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Dieses Thema hat 74 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Stroheim Offline




Beiträge: 170

04.12.2016 13:15
#61  Gruselfilme & Schauerschinken Zitat · Antworten

Nicht ganz in der gleichen Liga wie die beiden von James Whale inszenierten Klassiker 'Frankenstein' (1931) und 'Bride of Frankenstein' (1935) - jedoch durchaus sehenswert und unterhaltsam:

- Son of Frankenstein von Regisseur Lowland V. Lee aus dem Jahr 1939.

Mit erstklassiger Besetzung - Boris Karloff, Bela Lugosi, Basil Rathbone, Lionel Atwill -, einem brauchbaren Drehbuch und schaurig-schönen Dekors.
Der Originaltrailer: https://www.youtube.com/watch?v=E4Lw7qTb3FM

Gibt's als Double-Feature vom Universal Studio zusammen mit 'The Ghost of Frankenstein' (1942) auf einer DVD (NTSC Region 1) |addpics|7mg-e-4503.jpg|/addpics|

Stroheim Offline




Beiträge: 170

31.12.2016 10:35
#62  Gruselfilme & Schauerschinken Zitat · Antworten

´
Zum Jahreswechsel eine Empfehlung aus Venezuela:


https://vimeo.com/94573600

https://www.yorck.de/filme/the-house-at-the-end-of-time

http://horrorfreaknews.com/house-end-time-2014-review


......... |addpics|7mg-f-78e8.jpg|/addpics|

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

12.02.2017 14:28
#63 Das Spiel mit der Angst Zitat · Antworten



IN DER GEWALT DER RIESENAMEISEN

● EMPIRE OF THE ANTS / IN DER GEWALT DER RIESENAMEISEN (US|1977)
mit Joan Collins, Robert Lansing, John David Carson, Albert Salmi, Jacqueline Scott, Pamela Susan Shoop, Robert Pine, Irene Tedrow, Ilse Earl, Janie Gavin, u.a.
eine Produktion der Cinema 77 | AIP | im Verleih der Constantin Film
ein Film von Bert I. Gordon






Die Immobilienmaklerin Marilyn Fryser (Joan Collins) möchte in einem Sumpfgebiet in Florida ein Bauprojekt realisieren, für das sie auf der Suche nach ahnungslosen Geldgebern ist. Zuvor wurden von einem Schiff aus mehrere Fässer mit radioaktivem Müll ins Meer gekippt, die in diesem Gebiet stranden. Die auslaufende Flüssigkeit wird von Ameisen aufgenommen, die dadurch ein Vielfaches an Größe gewinnen. Marilyn und ihre Kundschaft werden von diesen aggressiven Mutationen aufgelauert, die die Anzahl der Gruppe in kürzester Zeit dezimieren. Mit einem Boot versucht man vor den Kreaturen zu fliehen und als trotz tödlicher Gefahren schließlich doch eine in der Nähe liegende Stadt erreicht wird, scheint die Gruppe in Sicherheit zu sein. Doch sie ahnen noch nicht, dass der Albtraum dort neue Formen annehmen wird...

Der amerikanische Regisseur Bert I. Gordon konnte in seiner langen Karriere mit etlichen B-Movies, unter Anderem aus dem Horror-Bereich aufwarten, und "In der Gewalt der Riesenameisen" reiht sich nahtlos in diese illustre Gesellschaft ein, was wenige Minuten nach Filmbeginn schon offensichtlich erkennbar wird. Eine Off-Stimme will eine potentiell gefährliche Ader der kleinen Insekten mit der kollektiven Intelligenz weismachen und wenn sie schließlich in den seltenen Genuss kommen, etwas Atom-Müll zu schlürfen, sollten sich amerikanische Immobilien-Touristen warm anziehen. Wenn einem nach kürzester Zeit diverse inszenatorische, sowie dramaturgische Ungereimtheiten ins Auge springen, ist man schnell geneigt, derartige Produktionen als trashy abzustempeln und sie bestenfalls auf ihren Unterhaltungswert zu reduzieren. Unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich jedoch auch dieser Mutationen-Horror von selbst und in Verbindung mit sehr einfachen Mitteln, die hin und wieder die geplante Wirkung erzielen können, den Zuschauer zu beunruhigen, ist es anfangs ein Leichtes, sich auf die absolut determinierte Handlung einzulassen. Natürlich sind hier keine Wunder zu erwarten, denn die großen Insekten krabbeln einem nicht strapaziös genug über die Nerven. Bis es tendenziell zum anvisierten Horror kommen kann, wird der Zuschauer mit stumpfsinnigen Dialogen und hauptsächlich uninteressanten Charakteren konfrontiert, bei denen die Trauer nicht gerade groß sein wird, wenn sie von den gierigen Hauptdarstellern attackiert werden. Die Storyline des Films ist überaus simpel und phasenweise ebenso langweilig und zäh ausgefallen, bis endlich die sagenhafte Tricktechnik zuschlagen darf. Hierbei handelt es sich um ganz einfache, zunächst sogar wirksame Szenen, die in häufig in subjektiven Einstellungen vonstatten gehen, sich interessanterweise also aus der Sicht der Ameisen selbst abspielen.

Im darstellerischen Bereich gibt es empfundenermaßen mehr Horror zu sehen, als von der Thematik ausgehend, denn es offenbaren sich erstaunlich schwache Leistungen von so gut wie allen Akteuren. Es mangelt an Ausdruck, Charisma und der Fähigkeit, den Zuschauer in Situationen der tödlichen Gefahr mitzureißen. Schließlich ist es beinahe egal, wen von ihnen die blutrünstigen Biester als nächsten in ihre Ameisen-Festung schleppen, um ihn der Königin zu verehren, wobei es eigentlich von vorne herein klar ist, wer diese Flucht nicht überleben wird. Vielleicht ist die Britin Joan Collins zu erwähnen, die ihren Part als Zugpferd obligatorisch andeutet, jedoch zu keinem Zeitpunkt ausspielt. Trotz Angst, Verfolgung, strömendem Regen und Flucht durch den Sumpf, sieht die aparte Dame hauptsächlich aus, wie aus dem Ei gepellt, aber Spitzfindigkeiten aller Art sollte man sich hier fairerweise sparen, denn der Film versucht erst gar nicht sich künstlich als etwas aufzuplustern, was er überhaupt nicht darstellen kann. Seine Momente zieht "In der Gewalt der Riesenameisen" eindeutig aus der teils beunruhigenden Akustik, die immer wieder gegen Phasen des Leerlaufs ankämpft, aber nach einer längeren Spielzeit schleicht sich leider die Eintönigkeit in das Szenario ein, da die Spezialeffekte immer nur aus wenig spektakulären bis billigen Rückprojektionen und Attrappen bestehen. Im Endeffekt ist leider nicht viel zu machen. Die Flucht vor diesen Riesenameisen gestaltet sich als eintönig, progredient langweilig und weitgehend vorhersehbar. Folglich bleibt die Hoffnung auf ein versöhnliches Finale, doch eher rattert man gedanklich doch noch einmal die inszenatorischen Patzer herunter, die hier ans Tageslicht gefördert wurden und für Erheiterung sorgen. Setzt man Bert I. Gordons Horror-Flick trotz allem keinen allzu kritischen oder gar harten Blicken aus, ist ein möglicher Spaß-Faktor nicht ausgeschlossen, der Trash-Faktor ist sogar garantiert.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

