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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 1.697 mal aufgerufen
 Romane
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.06.2012 10:12
Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums der Gründung des Wilhelm-Goldmann-Verlags am 21. Juni 2012:



Edgar Wallace: Der Mann, der alles wusste (The Man Who Knew)

Alternativtitel: Zwischen zwei Männern
Erstausgabe (Großbritannien): 1919, George Newnes, London
Erstausgabe (Deutschland): 1932, Wilhelm-Goldmann-Verlag, Leipzig
Erstübersetzer: Ravi Ravendro
Derzeit nur antiquarisch oder als E-Book erhältlich.


Wichtige Personen

  • May Nuttal, Mündel und Erbin von John Minute
  • Frank Merril, Minutes Neffe, Bankangestellter
  • Jasper Cole, Minutes Privatsekretär, führt chemische Experimente durch
  • Saul Arthur Mann, genannt „der Mann, der alles weiß“
  • John Minute, Millionär mit Vorleben
  • Sergeant Smith alias Henry Crawley, trinkt gern
  • Polizist Peter John Wiseman, behält gern Recht
  • Detektivinspektor Nash vom Dezernat für Bankbetrug
  • Marguerite, ein junges Mädchen
  • Sir George Fuller, Polizeipräsident
  • Feltham, Diener und Chauffeur von Rex A. Holland
  • Rex A. Holland, der geheimnisvolle Mann im Hintergrund


Inhalt

Zitat von Rückentext Weltbild-Jubiläumsausgabe 2000
Der reiche John Minute ist sich sicher, dass ihm ein gewaltsamer Tod droht. So lautet die Prophezeiung eines Zulu-Zaubers – und an Feinden mangelt es nicht. Die junge May, als Alleinerbin eingesetzt, steht vor einem anderen Problem: Wen soll sie heiraten? Minutes Neffen Frank oder den faszinierenden unheimlichen Jasper Cole? Da wird Minute erschossen – und auf beide Männer fällt Mordverdacht ...

Zitat von Rückentext Ame-Hören-Hörbuch 2010
Vom Goldschürfer in Afrika zum Bankier und Multimillionär – die Karriere des John Minute ist nicht nur mit guten Taten gepflastert. Das kostet Minute Schweigegelder – aber wenn er den Forderungen der Erpresser nicht mehr nachkommt, muss er mit dem Leben bezahlen ...


Buchbesprechung

Von den Büchern, die bisher im Blickfeld der Edgar-Wallace-Buchbesprechungen standen, ist „Der Mann, der alles wusste“ das früheste Werk des Autors. Natürlich ein ganzes Stück von den Anfängen seiner Krimikarriere in den 1900er Jahren entfernt, so stammt „The Man Who Knew“ doch aus einer Periode, in der die Wallace-Krimis noch keiner Fließbandproduktion unterworfen und die Motive, die typisch für sie sind, noch absolut nicht abgegriffen wirkten. Wenn man sich also im Laufe der Lektüre an andere Romane erinnert fühlt, so sollte man im Kopf haben, dass diese sich bei „The Man Who Knew“ bedienten und nicht umgekehrt. Beispiele für (todsichere) Assoziationen bietet vor allem „Der Zinker“, der 1927 als „The Squeaker“ entstand, und mit Beryl Stedmans Rolle zwischen John Leslie und Frank Sutton eine mehr als ähnliche Geschichte erzählt wie die May Nuttals in Bezug auf Jasper Cole und Frank Merril. Der Titel der deutschen Erstübersetzung verdeutlicht diesen Umstand noch mehr, streicht er doch Mays Position „Zwischen zwei Männern“ gesondert hervor. Erst 1953 erfolgte die Umbenennung in „Der Mann, der alles wusste“, weil man sich erstens von diesem spannenden Titel mehr Zugkraft versprach und zweitens damit in dieselbe Kerbe der Namensgebung schlug, die auch andere Goldmann-Übersetzungen bedienen („Der Mann, der seinen Namen änderte“, „Der Mann von Marokko“ sowie – später herausgebracht – „Der Mann im Hintergrund“ und „Der Mann mit den zwei Gesichtern“).

Eine weitere Reminiszenz entdeckt man in Agatha Christies Roman „The Mysterious Affair at Styles“ (Das fehlende Glied in der Kette). Ihr Erstwerk, das sie während des Ersten Weltkriegs schrieb und das 1921 in England erschien, folgt einer im Grunde identischen Plotkonstruktion. Zieht man zusätzlich die Information in Betracht, dass die junge Agatha auch gern Edgar-Wallace-Bücher las, so ergibt sich eine interessante Parallele, die jedoch der Daten wegen weniger als „direkte Inspiration“ denn als eine Art gedankliche Verwandtschaft bezeichnet werden muss.

