Mit Peter Kremer, Matthias Freihof, Werner Schnitzer, Johanna Klante, Fabian Busch, Marc Rosenberg, Matthias Schweighöfer, Veit Stübner, Michael Zittel, Randolf Kronberg, Alexander-Klaus Stecher, Hans-Georg Panczak, Christian A. Koch, Gaby Herbst, Inge Schulz, Michael Gahr, Jeanne Dupuy, Wulf Schmid-Noerr und Sabine Petzl als Marianne Siska. Buch: Herbert Reinecker Regie: Hans-Jürgen Tögel Erstausstrahlung: 30.10.1998
Geiselnahme auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums von Mühlheim an der Ruhr. Der Schwerverbrecher Eckstein (Hans-Georg Panczak) hat Marianne Siska (Sabine Petzl), die eigentlich nur ihren Mann – Hauptkommissar Peter Siska (Peter Kremer) – von der Arbeit abholen wollte, in seine Gewalt gebracht und sich in ihrem Auto verschanzt. Aufgebracht eilt Peter Siska zum Ort des Geschehens, verhandelt mit Eckstein, sichert ihm freies Geleit zu. Doch ein uniformierter Streifenbeamter will sich profilieren und schießt auf Eckstein, trifft aber die im fünften Monat schwangere Marianne Siska in den Kopf. Sie stirbt in den Armen ihres verzweifelten Mannes, der anschließend wie von Sinnen auf den Todesschützen einprügelt und diesen halbtot schlägt.
Szenenwechsel. Auf der A8 München-Salzburg gehen die vier Jugendlichen Gerhard Schenk (Marc Rosenberg), Urias Sutter (Fabian Busch), Meiltta Daum (Johanna Klante) und ihr kleiner Bruder Benny (Matthias Schweighöfer) ihrem Geschäft nach. Sie klauen im Auftrag des aalglatten Geschäftsmannes Weiding (Michael Zittel) Nobelkarossen. Deren Besitzer werden für gewöhnlich auf der Toilette einer Autobahnraststätte chloroformiert, sodass ihnen seelenruhig die Autoschlüssel abgenommen werden können. Doch diesmal geht etwas schief. Als Gerhard und Melitta mit ihrer Beute von dannen ziehen wollen, werden sie von einem Freund des Diebstahlopfers bemerkt. Es entwickelt sich eine wilde Verfolgungsjagd. Per Handy dirigiert Weiding seine Schützlinge in eine abgelegene Kiesgrube, um ihrem Jäger eine Falle zu stellen. Kaltblütig erschießt Weidings grobschlächtiger Scherge Rotter (Veit Stübner) den unliebsamen Zeugen.
Unterdessen ist Peter Siska in München angekommen. Hierhin hat er sich nach den schrecklichen Geschehnissen in Mühlheim versetzen lassen. Siska soll die Mordkommission leiten, ihm zugeteilt sind Lorenz Wiegand (Matthias Freihof) und Jacob Hahne (Werner Schnitzer). Sofort wird „der neue Mann“ mitten ins Geschehen geworfen. Im Verhörzimmer sitzt Urias Sutter, der mehrfach im Umfeld der Rastplatzdiebstähle beobachtet wurde.
„Derrick“ war im Oktober 1998 Geschichte, doch das ZDF wollte auf dem traditionellen Fretagskrimi-Sendeplatz erst gar keine Vakanz entstehen lassen. Also wurde Helmut Ringelmann mit der Produktion einer neuen Krimiserie beauftragt. Jünger als Keller, Derrick und Köster sollte der neue Ermittler sein, aber das blieb auch das einzige revolutionäre Element. Ringelmann (Jahrgang 1926) engagierte für die Arbeit hinter der Kamera ausschließlich routinierte Kräfte mit jahrzehntelanger Berufserfahrung: Autor Herbert Reinecker (Jg. 1914), der das Konzept der neuen Serie entwickeln sollte, den ehemaligen Wallace- und Cotton-Kameramann Franz Xaver Lederle (Jg. 1931), den Komponisten Eberhard Schoener (Jg. 1938) und den Regisseur Hans-Jürgen Tögel (Jg. 1941), der in Zusammenarbeit mit Lederle dann auch das Gros der Serie verantworten sollte. Offensichtlich wollte man jegliches Risiko vermeiden und das treue Stammpublikum nicht verunsichern. Für die Hauptrolle des Peter Siska (laut Georgs Homepage wurde zunächst der Vorname „Albert“ favorisiert, den Nachnamen entwickelte Reinecker in einer Art „Buchstabenbingo“) verpflichtete Ringelmann den damals 40-jährigen Peter Kremer, der bis dato überwiegend Theater gespielt hatte, von Ringelmann zuvor allerdings auch schon in mehreren Episodenrollen in „Derrick“ und „Der Alte“ besetzt worden war.
