallen, weil ich geglaubt habe, du bist es.”
(Madame Maigret)

“Du kommst auch keine Nacht nach Hause!”
(Madame Maigret)
“Wir bitten die Verbrecher immer wieder, am Tag zu arbeiten, aber die richten sich leider nicht danach.”
(Maigret)

“Bresson ist ein großer Fisch.”
(Lucas)
“Für mich ist das ein Geschäftsmann, wie es heutzutage viele gibt. Nur mit der Ausnahme, dass er sich hat erwischen lassen.”
(Maigret)

“Ich verlange einen Rechtsanwalt!”
(“Commodore Bresson”)
“Sagen Sie lieber die Wahrheit ...”
(Maigret)

“Wenn Sie schon alle Fragen gestellt haben, dann bin ich doch überflüssig.”
(Lognon)
“Nein. Fragen Sie sie mal, was mit ihrem Haar los ist.”
(Maigret)
“Mit ihrem Haar?”
(Lognon)
“Ja. Zum Beispiel wie sie es fertig bringt, ihre Frisur tipptopp in Ordnung zu haben, wenn man sie mitten aus dem Schlaf klingelt. Meine Frau wüsste das auch ganz gern.”
(Maigret)

“Lapointe, geh mit dem Commodore ins Nebenzimmer und frag ihn über Italien aus.”
(Maigret)
“Vom Brenner bis Sizilien.”
(Lapointe)

“Er will unbedingt eine Zigarette.”
(Lapointe)
“Er kann meinetwegen auch einen Kognak haben. Hauptsache, er packt aus.”
(Maigret)

“Fertig Lognon?
(Maigret)
“Ich weiß nicht.”
(Lognon)
“Das wird Ihr größter Triumph.”
(Maigret)



Kommissar Maigret, Inspektor Lapointe und Inspektor Mariani liefern sich - unterstützt von einigen Gendarmen des neunten Distrikts - ein Gefecht mit dem berüchtigten Gangster “Polen-Paul”. Ehe der Verbrecher mit der letzten ihm verbliebenen Kugel sich selbst ins Jenseits befördert, ruft er Maigret an und beschimpft in unflätiger Weise die Polizei.

Kurz darauf suspendiert Maigret den Kriminalassistenten Mariani wegen Korruption vom Dienst, aus dem er wenig später entlassen wird.

Sechs Monate später. Maigret verbringt den Abend bei seinem Neffen Daniel, dem Diensthabenden in der Notrufzentrale der Pariser Polizei. Während der Kommissar einen Anruf aus London mit Informationen über einen internationalen Hochstapler mit dem Pseudonym “Commodore Bresson” erwartet, führt die Polizeizentrale des neunten Distrikts ein mysteriöses Telefonat, in dem der Anrufer die Polizei beleidigt und anschließend ein Schuss zu hören ist.

Unsicher, ob sich überhaupt ein Verbrechen ereignet hat, fährt Kommissar Maigret in die Rue Caulaincourt, wo ihn bereits Lognon, der für diesen Distrikt zuständige Inspektor, erwartet. Es hat tatsächlich einen Todesfall gegeben. Bei dem Opfer handelt es sich um den Diamantenhändler Michel Goldfinger. Während “Inspektor Pechvogel” fest davon überzeugt ist, es mit einem Suizid zu tun zu haben, ist Kommissar Maigret weitaus skeptischer. Besonders verblüfft ihn die Tatsache, dass der mysteriöse Anrufer sich mit den gleichen beleidigenden Worten an die Polizei wandte wie es vor sechs Monaten “Polen-Paul” getan hatte, da dieses Telefonat der Presse gegenüber nicht erwähnt wurde. Auch die Tatsache, dass Madeleine Goldfinger kaum Anzeichen von Trauer über den Tod ihres Gatten zeigt, während ihre Schwester Eve bestürzt auf dessen vorzeitiges Ableben reagiert, gibt Kommissar Maigret zu denken.