14.02.2017 14:13
#64 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("Blut an den Lippen") Zitat · Antworten

BEWERTET: "Blut an den Lippen" (Le rouge aux lèvres / Les lèvres rouges) (Belgien/ Frankreich/ Deutschland 1970/71)
mit: Delphine Seyrig, John Karlen, Danielle Ouimet, Andrea Rau, Paul Esser, Georges Jamin, Fons Rademakers u.a. | Drehbuch: Pierre Drouot, Jean Ferry, Harry Kümel | Regie: Harry Kümel

Auf dem Weg nach England machen Stefan und Valérie, die nach kurzer Bekanntschaft in der Schweiz geheiratet haben, Station im flämischen Ostende. In ihrem eleganten Hotel lernen sie die exzentrische und geheimnisvolle Ungarin Elisabeth Bathory kennen, deren Faszination sie sich nicht entziehen können. Entgegen ihrem ursprünglichen Plan verlängern sie ihren Aufenthalt und begeben sich dabei in tödliche Gefahr....



"Die Dinge, die man sich von der Welt verhofft - ich glaube, man muss sie mit Gewalt an sich reißen."

Der visuelle Genuss, der dem Auge des Betrachters schmeichelt, präsentiert sich in satten Farben, vornehmlich in kräftigen Rot- und kalten Blautönen. Die Weite der belgischen Küstenlandschaft, das pittoreske Brügge und die feudalen Räumlichkeiten eines Grand Hotels laden zum Verweilen ein, wobei die Zeit für kurze Augenblicke stillzustehen scheint. In dieses Vakuum dringt Delphine Seyrig als Gräfin Bathory fast unmerklich ein; sie beansprucht einen Platz, der ihr wie selbstverständlich zuzustehen scheint und lässt diejenigen, denen sie begegnet, nicht mehr los. Die "New York Times" schrieb in ihrer Besprechung vom 29. Mai 1971 über die Macht, die Seyrig in ihrer Rolle transportiert: ".... the honey-voiced evil conveyed by Delphine Seyrig dominates the footage." Anders als in "Letztes Jahr in Marienbad", wo sie zurückhaltend und kühl wirkt, präsentiert sie sich hier als Verführung par excellence, in exquisite Roben gehüllt und ihre Umgebung mit einnehmendem Lächeln goutierend. Ihre unvergängliche Schönheit zehrt von der Erfahrung der Jahre; die beklemmende Ahnung, dass sich dies seit vierzig Jahren nicht geändert hat, lässt nicht nur den Portier erschaudern. Die subtilen Hinweise auf ein Wiedergängertum der legendären Elisabeth Bathory, die grausame Verbrechen beging, um die ewige Jugend zu erlangen und die Unruhe von Ilona Harczy, der ergebenen Begleiterin der Gräfin, stellen eine Verbindung zu den rätselhaften Frauenmorden her, die aktuell in Brügge stattfinden. Es gibt durchaus Parallelen zu der Episode III - "Telepathie - Hypnose" aus "Parapsycho", sei es nun in der Melancholie, die tragische Todesfälle mit dem jungen Glück der Frischvermählten kontrastiert oder in der sich bald abzeichnenden Entfremdung des Ehepaars durch den unheilvollen Einfluss einer dritten Person. Die Hörigkeit drückt sich in sexueller Vereinnahmung, unverbrüchlicher Loyalität und Selbstaufgabe aus - hier wie dort.



John Karlen und Danielle Ouimet verkörpern ein Paar, wie es auf der Leinwand viele gibt: überstürzte Heirat nach schnellem Liebesfeuer, ohne den Partner richtig zu kennen. Der Suspense ergibt sich in der Enthüllung der Charaktere, die in ihren Grundbegriffen stark voneinander abweichen und Eigenschaften ans Tageslicht befördern, die den Alltag ins Wanken bringen. Die Fragilität dieser Beziehung ist der Schwachpunkt, um den die listige Spinne (Seyrig) ihr Netz webt. Zunächst subtil und dann immer energischer - so lange, bis ihre Opfer unrettbar darin zappeln. Die "Töchter der Dunkelheit" (so der amerikanische Verleihtitel) dominieren das Geschehen und lassen die Männer hilflos erscheinen. So können weder der argwöhnische Portier, noch der pensionierte Kriminalbeamte oder Stefan selbst den Bann der Gräfin brechen und ihr Einhalt gebieten. Eine Aufklärung der Mordfälle rückt somit in immer weitere Ferne und lässt zugleich auch die Hoffnung für Valérie und Stefan schwinden. Folglich resümiert auch die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Kritik vom 26. Mai 1986: "Das Kino ist eine Frau." Andrea Rau, die optisch an Helga Anders erinnert, schlüpft in die Rolle der lasziven Begleiterin von Delphine Seyrig, beseelt vom Wunsch, ihrer "Herrin" alles Recht zu machen und gleichzeitig ob der Übermacht der Gräfin zwischen Resignation und Fluchtgedanken schwankend. Das Leben, das für das ungleiche Paar nur in der Nacht und fernab des Sonnenlichts stattfindet, ergießt sich in kunstvollen Ritualen, das jede Cocktailstunde zu einer verbalen Grenzauslotung macht und Uneingeweihte irritiert und anzieht zugleich. Forciert der Film in der ersten Hälfte Andeutungen und Vorahnungen kommender Konflikte, so eskalieren die Begegnungen der Protagonisten im letzten Drittel und zeigen ihre zerstörerische Kraft. Atemlos folgt der Zuschauer ihnen bis in die Hölle und gefühlt bis ans Ende der Welt, unfähig, den Blick von dem spannenden Szenario abzuwenden, das in jeder Minute geheimnisvoll, radikal und poetisch zugleich daherkommt.

