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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 579 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Peter Offline




Beiträge: 2.886

05.10.2013 16:05
Bewertet: Im Schatten (2010) Zitat · Antworten

Im Schatten

Kino-Kriminalfilm, Deutschland 2010. Buch & Regie: Thomas Arslan, Musik: Geir Jenssen, Kamera: Reinhold Vorschneider. Produktion: Schramm Film Koerner & Weber, Berlin. Länge: 83 Minuten.
Darsteller: Mišel Matičević, Uwe Bohm, Karoline Eichhorn, Rainer Bock, Hanns Zischler, Peter Kurth, David Scheller, Timo Jacobs, Jörg Malchow.



Obwohl Trojan (Matičević) gerade fünf Jahre Knast hinter sich hat, kennt er nur ein Ziel: Das schnelle Geld mit einem professionellen Raubüberfall. Der schweigsame Einzelgänger beherrscht nur ein Gewerbe: das Verbrechen, dem er ohne zu zögern bis zum Ende verbunden bleibt. Vertrauen hat er nur zu wenigen - und das aus guten Gründen. Das geduldig verdiente Startkapital soll vom Ex-Komplizen Richard (Kurth) kommen, reich geworden nicht zuletzt durch Trojans Schweigsamkeit gegenüber der Justiz, der ihn aber mit einem Mini-Anteil aus dem gemeinsamen Coup abspeist. Dafür schickt er ihm zwei Killer (Jacobs & Malchow) mit wenig Format aber kaltem Blut hinterher, um Schweigen und Reichtum weiter zu sichern.
Der Druck auf Trojan wächst. Er besorgt sich eine Waffe und sucht nach der passenden Gelegenheit für einen Raubüberfall. Vertrauen muss er dafür dem "Planer" (Zischler). Doch der handelt nicht nur mit Waffen sowie Projektideen und Komplizen für Raubzüge, sondern dealt eben auch mit allen Informationen über die eigenen Kunden...



Die beiden Killer sind nicht die einzigen Personen, die nach ihm suchen. Der überaus korrupte Bulle Meyer (Bohm), hat den Ex-Knacki Trojan aus purer Geldgier auf dem Schirm, weil er ahnt, dass dieser bald das endgültige Ding drehen könnte, um in freundlichere Gefilde umzuziehen. Genau dies strebt aber auch Meyer an, der ohnehin meist "auf eigene Rechnung arbeitet", wie Trojan lakonisch feststellt. Der eisgekühlte Meyer nutzt seine Ermittlungsergebnisse unverblümt für Beteiligung am Drogenhandel, für Erpressung und Diebstahl ein - tja, und für eine Tüte voller Geld ist auch ein Mord kein Problem.



Doch Trojan bleibt ist vorsichtig. Einen vom "Planer" arrangierten Einbruch lehnt er ab, weil die vermittelten Partner als Alki & Junkie unzuverlässig erscheinen und kommentarlos abgelehnt werden. Stattdessen bietet sich über eine weitere Vertraute ein scheinbar sicheres und lukratives Geschäft: Trojans Pflichtverteidigerin und Geliebte Dora (Eichhorn), die an schneller Beute wesentlich stärker interessiert ist als an Rechten und Gesetzen, entdeckt die Möglichkeit, einen Geldtransporter zu überfallen. Sie hat ihren Job genutzt, um einen Werttransporteur (Scheller) anzuspitzen, der seit längerem heiß darauf ist, sich sein Transportgut mit Hilfe von Profis unter den Nagel zu reißen. Trojans echter Kumpel und Alt-Komplize Nico (Bock) hat sich eine legale Existenz aufgebaut, läßt sich aber wider bessere Einsicht schnell zum Easy-Coup überreden. Der wird zwar zum Cash-Erfolg, doch so sehr die Gang versucht, anonym und professionell zu agieren, ihre Vergangenheit wirft lange Schatten aus Misstrauen, Verrat, Beschattung und Gewalt....




