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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 1.363 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

15.10.2013 00:15
Der blaue Nachtfalter (1959) Zitat · Antworten



Der blaue Nachtfalter

Kriminaldrama, BRD 1959. Regie: Wolfgang Schleif. Drehbuch: Dr. Erich Ebermayer (Vorlage: Carl von Barany, Siegfried Gauercke). Mit: Zarah Leander (Julia Martens), Christian Wolff (Thomas Martens), Paul Hartmann (Rechtsanwalt Dr. Frahm), Werner Hinz (Steve Owens), Marina Petrova (Irina, Tänzerin), Loni Heuser (Elvira del Castros), Lotte Brackebusch (alte Frau Martens), Hans Richter (Regisseur Olten), Ingrid van Bergen (zweite Tänzerin), Hans Paetsch (Richter) u.a. Eine Produktion der Berolina-Film GmbH, Berlin. Uraufführung: 27. August 1959, Theater am Aegi Hannover.

Zitat von Der blaue Nachtfalter
Als die ehemalige Sängerin Julia Martens nach dreizehn Jahren aus dem Zuchthaus entlassen wird, meint sie, mit den düsteren Schatten der Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Tatsächlich jedoch wird sie damit konfrontiert, dass sie ihrem Sohn gegenüber von den Verwandten ihres toten Mannes geleugnet wird. Julia will sich wieder in Arbeit stürzen und begegnet bei ihrem ersten Engagement einigen guten und einigen schlechten Bekannten ...


Auch wenn die Auftaktszene im düsteren Hafen im ersten Moment an die frühen Edgar-Wallace-Filme erinnern mag (das Mörtelwerk steht gleich um die Ecke, möchte man meinen), so entwickelt „Der blaue Nachtfalter“ nach dem Vorspann in deutlicher Weise ein Eigenleben, das ihn vor der Reputation, zum frühen Stilverwandten nach dem Gusto von „Dr. Crippen lebt“ zu geraten, bewahrte. Ihn als einen Kriminalfilm zu bezeichnen, ist sogar recht gewagt, da zwar eine ganze Reihe an Verbrechen sowie eine umfangreiche Gerichtssequenz vorkommen, alle diese Geschehnisse aber auf das Provozieren explosiver Gefühle der Hauptpersonen ausgerichtet sind. Im Grunde lässt sich der Film vielmehr als ein Mutter-Sohn-Drama charakterisieren, wobei die Mutter die Rolle der leidenden Mitwisserin, der Sohn hingegen die des unreifen Ahnungslosen übernimmt. Es verwundert kaum, dass sich folglich die Aufmerksamkeit auf Zarah Leander und Christian Wolff mit ihrem durch und durch überzeugenden „Zusammen“-Spiel konzentriert, wenngleich auch Werner Hinz als rücksichtsloser Manager und Paul Hartmann als beherzter und befreundeter Familienanwalt wichtige Parts übernehmen.

Für die Leander war „Der blaue Nachtfalter“ zwar kein absolutes, aber doch ein Teil-Comeback, denn zwar war sie immer wieder als Stargast in deutschen und internationalen Produktionen zu sehen, die letzte Hauptrolle zuvor hatte sie jedoch schon 1953 in Alfred Brauns „Ave Maria“ gespielt. Wie häufig bei derlei Besetzungen beschleicht einen das Gefühl, der Film sei nur für den Hauptdarsteller geschrieben und genau auf die gewünschten Charakterzüge (und Eitelkeiten?) abgestimmt worden. Folglich erweckt das Bild, das Leander in ihrer Rolle als gebeutelte Mutter im Sinne einer „durch die Finsternis ans Licht“-Philosophie zeichnet, einen etwas altmodischen und übermäßig idealisierten Eindruck; dies tut dem Film, der sich dadurch einen klassischen Anstrich und klare Prioritäten erwirbt, keinen unmittelbaren Abbruch. Eventuell wird sich der eine oder andere an den ausführlichen Gesangsnummern stören, die Leander zum Besten gibt. Durch ihre markante Stimme und die von Lotar Olias en masse eingesetzten peitschenden Bläserklänge tragen diese Auftritte aber auch zur dichten Atmosphäre der Produktion bei.