Anmerkungen:

Zitat
“Man sieht die stille, dunkle Kreuzung vor sich, den Regen, der vom Himmel prasselt, das feuchte Pflaster mit den Lichtreflexen der Laternen, erleuchtete Lokale in der Ferne und einen Mann oder eine Frau, die auf den Apparat zustürzen, vielleicht stolpern und verfolgt werden, jemanden der Angst hat oder der Hilfe braucht und sich ein Taschentuch um die Hand wickelt, um die Scheibe einzuschlagen.”

"Es war eine jener Affären, deren Geruch ihm gefiel, den er gern in aller Ruhe geschnuppert hätte, bis zu dem Augenblick, da er so sehr von ihm durchtränkt war, dass die Wahrheit ihm von selbst aufgehen würde. Und da musste er ausgerechnet auf den armen Lognon stoßen, diesen im Grunde tüchtigsten und gewissenhaftesten der Inspektoren. Er war so gewissenhaft, dass er dadurch ungenießbar wurde. Lognon, den das Pech so hartnäckig verfolgte, dass er dadurch bissig wie ein räudiger Hund geworden war."

(Georges Simenon: “Maigret und Inspektor Lognon”)



Anders als es der effektvolle Auftakt mit einem Gefecht zwischen der Polizei und einem Gangster - eine der seltenen Gelegenheiten, bei der Kommissar Maigret eine Schusswaffe gebraucht - vermuten lässt, ist “Inspektor Lognons Triumph” ein stilles Kammerspiel mit einem sehr überschaubaren Figurenensemble, das einen bereits früh ahnen lässt, was sich ereignet hat.

Nach “Maigret und die Gangster” kommt der Zuschauer erneut in den Genuss der Anwesenheit des stets verdrießlichen Inspektors Lognon. Der “Pechvogel” macht seinem wenig schmeichelhaften Spitznamen alle Ehre, ist er doch wieder einmal nicht mit Glück gesegnet. Lognon ist alles andere als erfreut, dass Kommissar Maigret ihm bei der Lösung des Falles tatkräftig zur Seite steht, fürchtet er doch dass der berühmte Kollege vom Quai des Orfevres ihm seinen möglichen Ermittlungserfolg streitig machen könnte. Der notorische Hang des Inspektors zur Bürokratie, der sich in mehrfach ausgefertigten Berichten an diverse übergeordnete Stellen manifestiert, enerviert Maigret und erheitert den Zuschauer. Die verhängnisvolle Neigung des Inspektors zu falschen Schlussfolgerungen lassen ihn in Erwartung des flüchtenden Täters sanft auf einem Hausdach schlummern, während Maigret den Schuldigen bereits dingfest gemacht hat. Henry Oscars erneuter Auftritt innerhalb der Serie ist ein wahrer Genuss. Er gestaltet den griesgrämigen Inspektor Lognon so grandios, dass gewiss auch Georges Simenon seine Freude daran hätte. Übrigens hat Lognons permanente schlechte Laune ihre Ursache nicht nur seiner in seiner wenig erfolgreichen beruflichen Karriere sondern ist gewiss auch der Launenhaftigkeit seiner tyrannischen Gattin geschuldet, wenngleich diese in “Inspektor Lognons Triumph” nicht persönlich in Erscheinung tritt wie zuvor in “Maigret und die Gangster”.

Die Änderungen, die Drehbuchautor Giles Cooper an der literarischen Vorlage von Georges Simenon vorgenommen hat, erweisen sich eindeutig als Verbesserungen. Dass Maigret an der Schießerei mit “Polen-Paul”, der in der Erzählung den Vornamen Stan trägt, persönlich teilnimmt, erhöht deren Dramatik zumal der Schusswechsel in der Erzählung lediglich erwähnt und nicht ausführlich beschrieben wird. Die Kontaktaufnahme zwischen dem Täter und seiner Komplizin wird von Cooper konsequent weitergeführt: bei Simenon ist von nicht näher definierten Klopfzeichen die Rede, während der Autor für die Fernsehadaption eine einfache, doch wirkungsvolle Möglichkeit dieser Kontaktaufnahme ersonnen hat. Dass “Commodore Bresson” von Lapointe, der in der Erzählung nicht in Erscheinung tritt und statt dessen von Janvier vertreten wird, mehreren strapaziösen Verhören unterzogen wird, bis er endlich ein Geständnis ablegt, ist folgerichtig. Der literarische Maigret vernimmt den Betrüger zwar persönlich, doch ist ihm dies zuwider, da er sich viel lieber mit dem Todesfall Michèl Goldfinger befassen möchte, was er in der Fernsehadaption dann auch nahezu ausschließlich tut. Abweichend von der Erzählung ist die Notrufzentrale der Pariser Polizei ein zwar stiller, jedoch kein “riesiger und blitzsauberer Raum”, in dem mehrere Beamte ihren Dienst verrichten sondern lediglich ein bescheidenes Zimmer, in dem nur ein Polizist Wache hält, nämlich Maigrets Neffe Daniel. Mit dem jungen Mann tritt zum ersten Mal ein Verwandter des Kommissars innerhalb der Serie auf.

