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Dieses Thema hat 12 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
Georg Offline




Beiträge: 3.263

01.09.2012 19:19
"Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

DER KLEINE DOKTOR
Unter diesem Titel entstand 1973 eine 13teilige Kriminalserie, die auf Kurzgeschichten aus dem Sammelband Le petit docteur von Maigret-Erfinder Georges Simenon beruht. Die Hauptrolle des kecken detektivischen Arztes, der dem weiblichen Geschlecht nie abgeneigt ist, spielte letztendlich Peer Schmidt. Letztendlich, weil nämlich in der ersten Planungsphase, die auf 1967 zurückgeht, Heinz Rühmann die Titelrolle spielen sollte. Rühmann selbst hatte beim Frankreichurlaub die Geschichten entdeckt, überzeugte die Redakteure beim ZDF und wollte daraus eine unterhaltsame Serie mit kriminalistischem Hauch machen. Die Storys wurden umgeschrieben und auf Rühmann getrimmt. Die Figur wurde "entplayboyt". Dann starb Rühmanns Frau Herta Feiler und alles lag auf Eis. Produzent Heinz Recht fragte bei Klaus Schwarzkopf und Horst Bollmann an, die ebenfalls kleinwüchsig waren und so für den "kleinen Doktor" gepasst hätten. Beide lehnten ab. Peer Schmidt sagte schließlich zu und die Drehbücher wurden wieder den Vorlagen angeglichen.
Genaueres und Ausführlicheres dazu auch auf meiner Homepage: http://krimiserien.heim.at/k/der_kleine_doktor.htm
Das ZDF programmierte die Serie am Sonntagabend als Konkurrenz zum ARD-Tatort. Viele bekannte Gaststars traten auf und für absolute Spannungsgarantie sorgte der umfassend TV-Krimi-erfahrene Wolfgang Becker, der die ersten sechs Episoden inszenierte. Folge 7-13 entstanden dann unter Thomas Engels Regie.
Die Serie ist bereits seit einigen Jahren komplett auf DVD erschienen und erscheint nun nochmals als 48. Straßenfeger-Box. Vielleicht greift ja der eine oder andere Krimifan da oder dort zu oder postet seine Meinungen hier. Jedenfalls will ich mir nach fast zehn Jahren Abstinenz diese nette, an Originalschauplätzen in La Rochelle und Umgebung teilweise unter widrigen Produktionsumständen (meist 10 Stunden Drehzeit pro Tag) entstandene Serie, wieder mal ansehen und meine Gedanken dazu hier äußern.

Ich beginne ausnahmsweise mit der 3. Folge, da diese die erstproduzierte war und - da hat der Redakteur beim ZDF wieder mal nicht aufgepasst - auch als solche gesendet werden hätte müssen (warum, darauf gehe ich gleich ein).




#3 Die Notbremse
Erstsendung: 05.05.1974
Drehbuch: Franz Geiger nach der Kurzgeschichte La sonnette d'alarme von Georges Simenon
Regie: Wolfgang Becker

Kurze Inhaltsangabe: Auf der Bahnstrecke nach La Rochelle verschwand vor einem Jahr nach einer Notbremsung eine aus Bordeaux stammende Frau spurlos. Nun, ein Jahr später, kommt es auf dieser Strecke zu einem ähnlichen Vorfall. In den aktuellen Fall wird der aus Marsilly stammende Arzt Dr. Dollent verwickelt, der sich einer Anzeige gegenübersieht und sich vom Verdacht befreien will, indem er der Wahrheit auf den Grund geht...

Diese erste Geschichte wurde am Beginn von Wolfgang Becker sehr stilvoll und spannend umgesetzt. Als einziges Mal innerhalb der gesamten Serie wird auch der Vorspann nicht direkt am Beginn, sondern - wie beim Kommissar - erst nach einer kurzen Prätitelsequenz eingeblendet. Dollent wird sogleich bei seinem ersten Auftreten als dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt präsentiert und tappt deshalb auch gleich in die Falle. Eine Dame in seinem Abteil reißt sich die Kleider vom Leib, beginnt zu schreien und zieht die Notbremse. Dann behauptet sie, Dollent habe sie zu vergewaltigen versucht. Genau das erinnert an eine Episode aus der Serie Kommissar Freytag (Titel: Vergangenheit gegen bar), in der die ersten paar Minuten fast identisch ablaufen (hat da etwa Bruno Hampel von Georges Simenon abgeschrieben?!?).
Die Spannung dieser Non-Whodunit-Geschichte wird kontinuierlich aufgebaut, neben dem Mord am Beginn und dem versuchten Betrug mit Dr. Dollent bekommen wir es außerdem mit einer Vermissten zu tun. Becker versteht sein Fach, inszeniert zügig und setzt die französischen Originalschauplätze sehr gut in Szene. Die Besetzung der einzelnen Rollen fällt passend aus: als femme fatale agiert Inken Sommer, als mörderisches Trio Siegfried Rauch als Raubein, Roger Herbst als sein Komplize (der gelernte Friseur war damals sehr beliebt wegen seiner Rolle in der Krimiserie Im Auftrag von Madame) und der erst kürzlich verstorbene Günther Kaufmann ist der dritte im Bunde.
Zudem werden wir in das Dorfleben von Marsilly eingeführt, sehen den Leuten beim Boulespiel zu und lernen so etwa auch den Bürgermeister (noch öfter mit dabei) und Dollents Sprechstundenhilfe Marianne kennen. Kommissar Marcellin hat hier noch einen sehr kurzen Auftritt. Erstmals wird er überhaupt von Dr. Dollent erwähnt, der sich dabei an seinen Namen gar nicht richtig erinnern kann. Und hier liegt der Fehler, den die Redakteure machten: wie kann sich Dollent, der in Folge 1 und 2 in der Sendereihenfolge bereits Kommissar Marcellin begegnet ist, sich in der 3. Folge nicht an ihn erinnern? Es sei denn, Die Notbremse ist die erste Folge!
Das Drehbuch schrieb Franz Geiger, der bayerische Autor, dem wir auch zahlreiche Folgen von Polizeiinspektion 1 oder Der Millionenbauer verdanken. Geiger modernisierte die Simenonsche Originalgeschichte sehr gut und ohne Abstriche zu machen. So versetzte er die Handlung auch in die Realität der 1970er, was man auch daran merkt, dass einem Mädchen in einer Szene von Dollent die Pille verschrieben wird.
Fazit: die erste bzw. erstgedrehte Folge überzeugt mit Spannung, Stimmung und Tempo - nicht zuletzt dank der flotten Inszenierung des "Krimi-Becker". Lediglich die Titelmusik von Graziano Mandozzi finde ich etwas unpassend und hektisch. Aber darüber kann man hinwegsehen. Peer Schmidt hingegen war, was die Buchvorlage betrifft, passender als Rühmann, denn auch bei Simenon ist der Arzt ein Frauentyp, jünger und in den besten Jahren.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