Im Gegensatz zu seinen Ringelmann-Vorgängern ist Siska mit „Gepäck“ ausgestattet. Er muss den gewaltsamen Tod seiner Frau, sowie seines ungeborenen Kindes verkraften. In einem Prolog wird der Zuschauer Zeuge dieses grausamen Schicksals. Leider schadet dieser gewollt spektakuläre Auftakt der Debütfolge „Der neue Mann“ ungemein. Denn Tögel inszeniert diese Szenen ohne jegliche Raffinesse und viel zu reißerisch, Kremer wird zum grausamen Overacting animiert – man darf eigentlich niemandem böse sein, der nach dieser verpatzten Ouvertüre weg- bzw. ausschaltet. Bedauerlicherweise nicht der einzige Schwachpunkt. Denn der Kriminalfall um die jugendlichen Autodiebe und ihre skrupellosen Auftraggeber erinnert fatal an einen Plot aus „Alarm für Cobra 11“, nur ohne die sehenswerten Actionsequenzen. Nun braucht es für einen gelungenen Krimi natürlich nicht unbedingt einen Whodunit – daran war Reinecker schon in den letzten „Derrick“-Jahren nicht mehr interessiert – aber leider sind die meisten Figuren viel zu eindimensional gezeichnet. Die Motivation der Jugendlichen verbleibt im Ungefähren, einzig der von Fabian Busch souverän verkörperte Urias Sutter (auch so ein typisch-absurder „Reinecker-Name“) und dessen Gewissensbisse bezüglich des Mordes werden etwas tiefer ausgelotet.
Bisher liest sich die Besprechung wie ein Totalverriss, aber keine Sorge – das ändert sich jetzt. Denn im Anschluss an den übertrieben gespielten Prolog zeigt Krämer, dass er ein wirklich exzellenter, nuanciert agierender Schauspieler ist. Äußerlich ist Siska ein „kerniger Typ“; stets akkurat, aber nicht zu streng gekleidet (Sakko und offenes Hemd, keine Krawatte), Dreitagebart, schlanke Figur. Doch innerlich ist er schwer gebrochen, was Kremer aber nicht zum Anlass nimmt, um mit einer dauerhaften Leichenbittermine durchs Bild zu laufen. Seinen Siska zeichnet eine gewisse Grundtraurigkeit aus, was nicht bedeutet, dass dieser Mensch zum Lachen in den Keller geht. Doch speziell in dieser ersten Folge macht sich das erlittene Trauma noch stark bemerkbar. Klischeefrei läuft das Zusammentreffen mit seinen neuen Kollegen ab. Werner Schnitzer spielt seinen Jacob Hahne als routinierten Beamten in den letzten Berufsjahren, dessen Scharfsinn aufgrund seines biederen Aussehens (Schnurrbart, Bierbauch) gerne einmal unterschätzt wird. Er ist ob Siskas Vorgehensweise zunächst skeptisch: „Irgendwo habe ich mal gelesen, Kriminalbeamte gehen mit Schuhen des Gesetzes an ihren Füßen. Bei Siska habe ich das Gefühl, er geht barfuß.“
Der von Matthias Freihof verkörperte Lorenz Wiegand ist etwas jünger als sein neuer Chef, zu dem er schnell einen guten Draht entwickelt. Wunderbar, wie Freihof und Kremer diese unterschwelligen, nonverbalen Sympathiebekundungen spielen. Doch in die aktive Fallaufklärung bezieht Siska seine neuen Mitarbeiter kaum ein. Im Alleingang gewinnt er das Vertrauen von Melitta Daum und versucht über sie an ihre gefährlichen Auftraggeber heranzukommen. Hahne und Wiegand bleibt nur die Büroarbeit. Seine Abneigung gegenüber dem Anfertigen von Berichten begründet Siska folgendermaßen: „Ich stand einmal vor einer riesigen Aktenwand in einer Kriminalbehörde. Ich werde nie vergessen, was ein Kollege in diesem Moment sagte: Darin verstauben die Tränen.“ Ja, hier wird deutlich, dass man es mit einem Spät-Reinecker zu tun hat.