“Der kleine Lapointe”

In Memoriam Neville Jason (29.05.1934 - 16.10.2015)




Zitat
“Lapointe war ein guter Junge, noch ein wenig unsicher zwar, etwas zu gefühlvoll, doch mit der Zeit würde sich zweifellos etwas aus ihm machen lassen.”
(“Madame Maigrets Freundin”)

“Der Dunkle mit dem vollen Haar ...”
(“Maigret und der Mann auf der Bank”)

“Allerdings wirkte dieser auch mehr wie ein Student als wie ein Polizeiinspektor.”
(“Maigret und die braven Leute”)

“Es war jetzt fast zehn Jahre her, seit Lapointe in die Kriminalpolizei eingetreten war und man es sich angewöhnt hatte, ihn den kleinen Lapointe zu nennen. Damals war er lang und dünn gewesen. Seither war er etwas dicker geworden. Er hatte geheiratet und hatte zwei Kinder. Trotzdem war er der kleine Lapointe geblieben, und manche fügten hinzu: Maigrets Liebling.”
(“Maigret und Monsieur Charles”)



Albert Lapointe ist der Sohn eines Bankbeamten aus Meulan. Zu Beginn seiner Karriere lebt er bei Germaine, der jüngeren seiner beiden Schwestern. Mit vierundzwanzig Jahren tritt er seinen Dienst bei Kommissar Jules Maigret an. Der zu dieser Zeit bereits berühmte Kriminalist ist Lapointes erklärtes Vorbild. Der Kommissar erkennt sogleich die Begabung des zunächst schüchternen, jungen Mannes und nimmt sich des “Kleinen” mit väterlicher Güte an. Im Laufe der Zeit reift der Inspektor zu einem bewährten Mitarbeiter Maigrets heran.

Dass der kinderlose Maigret für seinen jungen Inspektor väterliche Gefühle hegt, wird häufig offenbar. In “Maigret und die Tänzerin Arlette” begegnet er Lapointe, der durch den gewaltsamen Tod der von ihm geliebten jungen Frau bestürzt ist, mit Güte und Nachsicht. In “Maigret hat Skrupel” ermahnt er ihn, sich dem Klima angemessen zu kleiden, damit seine Gesundheit keinen Schaden nimmt. In “Maigret und die Bohnenstange” übersieht der Kommissar großzügig, dass Lapointe während der Dienstzeit sein Tennisspiel zu verbessern trachtet und ermöglicht ihm eine baldige Abreise in den Urlaub mit seiner Freundin. Als Lapointe in “Maigret als möblierter Herr” in Erfüllung seiner Pflicht angeschossen wird und in Lebensgefahr schwebt, reagiert der Kommissar zutiefst betroffen.