02.09.2012 17:43
#2 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

#1 Das Arsenschloss
Erstsendung: 07.04.1974
Drehbuch: Franz Geiger nach der Kurzgeschichte Le château de l'arsenic von Georges Simenon
Regie: Wolfgang Becker

Kurze Inhaltsangabe: Dr. Dollent sucht den Baron Olivier in dessen Schloss auf. Dieser steht unter einem unheimlichen Verdacht: alle seine Verwandten sind in den letzten Wochen und Monaten an Arsenvergiftung gestorben. Im Blut des Adeligen, der mit zahlreichen Freundinnen und seiner Köchin sowie deren infantilen Sohn zusammenlebt, finden sich ebenfalls Arsenspuren. Wer steckt hinter der ganzen Sache?

Es ist offensichtlich, warum das ZDF diese Folge als Eröffnung der Reihe gewählt hat. Sie bietet die größten Stars der ersten Staffel: Peter Pasetti und Maria Schell. Damit hat es sich aber auch schon. Fast die gesamte Folge spielt im Schloss des Barons, das nicht in Frankreich, sondern in Wirklichkeit in der Nähe von München steht und auch in anderen bayerischen Krimiserien wie "Der Alte" ("Eine große Familie", "Die Tote im Schlosspark") oder "Graf Yoster gibt sich die Ehre" (als gräfliches Schloss in Staffel 4 & 5) auftauchte und auch als Szenenbild für die "Pumuckl"-Folge "Pumuckl und das Schloßgespenst" diente. Keine Minute Frankreich. Der Doktor wird auch unglücklich eingeführt und ist mit Kommissar Marcellin bereits bekannt. Man erfährt nichts über seine Vorliebe für Damen und sieht seine Sprechstundenhilfe nur ein paar Sekunden lang. Anders die drittgesendete und erstproduzierte Folge "Die Notbremse": hier wird Dollent langsam den Zuschauern vorgestellt, wir erfahren, dass er dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt ist und es kommt zur ersten Begegnung mit Commissaire Marcellin. Hinzu kommen fast in jeder Szenen Außenaufnahmen in Marsilly, La Rochelle und Bordeaux. All das fehlt in dieser Episode, die statt inhaltlichen nur optische Reize in Form der Gespielinnen (darunter Judy Winter) des alten Barons bietet und den jungen Hans-Georg Panczak (später Dauergast bei Ringelmann) als jugendlichen Cretin. Die Laufzeit von einer Stunde ist m. E. auch viel zu lang. ACHTUNG SPOILER: Und Maria Schell konnte wohl nur verpflichtet werden, weil sie am Ende die Mörderin ist.
Immerhin Motiv und Mörder sind glaubhaft, die darstellerischen Leistungen voll in Ordnung. Eine mittelmäßige Angelegenheit.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

09.09.2012 10:57
#3 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

#2 Besuch aus Paris
Erstsendung: 21.04.1974
Drehbuch: Rudolf Nottebohm nach der Kurzgeschichte L'amoureux aux pantoufles von Georges Simenon
Regie: Wolfgang Becker

Kurze Inhaltsangabe: Dr. Dollent quartiert in einem abgelegenen Bauernhof Laure, die Tochter eines Freundes, und ihren Freund, einen Maler ein. Was er nicht weiß: der Freund ist ein Bankräuber. Als auch noch dessen Komplize, der bei dem Coup einen Mann erschossen hat, auftaucht, wird die Sache brenzlig...

Diese Folge ist eindeutig zu langatmig. Trotz Wolfgang Becker, der wenigstens gegen Ende für Tempo und interessante Regieeinfälle sorgt, plätschert diese Geschichte vor sich hin. Ganze 60 Minuten lang! Wo sie doch allenfalls für einen 25-Minuten-Episode gereicht hätte. Drehbuchautor Nottebohm gelang es nicht, die zugrunde liegende Kurzgeschichte spannend auszubauen. Hier liegt auch das Problem: anders als etwa bei anderen Simenon-Verfilmungen basieren die Geschichten rund um den "Kleinen Doktor" nicht auf Romanen, sondern auf Erzählungen. Schauspielerisch bietet die Episode auch nichts Besonderes, Wolf Roth als junger Revoluzzer ist zwar nicht uninteressant und auch Bruno Dietrich ist jedes Mal sehenswert, aber unterm Strich bleibt die Langeweile. Zudem tritt Dr. Dollent nur sehr kurz, geschätzt nicht mal ein Viertel der Spielzeit auf. Der überwiegende Teil der Folge konzentriert sich auf die Geschichte rund um die Bankräuber. Bei einer Serie will man jedoch den Protagonisten sehen (nur ganz selten gelang es darüber hinwegzusehen, wenn eine Geschichte besonders spannend war, spontan fällt mir die Der Alte-Folge "Aber mich - betrügt man nicht!" ein)).
Fazit: Da hätte man viel mehr daraus machen können!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