Der Grund, weshalb „Der Mann, der alles wusste“ trotzdem nicht zu Wallace’ berühmten Werken gehört, liegt wohl nicht zuletzt im Spannungsbogen. Die Geschichte an sich ist zwar gut gearbeitet, doch die erste Leiche macht keinen großen Eindruck auf den Leser und ist schnell wieder vergessen. Erst gen Ende wird sie einem wieder in Erinnerung gerufen. Für den ersten offensichtlich mit der Handlung in Zusammenhang stehenden Mord muss man muss man folglich bis zum Ende des 9. Kapitels warten (insgesamt hat das Buch nur 17). Die Kapitel sind übrigens ein interessantes Feld, das näher anzusehen sich lohnt: Während die Weltbild-Ausgabe und das englische Original zwar eine identische Anzahl aufweisen, so fehlen doch auch in der Erstübersetzung von Ravi Ravendro die im Englischen enthaltenen Kapitelüberschriften. Weil vielleicht nicht jeder die englische Ausgabe zur Hand hat, seien sie hier aufgeführt (bemerke: May Nuttal und Frank Merril schreiben sich in meinem E-Book mit Doppel-L, in der Merton-Park-Verfilmung, auf die ich später zu sprechen komme, in Mays Fall ebenfalls, bei Frank jedoch wie im Weltbild-Buch mit nur einem):

Zitat von Small, Maynard & Co. 1918, E-Book – Kapitelüberschriften
1. The Man in the Laboratory / 2. The Girl Who Cried / 3. Four Important Characters / 4. The Accountant at the Bank / 5. John Minute’s Legacy / 6. The Man Who Knew / 7. Introducing Mr. Rex Holland / 8. Sergeant Smith Calls / 9. Frank Merrill at the Altar / 10. A Murder / 11. The Case Against Frank Merrill / 12. The Trial of Frank Merrill / 13. The Man Who Came to Montreux / 14. The Man Who Looked Like Frank / 15. A Letter in the Grate / 16. The Coming of Sergeant Smith / 17. The Man Called „Merrill“


Eine ebenso wenig erfreuliche Meldung muss ich über die Vollständigkeit der Übersetzung machen. Kürzungen waren offenbar schon 1932 kein Tabu beim Goldmann-Verlag. Ob der Roman später noch stärker zusammengestrichen wurde, kann ich indes nicht sagen, weil mir keine Taschenbuchausgabe vorliegt. Als Illustration der Beginn des 5. Kapitels aus der Originalausgabe und der Erstübersetzung:

Zitat von Small, Maynard & Co. 1918, E-Book
La Rochefoucauld has said that prudence and love are inconsistent. May Nuttall, who had never explored the philosophies of La Rochefoucauld, had nevertheless seen that quotation in the birthday book of an acquaintance, and the saying had made a great impression upon her. She was twenty-one years of age, at which age girls are most impressionable and are little influenced by the workings of pure reason. They are prepared to take their philosophies ready-made, and not disinclined to accept from others certain rigid standards by which they measure their own elastic temperaments. Frank Merrill was at once a comfort and the cause of a certain half-ashamed resentment [...]

Zitat von Weltbild-Jubiläumsausgabe 2000, Kapitel 5, S. 196
May Nuttal dachte eigentlich mit etwas gemischten Gefühlen an Frank. Sie hatte ihn gern, aber es war ihr doch unangenehm, seine Überlegenheit anerkennen zu müssen [...]


Weibliche Leser mögen die Kürzung in diesem speziellen Fall weniger schwer nehmen, universeller erscheint aber auch heute noch Wallace’ oft zitierter Humor. Ich habe mich bisher immer recht schwer getan, mich auf konkrete Beispiele für dieses Talent zu besinnen und demnach etwas schwammig auf seine oft exzentrischen und lebenserfahrenen Figurenbeschreibungen, die gewissen Spitzen nicht entbehren, verwiesen. Mit den Charakteren ist auch Wallace’ Witz in diesem Buch eng verbunden: Er ergibt sich aus dem Titel und der Gegenüberstellung zweier konträrer Persönlichkeiten. Saul Arthur Mann, „der Mann, der alles weiß“, gegen Polizist Wiseman, einen etwas beschränkten, aber sehr diensteifrigen Streifenpolizisten vom Lande. Für jeden herkömmlichen Krimileser mag klar sein, wer der beiden der erfolgreichere beim Aufdecken der Wahrheit sein muss, doch Wallace mit seiner Vorliebe für das britische Polizeisystem kehrt die Treffsicherheit der beiden Kontrahenten gnadenlos um und sorgt damit für eine seiner pointiertesten Schlusszeilen.