Neville Jason verkörpert den “kleinen Lapointe” in wunderbarer Entsprechung zu Georges Simenons Romanen. Der Inspektor durchläuft von der ersten zur zweiten Staffel der Serie eine Entwicklung, die sich mit den literarischen Vorlagen deckt.
Der junge Mann, der sich in “Maigret und die Tänzerin Arlette” fast schüchtern seinem Vorgesetzten anvertraut, der in “Maigret hat Skrupel” verschämt ein Dessousgeschäft aufsucht, um Informationen über dessen Mitinhaberin zu erhalten, der in “Maigret und die Bohnenstange” seinem Chef in förmlicher Amtssprache Bericht erstattet und sich dabei vor Eifer verhaspelt, ist ein gänzlich anderer als der selbstbewusste Kriminalist in den späteren Episoden. In “Maigret und die Gangster” lässt er sich selbst durch einen Anruf des Kommissars nicht vom Kartenspiel mit seinen Kollegen Lucas und Torrence abhalten - in "Maigret hat Skrupel" war er in einer ähnlichen Situation noch schuldbewusst und erschrocken von seinem Stuhl aufgesprungen - und reagiert überdies mit einer vorlauten Bemerkung auf die Störung. In “Inspektor Lognons Triumph” nimmt er nicht nur an einem Feuergefecht mit einem Gangster teil, sondern rettet außerdem einem verwundeten Gendarmen das Leben, in dem er ihn aus der Schusslinie zieht. Zum Verhör von “Commodore Bresson” steckt Lapointe, der gewiss nicht von ungefähr mitunter wie sein verehrter Chef einen Nadelstreifenanzug trägt, sich kess eine Pfeife zwischen die Lippen und nimmt kurzerhand in Maigrets Sessel Platz.

Zudem bürgt die Anwesenheit von Lapointe für ein gemütliches Miteinander am Quai des Orfèvres, denn der “Kleine” wird von seinem “Vater” Maigret und seinem “großen Bruder” Lucas des öfteren liebevoll geneckt, wobei der einst so zurückhaltende junge Mann mittlerweile dem um keine freche Bemerkung verlegenen Lucas häufig Kontra gibt.

Berthold Deutschmann Offline




Beiträge: 194

10.01.2016 15:54
#162 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Im Maigret-Volume 2 von Pidax hat der alte und - aus seiner Sicht - vom Pech verfolgte Inspektor Lognon (Henry Oscar) in zwei Folgen seine Auftritte: "Maigret und die Gangster" und "Maigret und Inspektor Lognons Triumph". Im ersterwähnten Film lernen wir auch seine Frau (Anita Sharp-Bolster) kennen, die Maigret gegenüber erwähnt, dass ihr Mann eigentlich längst zum Kommissar hätte befördert sein müssen. Hier nochmal der entsprechende Link zum Anfang von "Gangster", wo Lognon sofort zu sehen ist (und etwas später auch seine Frau):

http://www.dailymotion.com/video/x2looih...il-1_shortfilms

In der Rupert-Davies-Serie kommt er noch ein drittes Mal vor, in "Maigret und die Unbekannte" ("The Lost Life"). Die deutsche Version dieser Episode ist meines jetzigen Wissens nach nicht mehr im ZDF-Archiv vorhanden oder nicht mehr vorführbar, aber wer weiß - Pidax wartet ja des öfteren mit wirklichen Überraschungen auf. Ich gehe zunächst einmal davon aus, das wir Lognon in "Lognons Triumph" zum zweiten und zum letzten Mal gesehen haben. Henry Oscar spielte den Lognon übrigens bereits im 75-Minuten-Pilotfilm zur Maigret-Serie, in "Maigret and the Lost Life", mit Basil Sydney als Kommissar Maigret. Darin wurde seine Frau von Grace Arnolds dargestellt. Der Pilotfilm gilt als verschollen, es gab auch keine deutsche Version davon.

Was ich damit sagen wollte, ist: mit "Lognons Triumph" müssen wir uns wohl von Lognon verabschieden, es sei denn, er taucht in "The Lost Life" auf englisch irgendwann nochmal auf, falls die BBC die Davies-Serie freigibt.

Liebe Cora Ann, Dir gebührt natürlich wieder mein allerherzlichster Dank für Deine detaillierten Ausführungen, ausdrücklich auch für das Neville-Jason-Memorandum. Ich glaube, Du hast Dich inzwischen intensiver mit Maigret Rupert Davies und Georges Simenon beschäftigt als ich. Dass so etwas passieren kann, hätte ich nie für möglich gehalten! Ich sehe "Kommissar Maigret" als älterer Fan inzwischen aus deutlich mehr Distanz, während Du als neuer Fan ganz dicht dran bist. Allergrößter Respekt!

Lord Peter Offline




Beiträge: 621

10.01.2016 18:30
#163 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

Auch von mir wieder : Allergrößter Respekt, Cora Ann!

