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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 547 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Prisma Offline




Beiträge: 7.591

14.06.2013 01:21
Der rote Rausch (1962) Zitat · Antworten



DER ROTE RAUSCH (1962)

mit Klaus Kinski, Brigitte Grothum, Jochen Brockmann, Dieter Borsche, Sieghardt Rupp, Herbert Fux und Marina Petrowa
eine Produktion der Rex-Film im Nora Verleih
ein Film von Wolfgang Schleif





»Sein Gehirn ist leer!«


Der Patient Nr. 327 der Nervenheilanstalt ist ausgebrochen und es herrscht große Aufruhr, denn der Patient leidet unter psychotischen Anfällen, in deren Verlauf er einem unkontrollierbaren Blutrausch verfällt. Seit Jahren lebt er in geschlossenen Räumen, war umgeben von Gittern und kranken Menschen, sah das alles mit wachem Verstand, aber er wusste nicht, weshalb er dort war. Wusste nicht, dass er in Anfällen von Schizophrenie Frauen umgebracht hatte. Vier Frauen, die rote Korallenketten trugen, als man sie fand. Zerrissene Ketten. Der Patient, der manisch nach Halsketten aus roten Korallen versessen ist, harrte in der Psychiatrie aus und grübelte, doch eines Tages hielt er es nicht mehr aus. Er ist doch unschuldig...Also flieht er... [ Zitat: "Der rote Rausch", erschienen bei Filmjuwelen]

Dieser seltsame Film von 1962 sorgte bei mir im Vorfeld für Spannung und Vorfreude und es kam nicht zuletzt wegen des Produktionsjahres und der interessanten Besetzung zu einer großen Erwartungshaltung. Um es vorab zu sagen: Ich empfehle jedem, sich diesen Film wirklich selbst anzuschauen, denn diese Einschätzung ist bestimmt mit Vorsicht zu genießen, aber ich halte ihn tatsächlich für schrecklich verunglückt. Meine Beschreibung bekommt daher auch nur eine insgesamt weniger desaströse Note, weil ich es begrüßenswert finde, dass dieser seltene Film eine anständige Veröffentlichung erfahren hat. Mehr aber leider nicht. Die Geschichte ist mit aller Gewalt auf ein Psycho- oder besser gesagt, Pseudo-Drama angelegt, und der gemächliche Spannungsbogen (falls denn überhaupt vorhanden) wurde leider in ungünstiger Art und weise um Klaus Kinski herum konstruiert, was das Ganze sehr ungelenk und unflexibel erscheinen lässt, weil ihm diese Fähigkeiten hier fehlen. Ein Film im Würgegriff des Klaus Kinski; da hat es bestimmt schon bessere Varianten gegeben, wenn man ihm freien Lauf ließ, und ihn nicht wie hier hoffnungslos an eine unsägliche Geschichte ankettete. Regisseur Wolfgang Schleif inszenierte hölzern und unspektakulär, die zeitliche und örtliche Desorientierung wirkt störend, aber das ist nur der Anfang. Die aufgesetzte Melodramatik wirkt ermüdend, genau wie diverse falsche Sentimentalitäten die hier unschön aufgetischt werden, so dass man sich fast peinlich berührt fühlt. Des Weiteren ist das psychologische Leitmotiv gelinde gesagt ein Witz. Inszenatorisch sieht man hier zwar recht gute Lösungen, wenn beispielsweise weiße Wände zu Projektionsflächen werden, oder sich schäbige Dachkammern in Anstaltszellen verwandeln, doch das alles wirkt so schrecklich inkohärent in die Szenerie hinein gebastelt, weil die Regie den Zuschauer auch eine geschlagene Stunde quasi im Dunkeln tappen lässt.





Klaus Kinski ist natürlich für derartig angelegte Rollen der richtige Mann gewesen, und der Wahn hat definitiv viele Gesichter, doch das frappanteste stammt immer wieder von ihm selbst. Kinski löst die schwierige Anforderung prinzipiell recht gut, und wenn man ihn in bestimmten Zuständen sieht, lehrt er einen schon das Fürchten. Leider kämpft er aber gegen eine zu plump angelegte Rolle, die ihm aufgrund fehlender Transparenz nur schwer abzunehmen ist. Der Charakter des mutmaßlichen Frauenmörders ist zerrissen, man sieht einen gehemmten, von Komplexen beladenen jungen Mann, der offensichtlich selbst nicht weiß, wer er eigentlich ist. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn der Zuschauer wenigstens reinen Wein eingeschenkt bekäme, aber Derartiges passiert leider nicht. Eine vage, schemenhafte und unglaubwürdige Zeichnung der Hauptperson sorgt für eine hohe Anstrengung beim Zuschauen, und höhlt die Gesamtkonstruktion aufgrund der ausschließlichen Zentrierung von Grund auf aus. So kann man, dem Charakter des Films entsprechend, bei Kinskis Darbietung ebenfalls eine gewisse Schizophrenie erkennen, denn er prägt den Film zum Teil fulminant, ruiniert ihn aber auf der anderen Seite auch vollkommen. Für einen weiteren Dämpfer sorgt Dieter Borsche als Leiter des Sanatoriums in einer unwichtigen Nebenrolle. Von ihm wird man schließlich Einschätzungen, beziehungsweise angebliche Expertisen zu seinem entflohenen Patienten zu hören bekommen, die kaum zu fassen sind und die, um es deutlich zu sagen, einfach nur schwachsinnig sind, und man sich beinahe für dumm verkauft fühlt. Lichtblicke stellen glücklicherweise Brigitte Grothum und Jochen Brockmann dar, bei denen es wie immer Freude bereitet zuzusehen. Gerade Grothum wirkt hier sehr glaubhaft und sie steht ihren Leistungen bei Edgar Wallace in nichts nach. Das persönliche Highlight zeigte sich hier in Form des eiskalten Herzens aus "Das Nachtlokal zum Silbermond", alias Marina Petrowa. Die begabte Darstellerin, hier als Bardame zu sehen, konnte erneut ihre Wandlungsfähigkeit und Spiellaune unter Beweis stellen.