Hörbuch (Der Mann, der alles wusste, BRD 2010)

In gewisser Weise erscheint ein Hörbuch der ideale Umsetzungsansatz für „Der Mann, der alles wusste“ zu sein. Filmisch wären gewisse Punkte äußerst schwer oder eben nur mit größeren Änderungen der Vorlage umsetzbar. Hier fallen vor allem die verschiedenen Schauplätze auf, die von historischen Londoner Straßenzügen und altehrwürdigen Gerichtssälen über Brighton bis hin in die Schweizer Berge reichen. Probleme würden ebenfalls die Szenen mit Rex Holland bereiten, denn der unbekannte Gangster tritt hier nicht mit schauriger Maskierung, sondern „lediglich“ unter einem Decknamen auf.

Hans Jürgen Stockerl gibt eine überzeugende Lesung ab, an der lediglich bedauernswert ist, dass man die Szene vor Gericht ein wenig zu sehr zusammenkürzte. Andererseits würde „Der Mann, der alles wusste“ wohl kaum 3 CDs so effektiv und temporeich füllen. Als illustrer Sprecher verleiht Stockerl vor allem dem Privatdetektiv Saul Arthur Mann eine besondere, kauzige Note. Vor meinem inneren Auge erwuchs infolge Peter Lorre dieser Rolle, die ich für die Rialto-Filmbesetzung jedoch kaum so casten konnte. In gewisser Weise ist Mann auch eine galante Mischung zwischen dem bekannten, ausgefallenen Mr. J.G. Reeder und Hercule Poirots ordnungsliebender Sekretärin Miss Lemon, die ihr Leben auf der Suche nach dem perfekten Karteisystem verbringt. Der Gedanke verwundert nicht, wenn man folgende Worte liest bzw. hört:

Zitat von Weltbild-Jubiläumsausgabe 2000, Kapitel 6, S. 209 ff
In seinen Büroräumen standen große Regale, und seine Registratur war umfangreicher als die der drei größten Firmen in der City zusammengenommen [...] Er drückte auf einen Klingelknopf, öffnete dann einen großen Index und suchte eifrig darin. „Bringen Sie mir Akte 8874“, beauftragte er den Clerk, der eintrat. [... „Ich möchte] noch bemerken, dass hier keine Namen erwähnt werden. Niemand außer mir selbst weiß, welche Persönlichkeit sich hinter Nr. 8874 in Wirklichkeit verbirgt.“


„Der Mann, der alles wusste“ war das letzte von Lagato / AME Hören veröffentlichte Edgar-Wallace-Hörbuch. Es erschien laut Rückseite der CDs im Jahr 2010; Onlinehändler geben jedoch den 30. September 2009 an. Letzte Hoffnungen, die dieses nachträgliche Release anfeuerte, sind jedoch vergeben, denn der Lagato-Verlag bestätigte auf meine Anfrage, dass weitere solche CD-Veröffentlichungen, auch die des als Download erhältlichen „Zimmer 13“, nicht mehr folgen werden.





Verfilmung (Partners in Crime, UK 1961)

Auf den ersten Blick wirkt die Titelgebung dieser Merton-Park-Produktion etwas ungünstig, weil „Partners in Crime“ als typische Redewendung für Komplizen leichte Verwechslungsgefahr u.a. mit – da wären wir wieder – Agatha Christies gleichnamiger Kurzgeschichtensammlung von 1929 bietet. Andererseits: Warum sollte es den Engländern in der Titelfrage besser gehen als uns?

Weil es sich um eine Umsetzung aus einem relativ zeitigen Stadium der Merton-Park-Reihe handelt, sind (zumindest rudimentäre) Elemente des Romanstoffes noch erkennbar. Saul Arthur Mann wurde leider eliminiert und durch einen von Bernard Lee verkörperten, eher drögen und alltäglichen Ermittler ersetzt, der für den Polizeidienst zu leben scheint und sich jedenfalls im Büro rasiert. Der Mord an John Minute, der hier den Namen Harry Strickland trägt, entspricht dafür in groben Zügen dem Original, auch wenn Strickland weniger bedrohlich und geheimnisvoll wirkt. Sein Vermögen hat er hier schließlich nicht mit der Vergabe von Schürfrechten im entfernten Afrika gemacht, sondern mit ... einer Softdrink-Firma! Übernommen aus dem Original wurde weiterhin der Täter, der jedoch aus anderen Beweggründen und mit den schon erwähnten Komplizen handelt.

