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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 914 mal aufgerufen
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Mr. Wooler Offline




Beiträge: 443

25.11.2014 08:54
Interview mit Rita Reinecker Zitat · Antworten

Hallo zusammen,

als glühender Verehrer der Werke von Herbert Reinecker stieß ich im Internet auf das Buch „Dance with Me, Papa“ von der Autorin Rita Reinecker, der Tochter des Krimi-Altmeisters. Neugierig geworden, nahm ich Kontakt zu Rita Reinecker auf, die seit den 60er Jahren in den USA lebt. Neben einem sehr sympathischen Email-Kontakt ist auch dieses, wie ich finde, sehr offene und ehrliche Interview entstanden, das ich euch nicht vorenthalten möchte.

Viele Grüße,
Marc


Liebe Frau Reinecker, Sie sind die Tochter von Herbert Reinecker, dem wohl legendärsten deutschen Film- und TV-Drehbuchautoren. Als Ihre Eltern sich trennten, waren Sie 13 Jahre alt. Welche Erinnerungen an Ihren Vater haben Sie aus dieser Zeit?

Mein Vater war Kriegsberichterstatter, und das erlaubte ihm oft, und meistens ohne Vorhersage, nach Hause zu kommen, zu Besuch, sozusagen. Nach dem Krieg versuchte er, wie viele andere, sein Leben wieder aufzubauen. Und das, wiederum, schloss ein viel unterwegs zu sein. Ich glaube, die Ehe meiner Eltern fing dann auch schon an zu bröckeln. Mein Bruder und ich waren ja viel zu jung um das zu sehen oder zu verstehen. Mein Vater war dann öfter und öfter weg, und zog dann in 1950 oder so ganz nach Hamburg, während wir in Landstuhl blieben. Er kam aber immer wieder “zu Besuch.” Als wir immer wieder fragten warum wir denn nicht auch nach Hamburg ziehen, kam immer die Ausrede oder Antwort von meiner Mutter, “Es gibt da keine neue Wohnungen. Alles war ausgebombt.” Also kannten wir unseren Vater nur als besuchenden Vater, von Anfang an. Daher konnte unsere Mutter auch die Scheidung in 1954 verheimlichen. Es hatte sich ja nichts geändert, Vati kam ja immer wieder mal “vorbei.” Ich war 16 Jahre alt (1957) als ich in einer Zeitschrift las daß mein Vater geschieden war UND eine Affaire hatte mit Hildegard Knef. Von der Scheidung hatten wir, mein Bruder und ich, keine Ahnung. Das war eine schlimme Zeit für mich.
Als mein Vater im Januar 1959 wieder heiratete, haben wir auch das nach der Tatsache erfahren. Seine Frau ist drei Jahre älter als ich. Damals war ich 17, sie war knapp 21, und mein Vater war 45. Das war eine sehr dunkle Zeit für mich... aber besonders für meinen Bruder, der nicht mal von der Scheidung wußte (ich hatte es ihm nie gesagt da wir nicht besonders gut miteinander standen. Er war auch zu der Zeit, glaube ich, in einem Internat am Bodensee.)

Hat Ihr Vater Sie, bzw. seine Familie je an seiner schriftstellerischen Arbeit teilhaben lassen? Wussten Sie beispielsweise, woran er gerade arbeitet?

Ich habe bei meiner Mutter gelebt und ich kann mich nicht daran erinnern daß er uns an seiner Arbeit teilhaben ließ. Mein Vater wurde oft in der Presse erwähnt, und somit wussten wir woran er gearbeitet hat... meistens aber waren es Artikel über vollendete Arbeit, über Preise die er gewonnen hatte.
Ich kann mich erinnern daß ich, als ich etwa 8 Jahre alt war, eine kleine Geschichte schrieb. Als ich sie ihm zeigte, hatte er gelacht und mir 10 Pfennig gegeben.... Dann schrieb ich mehrere und er “bezahlte” sie immer. Ich schrieb bis ich 14 Jahre alt war, habe dann aber abrupt aufgehört. Lange Geschichte, die ich sehr gut in meinem Buch, Dance with Me, Papa, beschreibe. Ich hatte aber von Anfang an eine Liebe für Bücher und Lesen gehabt. Deutsch (und Essays schreiben) war immer mein Lieblingsfach. Es ging sogar so weit daß ich einen Jungen, dessen Rechtschreibung schlimm war, deswegen fallen lies! Ich glaube, da war ich 13 oder 14 und oft “verknallt.” Die Neigung andere zu verbessern wenn sie sich grammatisch nicht richtig ausdrücken, oder andere Schreibfehler machen, habe ich nie verloren, auch nicht hier, wo meine Hauptsprache Englisch ist! Da bin ich oft ins sogenannte Fettnäpfchen getreten!
In 1994 ging ich hier auf die Uni (Bachelor degree in 1998) um meinen Beruf zu ändern: ich wollte schreiben (writer/editor)! Also habe ich das wohl doch von meinem Vater geerbt! Er hatte das übrigens nie unterstützt. Und das habe ich nie verstanden. Und es tat weh.
Ich kann mich daran erinnern, daß ich, als ich mal zu Besuch in Kempfenhausen war und mein Vater mittendrin war, Derricks zu schreiben, auf seinem Schreibtisch ein Blatt Papier entdeckte mit Namen, die mit Strichen/Linien verbunden waren. Es war offensichtlich eine Art Grundriß von einer der Derrick Folgen. Ich war neugierig und fragte ihn das zu erklären... er tat es aber nicht. Schade.
Können Sie uns etwas über die Art und Weise sagen, wie Ihr Vater gearbeitet hat? Gab es beispielsweise bestimmte Zeiten, zu denen er schrieb? Ist Ihnen da etwas in Erinnerung geblieben?
Da ich nicht bei ihm lebte, kann ich das nicht wissen. Ich weiß nur daß er hauptsächlich morgens schrieb. Ich kann mich aber auch daran erinnern daß er oft tief in Gedanken war, und ab und zu in sein Schreibzimmer ging um Notizen zu machen. Also glaube ich, daß er immer gearbeitet hat, auch wenn es nicht so aussah.
Mein Vater sagte oft daß er ein Glückspilz sei: “Meine Arbeit ist für mich keine Arbeit. Ich mache das was ich liebe und werde dafür sogar bezahlt.”