Leider bleibt jetzt nur noch eine Folge von Vol. 2, aber da Vol. 3 inzwischen vor mir liegt, dürfen Berthold und ich uns hoffentlich demnächst auf 9 weitere ausführliche Artikel freuen?

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

22.01.2016 23:04
#164 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten








“Maigret und der geheimnisvolle Kapitän”
(“The Lost Sailor”)


Darsteller: Rupert Davies (Kommissar Jules Maigret), Ewen Solon (Lucas), Victor Lucas (Torrence), Frederick Schiller (Kapitän Joris), Alan Wheatley (Ernest Grandmaison), Leslie Nunnerley (Julie), Iris Russell (Hélène Grandmaison), Robert Cartland (Raymond Grandmaison), Peter Welch (Louis). Arnold Bell (Kapitän Delcourt), Edward Higgins (Kapitän Lannec), John Gill (Dr. Camot), John Salew (Dr. Paul)

Regie: Gerard Glaister

Drehbuch: Margot Bennett

Literarische Vorlage: “Le port des brumes” (“Maigret und der geheimnisvolle Kapitän”) von Georges Simenon


Der folgende Beitrag enthält Spoiler.

“Ist es sehr oft neblig hier?”
(Maigret)
“Oft ist gut. Wir haben immer Nebel.”
(Kapitän Delcourt)

“Na, was macht der schöne Antoine? Fall erledigt?”
(Lucas)
“Ja, er liegt im Krankenhaus. Seine Visage muss vernäht werden. Jetzt wird er noch schöner.”
(Torrence)

“Was hast du denn mit dem reizenden Strandanzug in Honfleur vor?”
(Torrence)
“Von wegen Strandanzug. Mein Pyjama aus reiner Seide. Nur ein Dekorationsstück. Ich werd’ wohl kaum ein Bett sehen, so wie ich unseren Alten kenne.”
(Lucas)

“Ich hab’s gewusst. Mit dem Pyjama kann ich wieder nur das Bett dekorieren. Aber Sie wären die schönste Dekoration.”
(Lucas zu Martha)

“Ich hab’ mal ‘nen Polizisten umgelegt.”
(Louis)
“Ich hoffe, einer genügt Ihnen.”
(Maigret)

“Sie bleiben hier, und ich hole sofort die Polizei.”
(Fischer)
“Da brauchen Sie nicht weit zu gehen.”
(Maigret)

“Einen Calvados, einen doppelten.”
(Maigret)
“Und das vor dem Frühstück? Was trinken Sie denn nachher?”
(Martha)
“Einen dreifachen.”
(Maigret)

“Sie sehen aus, als wären Sie gar nicht im Bett gewesen. Was haben Sie denn?”
(Lucas)
“Verdauungsstörungen.”
(Maigret)

“Ich habe Ihnen doch schon gesagt, ich bin ausgerutscht hingefallen. Wenn Sie mir nicht glauben wollen, kann ich Ihnen nicht helfen.”
(Ernest Grandmaison)
“Und auf was sind Sie gelandet?”
(Maigret)
“Auf dem Boden vermutlich.”
(Ernest Grandmaison)
“Nicht auf der Faust von Louis?”
(Maigret)

“Kommissar Maigret, ich bin das Oberhaupt der angesehensten und mächtigsten Familie hier in dieser Gegend. Seit Jahrhunderten hat niemand die Rechte und die Pflichten eines Grandmaison in Frage gestellt. Ich warne Sie nochmals. Vergessen Sie nicht, Kommissar, ich habe genügend Macht und Einfluss, um Sie zu ruinieren, und ich werde es tun.”
(Ernest Grandmaison)
“Monsieur Grandmaison, darf ich Sie daran erinnern, dass ein anscheinend harmloser Mann unter sehr merkwürdigen Umständen ums Leben gebracht wurde. Und es ist meine Pflicht, festzustellen warum.”
(Maigret)


Kommissar Maigret wird Zeuge, als sich ein offensichtlich orientierungsloser Mann auf dem Pariser Gemüsemarkt geistesabwesend an diversen Ständen selbst bedient. Die aufgebrachten Händler reagieren betroffen, als sie sehen, dass eine unschöne Narbe den Kopf des Mannes verunstaltet. Am Quai des Orfevres diagnostiziert der Polizeiarzt Dr. Paul die Wunde als das Resultat der Operation einer Schussverletzung. Der an Amnesie leidende Fremde wird von seiner Haushälterin Julie als Kapitän Joris identifiziert. Der ehemalige Seemann befindet sich mittlerweile im Ruhestand und war zuletzt als Hafenmeister in Honfleur in der Nähe von Caen tätig.