Erlesene Bilder verbinden sich mit einer fesselnden Geschichte um den Kampf zwischen dem Machbaren und dem (Un-)Möglichen, umrahmt von der reizvollen Landschaft Belgiens und einem Ensemble, das den Zuschauer auf eine verstörende Reise in die Abgründe der menschlichen Seele mitnimmt. 5 von 5 Punkten

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

05.03.2017 13:40
#65 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("Saint Ange - Haus der Stimmen") Zitat · Antworten

BEWERTET: "Saint Ange - Haus der Stimmen" (Frankreich 2004)
mit: Virginie Ledoyen, Lou Doillon, Dorina Lazar, Catriona MacColl, Jérome Soufflet, Virginie Darmon, Marie Herry, Martin Chouquet u.a. | Drehbuch: Pascal Laugier | Regie: Pascal Laugier

Französische Alpen 1958. Anna kommt nach "Saint Ange", um das Waisenhaus vor seinem Verkauf noch einmal zu reinigen. Nachdem alle Kinder abgereist sind, bleiben nur mehr die Köchin Helenka, die junge Judith und Anna selbst in dem weitläufigen Gebäude. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten hier für kurze Zeit 300 Kinder Unterschlupf gefunden und es scheint so, als suchten einige von ihnen das Waisenhaus noch immer heim. Anna findet Fotos und Karteikarten der Kinder und möchte erfahren, was damals passiert ist. Erwartungsgemäß stößt sie dabei auf Widerstand und begibt sich bei ihren Alleingängen in große Gefahr....



Wer sich einen Gruselschocker mit dementsprechenden Bild-und Toneffekten erwartet, wird feststellen, dass sich das Unheimliche und Verstörende im Kopf des Betrachters abspielt. Das Element des unübersichtlichen und deshalb unberechenbaren Areals stellt eine subtile Bedrohung dar, weil es den Kontrollverlust der Personen betont. Die Disziplin und Strenge des ehemals straff geführten Waisenhaus mündet in ein Vakuum, das Ratlosigkeit hervorruft. Der Umgang der Anwesenden mit der neuen Situation ist unterschiedlich. So reagiert die pragmatische, rundliche Köchin auf die Schließung des Instituts wie sie immer auf unabänderliche Ereignisse reagiert hat: gleichmütig. Die Wunden der Vergangenheit empfindet sie als Lauf des Lebens, als Folge des Krieges, der wenige seelisch und körperlich verschont hat. Judith als letzte Zeugin dieser schweren Übergangsjahre wirkt in dem leeren Anwesen verloren und einsam, hat sich aber in ihrer eigenen Welt eingerichtet. Die Ankunft von Anna, über deren Herkunft nichts und deren Vergangenheit wenig bekannt wird, bricht die Routine auf und fügt der schwermütigen Geschichte des Hauses neue Facetten hinzu. Ihre Sensibilität lässt sie für das Schicksal der verlorenen Kinder empfänglich werden und die Suche nach ihrem Verbleib wird für sie zum alles bestimmenden Gedanken. Wider besseres Wissen glaubt der Zuschauer zunehmend auch an die Möglichkeit einer parallelen Existenz der Kinder in einem geheimen Versteck. Rationale Erklärungsversuche werden als halbherzig und oberflächlich empfunden, während Anna auch ganz persönlich mit Sorgen um ihre Zukunft zu kämpfen hat. Das klassische Muster der Einsamkeit wird in "Saint Ange" in vielen Panoramaaufnahmen betont, die sich mit Nahaufnahmen einer Hauptdarstellerin abwechseln, die das Publikum ähnlich wie Laetitia Casta in "Das Haus der Geheimnisse" für sich einnimmt.

Virginie Ledoyen nimmt nicht nur die Suche nach der Wahrheit in ihre Hand, sondern führt auch den Zuseher an Orte, die er aufgrund seiner Vorahnung eigentlich nicht sehen möchte, jedoch weiß, dass es ihm keine Ruhe lassen wird, bis er hinter die Kulissen geblickt hat. Ihr unaufdringliches, zartes Erscheinungsbild, das Sympathie und Anteilnahme hervorruft, gibt zuerst wenig Auskunft über die Energie und die Entscheidungskraft, die der jungen Frau innewohnt. Die Zurückhaltung in Bezug auf eigenen Belange, das Fehlen von Selbstmitleid und die Hinwendung zu Personen, von denen sie annimmt, dass sie ihre Hilfe benötigen, lässt sie zum Mittelpunkt des Films werden. Ihr angenehmes Wesen, das eine natürliche Wärme ausstrahlt, wird zum Anker in einer Handlung, die stellenweise nach Orientierung sucht und der man trotz ausführlichem Schürfens nicht auf den Grund gehen kann. So bleibt offen, was 1946 wirklich geschah; man erhält ein paar lapidare Auskünfte und die Versicherung, dass man die Vergangenheit ruhen lassen sollte. Die Beharrlichkeit von Anna als Ausdruck einer berechtigten Neugier und Sorge oder gar als Zeichen zunehmender wahnhafter Fixierung - der Film gibt keine Auskunft darüber, welche Erklärung die richtige ist. Virginie Ledoyen vermag es überzeugend, hier keinerlei Angriffsflächen zu bieten, indem sie ihr Spiel konsequent empathisch vorantreibt. Lou Doillon, die Tochter von Jane Birkin, konzentriert die Zweifel über ihre mentale Gesundheit auf sich und wirkt mit ihrer ausgezehrten Figur selbst wie ein Gespenst. Sie zeigt jene Eigenschaften, die in dem alten Haus schon lange verdrängt wurden: kindliche Freude, Leichtigkeit und Anhänglichkeit. Ihre eindrucksvolle Physiognomie mit den sich unter der ausgemergelten Haut abzeichnenden Knochen kontrastiert mit den weichen Konturen ihrer neuen Freundin und täuscht das Publikum erfolgreich bezüglich ihres Durchhaltewillens. Angesichts der Tatsache, dass sie schon zwölf Jahre in diesem Haus weilt, verwundert es jedoch nicht, wer den längeren Atem haben wird.

Leiser Beitrag des Spukhaus-Genres, der Vieles andeutet und Raum für Interpretationen lässt, wobei er vor allem von der Imaginationskraft seines Publikums und dem berührenden Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen profitiert. 4 von 5 Punkten

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

09.07.2017 14:14
#66 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("Der Leichengießer") Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der Leichengießer" (Original: Crucible of Terror) (Großbritannien 1971)
mit: Mike Raven, Mary Maude, James Bolam, Ronald Lacey, Judy Matheson, Betty Alberge, John Arnatt, Melissa Stribling, Kenneth Keeling, Beth Morris u.a. | Drehbuch: Ted Hooker, Tom Parkinson | Regie: Ted Hooker

Der Künstler Victor Clare lebt zurückgezogen an der kornischen See, während sein Sohn Michael an Geld zu kommen versucht, indem er seines Vaters Bronzeskulpturen verkauft. Der Kunsthändler John Davies interessiert sich für weitere Kunstwerke von Victor und besucht ihn deshalb übers Wochenende in dessen Landhaus. Davies' Frau Millie fasziniert den Künstler bald so sehr, dass er sie bittet, für ihn Modell zu sitzen. Diese weigert sich jedoch und kurz darauf passiert ein rätselhafter Mord, der zunächst unbemerkt bleibt....

