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 Film- und Fernsehklassiker international
Prisma Offline




Beiträge: 7.591

18.08.2013 16:53
Kameliendame 2000 (1969) Zitat · Antworten



KAMELIENDAME 2000 / CAMILLE 2000 (1969)

mit Danièle Gaubert und Nino Castelnuovo
Massimo Serato, Peter Chatel, Roberto Bisacco, Philippe Forquet, Silvana Venturelli und Eleonora Rossi-Drago
eine Produktion der Spear Productions
ein Film von Radley Metzger






»Ich war nicht darauf gefasst, einer Frau wie Ihnen zu begegnen!«


Aus beruflichen Gründen verschlägt es Armand Duval (Nino Castelnuovo) nach Rom, wo er von seinem Freund Gastion (Roberto Bisacco) in die feine Gesellschaft eingeführt wird. Bei einem Besuch in der Oper begegnet er Marguerite Gautier (Danièle Gaubert), die von allen nur "Kameliendame" genannt wird, von deren Schönheit er sofort angezogen wird, und sich Hals über Kopf in sie verliebt. Doch die exzentrische Frau hat hohe Ansprüche und bevorzugt hauptsächlich solvente Liebhaber, die ihr ein exklusives Leben finanzieren. Nach einigen Startschwierigkeiten verliebt sich Marguerite sogar zum ersten Mal in ihrem Leben in ihren Verehrer, und eine Zeit des Glücks beginnt für beide, welches jedoch nur von kurzer Dauer ist, denn Armand kann das teure Leben und Marguerites geheim gehaltene Drogensucht nicht finanzieren. Als dann auch noch sein Vater (Massimo Serato) auftaucht, und sie zur Rede stellt, kommt es zu einem schwerwiegenden Entschluss...

Dieser von Radley Metzger inszenierte Film gilt als einer der skandalöseren Werke der End-Sechziger, und trägt die typische Handschrift des Regisseurs, der erneut einen, in allen Belangen, großartigen Unterhaltungsfilm und darüber hinaus eine übersinnliche Adaption eines Klassikers abgeliefert hat. Seine Filme mit erotischem Grundgehalt wirken wie Kunstwerke, die so überragend choreografiert wirken, dass man es manchmal kaum glauben kann. Metzgers Gespür für Zeitgeist, beziehungsweise diesem einen ordentlichen Schritt voraus zu sein, zahlt sich hier vollkommen aus, auch seine offensive Angriffslust gegenüber dem Zuschauer wirkt so erfrischend, die Bilder und der Inhalt wirken nahezu zeitlos, ja, es ist einfach ganz großes Kino was man mit "Kameliendame 2000" geboten bekommt. Die Handlung ist wie so häufig zeitlich fiktiv, dennoch bekommt man den Eindruck, dass es die Beteiligten Personen tatsächlich gibt, nein geben muss, denn es entsteht das Gefühl, dass man ähnliche Bekanntschaften selbst schon einmal gemacht hat, gleiche Situationen im Grunde genommen schon einmal selbst erlebt hat, und die geschilderten, so sicher transportierten Emotionen ebenfalls kennt. Alleine von daher fühlte ich mich persönlich ein wenig an "Ich habe sie gut gekannt" erinnert, wenn auch nur vage, beziehungsweise wegen einer Umkehrreaktion. Die Exposition ist hier tatsächlich sehr gewagt, wenn auch im geschmackvollsten Rahmen den man sich vorstellen kann. Die spektakulärste Neuentdeckung für mich präsentierte sich hier allerdings in Form von Danièle Gaubert, bei deren Verve es einem buchstäblich die Sprache verschlägt.