Die beschauliche, doch stets nebelverhangene Kleinstadt wird von Ernest Grandmaison mit kühler Arroganz und Standesdünkel beherrscht. Der vermögende Reeder ist nicht nur der wohlhabendste Einwohner von Honfleur sondern seines Zeichens auch Bürgermeister und Polizeichef. Bei einem Besuch Grandmaisons bei seinem einstigen Angestellten Joris, entsetzt sich der Kapitän beim Anblick des Bürgermeisters derartig, dass er verstirbt. Der Reeder droht Maigret unverhohlen mit energischen Gegenmaßnahmen, sollte dieser seine Ermittlungen nicht einstellen.

Julies Bruder, der Matrose Louis, hinterließ bei seinem letzten Besuch eine mysteriöse Nachricht, in der er schrieb, dass das Leben von Kapitän Joris in Gefahr sei. Maigrets Unterredung mit dem wortkargen, zur Gewalt neigenden Seemann an Bord des Schiffes “Saint Michel” gestaltet sich höchst kompliziert. Auch die übrige Besatzung unter dem Kommando von Kapitän Lannec ist dem Kommissar aus Paris nicht wesentlich freundlicher gesonnen. So ist es nicht verwunderlich, dass Maigret hinterrücks überfallen und niedergeschlagen wird und sich am nächsten Morgen in einem Fischernetz gefesselt wiederfindet ...

Anmerkungen:

Zitat
“Aber an seinem ersten Abend hier wirkte der Ort düster, bewohnt von unheimlichen und schweigsamen Leuten. Jetzt kannte er ihn bereits besser, und er fühlte sich hier schon zu Hause. Ouistreham war irgendein Dorf am Ende einer von kleinen Bäumen gesäumten Straße. Was allein zählte, war der Hafen: eine Schleuse, ein Leuchtturm, Joris’ Haus, die Seemannskneipe. Und der Rhythmus dieses Hafens, die beiden täglichen Fluten, die Fischer, die mit ihren Körben vorüberkamen, die Handvoll Männer, die sich nur mit dem Kommen und Gehen der Schiffe beschäftigten. Andere Wörter hatten eine fester umrissene Bedeutung: Kapitän, Frachter, Küstenschiff. Er sah das alles zirkulieren und begriff die Spielregeln. Das Geheimnis war noch nicht aufgeklärt. Alles, was im Anfang unerklärlich war, blieb unerklärlich. Aber die Figuren standen wenigstens an ihrem Platz, jede in ihrer Atmosphäre, mit ihren kleinen Sorgen und Freuden.”

“”Vorsicht!” Es war unheimlich, denn die Stimme kam aus nächster Nähe. Obwohl ringsum alles still war, war drei Meter von ihm entfernt ein Mensch, von dem er kaum, selbst wenn er genau hinblickte, die Umrisse sah. Er verstand die Warnung sofort. Der Steg, den er schon mit einem Fuß betreten hatte, schwankte. Es war das Schleusentor, das man öffnete. Das Schauspiel wurde noch unheimlicher, denn ganz in der Nähe tauchte kein Mensch auf sondern eine Mauer, hoch wie ein Haus. Über dieser Mauer sah man vom Nebel gedämpfte Lichter.”

“Maigret konnte sich nicht bewegen. Er lag hilflos in einer Wasserlache am Ufer des Meers. Würden die anderen, um sich Mut zu machen, nicht jetzt die Schnapsflasche leeren und noch zwei Briketts auf das Feuer legen? Ein Mann am Steuer, die anderen in den feuchten Kojen. Es war vielleicht ein salzigerer Tropfen unter den flüssigen Perlen, die über das Gesicht des Kommissars rannen. Er, ein großer und starker Mann, ein Mann in den besten Jahren, lag dort verlassen bis zum Tagesanbruch am Ende eines Hafenkais, neben einer Beting.”