15.09.2012 19:46
#4 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

#4 Mord im Moor
Erstsendung: 12.05.1974
Drehbuch: Franz Geiger nach einer Kurzgeschichte von Georges Simenon
Regie: Wolfgang Becker

Kurze Inhaltsangabe: Ehebruch führt in einer Regennacht zur Eskalation und einem Mord. Die Leiche wird im Moor verscharrt, am nächsten Tag wird dort aber zusätzlich noch ein weiterer Toter gefunden ...

"Haben Sie nicht was Anderes zu tun? Ich gehe auch nicht in Ihre Praxis und behandle Ihre Patienten!" – so fährt Kommissar Marcellin Dr. Dollent an, als dieser wieder mal in seinem Fall herumschnüffelt. Und Dollent zeigt sich gefühl- und verständnisvoll, deckt sogar einen Täter und plädiert auf Notwehr. Das soll ihn wohl sympathisch machen. Ansonsten ist auch diese Folge etwas zu lang. Hervor stechen die tollen unheimlichen Nachtaufnahmen im Regen und die Besetzung der drei Hauptfiguren mit Herbert Fleischmann, Alwy Becker und Ursula Lingen (grandios!). Die Geschichte ist allerdings 08/15 und trotz der Wendung mit dem zweiten Toten, die viel zu spät kommt, etwas langatmig. Gerade bei dieser Episode, die erneut von Franz Geiger stammt, wird deutlich, dass Der kleine Doktor niemals mit dem Kommissar konkurrieren hätte können, auch wenn er dessen (besten) Regisseur und eine prominente Besetzung aufweist. Die Geschichten kränkeln etwas vor sich hin und wurden teilweise zu sehr in die Länge gestreckt.
Insgesamt verspricht diese Folge nicht das, was man sich vom Titel (unheimlicher Mord und Spannung) erhofft.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

17.11.2012 20:29
#5 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

Dem Georges-Simenon-Anhänger bietet sich auf dem Gebiet deutscher Adaptionen nur eine recht beschränkte Palette an Filmen, sodass ich sehr erfreut war, von der Serie „Der kleine Doktor“ zu hören. Zwar kommt Kommissar Maigret darin nicht vor – mahnende Stimmen erinnern ja auch immer wieder: „Simenon ist mehr als nur Maigret“ –, aber mit Jean Dollent, dem Landarzt aus Marsilly bei La Rochelle, ist für adäquaten Ersatz gesorgt.
Dr. Dollent ist in mittleren Jahren, kleingewachsen und neben medizinischen auch mit kriminalistischen Interessen ausgestattet. Damit löst er knifflige und gefährliche Kriminalfälle, die sich in seiner Umgebung abspielen – und das immer schneller als Kommissar Marcellin von der örtlichen Polizei. Manchmal schlittert Dollent aus Zufall in seine Fälle hinein, manchmal melden sich „Klienten“ bei ihm und beauftragen ihn mit einer Untersuchung, weil er sich als Spürnase schon einen gewissen Ruf erarbeitet hat.
Dollent ist den Frauen nicht abgeneigt – und diesen begegnet er auch nicht gerade selten im Verlauf seiner Ermittlungen. Feste Bindungen sind aber seine Sache nicht. Er sieht, worauf diese hinauslaufen, bereits an seiner übermütterlichen Haushälterin und Sprechstundenhilfe Marianne.



Der kleine Doktor: Die Notbremse
Episode 3 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Franz Geiger nach der Kurzgeschichte „La sonnette d’alarme“ (Die Notbremse, 1938) von Georges Simenon. Mit: Peer Schmidt, Inken Sommer, Max Mairich, Erika Dannhoff, Willy Leyrer, Siegfried Rauch, Roger Herbst, Günther Kaufmann u.a. Erstsendung: 5. Mai 1974.

Zitat von Der kleine Doktor: Die Notbremse
Als der kleine Doktor in den Zug nach La Rochelle stieg, hatte er keine bösen Gedanken im Kopf. Wie konnte er auch ahnen, dass die schöne Dame, die sich in sein Abteil setzte, eine Betrügerin ist? Sie öffnet ihre Bluse, zieht die Notbremse und behauptet, Dollent hätte sie vergewaltigen wollen. Doch wozu die Scharade? Dollent will seine Unschuld beweisen und deckt dabei eine ganze Kette von Verbrechen auf.