Die Prätitelsequenz eröffnet dem Zuschauer Einblicke auf künftige - oder, wie sich bald herausstellen wird - vergangene Schrecken. Man wähnt sich in der Hexenküche eines Alchimisten mit brodelnden Kesseln und dampfenden Gefäßen. Bevor man wieder in der Realität mit ihrem Soll und Haben, dem Feilschen und Handeln, der Gier und dem Begehren angelangt ist, vermittelt das Ritual des Bronzegießens das ungute Gefühl, dass bald schlafende Hunde geweckt werden und sich die unheimlichen, fast rituellen Vorgänge in naher Zukunft wiederholen werden. Den egomanischen Künstler, dessen Tun sich aus seinem Wunsch nach absoluter Selbstverwirklichung nährt, stattet Mike Raven mit herrischen und einschüchternden Zügen aus. Noch immer hält er sich für den großen Verführer, dem alle Musen erliegen, weswegen ihn der Widerstand der wundervollen Mary Maude reizt und anspornt. Bereits in ihren ersten Szenen umgibt sie der Zauber des Besonderen und es stellt sich Empathie für die sensible Frau ein. Sie hat ein Gespür für die Schönheit der Vergangenheit, was ihrer Figur eine Seele verleiht, während Judy Matheson nur an den Annehmlichkeiten der Gegenwart interessiert ist und deshalb zwar selbstbewusster, aber auch grober wirkt. Die angespannte Stimmung im abgelegenen Haus nahe der alten Stollen sorgt zunächst für Irritationen, bald jedoch auch für Angst. Es ist schwer, sich auf der kleinen Fläche aus dem Weg zu gehen, weswegen sich die Geschehnisse zunehmend auf die Klippenlandschaft und in die alte Mine verlagern. Aufgeschreckt wie kreischende Möwen wird die Handlung durch gialloeske Morde unterbrochen; Morde, die verblüffenderweise trotz der Enge der Verhältnisse lange unentdeckt bleiben.



Die Spielarten menschlicher Beziehungen kontrastieren mit dem Wunsch der Kunst, Schönes und Außergewöhnliches für die Zukunft zu konservieren. Das Streben nach Vollkommenheit wirft Victor Clare immer wieder zurück, weil er erkennen muss, dass seine Vorstellung von Selbstaufgabe zugunsten der Kunst nicht leicht umzusetzen ist. Seine Ehefrau, die er nur ihres Geldes wegen geheiratet hat, flüchtet sich in eine Kinderwelt und sucht Trost bei ihren Puppen, die sie liebevoll umsorgt. Victors Sohn steht ebenfalls auf wackeligen Beinen und widmet sich lieber dem Alkohol als seiner Frau Jane. Im Umfeld dieser zerrütteten Familie gedeihen nur Schlingpflanzen und Unkraut, einzig Victors bester Freund scheint sich einen vernünftigen Überblick bewahrt zu haben. Das wieder aufflammende Feuer in der Gießerei kündigt kommendes Unheil an und gipfelt in der Enthüllung unangenehmer Wahrheiten. Die Musik von Paris Rutherford untermalt die Handlung zeitgemäß und stimmungssicher, während die Kamera geschickt Szenen ins Licht setzt, die dem Auge schmeicheln und es gleichzeitig auf jederzeit mögliche Gefahren vorbereiten. Die Produktion orientiert sich am Erbe, das vergangene Kulturen hinterlassen haben und baut es dezent ein, indem das Böse sich fast unmerklich seinen Weg der Rache bahnt und gegen Ende rasend an Fahrt aufnimmt. Hinweise auf die Lösung werden von Beginn an vorsichtig gestreut, wobei eine Atmosphäre der Beklemmung geschaffen wird. Die gute deutsche Synchronisation (u.a. ist Reinhard Glemnitz auf Mike Raven zu hören) trägt viel zum Filmgenuss bei. Die billige DVD-Auswertung innerhalb der Horror-Line-Reihe von Schröder Media wird der Qualität des Films nicht gerecht, weshalb man sich nicht von der Cover-Gestaltung und dem fehlerhaften Text täuschen lassen soll.

Spannendes Drama mit exotischem Touch, das von den überzeugenden Leistungen von Mary Maude und Mike Raven lebt und den Zuschauer durch das ungewöhnliche Ambiente in seinen Bann zieht. 4 von 5 Punkten

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

09.07.2017 14:52
#67 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("Der Leichengießer") Zitat · Antworten



DER LEICHENGIEẞER

● CRUCIBLE OF TERROR / DER LEICHENGIEẞER (GB|1971)
mit Mike Raven, Mary Maude, James Bolam, Ronald Lacey, Melissa Stribling, John Arnatt, Betty Alberge, Judy Matheson, u.a.
eine Glendale Produktion
ein Film von Ted Hooker






Eine gestohlene Bronzestatue bringt eine tödliche Kettenreaktion in Gang. Michael Clare (Ronald Lacey), der die Skulptur und andere Kunstwerke von seinem Vater Victor (Mike Raven) gestohlen hat, um sie einer Kunstgalerie zu überlassen, war sich der aufkommenden Nachfrage nicht bewusst, sodass er mehr abliefern soll. John Davies (James Bolam) möchte sich einige Stücke für seine Kunstausstellungen ansehen und fährt mit seiner Freundin Millie (Mary Maude), Michael und dessen Frau zu dem abgelegenen Küstenabschnitt, in dem der exzentrische Künstler arbeitet. Wenige Zeit später wird ein Gast nach dem anderen ermordet und die Leichen verschwinden. Welches dunkle Geheimnis hütet Victor..?

Der vielversprechende deutsche Titel dieses 1971 entstandenen, wenig bekannten Films, hat das Potential, Freunde des Horrors richtig hellhörig werden zu lassen. In Szene gesetzt durch Ted Hooker, der mit "Der Leichengießer" seinen ersten und einzigen Film ablieferte, bekommt es der Zuschauer mit einem sehr dichten und beunruhigenden Sequenzen angereicherten B-Movie zu tun, das es durchaus wert ist, einmal einen Blick zu riskieren. Der Einstieg in die hoch interessante Geschichte geschieht rasant und sehr atmosphärisch, gibt außerdem unmissverständlich zu verstehen, dass Titel des Films samt Anti-Held nicht zu viel versprechen. In einer versteckten Gießerei werden bestialische Opfer für die Kunst gebracht und das Prinzip »Wer schön sein will, muss leiden« wird im wahrsten Sinne des Wortes hochgekocht. Der Meister verfügt über eine offensichtlich betäubte junge Frau und präpariert sie mit allem Nötigen, um sie für die Ewigkeit vorzubereiten und in Bronze festzuhalten. Man spürt förmlich die Hitze des Raumes, der in Rot und Orange schimmert, der kochend heiße Tiegel bewegt sich auf die mittlerweile in eine Form eingebettete Dame und das Ganze kann sich in der Ausarbeitung schon sehen lassen. Betrachtet man den Film als Einheit, setzt sich zwar das Low-Budget-Prinzip durch, aber dennoch bekommt man es wirklich mit einem ganz feinen Horror-Flick zu tun, der abwechslungsreich und irgendwie doch unkonventionell ist, obwohl ein ein gewisser Professor Bondi hier mehr als nur einmal gedanklich sein Unwesen treibt. Wie dem auch sei, das weitere Geschehen wirkt ziemlich überzeugend, vielleicht darf man sogar wider erwarten sagen. Vor allem die Personen-Konstellationen liefern einiges an Zündstoff und es werden viele der Herrschaften in blutiger Weise über die Klinge springen, wobei man beim Ausrangieren dieser Leute auf die breite Vielfalt und Durchschlagskraft von unterschiedlichsten Tatwaffen setzte.