Als Reminiszenz an die Vorgängerserie hielt man das Logo der neuen Serie im kräftigen „Derrick“-Gelb und veränderte auch die Schriftart nicht. Siska war in der Woche der Erstausstrahlung übrigens nicht der einzige „neue Mann“. Gerhard Schröder wurde drei Tage zuvor zum siebten Bundeskanzler der BRD gewählt.
Siskas Debüt hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Reißerisch der Prolog, unpassend und oberflächlich das Sujet des Kriminalfalls. Sehr überzeugend gelingt allerdings die Gestaltung der Einführung des neuen Ermittlerteams. Auch für einige Dialog-Perlen ist Reinecker immer zu gebrauchen. Da ist noch Luft nach oben - dieses vielversprechende Team hat bessere Fälle verdient und wird sie auch bekommen, insofern sind 3 von 5 Punkten eine solide Ausgangsbasis.
Eine tolle Idee, "Siska" ist für mich der letzte wirkliche Freitagskrimi in der Tradition von "Der Kommissar", unglaublich, dass man die Reihe eingestellt hat. Die Geschichten und die Besetzung sowie die Inszenierung setzen die Maßstäbe vonb Derrick, Der Kommissar und Der Alte kontinuierlich fort. Nicht umsonst war der geplante Titel der Serie "Der Kommissar" (hatte man dann doch nicht genommen).
Die Besetzung der Titelrollen ist vorzüglich und ich kann gar nicht sagen, dass ich irgendeinen Ermittler nicht mag. Mein Liebling war jedoch immer Werner Schnitzer als Hahne, der ja als einziger in allen 91 Folgen der Reihe auftritt.
Gerade letztes Jahr habe ich mir innerhalb von 2 Monaten nochmals alle Episoden mit großem Interesse angesehen. "Siska" macht süchtig und fehlt. Auch Kremers Nachfolger W. M. Bauer hatte ein gutes Profil und war ein kompetenter Ermittler, woran zunächst ja nur Ringelmann geglaubt hatte. Das ZDF hat mit ständigen Änderungen in der Ausstrahlungsquanität, Kürzungen und unnötigen neuen Formaten, diese tolle Serie selbst auf dem Gewissen!
Hervorzuheben ist außerdem, dass die Serie über vorzügliche Autoren verfügt. Dabei sind die vier Reinecker-Beiträge in meinen Augen eher schwächer, toll wurde es dann, als Albert Sandner und Detlef Müller die Folgen schrieben und der Humor unter den Kollegen zunahm.
Und als Nachtrag nochmals meine abschließenden Bemerkungen im Vorjahr:
Zitat von Georg im Thread "Welche DVD liegt im Player" vom 13.06.2011In den letzten sieben Wochen: wieder einmal sämtliche 91 Folgen von "Siska". In meinen Augen die beste deutsche Krimiserie des 1. 2000er-Jahrzehnts. Vorzügliche, spannende Kriminalgeschichten und ein humorvolles, sympathisches Ermittlerteam, tolle Gaststars und Musik. Die Serie versucht nicht billig amerikanische Serien zu kopieren, sondern lebt von ihrer Originalität (natürlich nimmt sie Reminiszenzen auf andere Ringelmann-Klassiker.