Angler ist er also, unser Dr. Dollent. Der Inbegriff männlicher Ruhe und Altersreife. Wer auch nur das Geringste von der Natur der Menschen versteht, kann die Beschuldigungen, die gegen ihn erhoben werden, nicht für bare Münze nehmen. Klar auch, dass Drehbuchautor Franz Geiger und Regisseur Wolfgang Becker keinen Hehl aus der Lüge der jungen Germaine machten, die eindeutig in hinterlistiger und bösartiger Absicht handelte. Das zieht uns von Anfang an auf die Seite des Doktors, lässt uns eine Identifikation mit dem Protagonisten der Serie aufbauen.
Viele Szenen aus „Die Notbremse“ spielen im Zug oder am Bahndamm, in grüner Natur und an einem Kanal. Frisch, luftig und mit einem Hauch von leicht verfliegendem Luxus präsentiert sich die neue Serie auf diese Weise dem Zuschauer, der unbedingt zuerst zu dieser in der Ausstrahlungsreihenfolge an dritter Stelle stehenden Episode greifen sollte. Ohne großen Aufhebens, aber dennoch gründlich lernt man den Arzt aus Marsilly kennen, dem Peer Schmidt ein sympathisches Auftreten verleiht. Kaum etwas erinnert an seinen eher peinlichen Auftritt neben Chariklia Baxevanos in „Das Ungeheuer von London-City“ – stattdessen liegt es auf der Hand, dass Schmidt für den kleinen Doktor weniger künstliche Lustigkeit und mehr von seiner eigenen Persönlichkeit nach außen kehrte. Thomas Engel, der die Folgen 7 bis 13 inszenierte, belegt in einem Interview zur Serie, was offensichtlich ist: Schmidt trat in Arbeit und Privatleben als bescheidener und bodenständiger Mensch ohne Allüren und Macken auf. Ein Kollege und Bekannter zum Pferdestehlen – eben genauso wie der Dr. Dollent Simenons.
Inken Sommers Rolle, die beinahe femme fatale-Qualitäten besitzt, schrumpft im Laufe weiterer Entdeckungen zu einer unterdrückten Marionette zusammen, der die Bevormundung durch die wahren Schurken (u.a. ein schrecklich – bzw. gar nicht – frisierter Siegfried Rauch) auf lange Sicht zu viel wird und in einem Aufbäumen mündet. Diesem und dem Handeln einer anderen Frau verdankt Dollent, der als Gefangener der Verbrecher endet, seine Befreiung. Wir dürfen uns also auf weitere seiner Abenteuer freuen.

Wertung: ***** – 4 von 5 Punkten
Zitat:
„Machen Sie lieber den Mund zu, sonst kriegen Sie noch eine Lungenentzündung.“

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.11.2012 22:19
#6 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten



Der kleine Doktor: Das Arsenschloss
Episode 1 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Franz Geiger nach der Kurzgeschichte „Le château de l’arsenic“ (Das Schloss der roten Hunde, 1938) von Georges Simenon. Mit: Peer Schmidt, Peter Pasetti, Christine Buchegger, Gracia Maria Kaus, Maria Lass, Maria Schell, Judy Winter, Hans Georg Panczak u.a. Erstsendung: 7. April 1974.

Zitat von Der kleine Doktor: Das Arsenschloss
Der hochwohlgeborene Baron Olivier sieht sich unerhörten Vorwürfen ausgesetzt: Er soll seine Erbverwandten kaltblütig mit Arsen vergiftet haben, um sich in den Besitz des familiären Vermögens und ihrer Lebensversicherungen zu bringen. Er zieht den kleinen Doktor hinzu, weil er weiß, dass dieser sowohl ein guter Arzt als auch ein kluger Detektiv ist. Und tatsächlich stellt Dollent fest: Auch der Baron trägt Arsen im Körper.


Was sich auf dem herrschaftlichen Anwesen des mittlerweile „Giftbaron“ genannten Adligen abspielt, ist in mehrfacher Hinsicht nichts für schwache Nerven. Einmal wären da die Giftmorde: Perfide und nach deutlichem Muster ausgeführte Verbrechen, die Baron Olivier aufs Härteste belasten. Die Polizei hat sich ihn wie selbstverständlich als Hauptverdächtigen auserkoren, denn neben den Indizien spielt in den Gedanken weniger begabter Kriminalisten gern auch ein Anflug von Standesneid eine Rolle. Und über allem schwebt der Schleier der Unsicherheit: Ist Gift im Essen? Wird eine weitere Person, vielleicht sogar der Baron, sterben? Wenn zu Abend die Suppe eingenommen wird (auch von Ente an glasierten Kastanien und Blaukraut ist die Rede), ist Dr. Dollent der einzige, der herzhaft zugreift, während der Schlossherr und das Personal die Löffel nur mit spitzen Fingern anpacken und sich gegenseitig mit Blicken durchbohren.
Das Familienmordrätsel dient aber nur als Fassade für ein weiteres gefährliches Possenspiel. Liebe, Hass und Sex stehen neben dem guten Geld schließlich ganz oben auf der Liste beliebter Mordmotive – und Baron Olivier hat mehr als genug Frauen geliebt, gehasst und … Naja, eigentlich ist es schon ein richtiger Harem, den er da auf dem Schloss hat: ein Dienstmädchen, eine Sekretärin, eine Hauslehrerin, eine Gesellschafterin – alle mit kurzen Röcken, großen Ausschnitten und noch größerer Angst, bald nicht mehr attraktiv genug zu sein für die Ansprüche des hohen Herrn und damit in die unteren Räume, in die Küche, abgeschoben zu werden. Schnell gibt Baron Olivier zu, dass man ihn eigentlich als pervers bezeichnen müsste – Lustgreise sind eben allein kein Phänomen der Internetzeit.
Peter Pasetti greift die Gelegenheit, seine übliche Contenance zu persiflieren, mit Vergnügen auf und erläutert Peer Schmidt gegenüber in hochamüsante Dialogen, wie und warum er sein Leben am liebsten im Bett verbringt. Dabei wird die Folge aber niemals explizit und spart sich Szenen, die über die Fantasie des Zuschauers hinausgehen. Verschrecken könnte einzig der Anblick einiger Schlangen, die sich Hans Georg Panczak in der Rolle des zurückgebliebenen enfant terrible in einer Schreibtischschublade hält. Auch hierzu weiß der Baron von und zu Pasettkowitsch eine Betrachtungsweise, die das herkömmliche Denken über den Haufen wirft: „Als Arzt wissen Sie ja, dass es in unseren Kreisen manchmal solche Fälle von Kretinismus gibt, sozusagen als Preis für eine gesellschaftliche Sonderstellung, die sich allerdings zunehmend nivelliert. Inzwischen hat auch das Proletariat eine beachtliche Quote von Psychopathen und Neurotikern.“
In Nebenrollen sind unter anderem Maria Schell und Judy Winter zu sehen, wobei Winter mit von der Partie in der genialen Schlusssequenz ist. Sie nimmt innerhalb der Persiflage das Gesehene nochmal auf die Schulter und bescheinigt: Wenn die Mördersuche nur von zweitrangiger Bedeutung ist, macht das gar nichts, solange nur die Prioritäten interessant und langbeinig genug sind.