Ein Blick auf die Besetzung offeriert nicht gerade eine A-Riege an Stars dieser Zeit, aber es kommt durchaus zu netten Überraschungen und überzeugenden Erlebnissen. Die Titelrolle bekleidet ein recht gut aufgelegter Mike Raven, der als Schauspieler allerdings nur in einem halben Dutzend Produktionen in Erscheinung treten sollte, sich aber in anderen Bereichen profilieren konnte. Von ihm geht ein gut strukturiertes Genie-und-Wahnsinns-Prinzip aus, er wirkt tendenziell schon sehr beunruhigend, vor allem wenn er jungen, attraktiven Damen nachsteigt, die für ihn Modell stehen, oder wahlweise liegen sollen. Die ins Szenario eingebrachte Vehemenz steht der Geschichte sehr gut, wenngleich die darstellerische Leistung vielleicht nicht in der Güteklasse A anzusiedeln ist. Aber von diesen Sphären sollte man sich in Ted Hookers kleinem aber feinem Film ohnehin frei machen, denn nur so kann es zu einem ungewöhnlich hoch gebündelten Unterhaltungswert kommen. Insgesamt präsentiert "Der Leichengießer" angemessene Leistungen von beispielsweise James Bolam, Ronald Lacey oder Melissa Stribling, besondere Darbietungen sind allerdings an anderer Stelle zu finden und zwar von Hauptdarstellerin Mary Maude und Judy Matheson, die gleichermaßen für Kontraste und Schärfe im wahrsten Sinne stehen. Ausgestattet mit beinahe unwirklicher Schönheit, die vom Eindruck her allerdings jeweils in unterschiedliche Richtungen verläuft, spielen die beiden Damen sehr stark auf. Als Millie ist Mary Maue zu sehen, möglicherweise in Erinnerung geblieben aus der Rolle der einschüchternd wirkenden Irène aus Narciso Ibáñez Serradors "Das Versteck", und es offenbart sich der Genuss einer ausgefeilten Performance für die Hauptrolle, in der Aura, Rollenschema und Präzision miteinander vereint sind. In dunklen Katakomben, engen Räumen oder der weitläufigen Küstenlandschaft wirkt die Britin mit den strahlenden Augen gespenstisch, zerbrechlich und anziehend zugleich.

Im Gegensatz zu ihrer Kollegin Matheson vertritt sie eher die konservative Fraktion und fällt durch das Provozieren von Beschützerinstinkten auf, außerdem dem aufrecht Erhalten von moralischen Begriffen, die immer wieder von der Titelfigur unterwandert werden. Marcia hingegen agiert provokant und offensiv mit den Waffen der Frau und scheint es offensichtlich überhaupt nicht einzusehen, ihre Konstitution und Bereitschaft für Spaß zu verbergen. Überhaupt bekommt die Geschichte einen interessanten Schliff durch die sich aufbäumende Nebenhandlung, sodass Horror-Whodunit in überzeugender Manier das Regiment übernehmen kann. Der Kreis der Gäste im Haus dezimiert sich und dem Empfinden nach könnte jeder der wahnsinnige Killer sein, der seine Opfer blutrünstig und brutal ins Jenseits schickt. Ob mit einem Messer, Säure oder einem schweren Felsbrocken; wer die Bekanntschaft mit dem Phantom macht bleibt verstümmelt, aber vor allem tot zurück. Beide Handlungsstränge um die Morde und den "Leichengießer" münden im Finale in sehr raffinierter Art und Weise ineinander und es bleibt zu betonen, dass eine durchaus geistreiche Variation im Bereich des einschlägig bekannten Horrorfilms zu sehen ist, in dem sich der Gesetze des Genres ausgiebig bedient wurde, um dennoch alternative Akzente zu setzen. Nervenkitzel und Spannung sind somit ausgiebig vorhanden und im Endeffekt kann Hookers Werk von sich behaupten, dass es sich um einen richtig schönen Überraschungs-Coup handelt, der kurzweilig, unterhaltsam und teils strapaziös ausgefallen ist. Im Finale kommt der Zuschauer vielleicht in die Bredouille, des Rätsels Lösung erst einmal ordnen zu müssen, aber hier geht es definitiv nicht um Wahrscheinlichkeiten. Aufgrund einiger kruder, beziehungsweise beängstigend wirkender Personen, der hauptsächlich eindringlichen Bilder und einer absolut soliden Bearbeitung, bleibt ein positiver Gesamteindruck zurück, der die wenigen Schwächen radikal weg dividieren kann.

Stroheim Offline




Beiträge: 170

06.08.2017 13:44
#68  Horror- und Gruselfilme Zitat · Antworten

´
Heute Abend auf Arte zunächst Peeping Tom:

http://www.arte.tv/de/videos/004880-000-...augen-der-angst


Danach dann eine Doku über das ab Mitte der 50er Jahre auf stilvolles Gruseln spezialisierte britische Hammer Filmstudio:

http://www.arte.tv/de/videos/073074-000-A/dark-glamour


Zu meinen Favoriten dieser Produktionsfirma zählen u.a. Captain Clegg (1962) und Twins of Evil (1971) mit Peter Cushing.

Sowie The Devil Rides Out (1968) mit Christopher Lee:

https://www.youtube.com/watch?v=LCZnuo1vuWU
https://www.youtube.com/watch?v=MfCoPWq_9VM |addpics|7mg-l-139c.jpg|/addpics|

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

09.04.2018 12:46
#69 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror - und Gruselfilme Zitat · Antworten



BLUTWEIHE

● THE INITIATION / BLUTWEIHE (US|1984)
mit Vera Miles, Clu Culager, James Read, Marilyn Kagan, Robert Dowdell, Frances Peterson, Joy Jones, Patti Heider und Daphne Zuniga
eine Produktion der Georgian Bay | Bruce Lansburry | Jock Gaynor | Initiation Associates
ein Film von Larry Stewart




»Wenn du nicht betrunken bist, dann kannst du alles Mögliche sehen!«


Die Psyhologie-Studentin Kelly Fairchild (Daphne Zuniga) leidet seit ihrer Kindheit an einem immer wiederkehrenden Alptraum, in dem ihr Vater (Clu Culager) von einem Unbekannten angegriffen wird, welcher anschließend vom Feuer des Kamins erfasst wird. Da in all den Jahren offenbar niemand an der lückenlosen Klärung interessiert war, kümmert sich Kellys Dozent, der Doktorand Peter Adams (James Read), um die Ursachenforschung. Sehr zum Ärger von Kellys Mutter Frances (Vera Miles), die möglicherweise ein dunkles Geheimnis mit sich trägt. Um in eine Studentenverbindung aufgenommen zu werden, soll Kelly mit einigen ihrer Kolleginnen eine Prüfung ablegen, doch es kommt zu einem unerwarteten Blutbad, das offensichtlich mit ihrer eigenen Vergangenheit in Zusammenhang steht...