(Georges Simenon: “Maigret und der geheimnisvolle Kapitän”)



Kommissar Jules Maigret begibt sich in dieser Episode in maritime Gefilde, ein Milieu, das seinem Darsteller Rupert Davies wohlvertraut war. Der gebürtige Liverpooler fuhr in der britischen Handelsmarine zur See und diente im Zweiten Weltkrieg als Sub-Lieutenant bei der Fleet Air Arm der Royal Navy.

“Maigret und der geheimnisvolle Kapitän” fordert dem Kommissar aus Paris in der Normandie den bisher schweißtreibendsten Körpereinsatz ab. Das Aufentern zur “Saint Michel” bereitet dem voluminösen Herrn einige Schwierigkeiten, die jedoch nichts sind im Vergleich zu der gegen ihn unternommenen nächtlichen Gewalttat, nach der Maigret so ramponiert aussieht wie noch niemals zuvor. So kann ihm niemand verdenken, dass er sein zweites Verhör mit Kapitän Lannec und Louis weitaus barscher gestaltet als das erste und gegen den Matrosen sogar leicht handgreiflich wird.

Drehbuchautorin Margot Bennett hat Simenons in Ouistreham angesiedelten Roman in die mehr als 70 km entfernte und ebenfalls an der Mündung zum Ärmelkanal gelegene Ortschaft Honfleur verlegt. Die weiteren Veränderungen bestehen unter anderem darin, dass der Tod von Kapitän Joris in der literarischen Vorlage eine andere Ursache als in der Fernsehadaption hat, wobei die Agonie des Sterbenden in beiden Fällen ergreifend dargestellt wird. Raymond Grandmaisons Pseudonym hat einen anderen Vornamen, sein Versteck im Baggerschiff wird außen vorgelassen, die Figur des Hauptbuchhalters Bernadin wurde gleichfalls eliminiert und eine neue Schlussszene hinzugefügt. Inspektor Torrence hat im Roman keinen Auftritt, während diese überdimensionale Frohnatur in der Fernsehfassung wie üblich um keine unpassende Bemerkung verlegen ist und dafür von seinem Chef einen entnervten Blick erntet.

Kongenial zum Roman ist die Atmosphäre der nächtlichen, vom Nebel eingehüllten Straßen sowie das Milieu der Seeleute - sei es an Bord ihres Schiffes oder an Land in der Hafenkneipe - getroffen.

Frederick Schiller (1901 - 1994) gestaltet den titelgebenden “geheimnisvollen Kapitän” ohne ein einziges Wort zu äußern lediglich mit Blicken und kleinen Gesten als einen - wie der englische Originaltitel zurecht lautet - “lost sailor”. Ein verlorener Seemann, dessen leerer Blick im Grunde sein schreckliches Ende bereits vorwegnimmt.

Alan Wheatley (1907 - 1991), dessen wohl populärste Rolle die des Sheriffs von Nottingham in der Fernsehserie “Die Abenteuer von Robin Hood” (1955/1960) sein dürfte, verkörpert einen nicht unähnlichen Part als Ernest Grandmaison : ein Snob hinter dessen aristokratischem Auftreten und verbindlichen Umgangsformen sich Gefühlskälte und Skrupellosigkeit verbergen. Obwohl der Reeder im Roman deutliche Unterschiede zur Physis seines Darstellers in der Fernsehversion aufweist, gestaltet Wheatley seine Rolle grandios. Unterstützt wird er dabei auf exzellente Weise von seinem deutschen Synchronsprecher. Zum wiederholten Male nach Harry Brown in “Maigret in der Liberty Bar” und Tiburce de Saint Hilaire in “Maigret und der tote Herr Gallet” wird ein der Oberschicht entstammender, arroganter Unsympath auf großartige Weise von Alf Marholm (1918-2006) synchronisiert, der Wallace-Fangemeinde unter anderem bestens vertraut als Richard Cravel aus “Die Bande des Schreckens” (1960)

@Berthold Deutschmann & @Lord Peter: Vielen Dank für euer stetes, liebenswürdiges Feedback! Natürlich werde ich mich auch mit “Maigret III” mit großem Vergnügen ausführlich beschäftigen.