Hat Ihr Vater je mit Ihnen (ggf. zu einem späteren Zeitpunkt) über seine Arbeit gesprochen?

Leider sehr wenig. Als sein Buch, “Zeitbericht,” veröffentlicht wurde, erhielt er eine Unmenge von Leserbriefen, meistens von Leuten die ähnliche Erinnerungen hatten. Es waren zwei dicke Akten voller Briefe, die meinen Vater sehr beeindruckten. Ich kann mich erinnern daß ich eine ganze Nacht dabei war die Briefe in beiden Akten zu lesen. Zum Teil tolle Gechichten.

Hatten Sie in späteren Jahren noch regelmäßigen Kontakt zu Ihrem Vater?

Kontakt hatte ich immer, auch wenn nicht unbedingt “regelmässig.” Wir haben oft telefoniert. Ich habe einige Briefe die er mir faxte. Ich besuchte ihn jährlich. Er, und seine Frau, Brunhilde, besuchten mich in USA ab und zu (leider nicht sehr oft).

Woher kam Ihrer Ansicht nach das Talent Ihres Vaters, zu schreiben? Und woher rührte das offensichtliche Faible für Kriminalstoffe?

Diese Frage (Kriminalstoffe) kann ich leider nicht beantworten. Ich glaube er “rutschte” da einfach rein und war sofort erfolgreich. Aber seine erste Liebe war Theaterstücke zu schreiben.
Mein Vater hatte seine erste Kurzgeschichte veröffentlich als er 15 oder 16 war. Sein Vater war Beamter, seine Mutter Hausfrau. Seine Schwester, Elfriede (Fina), war drei Jahre jünger als er. Sein Vater kam um in einem Zugunglück bevor ich geboren wurde. Er hat das Schreiben meines Vaters nie unterstützt. Er wollte daß mein Vater auch Bahnbeamter wird. Seine Mutter, dagegen, hat ihn immer unterstützt und war enorm stolz auf ihn. Ich glaube es gibt keine anderen Schriftsteller in meiner Familie. (Ha, ausser mir jetzt!)

Kennen Sie alle Film- und Fernsehproduktionen, an denen Ihr Vater als Autor beteiligt war? Welches sind Ihre persönlichen Favoriten?

Ich weiss nicht viel über seine Arbeit vor 1950. Ich verfolgte sie mehr nach 1950. Mein Lieblingsfilm war damals “Die Trapp Familie.” Hatte mir vor ein paar Wochen “Canaris” angesehen und finde den Film fantastisch. Habe noch nicht alle Derricks gesehen, aber “Die Katze ohne Ohren” fand ich aussergewöhnlich gut, sehr beindruckend. Ich habe alle seiner Bücher gelesen, und lese sie immer wieder neu.

Wie erklären Sie sich den Ruhm und den Erfolg, den vor allem die Serien „Der Kommissar“ und „Derrick“ nicht nur hierzulande, sondern auch in vielen Teilen der Welt geerntet haben?

Leider konnte ich den “Kommissar”und “Derrick” in USA nicht sehen. Jetzt habe ich alle DVDs und mache ab und zu einen “Reinecker” Abend. Mein Vater hasste Gewalttaten und ich glaube, die Serien waren deshalb erfolgreich. Da gab es keine Explosionen, keine Schiessereien. Die Toten waren schon tot... Es geht immer nur um die Auflösung einer Tat. Besonders heute finde ich das herrlich. Im Fernsehen hier geht es nur um Gewalt... sehr grafisch... je schlimmer desto besser.

Soweit bekannt ist, hat Ihr Vater vor seinem Tod viele seiner Original-Drehbücher und andere Zeitzeugnisse Museen und ähnlichen Einrichtungen vermacht. Ist noch etwas davon in Ihrem Besitz geblieben?