Nicht umsonst war der Arbeitstitel der Derrick-Nachfolge-Serie "Der Kommissar". Peter Kremer und Wolfgang Maria Bauer sind würdige Nachfolger am Freitagskrimisendeplatz. Produzent Helmut Ringelmann bürgt für Kontinuität, und das sowohl in der Anlage der Geschichten und Dramaturgie, die sich kaum seit seinen 60er-Jahre-Erfolgen geändert hat, als auch was die Geschichten betrifft. Neben Herbert Reinecker hat vor allem Detlef Müller - einer der begabtesten deutschen Krimiautoren, dem wir auch viele schöne Alte-Folgen mit Lowitz und Fall-für-zwei-Geschichten verdanken - hervorragende Drehbucharbeit geleistet. Albert Sandner hat für Ringelmanns Klassiker "Polizeiinspektion 1" die meisten Folgen geschrieben und erweist sich bei Siska auch als erstklassiger Kriminalschriftsteller mit Hang zu pathetischen Folgentiteln. Auch die Bücher der weiteren Autoren Siegfried Schneider und Adolf Schröder, die beide schon für „Der Alte“ geschrieben haben, sind stimmig. Etwas störend wirken die häufig wiederkehrenden Gaststars, manche Schauspieler treten gar sechs und sieben Mal in Episodenrollen auf, erfreulich jedoch, dass hier die Prominenz aktueller Film- und Fernsehstars wie ehemaliger Kinostars genauso vertreten ist. Das Who-is-who der deutschen Schauspieler ist auch hier mit dabei. Gekonnt in Szene gesetzt wurde die Serie von Hans-Jürgen Tögel, Vadim Glowna, Gero Erhardt, Dietrich Haugk und sogar von Joseph Vilsmaier.
Mit "Siska" verbinde ich gute TV-Krimiunterhaltung.
Leider war für Peter Kremer nach nur 56 Folgen Schluss, mit seinem Nachfolger Wolfgang Maria Bauer konnte ich mich bisher nicht anfreunden. Wie dem auch sei, vielleicht steige ich nach dem Ende der Megasausen "Derrick" und "Der Alte" bei "Siska" ein, die Reihe ist ja angenehmerweise auf DVD erhältlich.
Zitat von Marmstorfer im Beitrag #1Siskas Debüt hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Reißerisch der Prolog, unpassend und oberflächlich das Sujet des Kriminalfalls. Sehr überzeugend gelingt allerdings die Gestaltung der Einführung des neuen Ermittlerteams. Auch für einige Dialog-Perlen ist Reinecker immer zu gebrauchen. Da ist noch Luft nach oben - dieses vielversprechende Team hat bessere Fälle verdient und wird sie auch bekommen, insofern sind 3 von 5 Punkten eine solide Ausgangsbasis.
Diese Serie liegt immer wieder mal (komplett) in meinem Player. Im Augenblick zur kompletten Überarbeitung für die Infos auf meiner Homepage. Marmstorfers Ausführungen zur ersten Folge ist dabei nichts hinzuzufügen. Überhaupt wirken die vier Reinecker-Folgen wie ein Fremdkörper unter den 91 Episoden, weil hier einige Faktoren fehlen, die später den Erfolg ausmachten. Da ist das Geplänkel unter den Kollegen zu nennen, die sich sympathisch sind und sich gegenseitig immer wieder humorvoll die Bälle zuspielen. Das Whodunit-Schema wurde auch sonst so gut wie nie verlassen. Die späteren Autoren, vor allem Albert Sandner, aber auch Detlef Müller und Siegfried Schneider, brachten einiges an Humor mit in die Serie und nahmen sich mit ihren für sie so typischem und meist erkennbarem Drehbuchstil gegenseitig nichts weg. Für Spannung war auf jeden Fall in hohem Maße gesorgt. Auch dass in den frühen Folgen die Titelmusik an entscheidenden Stellen (Beginn/ Ende) fehlte, zeigt, dass anfangs noch nicht alles ausgeklügelt war und manches probiert wurde. Sie schien den Machern