Und hier zwei Kostproben mit dem Herrn, dessen Faszination auf mich ungebrochen ist:



Berthold Deutschmann Offline




Beiträge: 194

29.01.2016 03:34
#165 RE: Rupert Davies als "Kommissar Maigret" (auf DVD!) Zitat · Antworten

"Maigret und der geheimnisvolle Kapitän" ist ein besonders atmosphärischer Quai-Krimi. In einer Nacht-und-Nebel-Szene am Kanal-Ufer fühlt Maigret sich verfolgt und bleibt stehen. An einer rauen Wand reißt er sich ein Streichholz an und hält es über seine Pfeife, dann geht er weiter. Kurz darauf wird er hinterrücks mit einem Knüppel niedergeschlagen ...

Die Szene ist meines Erachtens in etwa vergleichbar mit einer anderen aus einem ganz anderen Film, "Draculas Rückkehr": Der Monsignore (Rupert Davies) läuft auf dem äußeren Dachgelände dem flüchtenden Dracula (Christopher Lee) nach. Dabei trifft er hinter einer Schornsteinecke überraschenderweise auf den Priester, der aber unter dem Einfluss des Vampir-Grafen steht und dem Monsignore noch im Überraschungsmoment mit einer Dachziegel einen gehörigen Schlag auf den Kopf verpasst ...

Der Monsignore überlebt das letztlich nicht, Maigret aber natürlich doch. Nur ein paar Szenen weiter ist der Schlag bereits verschmerzt. So etwas kommt in der Maigret-Serie öfters vor. Etwa in "Maigret riskiert seine Stellung" wird Inspektor Lucas mit einer Weinflasche herb niedergeschlagen. Bereits in der nächsten Szene sitzt er wieder mit Maigret an einem Tisch und bespricht mit ihm den aktuellen Fall. Lediglich eine dicke Beule am Hinterkopf macht ihm noch etwas zu schaffen.

Bei den Zuschauern geht das glatt durch. Mehr noch: so etwas wird einfach erwartet. In zeitnahen anderen Krimiserien, egal, ob aus England oder den USA, sind die Detektive nahezu unverwundbar. Mir fallen nur zwei Serien-Ausnahmen ein: "Der Einzelgänger" (USA, mit Darren McGavin als Privatdetektiv David Ross) und "Der Mann mit dem Koffer" (britisches ITV, mit Richard Bradford als Ex-Geheimagent McGill). Diese "Helden" müssen wirklich manchmal viel einstecken und auch darunter leiden. "Maigret" reiht sich diesbezüglich eher ein in die übliche Krimiserien-Routine: Dass Simon Templar sich nach einer ausgiebigen Schlägerei mit Ganoven nur mal eben die Frisur und die Krawatte wieder zurechtrücken muss und ansonsten gar keinen Schaden nimmt, entspricht voll und ganz den Zuschauer-Erwartungen. Bei "Maigret" wird das aber nie ins Ironische übertrieben. In "Maigret und der Verrückte" muss unser Pariser Kommissar auch mal einen Fall vom Krankenbett aus lösen, weil er zuvor lebensbedrohlich angeschossen wurde.

Ein Foto von den Dreharbeiten zu "Maigret und der geheimnisvolle Kapitän" ist unter dem folgenden Link 11 Sekunden lang zu sehen, und zwar ab der 50. Sekunde:
https://www.youtube.com/watch?v=E1rmNDRiFfk
Zu hören ist dabei die Joe-Loss-Version der britischen Maigret-Musik, mit der er 1962 sogar in den UK Charts landete. Viel besser gefällt mir allerdings diese ungarische Variante:
https://www.youtube.com/watch?v=8nyWL-nAvMs

Cora Ann gilt natürlich meine Bewunderung und mein ausdrücklicher Dank für die sehr gekonnte Beschreibung und Bebilderung der letzten Folge von Maigret II. Ihr scharfer Blick für Details und Zusammenhänge ist einfach Gold wert!

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