Der Film beginnt mit dem Ausbruch aus der Anstalt und der Flucht durch die Sümpfe sehr atmosphärisch und vielversprechend, die Einführung fast aller Darsteller geschieht verständlich und recht flüssig. Leider führt der Film jedoch schnellstens in eine ganz andere Richtung, nämlich in die Leere, und verwirrt und strapaziert durch einen völlig unklaren, diffusen Aufbau. Als dann auch nach einer Stunde noch nichts geschehen ist, und sich Klaus Kinski immer mehr als uninteressanter Waschlappen offenbart, weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Ihn auf gut Glück zu besetzten reicht einfach nicht als Garantie aus, falls es keinen erkennbaren doppelten Boden gibt, und es ist erstaunlich, wie oft er hier ins offene Messer laufen musste. Wenige beunruhigende Sequenzen und sporadische Spannungsmomente können die Langatmigkeit hier definitiv nicht wegdiskutieren. Man sieht immer wieder einmal eindringliche, teils stilvolle Bilder, die Personen im Film versuchen alles, damit diese Geschichte, die allerdings nur aus unausgeschöpftem Potential besteht, nicht umkippt, aber es deutet sich schnell an, dass es vergebens sein wird. Diese beinahe eineinhalb Stunden erweisen sich als ein schwerlich interessantes Hin und Her, oder besser gesagt als ein Sammelsurium aus vagen Gedankenschnipseln, mit haufenweise platten Dialogen, die manchmal in sprachlichen Klippen gipfeln, wenn mal wieder eine medizinische Mutmaßung herhalten muss. Musikalisch vernimmt man dann wenigstens noch ein paar brauchbare Akzente, ansonsten kann ich nur sagen, dass "Der rote Rausch" ein erschreckender, trivialer Langweiler aus dem Bilderbuch ist, in dem definitiv neue Klischees erfunden wurden. Hoffnungslos und ohne Belang, und für mich persönlich ist dieser ziellose Film beinahe in jeder Hinsicht misslungen! Aber wie bereits angedeutet, sollte das jeder selbst entscheiden, vielleicht schafft es Klaus Kinski ja doch, den ein oder anderen auf dem richtigen Fuß zu erwischen. Für mich ist es jedenfalls kein Wunder, dass dieses "Juwel" seit seiner Entstehung so lange in der Versenkung verschwunden war.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.06.2013 07:28
#2 RE: Der rote Rausch (1962) Zitat · Antworten

Diese Einschätzung macht auf ihre ganz eigene Art doch irgendwie gespannt auf den Film. Dass ein früher Thriller mit Kinski in der Hauptrolle ziemlich verunglückt ausgefallen sein dürfte, war mir von Anfang an klar.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

14.06.2013 13:24
#3 RE: Der rote Rausch (1962) Zitat · Antworten

Aber ich höre mich doch noch nicht an wie der katholische Filmdienst, oder? "Wir raten ab!"
Ich kann mir schon vorstellen, dass der Film bei einigen auch gut ankommen wird, denn er spricht einen sehr eindeutig und unmissverständlich im positiven oder negativen Sinne an. Nur dazwischen sehe ich nicht viel Spielraum weil es sich um keinen Unterhaltungsfilm handelt. Ich jedenfalls habe "Der rote Rausch" als belanglosen Flop empfunden, wobei ich auch dabei bleibe, dass es gut war, ihn in einer ordentlichen Veröffentlichung gesehen zu haben.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

14.06.2013 16:00
#4 RE: Der rote Rausch (1962) Zitat · Antworten

Als Ex-Katholik lass´ ich mir von nichts mehr abraten und durfte den Film sogar in der unordentlichen Fassung sehen. Ein ziemlicher Flop ist "Der rote Rausch" aus genannten Gründen natürlich schon und stiftet in der Tat kein großes Bedürfnis nach einem Wiedersehen. Dennoch habe ich keineswegs bereut ihn zu betrachten, da die Kinski-Rolle interessant und ein ganzes Stück ausgeprägter angelegt ist als in Kinskis meist kleineren Rollen dieser Zeit.

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