Christian Wolff sorgt für eine gute Portion jugendlicher Unbekümmertheit, die mangelnde Erfahrung und Menschenkenntnis verrät. Gleichsam ist sein Thomas Martens nicht auf die Natur eines Luftikus’ ausgelegt – seinen Geschäften, Fragen der „Ehre“ und der Ehrlichkeit vor Gericht misst er große Bedeutung zu. Unklar bleibt leider, wie eng seine Flamme, die Tänzerin Irina, tatsächlich zu ihm steht, nachdem sie ihrem Manager gegenüber die prioritäre Bedeutung ihrer beruflichen Engagements deutlich machte.

Wie oben bereits angedeutet, sollte man „Der blaue Nachtfalter“ nicht allein unter kriminalistischen Gesichtspunkten bewerten. Die Handlung gestaltet sich teilweise überladen und konstruiert, lässt aber dadurch niemals Langeweile aufkommen. Die große Überraschung am Ende des Films, bei der zwei Personen zu einer „verschmolzen“ werden, hätte noch stärker zünden können, hätte man sich mehr Mühe gegeben, die Doppelidentität von Anfang an zu verschleiern. Auch werden die Konsequenzen, die sich aus der Verantwortlichkeit für den Totschlag ergeben, geflissentlich beiseite geschoben, um den Interessen des Zuschauers um ein Happy-End für Mutter und Sohn gerecht zu werden.

Der Film wurde trotz vieler gut gemischter Zutaten – neben Drama, Schlager und Gerichtskrimi klingen auch Elemente der Aufarbeitung der NS-Diktatur an – und prominenter Schauspieler kein Riesenhit, schnitt an der Kinokasse aber dennoch ganz vernünftig ab (von Joachim Kramp bereitgestellte Filmbewertungsindizes lassen eine ähnliche Beliebtheit schlussfolgern wie etwa bei „Der rote Kreis“ oder „Der Rächer“). Abschließend Warnung und Entwarnung für Wallace-Fans zugleich: Mit Hans Paetsch und Ingrid van Bergen sind zwei mehrfache Edgar-Wallace-Darsteller mit von der Partie. Während Paetsch als Gerichtspräsident formidabel den sonst häufig mit Hans Nielsen besetzten Posten übernimmt und damit einen zwar späten, aber dankbar umfangreichen Auftritt verbuchen kann, so ist die Gastszene der Bergen kaum der Rede wert und beschränkt sich auf wenige Sekunden mit eins, zwei Sätzen. Dass Pidax-Film sie aus Werbezwecken auf dem Cover nennt, verwundert trotzdem nicht.

Wer einen trockenen Krimi mit Herzschmerz-Anmutungen und dem klassischen Star-Appeal Zarah Leanders sucht, wird mit „Der blaue Nachtfalter“ einen Volltreffer vor sich finden. Düstere Lokalstimmung, große Wallace-Anleihen oder ausschweifende Zuchthausgeschichten sollte man sich nicht erwarten. Überzeugende 4 von 5 Punkten.

Georg Offline




Beiträge: 3.259

15.11.2013 22:02
#2 RE: Der blaue Nachtfalter (1959) Zitat · Antworten

Ich kann mich der durchaus positiven Kritik anschließen. Am Beginn fühlte ich mich auch an einen klassischen deutschen Krimi jener Jahre erinnert - das dunkle Hafenbecken, die Musik, die unheimlichen Einstellungen versprechen einiges, was dann in dieser Form nicht gehalten wird. Dennoch fühlte ich mich von dem Film ganz gut unterhalten, auch wenn er zwischendurch streckenweise mehr Drama und Musikfilm ist. Der für uns Genrefans interessante Mord wird erst nach knapp einer Stunde begangen, die Gerichtsverhandlung und die Auflösung (Gubanov erwähnte die hier nicht weiter kommentierte überraschende Personenzusammenführung) "entschädigen" dann aber dafür und lassen dann doch den positiven Eindruck zurück. Gleichzeitig wird viel mehr in der Handlung verarbeitet - die bereits erwähnte NS-Zeit, die Mutter-Sohn-Beziehung u. v. m.. Toll fand ich die Musik des mir bisher eher unbekannten (Film)komponisten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