wohl auch zu langsam, denn erst ab der Folge Blackout erklang sie in neuem, schnellerem Tempo (das nur so nebenbei). Reineckers bester Beitrag ist übrigens sicherlich Fünf Sekunden, höchstens sechs - sein letzter, bei dem er nochmal beweist, wie sehr er auch spannende Kriminalgeschichten ohne (all zu viel) philosophischen Ballast erzählen konnte. Die Story erinnert da irgendwie auch ein wenig an Durbridge (zumindest am Anfang). Fakt ist, dass "Siska", ich erwähnte es bereits in mehreren Posts, die Ringelmann-Qualität nach Derricks Abgang noch zehn Jahre fortsetzte, was einerseits durch die von Marmstorfer schon erwähnten erprobten Leute hinter der Kamera bedingt ist, andererseits durch die Besetzungen mit vielen Stars, die z. B. schon beim "Kommissar" mit dabei waren. Dass als Regisseur Hans-Jürgen Tögel 77 der 91 Episoden inszenierte, hat der Serie sicherlich nicht geschadet, die Abwechslung im Inszenierungsstil fehlt halt leider. Aber wahrscheinlich wollte man auch ein einheitliches Erscheinungsbild haben (gleiche Regie, gleiche Kamera, gleiche Musik (Schoener hat alle 91 Folgen vertont!). Anfangs war das jedenfalls noch nicht so geplant, denn neben Vadim Glowna und Dietrich Haugk, sollte auch Gero Erhardt Regie führen, der erst Jahre später in der letzten Staffel (gemeinsam mit Glowna und Joseph Vilsmaier!!) zum Zug kam. Von Haugk gab es leider nur eine Folge, wegen der er sich mit Ringelmann so gestritten haben soll, dass er nie wieder für ihn drehte und damit eine über dreißig Jahre währende erfolgreiche Zusammenarbeit beendet wurde. Warum dann immer nur mehr Tögel verpflichtet wurde erklärte Ringelmann in einem Interview mal so: "Ich muss den Tögel dran halten, damit er mir nicht immer die "Schwarzwaldklinik" neu inszeniert" (was immer das heißen sollte). In einem anderen meinte der Produzent, dass Kremer und Tögel ein gutes Feeling hatten. Als sie zu drehen begannen, hat Ringelmann bemerkt, dass Siska besonders gut rüberkam, wenn Tögel Kremer anleitete. Wenn der Regisseur wechselte, musste man damit immer wieder neu anfangen. Deshalb hat er sich für nur einen Regisseur entschieden.
Wer also mal bei einem guten Whodunitkrimi mit formidabler Besetzung abschalten will, ist mit einer "Siska"-Folge nie schlecht beraten!
Mir hatte die Reihe auch gut gefallen. Leider nicht so der Schauspieler W.M. Bauer. Es stimmt auch, daß Ringelmann eine schnellere Version der Titelmusik wünschte. Dies erzählte mir damals der zuständige Redakteur Claus Legal.
Episode 1 der TV-Kriminalserie, BRD 1998. Regie: Hans-Jürgen Tögel. Drehbuch: Herbert Reinecker. Hauptdarsteller: Peter Kremer (Peter Siska), Matthias Freihof (Lorenz Wiegand), Werner Schnitzer (Jacob Hahne). In Gastrollen: Johanna Klante, Fabian Busch, Marc Rosenberg, Matthias Schweighöfer, Veit Stübner, Michael Zittel, Randolf Kronberg, Alexander-Klaus Stecher u.a. Erstsendung: 30. Oktober 1998, ZDF.
Zitat von Siska (1): Der neue MannWährend im Münchner Umland eine Bande jugendlicher Autodiebe die Rastplätze unsicher macht, wird Hauptkommissar Siska aus dem Ruhrpott in die bayerische Landeshauptstadt versetzt. Er sucht nach einem Neuanfang, nachdem seine schwangere Frau einer Geiselnahme zum Opfer gefallen ist. In seinem neuen Revier stößt Siska mit seinen unkonventionellen Methoden zunächst auf wenig Gegenliebe, doch der Erfolg gibt dem Ermittler bald schon Recht ...