Auf vielschichtige Verstrickungen aus der Vergangenheit, wie sie fast jeden Wallace-Roman zieren, verzichtete die gerade 51 Minuten lange Verfilmung aus verständlichen Gründen. Sie verlegt sich stattdessen darauf, ein hübsches Bild des frühen Sechzigerjahre-Englands zu zeichnen. Ein paar halbwüchsige Rockertypen, die sich mit einer kleinkriminellen Tour in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, gehören auch mit dazu. Einen guten Eindruck hinterlässt indes das Finale auf dem Autofriedhof, das filmisch natürlich mehr hermacht als die bei Wallace eher im Stile einer klassischen Erklärung im Büro Manns gehaltene Auflösung.

Zeitgenössisches Werbematerial zu „Partners in Crime“ kann hier eingesehen werden.



Möglichkeit einer deutschen Verfilmung

Auch wenn „Der Mann, der alles wusste“ von der Rialto nicht für eine Verfilmung ausgewählt wurde, so lohnt sich doch ein Blick auf eine mögliche Besetzung, weil der Stoff an sich vieles mitbringt, was eine gelungene Verfilmung verlangt: mehrere Morde, eine verzwickte Liebesgeschichte, Geld und Grusel. Warum also kein Sixties-Film mit diesem Wunsch-Cast? Die Bedingung: Das Flair des Romans macht deutlich, dass er, ähnlich wie etwa „Die blaue Hand“, nur in einer frühen Phase der Reihe originalgetreu hätte umgesetzt werden können. Meine Besetzungsvorschläge orientieren sich deshalb an einer Verfilmung etwa im Jahr 1960 oder 61. Ich muss einschränken, dass sie wohl nur in den seltensten Fällen mit den physischen Beschreibungen der Charaktere durch Wallace übereinstimmen wird, weil meine Fantasie sich nur ungern an die Vorgaben hält. Aus demselben Grund habe ich auch nur den Anteil der Rollen besetzt, für die mir ohne zu große Verrenkungen passende Darsteller eingefallen sind.
  • May Nuttal: Ulla Jacobsson
  • Frank Merril: Gerhard Riedmann
  • Jasper Cole: Helmuth Lohner
  • Saul Arthur Mann: Hannes Messemer
  • John Minute: Alfred Schlageter
  • Sergeant Smith alias Henry Crawley: Werner Peters
  • Sir George Fuller: Siegfried Schürenberg
  • Des Weiteren: Polizist Peter John Wiseman, Detektivinspektor Nash, Marguerite, Feltham und als Rex A. Holland: ???


Fazit

Dass ein bestimmter Wallace-Roman nicht zu den prominentesten seiner Zunft zählt, sagt über seine Qualitäten nur wenig aus. Wer für einen kurzen Ausflug in die Wallace-Welt ein noch unbekanntes Büchlein sucht, dem sei „Zwischen zwei Männern“, wie die Weltbild-Ausgabe von „Der Mann, der alles wusste“ sicht nennt, empfohlen. Er illustriert neben Wallace’ Fähigkeit, die Gegenwart mit Schicksalsgeschichten aufzupeppen und den Leser nach allen Regeln der Kunst zu verunsichern, auch die Entwicklung, die Agatha Christie als Krimiautorin durchlaufen hat.

Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

22.06.2012 17:12
#2 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #1
Eine ebenso wenig erfreuliche Meldung muss ich über die Vollständigkeit der Übersetzung machen. Kürzungen waren offenbar schon 1932 kein Tabu beim Goldmann-Verlag. Ob der Roman später noch stärker zusammengestrichen wurde, kann ich indes nicht sagen, weil mir keine Taschenbuchausgabe vorliegt.

Sowohl die erste Nachkriegsausgabe (Goldmann, 1956) als auch die späteren Ausgaben (Goldmann, 1982) weisen 11 Kapitel aus. Das von Dir beschriebene 5. Kapitel ist identisch mit der Vorkriegsausgabe - zumindest der von Dir zitierte Teil ...