Gerade in den 80er Jahren kam es zu einer Schwemme von Horror- und Slasherfilmen, zu denen auch Larry Stewarts "Blutweihe" gehört, dem eine Kino-Auswertung in der Bundesrepublik allerdings verwehrt blieb. Als Hybrid der eben genannten Marschrichtungen macht dieser sehr gut besetzte Streifen einen standesgemäßen Eindruck, da er sich recht drastischer Schauwerte bedient, das Kunstblut in Fontänen sprudeln darf und viele Katzen früh aus dem Sack lässt, zumindest was die diesbezügliche Veranschaulichung anbelangt. Ein immer wiederkehrender, schrecklicher Alptraum der Protagonistin Kelly wird unmittelbar zum Leitfaden für die nicht uninteressant wirkende Geschichte und die Regie verliert kaum Zeit alles Schlag auf Schlag gehen zu lassen. Schnell versucht sich der Verlauf über blutrünstige Morde zu etablieren und auch wenn hier sicherlich nicht der Gärtner der Mörder ist, bedient sich jener eines Gartenutensils, um die hilflosen Opfer abzuschlachten. Da der seit ihrer Kindheit von einem Alptraum gequälten Kelly weder Pontius noch Pilatus helfen konnte, dem Ursprung auf den Grund zu gehen, übernimmt der Dozent der jungen Psychologie-Studentin diese undankbare Aufgabe. Ein Geflecht aus fragwürdigen Diagnosen, Behauptungen und Praktiken gehört wohl untrennbar zum dramaturgischen Aufbau derartiger Storys, jedoch sollte man sich an derlei Inhalten nicht so sehr festbeißen, da sie einen Teil des Elixiers darstellen. Was interessant anfing, mündet im späteren Sphären in eine Art Teenie-Gesplattere, was die anfänglich dichte Atmosphäre zugunsten des Schockmoments verbannt.

die bestialischen Mordmethoden erweitern sich im Spektrum der Tatwaffen und die Spannung wird nicht nur über das umherschleichende Phantom definiert, sondern auch über die dazu gehörende Hetzjagd. Der geneigte Zuschauer bekommt in "Blutweihe" so gut wie alles angeboten, was er schlussendlich auch sehen möchte, sodass diesem Beitrag unterm Strich nicht nur eine relative Kurzweiligkeit bescheinigt werden kann. Larry Stewart gelingt es zwar im späteren Verlauf nur noch bedingt, seine parallel ablaufenden Handlungsstränge zu vereinen, oder weniger isoliert voneinander erscheinen zu lassen, jedoch lassen sich immer wieder Fixpunkte ausfindig machen, die für die nötige Aufmerksamkeit sorgen können. Permanent schwingt eine psychologische Schraubzwinge mit und das nicht zuletzt weil der erste Mord in einem Sanatorium für psychisch Erkrankte geschehen war, wenngleich alle diesbezüglichen Erklärungen eher schwammig bleiben, zumal sie in einem solchen Verlauf kaum interessieren. Ein Blick auf die Besetzungsliste lässt insbesondere bei einem bestimmten Namen hellhörig werden: Vera Miles. Die Amerikanerin zehrte auch in jenen Jahren noch von ihrem Großerfolg "Psycho" und dessen Fortsetzung, sodass sich ihre Partizipationen in derartigen Filmen schnell im Sinne eines Zugpferd-Charakters erklären lassen. Miles präsentierte sich stets als wandlungsfähige Interpretin, die es verstand, mit ihrer oft ins Negative gerichteten Ausstrahlung zu jonglieren, beziehungsweise eine solche erst fabrizieren zu können. Als Kellys Mutter sieht man alles andere als eine Sympathieträgerin; folglich als eine der möglichen Verdächtigen.

Vera Miles' Fähigkeiten sind wie geschaffen für einen Charakter wie Mrs. Fairchild. Stets betonend, dass sie das Beste für ihr Kind wolle, aber lediglich an sich interessiert, wirkt sie beinahe betont kaltherzig und unerbittlich in ihrem Verhalten. Obendrein als gehörnte Ehefrau zu sehen, nimmt sie einen Drink nach dem anderen und das im beliebten Maß 24/7. Obwohl sie etwas spürbar Abweisendes umweht, wirkt die Darstellerin auf eine groteske Art und Weise ansprechend, vielleicht sogar doch sympathisch. Man muss es der gerne gesehenen Vera Miles daher einfach lassen, denn dieser Kniff, spürbare Ambivalenz zu kreieren und zu übertragen, wirkt wie eine ihrer Domänen. Neben ihr ist erstmalig Daphne Zuniga zu sehen, die Jahre Später in der Serie "Melrose Place" weltweit bekannt werden sollte. Trotz der von ihr gespielten Person, die es zu schützen gilt, wirkt sie sehr bestimmend und glaubwürdig. Ihr Weg wird gezeichnet sein von Blutlachen sowie schrecklich zugerichteten Leichen und bis zum Ende hofft man einfach, dass es diese charmante Person nicht erwischen wird. "Blutweihe" bedient sich eines interessanten Leitmotivs: des Spiegels. Bei ausreichender Wachsamkeit sind die Windungen des Versteckspiels eventuell leicht gelöst, allerdings kann man einen solide wirkenden Überraschungsmoment nicht leugnen. Dunkle Geheimnisse und unsentimentales Schweigen ruinieren das Leben der anderen, doch zum Schluss verspürt man keine unangebrachte Sentimentalität, da sich die Regie insgesamt für einen Slasher entschieden hatte. Nichtsdestotrotz tut "Blutweihe" seinem einfachen Auftrag Genüge und bietet schlussendlich genau das, worauf man schließlich aus war. Gut anzuschauen.

Stroheim Offline




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31.10.2018 18:23
#70 Gruselfilme & Schauerschinken Zitat · Antworten

Stroheim Offline




Beiträge: 170

09.11.2018 11:57
#71 Gruselfilme & Schauerschinken Zitat · Antworten

´
Kladivo na čarodějnice / Hexenjagd - tschechischer Kinofilm aus dem Jahr 1969.