Wertung: ***** – 5 von 5 Punkten
Zitat:
„Wenn der Biss nicht mehr so fest ist, dann braucht man besonders zartes Fleisch.“


PS: Der Spiegel würdigte Peter Pasetti in einem Nachruf mit den Worten: „Die meisten kannten ihn aus dem Fernsehen: ein hochgewachsener Grandseigneur und Charmeur, immer dort präsent, wo echte oder schräge Kavaliere der alten Schule gebraucht wurden. Nur wer dem Sohn eines Münchner Bühnenbildners genauer ins Gesicht sah, entdeckte darin Züge von Bitterkeit und Ironie. Pasetti, der 32 Jahre den Münchner Kammerspielen angehörte und dort in Dürrenmatts ‚Die Physiker’ ebenso auftrat, wie er in früheren Jahren Kleist und Lessing spielte, brillierte, wenn er den leicht vertrottelten Galan gab.“ [1] Hatte der Autor ihn als Baron Olivier in Erinnerung?

[1] Register: Peter Pasetti. Der Spiegel 23/1996. Quelle

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.11.2012 22:27
#7 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten



Der kleine Doktor: Besuch aus Paris
Episode 2 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Rudolf Nottebohm nach der Kurzgeschichte „Le flair du Petit Docteur“ (Der Spürsinn des kleinen Doktors, 1938) von Georges Simenon. Mit: Peer Schmidt, Max Mairich, Rakhchandeh Ettehad, Bruno Dietrich, Wolf Roth, Willy Leyrer, Erika Dannhoff, Horst Sachtleben u.a. Erstsendung: 21. April 1974.

Zitat von Der kleine Doktor: Besuch aus Paris
Besuch aus Paris ist nicht immer ein Grund zur Freude: Eine Bekannte von Dr. Dollent mietet sich gemeinsam mit ihrem Freund, einem wankelmütigen Maler, in einem alten Gutshof nahe Marsilly ein. Nicht nur kommt es zu Eifersuchtsszenen zwischen dem Maler und dem Doktor, auch erhält das junge Pärchen unerwarteten Besuch von einem „Freund“ in Nöten: Der hat einen Bankraub begangen und sucht nun einen Unterschlupf.


Wie in einem schlechten Western kommt man sich über weite Strecken in dieser zweiten „Der kleine Doktor“-Folge vor. Dramaturgisch ist sie alles andere als ausgereift, was ohne Frage nicht in erster Linie Simenon, sondern dem Drehbuchautor Rudolf Nottebohm anzulasten ist. Dessen einzige Arbeit für „Der kleine Doktor“ war zugleich sein zweiter von insgesamt nur fünf TV-Aufträgen und sein erster von drei Ausflügen in den Krimi. Nottebohm, der keinen haltenden Spannungsbogen zu schaffen in der Lage war, verließ sich auf drei Dinge, die dem Zuschauer besonders sauer aufstoßen:
- eine unerträglich gestrige Beziehungsschilderung zwischen dem Möchtegern-Maestro und seinem Hausmütterchen, das ihm Pasteten bäckt, flennt, wenn er sie nicht zu schätzen weiß, und ansonsten höchstens als bedrohte Unschuld zu gebrauchen ist,
- ein uninteressantes Böse-Buben-Spiel, in dem es für den Zuschauer keine Geheimnisse oder Faszinationen gibt und sich alles nur um die Frage dreht, wer gerade die gefährlichere Waffe in der Hand hält, und
- ein bemerkenswertes Desinteresse an der Hauptfigur der Serie, die nur in wenigen Szenen und am Rande des Geschehens auftaucht. Damit profitiert „Besuch aus Paris“ dann auch kaum von der freundlichen Art Peer Schmidts, sondern verlässt sich ganz und gar auf die Gastdarsteller. Die weisen zwar mit Bruno Dietrich und Wolf Roth zwei gute Mimen auf, haben aber als durchschnittliche Revolverhelden kaum etwas zu tun, an was man sich im Nachhinein erinnern müsste. Wie es um die Rolle der entgegen ihrem Namen kaum exotisch wirkenden Rakhchandeh Ettehad bestellt ist, habe ich ja weiter oben schon beschrieben. Unangenehm fallen des Weiteren die sehr künstlichen Studiobauten auf, die deutlich verraten, dass der Bauernhof nicht in Frankreich, sondern in den Ateliers der FGR Filmproduktion stand. Sie machen den Geiz deutlich, den Peer Schmidt an Produzent Heinz Richter bemängelte, der sich aber ab Episode 7 mit der Übernahme der Produktionsverantwortung durch Hartmut Grund und Kurt Rendel zur Bavaria erledigt haben würde.
So bleibt einzig festzustellen, dass Eugène, das gutmütige Grautier, allen Protagonisten und Kulissen ohne Mühe die Schau stiehlt. Die Folge ist also nicht für die Katz, gewissermaßen aber für den Esel.

Wertung: ***** – 2 von 5 Punkten
Zitat:
„Eigentlich habe ich immer nur Esel gemalt. Denke an mein letztes Selbstporträt.“

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.11.2012 15:23
#8 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #5
Dem Georges-Simenon-Anhänger bietet sich auf dem Gebiet deutscher Adaptionen nur eine recht beschränkte Palette an Filmen

In der Tat gibt es hier nur wenige Fernsehfilme.