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.06.2012 17:20
#3 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Danke für die Auskunft, Wolfgang. Der Kapitelverlust hört sich schon recht drastisch an und verwundert mich, da sie bereits im Originalzustand ja relativ lang für Wallace-Verhältnisse ausfallen. Ich möchte schließlich erst einmal annehmen, dass der Grund für die geringere Anzahl auch Zusammenlegungen und nicht ausschließlich Streichungen waren.

horatio Offline




Beiträge: 577

25.06.2013 09:12
#4 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Diesmal keinen Wallace gelesen, sondern angehört:

Der Mann, der alles wusste

ca. 160 Minuten Laufzeit, gelesen von Jürgen Stockerl, erschienen bei AME-hören

Angenehme Stimme, ein sehr schöner Zeitvertreib, wenn man lange im Auto sitzt.

horatio
"Irgendeiner muß es ja gewesen sein!"

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

07.12.2013 17:58
#5 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

@Gubanov - mal aus Neugierde: Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass deine Buchbesprechungen irgendwann einmal fortgesetzt werden?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

07.12.2013 18:43
#6 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Die Möglichkeit besteht sicherlich, aber erst wenn ich 'mal wieder einen Roman gelesen habe. Dazu komme ich recht selten. Besteht aber eigentlich auch die Möglichkeit, dass der Kurzgeschichtenwettbewerb 'mal wieder aufgegriffen wird?

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

07.12.2013 19:17
#7 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Das ist auch eine gute Frage. Die Resonanz war ja von Jahr zu Jahr zurückgegangen und aus dem zwischenzeitlichen Versuch einer neuen Auflage ist keine gescheite Organisation zu Stande gekommen. Aber da ja jetzt wieder etwas Zeit vegangen ist, könnte man noch einmal im Forum nachhören wie die derzeitige Lust und Laune ist. Ich wäre sicher wieder als Autor und Bewerter dabei.

Mr. Igle Offline




Beiträge: 127

03.01.2023 20:54
#8 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

DER MANN, DER ALLES WUSSTE, Original: The Man Who Knew, 1919, dt. Übersetzung Der Mann, der alles wusste von Edith Walter für den Scherz Verlag, 1. Auflage 1993.

Inhalt:

In Rhodesien und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent hat der gewiefte John Minute als Goldschürfer sich mit seiner Härte und Skrupellosigkeit einen Millionen-Vermögen verschafft. Nun residiert der Geschäftsmann im Herbst seines Lebens in London und wittert überall Gefahr. Vor allem ist ihm daran gelegen, sein Mündel May Nuttall finanziell abzusichern. Auch Minutes Neffe Frank Merril und sein Sekretär Jasper Cole haben ein Auge auf die bildschöne junge Frau geworfen. Deswegen sind sich die zwei jungen Männer Spinnefeind, zumal der schweigsame Cole zu Merrils Argwohn Minutes Finanzgeschäfte verwaltet und in einem Labor merkwürdige chemische Experimente durchführt. John Minute hüllt sich gegenüber seinen Mitmenschen in Schweigen. Da der Polizei die Hände gebunden sind, rät man dem misstrauischen Millionär einen gewissen Saul Arthur Mann aufzusuchen, der schon öfter Ermittlungen erfolgreich begleiten konnte. Wegen seines phänomenalen Gedächtnisses und seiner umfangreichen Personenkartei nennen ihn die Beamten von Scotland Yard nur "den Mann, der alles weiß". Nach dem Besuch bei Mann scheint Minute um Jahre gealtert. Seine zurückliegenden Verbrechen sind nicht vergessen und ein indigener Seher hatte ihm einst prophezeit, dass er eines gewaltsamen Todes sterben würde. Obwohl John Minute umfassende Vorbereitungen trifft, wird er eines Tages in seinem Landhaus ermordet aufgefunden. Wurde er ein weiteres Opfer des mysteriösen Rex A. Holland, der reiche Bürger um hohe Summen erleichtert und dessen Helfershelfer stets eines rätselhaften Todes sterben…?

Besprechung:

Der Roman gehört du den früheren Werken des King of Crime, weshalb diesem gemeinhin der Ruf eines etwas angestaubten Prototyp-Krimis innerhalb des Gesamtwerks anlastet. In gewisser Hinsicht kann man diesen Vorwurf nachvollziehen. Doch einen gewichtigen Vorteil haben die Bücher aus der Frühphase des umfangreichen Schaffens von Edgar Wallace allemal: Sie sind zwar nicht so flüssig geschrieben wie die Werke der Goldenen Zwanziger, aber dafür durchweg unkonventioneller angelegt und deutlich weniger schematisch konzipiert. Hat der Altmeister in den späteren Romanen die Rollen der Protagonisten und Antagonisten meist von vorneherein klar verteilt, so darf der geneigte Leser hier deutlich länger rätseln, welcher der beiden Männer – zwischen den May Nuttall nicht nur emotional steht – wirklich in die Verbrechen involviert ist: Den die zwei schneidigen jungen Herren spielen bis zum Finale gleichermaßen nicht mit offenen Karten. Und hierin liegt ein enormer Reiz.