Historiendrama mit Horrorelementen:

http://www.zemefilmu.cz/de/filme/1497350-hexenjagd/


Ein knapp neunminütiger Ausschnitt: https://www.youtube.com/watch?v=iG8tyvjF3fc

Und unten die DVD-Empfehlung (OT mit englischen UT)

https://postimg.cc/YjgZrvJ9

.........

patrick Offline




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09.11.2018 19:44
#72 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("The Fog") Zitat · Antworten

Jetzt bekomme ich glatt auch wieder Lust auf den Film. Einer der allerbesten Horror-Streifen der 70er/80 er-Jahre und einer meiner all-time-favourites. Leider gab's in den 2000ern ein unrühmliches Remake.
Ich kann deiner Besprechung in allen Punkten beipflichten.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

09.11.2018 19:53
#73 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("The Fog") Zitat · Antworten

Uuups, sorry. Bin unterwegs und hab auf dem Smartphone den Link angeklickt und versehentlich meinen Senf zu Prismas Besprechung von "The Fog" von 2013 abgegeben.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.11.2018 20:52
#74 RE: Das Spiel mit der Angst - Horror- und Gruselfilme ("Das Grauen") Zitat · Antworten

BEWERTET: "Das Grauen" (Original: The Changeling) (Kanada 1980)
mit: George C. Scott, Trish Van Devere, Melvyn Douglas, Voldi Way, Barry Morse, Madeleine Thornton Sherwood, Helen Burns, Jean Marsh, John Colicos, Ruth Springford, Roberta Maxwell, Michelle Martin, Eric Christmas u.a. | Drehbuch: Russell Ellis Hunter, Diana Maddox | Regie: Peter Medak

Musikprofessor John Russell verliert bei einem Autounfall Frau und Tochter. Schwer deprimiert zieht er sich auf einen viktorianischen Landsitz zurück, um Frieden zu finden. Doch auf dem Haus im Chassman Park lastet ein Fluch: Der Geist jenes toten Kindes, das einst hier wohnte, fordert Sühne. Russells Nachforschungen stechen direkt in ein Wespennest und bringen einen einflussreichen US-Senator in Bedrängnis. Bald schon ist John Russell in dem alten Anwesen nicht mehr sicher....



Unter der Regie des Ungarn Peter Medak entstand 1979 die mehrfach preisgekrönte Produktion an Schauplätzen wie New York City, Seattle, Washington und Vancouver, British Columbia. Charakterschauspieler George C. Scott besticht durch seine klare, authentische Darstellung und schafft es auch hier, mit seinem Mienenspiel jene Empfindungen auszudrücken, die ihn so glaubwürdig erscheinen lassen: Trauer, Schrecken und Wut. Seine Physiognomie lässt ihn jene furchtbaren Ereignisse spiegeln, die vor über siebzig Jahren in diesen Mauern stattfanden und nun ein Ventil suchen, um endlich ans Licht zu kommen. John Russell erachtet es als selbstverständlich, dem an ihn gerichteten Hilferuf zu folgen und die Interessen des toten Jungen wahrzunehmen. Er lotet dabei alle Möglichkeiten aus, die Vorgänge um die Zeit vor 1909, als die Familie Carmichael das Haus aufgab, aufzudecken. Seine Nachforschungen lenken ihn von seinem eigenen schweren Verlust ab und geben ihm die sinnvolle Aufgabe, sich für ein Kind einzusetzen, das gewaltsam zu Tode kam. Er betäubt seinen Schmerz mit Angst, was sicher kein angenehmer, in seinem Fall jedoch nachvollziehbarer Weg ist. Seine ohnmächtige Handlungsunfähigkeit beim tödlichen Unfall seiner Familie sollte ihn kein zweites Mal zum hilflosen Zuschauer degradieren.

Der Film, der auch unter "L'enfant du diable" und "Josephs Revenge" gezeigt wurde, bedient sich sehr effektiver Stilmittel und schafft es dabei, fast ohne blutige Schockmomente auszukommen. Die Kameraperspektiven - John Coquillon erhielt für seine Arbeit den kanadischen Genie Award für die Beste Kameraführung - vermitteln dem Zuschauer ein unbehagliches Gefühl der Bedrohung, während die Musik von Rick Wilkins die Emotionen in Aufruhr bringt und das beeindruckende Anwesen mit Tönen ausfüllt, die schmeichelnd und verstörend zugleich sind. Die Herbststimmung trägt das ihrige bei, um die Phantasie anzuregen und zu unterstreichen, dass die Vergangenheit wieder einmal notdürftig hinter vernagelten Treppenaufgängen und Spinnweben versteckt worden ist. Das Drehbuch liefert die solide Grundlage, auf der die Handlung aufbaut. Der kriminalistische Aspekt ist dabei genauso wichtig wie der Gruselfaktor und man kann behaupten, dass das eine ohne das andere nicht funktionieren würde. Zum Klassiker des Genres wurde der Film durch seinen seriösen Gehalt und das Bemühen, alle Vorkommnisse zu begründen. Erst gegen Ende brechen sich Enttäuschung und Wut eruptiv Bahn und vernichten, wessen sie habhaft werden können. Die Frage nach dem Erfolg von Russells Einsatz beantwortet sich auf diese Weise dramatisch und mit gewaltiger Zerstörungskraft.

Die Besetzung der Hauptrolle mit Oscar-Verweigerer George C. Scott ("Die Hindenburg") ist ein Glücksgriff der Produktion, bringt er doch ein hohes Maß an Identifikation und seine Ehefrau seit 1972 - Trish Van Devere - mit. Die Chemie zwischen beiden stimmt ganz offensichtlich und stellt ein wichtiges positives Element dar, was in anderen Horrorfilmen oft fehlt. Eine angenehme Ausnahme stellt in jüngerer Zeit "The Conjuring" dar, wo es ebenfalls ein harmonisch kooperierendes Paar gibt, das einen emanzipierten Gegenpol zur Opferhaltung vieler anderer Rollenfiguren aus dem Genre bildet. Trish Van Devere bringt ihre Szenen durch ihre warmherzige Ausstrahlung zum Leuchten und stellt das Fünkchen Hoffnung dar, welches dem Alltag von John Russell einen Bezugspunkt gibt und eine mentale Stütze bei der Suche nach der Wahrheit. Der knorrige Melvyn Douglas und die lauernde Ruth Springford bilden das argwöhnische Gegenstück, die Vertreter einer Vergangenheit, deren Geheimnisse um jeden Preis gewahrt werden müssen. Gerade Douglas gibt dem Senator ein markantes Gesicht; ein Mann, der keinen Zentimeter von einer Einstellung abweicht, die in seinen Kreisen schon immer präsent war. Die populäre Jean Marsh ("Das Haus am Eaton Place") hat als Mrs. Russell einen kurzen, aber prägnanten Auftritt. Absolut sehens- und hörenswert!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.11.2018 21:17
#75 RE: Das Spiel mit der Angst - "Mord in der Rue Morgue" Zitat · Antworten

BEWERTET: "Mord in der Rue Morgue" (Murders in der Rue Morgue) (USA 1971)
mit: Jason Robards, Christine Kaufmann, Herbert Lom, Adolfo Celi, Maria Perschy, Lilli Palmer, Michael Dunn, Rosalind Elliot, Peter Arne, Ruth Plattes, Marshall Jones, Brooke Adams u.a. | Drehbuch: Christopher Wicking und Henry Slezar nach dem Roman von Edgar Allan Poe | Regie: Gordon Hessler

Madeleine und ihr Mann César stehen jeden Abend mit dem Stück "Mord in der Rue Morgue" in Paris auf der Theaterbühne. Als ein Mitglied des Ensembles ermordet wird, richtet sich der Verdacht gegen Marot, der jedoch vor vielen Jahren Selbstmord begangen hat. Madeleine wird seit einiger Zeit von Alpträumen geplagt, in denen sie einen maskierten Mann mit Axt sieht, der ihr nach dem Leben trachtet. Nach und nach werden alle Zeugen, welche die Schuld Marots am Tod von Madeleines Mutter beschworen haben, getötet. Kann die Polizei den wahren Sachverhalt aufdecken und die Mordserie stoppen?