12.07.2015 14:07
#3 RE: Der blaue Nachtfalter (1959) Zitat · Antworten

BEWERTET: "Der blaue Nachtfalter" (Deutschland 1959)
mit: Zarah Leander, Christian Wolff, Werner Hinz, Marina Petrowa, Paul Hartmann, Loni Heuser, Lotte Brackebusch, Hans Richter, Hans Paetsch, Erwin Linder, Ingrid van Bergen u.a. | Drehbuch: Erich Ebermayer nach einer Filmnovelle von Karl von Barany und Siegfried Gauercke | Regie: Wolfgang Schleif

Julia Martens' Ehemann hilft während des Dritten Reichs Menschen, die vom Regime verfolgt werden. Ein Mann namens Stefan Owenski droht damit, ihn an die Gestapo zu verraten. Er erpresst Julia, die ihn in ihrer Verzweiflung erschießt. Nach dreizehn Jahren wird sie aus dem Zuchthaus entlassen. Ihr Ehemann ist bereits ein Jahr nach ihrer Verurteilung gestorben, der mittlerweile erwachsene Sohn lebt bei der Julia feindlich gesinnten Großmutter. Er glaubt, seine Mutter sei tot. Noch ahnt er nicht, dass er bald in eine ähnliche Situation geraten wird wie sie....



Zarah Leander präsentiert ihre Julia als eine Frau, die den Koffer ihrer Erinnerungen stets mit sich trägt, jedoch gelernt hat, sich zurückzunehmen und die Interessen anderer über ihre eigenen zu stellen. Sie nimmt nicht nur auf die Befindlichkeiten von Menschen, die ihr nahe stehen Rücksicht, sondern hält sich auch zurück, als ihr neues Unrecht geschieht. Erst als sich - Ironie des Schicksals - die Geschichte zu wiederholen droht, greift sie regulierend ein. Christian Wolff als schmucker und wohlerzogener, aber aufgrund seiner Jugend noch unfertiger angehender Juniorchef, zeichnet seinen Thomas als Mann ohne Tadel, der jedoch Gefahr läuft, aus Leichtsinn und Unachtsamkeit grobe Unterlassungen zu begehen. Seine Schwärmerei für Marina Petrowa, deren Rolle interessante Akzente bietet, allerdings aufgrund der Dominanz von Leander und Wolff ein wenig zurückstecken muss, verleiht der Geschichte Charme und Leichtigkeit. Werner Hinz und Paul Hartmann bilden die Gegenpole der Herren, die sich in ständiger Nähe der Damen aufhalten und ihnen je nach Charakterzug wohlmeinende Ratschläge oder unmissverständliche Befehle erteilen. Lotte Brackebuschs Rolle lässt ihren Werdegang in der "Weißen Spinne" verständlich erscheinen, ist sie doch die hartherzige Schwiegermutter wie sie im Bilderbuch steht. Die quirlige Loni Heuser ist die gute Seele des "Blauen Nachtfalters", der von Tanz und Musik lebt, wobei die Chansons der Leander ein gehaltvolles Retrovergnügen darstellen. Sie erinnern unweigerlich an die Evergreens aus ihrer Zeit als "deutsche Garbo".