Die 1943 geborene, französische Schauspielerin sorgte nicht nur mit ihrer Freizügigkeit, sondern auch immer wieder mit ihrem Privatleben für Schlagzeilen, und verstarb bereits 1987, schrecklich früh im Alter von nur 44 Jahren. Hier darf man sie in der Titelrolle bewundern und sie übt eine enorm hohe Faszination aus, und das nicht nur auf die Personen im Film. Ihre Attraktivität geht mit der von Partner Nino Castelnuovo eine bemerkenswerte, aber vor allem glaubhafte Allianz ein, die Interaktion wirkt symbiotisch, und das in allen Facetten des jeweiligen Verhältnisses. Marguerite ist die Frau für Jedermann, der sie sich leisten kann, ihre Fassade wirkt perfektioniert, bis ungeahnte Komplikationen auf sie zukommen. Das unter Umständen gefährliche Prinzip: »Liebe auf den ersten Blick verkürzt die Zeit« zeichnet Nino Castelnuovo sehr überzeugend, sehr nachvollziehbar und sehr sicher, und man ahnt bei allem Sein oder Schein dennoch, dass alte Gewohnheiten und Capricen eventuell doch nicht so schnell abgelegt werden können. Für den Zuschauer wirkt diese Konstellation nicht nur berauschend, sondern gleichzeitig auch verwirrend, was für eine durchgehende Aufmerksamkeit sorgt. Der erweiterte Cast erfreut mit bekannten Gesichtern, und jede einzelne Interpretation wirkt hier sehr überzeugend. Ausschlaggebend für das Ansehen des Films war (wie in anderen Fällen auch) die großartige Eleonora Rossi-Drago, deren Name einfach wie Musik klingt. Bereits etwas in die Jahre gekommen, spielt sie die mütterliche, wenn auch oberflächliche Freundin von Marguerite, und es handelt sich erneut um einen Auftritt der bloßen Präsenz einer Schauspielerin, die ich stets mit Präzision und Überzeugungskraft verbinde. Was allerdings unterm Strich zurück bleibt und den Verlauf prägt, ist die makellose Schönheit und die Unbändigkeit der Hauptdarstellerin Danièle Gaubert.

"Kameliendame 2000" ist ein besonders packender Beitrag des italienischen Kino der späten Sechziger geworden, und verdient in jeder Hinsicht Anerkennung. Zunächst ist es ja schon einmal sehr begrüßenswert, dass es eine gute Veröffentlichung auf DVD gegeben hat, denn so viele andere von Radley Metzgers Filmen warten nur darauf, aus der Versenkung gehoben zu werden. Dieser Film punktet mit herrlichen Bildkompositionen, sinnlichen Veranschaulichungen die gerne auch mal progressive Wege einschlagen, die geschmackvolle Abhandlung des Themas wirkt bei aller Herkömmlichkeit dennoch außergewöhnlich. Der Zuschauer wird zum innocent bystander in einem Konglomerat aus Realität und Traum, Poesie und Prosa, Bekanntem und Unbekanntem. Wieder einmal beweist die Regie ein beinahe unfehlbares Gespür dafür, präzise Psychogramme der Frau zu erstellen, die hier dem Empfinden nach Anteile von jeder hat. Was der gefühlvolle und facettenreiche Soundtrack von Piero Piccioni bewirkt, ist schon bemerkenswert, und von handwerklicher Seite bekommt man insgesamt mehr als Ausgefallenes, aber auch Klassisches geboten. Viele Bild-Spiegelungen wirken wie der Blick durch ein Kaleidoskop, das Setting wirkt mit Fantasie und Liebe zum Detail richtiggehend spektakulär. Szenen wie beispielsweise die Sex-Orgie in einer Art Kerker, wo sich alle Gäste irgendwann in Handschellen wiederfinden (oder Alternatives zu leisten haben), wirken dem Titel des Films entsprechend, und für damalige Verhältnisse visionär. Ob man sich das Jahr 2000 damals tatsächlich so vorgestellt hat? Wenn ja, besteht eindeutig Nachholbedarf und die Gesellschaft wirkt überaus rückständig. Mit "Kameliendame 2000" hat Regisseur Radley Metzger jedenfalls einen Kunstfilm kreiert, der ketzerisch mit gängigen Klischees jongliert, und der auch heute noch begeistert, und den man daher bestimmt einmal gesehen haben sollte. Umwerfend!

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