Edgar Allan Poe ist den meisten wegen seiner grotesken Schauererzählungen und romantischen Gedichte ein Begriff, dabei war er ein hochsensibler und intelligenter Mann, der mehr konnte als makabre und furchterregende Schreckensgeschichten zu verfassen. Seine Auseinandersetzung mit menschlichen Tragödien lag ihm aufgrund seiner eigenen traurigen Familiengeschichte im Blut. Dunkle Vorahnungen und tiefe Verzweiflung prägten seinen Schreibstil und auch "Die Morde in der Rue Morgue" (1841) handelt von Wahnsinn, Krankheit, Tod und Bestattung - Erfahrungen seines eigenen unglücklichen Lebens. Die Bühne als Schauplatz, der das Leben imitiert, ihm den Spiegel vorhält und die Grenze zwischen Schein und Wirklichkeit laufend vermischt, bildet den unverzichtbaren Rahmen für die Filmhandlung, bei der das Publikum im Parkett und vor dem Bildschirm nie weiß, welche Szenen echt oder nur gespielt sind. Die Inszenierung des komplexen Kriminalfalls erfordert ein präzises Vorgehen und eine genaue Choreografie aller Beteiligten, um den Faden nicht aus den Augen zu verlieren und die Spannung konstant zu halten. Die Atmosphäre der Theaterwelt wird eingerahmt durch die stilverwandten Jahrmarktstreibenden, Gaukler und Straßenmusiker, die für ein buntes, exotisches Flair sorgen und dem Ambiente laute und derbe Akzente hinzufügen. Emotionen werden mit kräftigen Pinselstrichen gemalt und möglichst dick aufgetragen, damit sie bis in die hinterste Reihe wahrgenommen werden. Unwillkürlich stellt sich die Frage, was sich hinter Schminke, Kostüm und Maske verbirgt, denn die Kunst der Übertreibung verdeckt echte Gefühle, die in Gestalt von Christine Kaufmann ihren natürlichen Ausdruck finden.



Christine Kaufmanns Madeleine Charron benötigt ein wenig Zeit, um sich zwischen den aufgeputzten Damen des Amüsements und den groben Männern Aufmerksamkeit zu verschaffen. Ihre Ausstrahlung reinigt die Atmosphäre, wenn sie angespannt und beunruhigt durch die Szenenbilder schwebt, leichtfüßig und zart wie ein Schmetterling. Die Traumsequenzen zählen zu den schönsten und nachhaltigsten Momenten des Films, man könnte sie stundenlang sehen, ohne sich zu langweilen. Madeleines Träume legen verschüttete Erinnerungen - oder sind es Zukunftsvisionen - offen, deren Bedeutung noch ungeklärt ist. Diese Szenen sind von einer lyrischen Faszination. Das Auge des Betrachters wird mit poetischen Bildkompositionen verwöhnt, die den Tod in zarte Pastelltöne kleiden, während andererseits todbringende Instrumente wie Vitriol, glühende Eisen und Äxte für blutigen Ernst sorgen und die Entschlossenheit der Mörder betonen. Maria Perschy darf sich durch einen markanten Auftritt profilieren, der sie als reife Schönheit in den Fokus rückt und ihr Erfahrung und Abgebrühtheit attestiert. Der Säureangriff auf ihre Figur zeigt leider erschreckende Parallelen zu dem schweren Verkehrsunfall im selben Jahr, als sie Verbrennungen im Gesicht erlitt. Die beiden Schauspielerinnen zeichnen so konträre Rollen, dass es schade war, sie in keiner gemeinsamen Szene zu besetzen, wobei man sagen muss, dass Jason Robards als Liebhaber Perschys glaubwürdiger ist als in seiner Rolle als Ehemann von Kaufmann. Dabei ist nicht nur der Altersunterschied ausschlaggebend, sondern seine zweifelhafte Vergangenheit als Verehrer von Madeleines Mutter, was ihm einen abgehalfterten Eindruck verleiht, obwohl er seine Rolle per se sehr überzeugend meistert.

Um die Produktion als Kriminalfall schätzen zu können, muss man einen Draht zur Opulenz und dem Ablauf historischer Filme haben, ansonsten wirkt das Werk schnell überladen und in seiner Üppigkeit an oberflächlichem Firlefanz orientiert. Kein Wunder, dass Vincent Price an der männlichen Hauptrolle interessiert war, vermutet man doch zwischen den Folterstühlen und Marterinstrumenten auf der Bühne jeden Moment seine hassverzerrten Gesichtszüge zu erblicken. Lilli Palmer kostet ihre Rolle als Gaststar reiflich aus und lässt das Publikum mit ihr bangen und leiden. Die Tragik ihrer Figur sorgt für einen erheblichen Tiefgang innerhalb des Geschehens, die Grandezza einer Königin umgibt sie ohnehin. Historische Kostüme unterstreichen die preußische Strenge ihrer Erscheinung und geben ihr zusätzlich Haltung und Würde. Die Rolle der Kriminalpolizei gewinnt im letzten Drittel verstärkt an Einfluss und treibt auch das Tempo voran, was angesichts der sich im Minutentakt verschiebenden Schuldfrage doch sehr wichtig ist. Hier gebührt vor allem Herbert Lom und seiner wandlungsfähigen Interpretation des entstellten Marot großes Lob, kann er seinen Charakter doch laufend variieren und den Zuschauer sowohl Sympathie, als auch Abneigung gegen ihn empfinden lassen. Ein intensiver Film, der dem Publikum mehr abverlangt als sich von einem gruseligen Horrorspektakel berieseln zu lassen. Seine Meriten weiß man eventuell nicht gleich bei der ersten Sichtung zu schätzen, doch die Produktion hält so viele Details parat, deren Sinn sich durch die Konzentration auf das Vordergründige nicht gleich erschließt, sondern Argumente für eine punktuelle Analyse - bestimmter Sequenzen oder Darstellerinterpretationen - liefert.

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