Nach dem Motto „Neue Besen kehren gut“ mischt Peter Siska die Kripo in München auf. Ein Serienneustart birgt stets die Möglichkeit, eine charakterlich ungewohnte Ermittlertype auf den Bildschirm zu zaubern, deren Ecken und Kanten sich mit der Zeit und den zu bearbeitenden Fällen in Ringelmann’scher Manier abzuwetzen pflegen (vgl. Derricks burschikoses Auftreten zu Beginn der langlebigen Reihe im Vergleich zu seiner ruhigen und gentlemanesken Art in den späteren Episoden). Siska ist so ein ausgefallener Ermittler. Ihm geht es nicht (allein) um Fakten, um Alibizeiten und Fingerabdrücke. Er konzentriert sich auf die Psychologie der Charaktere und vertraut sich ihnen an, indem er die übliche Distanz zum Beamtenapparat abzubauen versucht. Getrieben wird „der neue Mann“ dabei von dem Trauma, seine Frau durch seinen gefährlichen Beruf verloren zu haben. Er begibt sich deshalb ohne Netz und doppelten Boden in bedrohliche Situationen und fordert das Schicksal mutig heraus. Dem Publikum soll es recht sein, wenn dadurch spannende Szenen in Form von Verfolgungsjagden, Geiselhaft und Schusswechseln zustande kommen.
„Siska“ ist aber mehr als auf puren Nervenkitzel getrimmt. Als Nachfolger „Derricks“ setzt die Serie mit vier anfänglichen Drehbüchern von Herbert Reinecker den Stil ihres Vorgängers zwar nicht nahtlos, aber doch merklich fort – einschließlich einer Art, von Verbrechen zu erzählen, die den Zuschauer über Recht und Moral sinnieren lässt. Typisch Reinecker? Ja, aber frisch und goutierbar wie zu seinen besten Zeiten.
Geändert haben sich freilich Look and Feel des ZDF-Abendkrimis. Die Pilotfolge trägt dieser Tatsache mit einer Fokussierung auf „junges Blut und heiße Schlitten“ Rechnung, ohne dabei in ihrer Jugendlichkeit künstliche Töne anzuschlagen. Einer wichtigen Figur verleiht Johanna Klante ein glaubwürdiges Gesicht; und auch Fabian Buschs beinah tragisches Porträt des typischen Psychologiestudent goes Gangster kann als gelungen und keineswegs ablenkend bezeichnet werden. In angenehmen Bildern außerhalb der Stadt sowie spannenden Szenen an einem alten Silo gelingen Tögel kleine Höhepunkte, die sein allzu theatralisches Herumfuhrwerken vor dem Vorspann wiedergutmachen. Zudem kommt es der Episode zugute, dass am Ende durch eine Rückblende noch einmal ein Bogen zur privaten Betroffenheit Siskas geschlagen und diese damit ein Stück weit aufgearbeitet wird.
Die Vorstellung einer neuen Ermittlergestalt überzeugt nach einem etwas platten Einstieg durch die Verbindung alter und neuer Sehgewohnheiten. Nach Herbert Reineckers anfänglicher Sichtweise ist Siska ein Cop mit Herz, der nun in der sogenannten Weltstadt mit Herz seine eigenen Dämonen bekämpft. Das lässt sich doch schon sehr vielversprechend an. 4 von 5 Punkten.
Der Produzent Helmut Ringelmann schenkte dem ZDF-Publikum Stunden über Stunden gelungener Krimiunterhaltung. Die von ihm verantworteten Reihen umfassen so populäre Titel wie „Das Kriminalmuseum“, „Die fünfte Kolonne“, „Der Kommissar“, „Derrick“, „Der Alte“ und „Siska“. Der von Katrin Hampel als „Prinzipal des deutschen Krimis“ bezeichnete Ringelmann absolvierte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst eine Schauspielausbildung, bevor er sich durch verschiedene Hinterkulissenaufgaben probierte: Er arbeitete sich vom Regieassistenten über die Posten von Aufnahme- und Produktionsleiter bis zum letztlichen Produzentenposten hoch.
Zitat von Katrin Hampel: Das große Derrick-Buch, Henschel Verlag Berlin, 1995, S. 103ffDas Arbeitspensum von Produzent Ringelmann ist enorm: Um 6 Uhr Aufstehen, dann Frühstück und anschließend zwei bis vier Stunden, manchmal noch länger, Drehbücher lesen. Dann ins Büro fahren, zur Bavaria und Termine mit Autoren, Schauspielern, Regisseuren, Journalisten wahrnehmen, Muster ansehen, zum Drehort fahren, Theaterbesuche zwecks Nachwuchsentdeckungen, ab und zu auch Preisverleihungen, Galaauftritte und all das täglich. [...] Von der Wand lächelt sein großes Vorbild: Martin Held. Wenn er zu ihm aufsieht, scheint es, als wolle er seinem Lehrmeister sagen: Danke für deine Freundschaft! Daneben – die Fotos von seiner Ehefrau Evelyn [Opela], die er am 30. Dezember 1986, nach fast 20 Jahren glücklicher Partnerschaft, heiratete.