- DER MANN AUS LONDON (1970) von Heinz Schirk. Ein toller, in schwarz/weiß gehaltener Psychothriller, an Originalschauplätzen gedreht, in dem fast nichts gesprochen wird. Ist beim ZDF als Mitschnitt (in sehr guter Qualität) zu bestellen!
- DIE STUNDE DES LÉON BISQUET (1986) - mit Klaus Schwarzkopf in einer tollen Rolle! Der psychologische Kriminalfilm ist von Pidax erschienen und schon alleine wegen Klaus Schwarzkopf sehenswert!

Was "Der kleine Doktor" betrifft, so gefällt mir aus der ersten Staffel noch "Der Rote" besonders gut, super besetzt, glaubhaft Karl Renar und Evelyn Opela (noch nicht -Ringelmann) als verführerischer Vamp. Wollte schon lange einen Kommentar dazu schreiben, hab's aber nicht geschafft und nun nach zwei Monaten (und davor 10 Jahren) nicht sehen, leider schon wieder fast alles vergessen ...

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

19.11.2012 16:39
#9 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

Und nicht zu vergessen natürlich „Maigret und sein größter Fall“ mit Heinz Rühmann. Besonders interessant in Bezug auf den „kleinen Doktor“, weil der ja nicht nur ursprünglich mit Rühmann besetzt werden sollte, sondern auch überhaupt erst von diesem als Produktion vorgeschlagen wurde. Das fiel laut Infos im Booklet der Straßenfeger-Edition auf 1967, also auf ein Jahr nach Dreh und Premiere von „Maigret und sein größter Fall“. Rühmann hatte offenbar Simenon’sches Blut geleckt.



Der kleine Doktor: Mord im Moor
Episode 4 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Franz Geiger nach der Kurzgeschichte „Une femme a crié“ (Eine Frau schrie um Hilfe, 1938) von Georges Simenon. Mit: Peer Schmidt, Herbert Fleischmann, Ursula Lingen, Alwy Becker, Max Mairich, Erika Dannhoff, Paula Denk, Willy Leyrer u.a. Erstsendung: 19. Mai 1974.

Zitat von Der kleine Doktor: Mord im Moor
Dreieck war gestern. Im Hause der Familie Borchain erblüht sogar eine gepflegte Vierecksbeziehung – bis sie in einer Nacht abrupt entwurzelt wird. Zwei Ecken, ausgerechnet die beiden Männer, findet man am nächsten Morgen tot im Moor. Übrig bleiben zwei Schwestern, von denen eine kränkelt und die andere lügt. Schließlich wirft sogar ein dritter Mord seine Schatten voraus – Dr. Dollent sollte besser genau aufpassen, wem er welche Medikamente anvertraut ...


In gewisser Weise ähnelt „Mord im Moor“ der Geiger-Becker-Kooperation „Das Arsenschloss“. Beide wissen, wie man zügellos und enthemmt unterhält, ohne ins Stillose oder Urteilende abzugleiten. Körperliche Lust ist ein zentrales Motiv der „kleine Doktor“-Episoden. Mir steht noch bevor, herauszufinden, ob das auf die Kurzgeschichtenvorlagen von Simenon in einem ebenso großen Maße zutrifft oder zu welchen Teilen die Sexualisierung der Geschichten dem Zeitgeist der 1970er Jahre zuzuschreiben ist. Doch auch wenn man sich klar mit ihr konfrontiert sieht (erneut fallen Sätze wie „Wenn du einen Mann im Bett empfängst, musst du besonders hübsch aussehen“, als seien sie so alltäglich wie Smalltalk übers Wetter oder Einkaufszettel), so erscheint sie doch nicht als Selbstzweck zur Befriedigung neuer Freiheiten – siehe z.B. „Perrak“ und Co. –, sondern als psychologische Bedingung für kriminelle Handlungen.
Das Bild, das vom Haus Borchain gezeichnet wird, entwickelt absolutes Pulverfass-Potenzial und wird mit Charakteren angereichert, die über ihre Seitensprünge hinaus Eindrücke hinterlassen. Das trifft vor allem auf das Filmschwesternpaar Alwy Becker und Ursula Lingen zu, die „Mord im Moor“ allein schon weit über den Durchschnitt heben. Becker als intrigante und dann verzweifelte Schlampe und Lingen als ihr sympathischeres, aber nicht minder verkommenes Gegenstück hätten das Zeug dazu, den Plot auch auf Spielfilmlänge zu tragen. Denn während der gesamten 52 Minuten gab es für mich keinen einzigen Moment der Langeweile, und wenn man etwas kritisieren müsste, dann dass die Wahrheit zu rasch und unumwunden aufgedeckt wird. Man ist noch nicht ganz für sie bereit, weil eine Ermittlungsphase trotz ausreichender Auftritte Schmidts eigentlich gar nicht stattfindet; die der Morde, ihrer Vorbereitungen und Ausführungen einschließlich der zugehörigen Sturmnacht und Moorausflüge aber praktisch die gesamte Laufzeit einnimmt.

Wertung: ***** – 5 von 5 Punkten
Zitat:
„Sie haben sie umgebracht! Sie mit Ihren Medikamenten!“

Zitat von Georg im Beitrag #4
Gerade bei dieser Episode, die erneut von Franz Geiger stammt, wird deutlich, dass Der kleine Doktor niemals mit dem Kommissar konkurrieren hätte können, auch wenn er dessen (besten) Regisseur und eine prominente Besetzung aufweist. Die Geschichten kränkeln etwas vor sich hin und wurden teilweise zu sehr in die Länge gestreckt.