Ich habe folgende Originalmanuskripte (und seine alte ...1937?... Naumann Erika Schreibmaschine):

Meldungen von der Grenzstation
Adams Ende
Mister Bilk und seine Töchter
Warten auf Nachricht (Kleine Texte 1 und 2)
Der Zeitengänger
The Jesus von Stallupönen
Das Ende einer Nacht

Frau Reinecker, Sie leben seit Jahren (1967) bereits in den U.S.A. Werden Sie dort bisweilen noch mit dem Werk Ihres Vaters konfrontiert?

Nein, leider nicht. man kennt ihn und seine Arbeit hier nicht. Dazu muß ich allerdings sagen daß in der Schule meines Sohnes “Derrick” Episoden im Deutsch Unterricht gezeigt wurden!

Sie haben in diesem Jahr das Buch „Dance with Me, Papa“ veröffentlicht. Wie kam es zu diesem Buch – mögen Sie uns darüber etwas erzählen?

Ich hatte das Buch in 1991 geschrieben. Aber das war nachdem meine zweite Ehe scheiterte. In dem Manuskript ging es hauptsächlich darum, zu erforschen, warum sie scheiterte. In dem Prozess hatte ich auch mich selbst gefunden, sozusagen. Es war mehr Therapie (nie veröffentlicht). Als ich letztes Jahr (2013) in Deutschland war hatte ich das erste mal von dem Horst Tappert Zirkus gehört. Und von dem Buch “Reineckerland.” Ich war ziemlich entsetzt, was diese drei Autoren so zu sagen haben. Sie haben sich die Freiheit genommen, in den Kopf meines Vaters zu kriechen. Alles sind Vermutungen. Mein Vater würde sich im Grab umdrehen. Tappert auch. Beide sind tot und können sich nicht verteidigen.
Dazu kommt, daß man ohne Fakten Tappert unter die Räder geschmissen hat. Und deswegen keine “Derrick” Wiederholungen mehr zu zeigen, finde ich schlimm. Und sehr schade; sie sind zeitlos.
Aber als ich in einem Telefongespräch mit der Frau meines Vaters im Juni 2013 das Buch “Reineckerland” erwähnte und was ich davon hielt, erhielt ich eine Tirade die ich nicht unterbrechen konnte. Sie beschuldigte mich (und meinen Bruder) nie Interesse an der Arbeit meines Vaters gezeigt zu haben. Das hatte mich so verletzt daß ich das alte Manuskript wieder zum Leben brachte. Allerdings total umgeschrieben. Meine zweite Ehe, um welche es hauptsächlich ging im ersten Manuskript, wurde reduziert zu einem Kapitel. Diese Ehe öffnete meine Augen über mich und die Rolle die meine Kindheit spielt im späteren Leben.
Ich habe meinen Vater über alles geliebt... er war aber nie da. Er war kein Vater im wahren Sinne des Wortes. Probleme wollte er nicht wahrhaben, die wurden unter den Teppich gefegt. Er behandelte Probleme mit Geld. Da war er sehr großzügig.
Er hatte aber in einem Brief (vor Jahren) gesagt daß er mich liebt und daß ich ihm unerhört ähnlich sei. Diesen wichtigen Brief habe ich aufgehoben, kann ihn aber nicht finden.

Mit der Veröffentlichung haben Sie Ihr Talent, zu schreiben bewiesen. Sind über das genannte Buch hinaus weitere Veröffentlichungen von Ihrer Seite geplant?

Ich arbeite gerade an meinem zweiten Buch, eine “Mystery.” Meine Tante (Schwester meines Vaters) sagte oft ich sei ein Spätschalter.” Ich glaube sie hatte Recht!

Frau Reinecker, herzlichen Dank, dass Sie sich für uns die Zeit genommen haben!

Jan Offline




Beiträge: 1.753

25.11.2014 17:00
#2 RE: Interview mit Rita Reinecker Zitat · Antworten

Danke für Dein Engagements diesbezüglich. Sehr interessant zu lesen. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Reinecker überhaupt eine (schreiebende) Tochter hat...

Gruß
Jan

Georg Offline




Beiträge: 3.259

25.11.2014 18:36
#3 RE: Interview mit Rita Reinecker Zitat · Antworten

Ja, danke vielmals, ich fand's auch sehr interessant und wusste über Rita Reinecker auch nichts ...

TV-1967 Offline



Beiträge: 652

25.11.2014 19:57
#4 RE: Interview mit Rita Reinecker Zitat · Antworten

Ja vielen Dank dafür. Hat mich auch angesprochen.

DanielL Offline




Beiträge: 4.154

28.11.2014 21:30
#5 RE: Interview mit Rita Reinecker Zitat · Antworten

Vielen Dank für das Engagement hier seitens Mr. Wooler und für die offenen Worte seitens Rita Reinecker. Sehr lesenswert!

Gruß,
Daniel

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

26.12.2014 11:52
#6 RE: Interview mit Rita Reinecker Zitat · Antworten

Danke Mr. Wooler! Ich habe diesen Thread erst jetzt gesehen. Ein sehr interessantes Gespräch!

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