"Im Schatten" entstammt der strengen Berliner Schule und hat eher den pessimistischen französischen Noir-Gansterfilm als den hollywoodianischen Film Noir zum Vorbild. Dies wird auch nicht geleugnet, aber nicht nur Melvilles Schweigsamkeit beim Umgang mit verletztem Ehernkodex findet eine Hommage. Mit dem Papierstreifentrick an der Wohnungstür schützte sich schon Robert Redford in George Roy Hills "Der Clou" vor den Killern. Auch die ungemütliche Zusammenführung von Nase und Tischplatte als Ausdruck der Unzufriedenheit eines Polizisten fand man schon dort.
Ansonsten unprätentiöses Gangsterkino und als Synthese der straffen Story-Elemente ein sehr moderner Film Noir. Arslan schaut seinen Figuren im Alltag und bei der Arbeit zu. Platz für Glamour, Humor oder Figuren-Mystifizierung ist da nicht. Öde Billig-Hotels und Supermarkt-Fertigfraß, ständiges Umsehen nach Gefahren von Verfolgern aus der konkurrierenden Szene. Das Leben besteht aus Vorbereitungen für einen Raub, aus Flucht, aus Mord, aus Tod. Man trifft sich anonym in Hinterzimmern und immer wieder auf Parkplätzen. Ständig neue Waffen werden be- und entsorgt, bei Fluchtfahrzeuge achtet man darauf, dass sie erst nach dem Überfall vermisst werden. All das mit Präzision und spröder Routine, selbst Abschied und Wiedersehen werden total versachlicht. Alles mit dem Wissen, dass jeder Fehler fatale Folgen nach sich zieht.
Obwohl der Film seinem Helden dabei einen biographischen Hintergrund verweigert und weitgehend auch auf Psychologie bei den Figuren verzichtet wird, wächst mit der Fortlauf des Geschehens die Identifikation mit dem Helden. Der Protagonist wird zum Getriebenen, bei dem die Ahnung des Scheiterns, die vorgezeichnete Vergeblichkeit allen Strebens eine ansonsten schwer erklärliche menschliche Note verleiht.



Es sind gerade die altgedienten Ehrenleute ihres Gewerbes (Bohm, Zischler, Kurth), die am schonungslosesten zum Verrat greifen. Sie lassen keinen Zweifel, auf diese Art ihre Positionen gefestigt zu haben. Von nichts kommt eben nichts. Doch was tut die legale Seite dagegen? Selbst ein nur halbwegs gesetzestreuer oder gar seriöser Detektiv ist nicht in Sicht. Ehrliche Polizisten tauchen nur zufällig auf - oder nur in Form von Meyers unglaubwürdiger Drohung, als Konsequenz einer gescheiterten Erpressung "die Kollegen zu verständigen". Zynischer ist ein Gesetzeshüter nie gewesen.


Wie wohl man sich dabei fühlen kann, ausschließlich Gangsterfiguren zu begleiten, die sich bewegen wie der ganz Film: Lakonisch, kühl, clever, fließend und zielgerichtet. Bis zum passenden Ende. Es ist somit noch mehr als die langersehnte Wiederauferstehung von Melville, der dritte Atem sozusagen. Starkes Ensemble unter brillanter Regie. Was für ein glänzender, spannender Neo-Noir!
5 von 5 Punkten.

Giacco Offline



Beiträge: 2.515

05.10.2013 18:46
#2 RE: Bewertet: Im Schatten (2010) Zitat · Antworten

Ein faszinierender Gangsterfilm mit einem hervorragenden Schauspieler-Ensemble.
Hat mir sehr gut gefallen.
Dass er auch im Kino gelaufen ist, wusste ich gar nicht.
Filme mit Misel Maticevic sind immer das Anschauen wert.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

05.10.2013 19:21
#3 RE: Bewertet: Im Schatten (2010) Zitat · Antworten

Sehr schöne Analyse, Peter. Ein großartiger Film; ich hatte das Glück ihn auf der großen Leinwand zu sehen. Lief aber selbst hier in Hamburg nur im kleinen "3001"-Kino.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

11.10.2013 10:41
#4 RE: Bewertet: Im Schatten (2010) Zitat · Antworten

Zitat von Marmstorfer im Beitrag #3
Ein großartiger Film; ich hatte das Glück ihn auf der großen Leinwand zu sehen. Lief aber selbst hier in Hamburg nur im kleinen "3001"-Kino.


Das war sicher ein schönes Erlebnis. Es ist natürlich schade, dass solche Filme nur selten zu vernünftigen Besucherzahlen kommen, was die Finanzierungen von Folgeprojekten zusätzlich erschwert. Bin auch eher zufällig aufmerksam geworden. Denn neben dem fiesen Howard Vernon in "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" ist unser Freund Trojan nämlich zur besonderen Empfehlung auf dem Cover eines Buches abgebildet, welches diesen schönen Titel trägt: "Die Lust am Genre: Verbrechergeschichten aus Deutschland."

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

11.10.2013 11:49
#5 RE: Bewertet: Im Schatten (2010) Zitat · Antworten

Zitat von Peter im Beitrag #4
Es ist natürlich schade, dass solche Filme nur selten zu vernünftigen Besucherzahlen kommen, was die Finanzierungen von Folgeprojekten zusätzlich erschwert.


Keiner der Produzenten wird mit Millionen-Einnahmen gerechnet haben. Dank Filmförderung und koproduzierenden TV-Anstalten (in diesem Fall ZDF/3Sat) hält sich das finanzielle Risiko in Grenzen. Ohne das oft gescholtene gebührenfinanzierte Fernsehen könnte man Filme wie "Im Schatten" hierzulande nicht herstellen. Arslans Folgeprojekt "Gold" (ein Spätwestern (!) mit Nina Hoss) lief übrigens sogar im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. War aber ebenfalls kein großer Kinohit...

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