Und weil ich diese wunderbare Vorlage nicht ungenutzt verstreichen lassen kann, muss ich als „Kommissar“-Kritiker natürlich darauf hinweisen, dass „Der Kommissar“ niemals mit dem „kleinen Doktor“ hätte konkurrieren können, auch wenn er dessen (besten) Regisseur und eine prominente Besetzung aufweist. Die Geschichten beim „Kommissar“ kränkeln häufiger vor sich hin und wurden fast ausnahmslos durch unnötiges Moralgefasel sehr in die Länge gestreckt.
Aber lassen wir das lieber, denn jeder soll sich in dieser Frage ruhig seine eigene Wahrheit schaffen.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.11.2012 17:29
#10 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

Zitat
Das fiel laut Infos im Booklet der Straßenfeger-Edition auf 1967, also auf ein Jahr nach Dreh und Premiere von „Maigret und sein größter Fall“. Rühmann hatte offenbar Simenon’sches Blut geleckt.

Der Text stammt von mir ;-) und die Rechnung bezieht sich auf meine Unterlagen, in denen zum Produktionsstatus im Jahre 1971 (ohne Monatsangabe) vermerkt wurde, dass Rühmann vor 4 Jahren auf die Romane stieß. Wäre es Ende 1971 gewesen, könnte es sich möglicherweise auch um 1968 handeln, das aber nur so als spontaner Gedanke. In jedem Fall ist Deine Beobachtung in Bezug auf den "Maigret"-Film sehr interessant!

Zitat
Und weil ich diese wunderbare Vorlage nicht ungenutzt verstreichen lassen kann, muss ich als „Kommissar“-Kritiker natürlich darauf hinweisen, dass „Der Kommissar“ niemals mit dem „kleinen Doktor“ hätte konkurrieren können, auch wenn er dessen (besten) Regisseur und eine prominente Besetzung aufweist.

Ich musste schmunzeln, als ich das las und lasse es so stehen. Aus der "Doktor"-Perspektive ein interessanter Ansatz ;-).

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.11.2012 20:37
#11 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten



Der kleine Doktor: Der Rote
Episode 5 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Alf Tamin nach der Kurzgeschichte „La piste de l’homme roux“ (Die Spur des Rothaarigen, 1938) von Georges Simenon. Mit: Peer Schmidt, Max Mairich, Karl Renar, Evelyn Opela, Klaus Herm, Peter Bollag, Erika Dannhoff, Willy Leyrer u.a. Erstsendung: 2. Juni 1974.

Zitat von Der kleine Doktor: Der Rote
Ein Liebespaar, das einen reichen Onkel ausrauben will, fällt mit seinem durchschaubaren Plan gehörig auf die Nase: Der reiche Kunstsammler kommt eher als erwartet nach Hause und muss Bekanntschaft mit einem Dolch schließen – seine letzte. Um die Schuld wenigstens auf jemand anderen abzulenken, lockt das verführerische Vamp Esmeralda einen leichtgläubigen Rothaarigen an den Tatort. Natürlich wird sich die Concierge an ihn erinnern ...


Gut ausgetüftelt ist wieder einmal die Geschichte aus der französischen Krimischmiede, die erfolgreich an die Angst, unschuldig verdächtigt zu werden, appelliert. Wie schnell man ohne Vorsatz in eine unangenehme Geschichte rutschen kann, verdeutlicht Nebendarsteller Karl Renar in einer seiner wenigen wirklich interessanten Rollen. Meist geschieht das Abrutschen auf die schiefe Bahn nicht ganz ohne eigenes Zutun, aber der Verführung zu einem Abenteuer nachzugeben, heißt eben auch, die Konsequenzen, die sich aus ihm ergeben, zu tragen.
Das Abenteuer verbirgt sich hinter dem attraktiven Gesicht Evelyn Opelas, die sich voll und ganz ins Zeug legt, ihre Rollenbezeichnung „Vamp“ in allen naheliegenden Punkten auszufüllen. Dass das kleine Schwarze ihr ausgezeichnet steht, muss man auch neidlos zugeben. Außerdem nutzt sie geschickt die Hilflosigkeit des unbedarften Jacques aus, der zwar selbst verheiratet, im Umgang mit Frauen aber eigentlich völlig unbedarft ist.
Trotz der hübschen Impressionen aus der französischen Hauptstadt zu Beginn der Episode kann ich allerdings feststellen, dass ich den „kleinen Doktor“ lieber auf dem Lande oder im Kleinstädtchen Marsilly sehe. Dort passt er als märchenhaft naive Ermittlergestalt wesentlich besser ins Bild als unter professionellen Polizisten in Paris, die dumm aussehen zu lassen weniger glaubwürdig erscheint als beim wirklich etwas tumben Dorfkommissar Marcellin. Das Duell, das sich Dollent mit Kommissar Lucas liefert, lenkt unnötig von der Handlung ab und lässt wehmütig an das Hand-in-Hand-Arbeiten denken, das zwischen dem routinierten Maigret und seinen Mitarbeitern – unter ihnen ja ebenfalls ein Sergeant Lucas – herrscht.
Was „Der Rote“ zudem ebenfalls ein Stück Wind aus den Segeln nimmt, ist, dass Erika Dannhoff als überpatente Haushälterin zu slapstickhaft und hysterisch zu Werke geht. Dass sich Simenon und plumpe Lacher nicht vertragen, hätte eigentlich auch den Machern des „kleinen Doktors“ schnell auffallen müssen, zumal das durchaus ernsthafte Schicksal des Roten mit solch unnötigen Spielchen ein wenig verwässert wird.