Zitat von Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis Band 3, Verlag Wilhelm Heyne 2002 S. 286-288
Die Schauspielerin ließ sich zwar willig für die NS-Propaganda einspannen, bei der Debatte über ihre Staatsbürgerschaft endete jedoch die Konzessionsbereitschaft der schwedischen Patriotin. Hitler missbilligte diese starre Haltung, die in den höchsten Parteikreisen als Affront gegen Deutschlands Ehre galt.


Die gewiefte Geschäftsfrau war klug genug gewesen, sich ihre Gagen in schwedischen Kronen auszahlen zu lassen und damit in ihrer Heimat ein prachtvolles Gut zu erwerben. Als der Bombenkrieg immer heftiger wurde und ihre nur gemietete Villa in Berlin Dahlem getroffen wurde, beschloss sie, Deutschland den Rücken zu kehren. "Ohne es extra zu betonen, hatte sie mit ihrem abrupten Exodus zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht mehr an den Endsieg des Tausendjährigen Reichs glaubte und dass ihre Sympathie für den Nationalsozialismus bloß einem durchsichtigen Zweckoptimismus entsprungen war." (ebenda S. 301)

Kaum merklich schließt sich im Laufe der Handlung der Kreis, der mit dem Schuss auf den Erpresser den Anfang nahm und in die Gerichtsverhandlung unter dem Vorsitz von Hans Paetsch mündet. Im Rückblick erkennt man, dass es von Beginn an Hinweise auf zu erwartende Fallstricke gab, man diese aber wegen diverser Ablenkungsmanöver nicht wahrnahm. Der Film greift mehrere Genres auf und fühlt sich sowohl im Melodrama, als auch im Kriminalambiente zuhause. Die Schauplätze stehen für die Vielfalt an Situationen, mit denen die Personen konfrontiert werden, wobei die Nacht prinzipiell für Bedrohung und dunkle Geschäfte steht. Sonnige Außendrehs in einem Panoramacafé und im offenen Sportwagen stehen für neue Hoffnung, die in den Hauptfiguren aufkeimt, sodass auch die Weite des Parks am Ende ein wichtiges Symbol für den Gemütszustand der Figuren darstellt. Erst nachdem der Sohn die selbe verhängnisvolle Etappe durchgemacht hat wie seine Mutter, ist der Weg frei für eine verständnisvolle und aufrichtige Beziehung der beiden. 4,5 von 5 Punkten

Giacco Offline



Beiträge: 2.499

17.07.2015 18:47
#4 RE: Der blaue Nachtfalter (1959) Zitat · Antworten

Die festliche Uraufführung des Films fand am 27.8.1959 im Theater am Aegi (1453 Plätze), Hannover statt.
Am 28.8. folgte die Premiere in der Lichtburg, Essen (1000 Plätze)

Ein rauschender Erfolg: DER BLAUE NACHTFALTER

"Nach den ausverkauften Vorstellungen feierte das begeisterte Publikum den Film und die auf der Aegi-Bühne auftretenden Stars (Zarah Leander, Christian Wolff, Marina Petrowa & Loni Heuser) und erzwang mehr als 50 Vorhänge für den Hauptstar Zarah Leander. Nicht nur die "alten" Leander-Freunde, sondern in gleichem Maße die Jugend brachten der Künstlerin endlose Ovationen dar.
Das gleiche wiederholte sich einen Tag später in der Lichtburg Essen, wo ebenfalls Polizei aufgeboten werden mußte, um Zarah Leander und die mit ihr erschienenen Darsteller heil aus dem Verehrer-Tumult zu retten."

Quelle: Film-Echo


Großer Publikumsandrang in Essen

Trotz sehr guter Startergebnisse in den Erstaufführungshäusern blieb der Film geschäftlich gesehen letztendlich hinter den Erwartungen zurück. Vor allem in den Kleinstädten und Landgemeinden war das Publikumsinteresse geringer als erhofft.
Mit der Durschnittsnote 3,8 (63 Meldungen) konnte immerhin noch ein leicht überdurchschnittliches Mittelgeschäft erzielt werden.

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