Auch wenn im letzten Drittel des Romans immer klarer erscheint, wer als der eigentliche Schuldige in dieser kriminellen Scharade agiert, streut Wallace doch zuvor effektiv gleichermaßen Verdachtsmomente gegen Frank Merril wie Jasper Cole, die darüber hinaus jeweils (Namens-)Charakteristika, soziale Beziehungsmuster und Verhaltensweisen aufweisen, die der Autor sowohl den jüngeren Helden wie Schurken innerhalb seines umfangreichen Oeuvres angedeihen ließ. Demgegenüber darf es nicht überraschen, dass die restlichen Figuren eher abfallen, auch wenn sie gar nicht derart schablonenhaft angelegt sind. Der Roman bezieht nun einmal seinen maßgeblichen Reiz aus der Dualität zwischen Merril und Cole. John Minute und Saul Arthur Mann sind die typischen gut situierten älteren Lebemänner bzw. wissenden Geheimniskrämer, die man von Edgar Wallace kennt, obwohl dieser beide Rollenmuster zum Ende hin mit schelmischer Freude gewissermaßen in ihr Gegenteil verkehrt.

Auch May Nuttall fügt sich in das Personenkarussell unauffällig ein, obwohl sie eigentlich keine in klassicher Hinsicht bedrohte Erbin ist, aber in der Heirats- und Autonomiefrage zwischen allen Stühlen sitzt und letztlich an den Fäden hängt, die Merril und Cole um sie spinnen. Als zwei richtige Prachtkerle gerieren sich hingegen Constable Wiseman und Sergeant "Crawley" Smith, durch die der Altmeister wechselseitig das Bild der englischen Polizei mit dem ihm eigenen, bissigen Humor kontrastiert. Eine spannende Figur stellt zudem der düstere Rex A. Holland dar, der trotz seiner chamäleonartigen Präsenz, die in seiner Kehrseiten-Funktion begründet liegt, dennoch zu den verruchtesten und hinterhältigsten Gegenspielern des gesamten Wallace-Kosmos gezählt werden darf – zumal dieser Schurke immer noch ungerührt weitermacht, obwohl er weiß, dass er das Spiel eigentlich bereits verloren hat. Die finale Konfrontation aller Beteiligten fällt zwar denkbar knapp aus, besticht jedoch durch eine zufriedenstellende Schlüssigkeit und emotionale Wucht, die die tragische Doppelgesichtigkeit des Mörders konsequent auflöst.

Fazit:

Ein zwar früher, aber dennoch ungemein ausgereifter Roman, der mehr durch seine interessanten Personenporträts und rätselhaften Vorgänge, als durch actionreiche Schießereien oder reißerische Bandenkriminalität zu fesseln weiß. Ein Werk, das unter den Besten rangiert.

Meine Wertung: GIGANTISCH

"Entspannen Sie sich, durch Hochspannung!"

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

07.01.2023 19:14
#9 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Wenngleich ich den Roman jetzt nicht "Gigantisch" finde, freue ich mich doch sehr über die Besprechung (und auch die vom "Gasthaus") und hoffe sehr, dass da noch was folgen wird ... (?) Bin fast motiviert, wieder mal anzuknüpfen.

Mr. Igle Offline




Beiträge: 127

13.01.2023 19:05
#10 RE: Der Mann, der alles wusste (1919) Zitat · Antworten

Ja, sehr gerne. Ich schwankte zwischen "Sehr gut" und "Gigantisch", habe mich aber für letztere Kategorie entschieden, da der Roman in sich absolut schlüssig ist und ich das Ende für eines der gelungensten aus der Feder von Wallace erachte. Gleichwohl dürften einige Bücher noch vor Der Mann, der alles wusste landen. Von den den unbekannteren Romanen dürfte es sich aber um einen der besten Titel handeln. Man wird sehen, ob ich es zeitlich hinbekomme. Fühl dich gerne dazu ermutigt, anzuknüpfen.

"Entspannen Sie sich, durch Hochspannung!"

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