Wertung: ***** – 4 von 5 Punkten
Zitat:
„Ich bin sonst nie so.“ – „Du bist immer so, du hast es nur nie gewusst.“

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.11.2012 20:52
#12 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten



Der kleine Doktor: Ein Toter fällt vom Himmel
Episode 6 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Alf Tamin nach der Kurzgeschichte „Le mort tombé du ciel“ (Der Tote, der vom Himmel fiel, 1938) von Georges Simenon. Mit: Peer Schmidt, Kurt Meisel, Max Mairich, Arno Assmann, Sabine Sinjen, Kurt Horwitz, Hans Drahn, Erika Dannhoff u.a. Erstsendung: 16. Juni 1974.

Zitat von Der kleine Doktor: Ein Toter fällt vom Himmel
Wie kam er nur dahin? Und wer ist er überhaupt? Zwei dringliche Fragen, die sich auftun, als im Park des Barons Vauquelin-Radot eine männliche Leiche gefunden wird. Sie weist keine Anzeichen zur Identifizierung auf – lediglich zwei Zehen fehlen dem Mann an einem Fuß. Die Tochter des Grafen scheint von dem Leichnam fasziniert zu sein und weiß vielleicht auch mehr, als sie zugibt.


Die letzte von Wolfgang Becker für „Der kleine Doktor“ inszenierte Folge gerät leider wieder ein wenig trockener als die meisten anderen Anläufe, kann in puncto Einfallslosigkeit aber auf keinen Fall dem „Besuch aus Paris“ das Wasser reichen. Plottechnisch ist nämlich durchaus alles in Ordnung, nur in Fahrt kommen will das Ganze einfach nicht so recht. Vielleicht liegt das auch daran, dass mir Kurt Meisel widerstrebt und er als Hauptverdächtiger einen so schmierigen Eindruck macht, dass der restliche Cast gar nicht erst gegen ihn anzuspielen versucht. Einen anderen Verdächtigen als ihn gibt es ja sowieso nicht – folglich kann der Hauptteil der ermüdenden Folge auf ein Duell zwischen ihm und Peer Schmidt heruntergebrochen werden.
Attraktiv ist der recht hohe Anteil an Außenaufnahmen, die fast alle im Park des Anwesens entstanden. Sie unterdrücken in ihrer altmodischen Steifheit allerdings jedes leise aufkeimende exotische Afrika-Gefühl, das „Ein Toter fällt vom Himmel“ eigentlich vermitteln möchte. Gespräche über Tropenkrankheiten und Würmerinfektionen schaffen es folglich gerade einmal, Kommissar Marcellin den Appetit zu verderben, nicht allerdings den Zuschauer von Frankreich in den wilden Süden mitzunehmen.
Dr. Dollent springt als Ersatz für den ausgefallenen Polizeimediziner ein und ist damit ganz offiziell mit der Untersuchung des Toten betraut. Natürlich überschreitet er nach und nach immer mehr seiner Kompetenzen und schnappt Marcellin erneut die Lösung vor der Nase weg. Ob dieser miss-marpeligen Penetranz ist es recht beruhigend, zu wissen, dass Dollent zwar ein wirklicher Bekannter von Georges Simenon war und auch den Beruf seines literarischen Gegenstücks ausübte, Kriminalfälle allerdings nicht zu seinem bevorzugten Metier zählten.

Wertung: ***** – 3 von 5 Punkten
Zitat:
„‚Von Baron Robert Vauquelin-Radot soundsovieltausend Franc als Schweigegeld erhalten zu haben, bescheinigt Dr. Jean Dollent, praktischer Arzt.’ Damit haben Sie mich genauso in der Hand wie ich Sie.“

Ray Offline



Beiträge: 1.930

23.08.2019 17:17
#13 RE: "Der kleine Doktor" (BRD 1973), Krimiserie mit Peer Schmidt Zitat · Antworten

In den letzten Monaten habe ich mir erstmals diese TV-Serie aus dem Jahre 1973 angesehen, die auf Vorlagen Georges Simenon basiert und in der Peer Schmidt die Hauptrolle des Hausarztes Dr. Dollent spielt, der in der Freizeit gerne als Hobbydetektiv der Polizei unter die Arme greift.

Insgesamt bleibt ein etwas zwiespältiger Eindruck. Zu den positiven Aspekten zählt zunächst Hauptdarsteller Peer Schmidt, der ungemein sympathisch agiert. Des Weiteren sorgen die Bilder an verschiedenen Orten in Frankreich im Sommer für Urlaubssehnsucht. Zuletzt trumpfen die Episoden mitunter mit exquisiten Gaststars auf. Die Storys hingegen rufen leider Langeweile hervor und hätten sich z.T. eher für 25-minütige Serien angeboten.

Zu den stärksten Folgen gehört gleich die erste "Das Arsenschloss", in der Maria Schell, Peter Pasetti und Judy Winter auftreten. Wie der Titel sagt, geht es um Arsenmorde. Die Story ist angenehm schräg, die jungen Damen um Winter haben eine ordentliche Portion Sex-Appeal und Maria Schell wertet die Folge mit ihrer bloßen Präsenz auf. Auch "Mord im Moor" mit Herbert Fleischmann oder "Zu viele Ärzte" mit Dieter Borsche und Christine Wodetzky bieten für gute Krimi-Unterhaltung. Weitere bekannte Gaststars sind u.a. Hellmut Lange und Karl-Georg Saebisch.

Als Extra gibt es ein Interview mit dem vor ein paar Jahren verstorbenen Regisseur Thomas Engel, der sieben Episoden inszenierte und einige Anekdoten zu berichten weiß.

Wer sich also durch die "üblichen Verdächtigen" der deutschen TV-Krimi-Unterhaltung durchgewühlt hat, darf beim "kleinen Doktor" ruhig mal einen Blick riskieren. Man sollte allerdings nicht mit allzu großen Erwartungen herangehen.

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