Das Ehepaar Ringelmann-Opela wohnte gemeinsam in Grünwald, bis Ringelmann am 20. Februar 2011 starb. Er wurde auf dem Grünwalder Waldfriedhof beerdigt, wo Percy Lister und ich ihn am Sonntag besuchten. Das Grab befindet sich in Feld XVII. Den im Stil eines rötlichen Felsens behauenen Grabstein säumen zwei immergrüne Bäumchen, während die Fläche davor von blütenweißen Schneeball-Hortensien dominiert wird.
Episode 2 der TV-Kriminalserie, BRD 1998. Regie: Hans-Jürgen Tögel. Drehbuch: Herbert Reinecker. Hauptdarsteller: Peter Kremer (Peter Siska), Matthias Freihof (Lorenz Wiegand), Werner Schnitzer (Jacob Hahne). In Gastrollen: Michaela Rosen, Stefanie Stappenbeck, Michael Maertens, Christine Buchegger, George Lenz, Sebastian Fischer, Udo Thomer, Raphael Wilczek u.a. Erstsendung: 13. November 1998, ZDF.
Zitat von Siska (2): Frau Malowas TöchterWie Frau Malowa zum Tod ihrer älteren Tochter Carla steht, ist Peter Siska noch nicht ganz klar. Ist es Gleichgültigkeit? Das schöne Mädchen hatte einflussreiche Männer angelockt und mit eindeutigen Fotoaufnahmen erpresst. Dahinter steckt ein einträgliches Geschäft, an dem eine ganze, skrupellose Bande beteiligt ist. Sie nutzt ihre Vorteile bis zu Zahlung oder Selbstmord der Erpressten aus – doch handelt es sich bei dem Mord wirklich um den Racheakt eines Opfers?
Nachdem Siska ordentlich Staub aufgewirbelt hat, ist es als nächstes an der Zeit, sich in das bestehende Team der Mordkommission zu integrieren. Die engste Zusammenarbeit verbindet ihn mit Hauptkommissar Hahne (Werner Schnitzer) und Oberkommissar Wiegand (Matthias Freihof). Hahne sieht die Methoden seines neuen Kollegen skeptisch. Der Eindringling in seinem Revier ist für ihn in erster Linie ein Konkurrent, der wohl geordnete Strukturen durchmischt. Ein Sakrileg zum Beispiel, dass Siska – obwohl durchaus eifrig bei der Sache – während der Dienstzeit Billard spielt und Wäsche wäscht, anstatt hinterm Schreibtisch zu sitzen und die Akten zu pflegen! Wiegand ist da toleranter und gewöhnt sich schneller an Siskas Ermittlungsstil. Zwischen ihm und seinem neuen Vorgesetzten machen sich Zeichen der Sympathie bemerkbar, die sich nicht zuletzt darin äußern, dass Wiegand Siska vor Hahne verteidigt. Das angespanntere Verhältnis zwischen den beiden Hauptkommissaren durch das Ende der zweiten Episode zu glätten, ist eine wunderbare Idee von Reinecker und setzt den ersten Schritt in die Richtung, das Polizistentrio eng aneinander zu schweißen.
Als Prostitutionsgeschichte aus Reinecker-Feder weckt „Frau Malowas Töchter“ unangenehme Befürchtungen, doch der Zeigefinger bleibt wohlverwahrt in der Jacketttasche stecken. Eine gewisse Zeit bewegen sich die ganzen Ausmaße der Organisation um Carla Malowa im Unklaren und regen vielmehr die Fantasie des Zuschauers an – gerade was die möglichen Hintermänner angeht. Diese bleiben leider bis zum Schluss nur im Vorbeigehen gezeichnete Schattengestalten, die man außerhalb ihrer verbrecherischen Tätigkeit nicht kennenlernt. Umso mehr Aufmerksamkeit verwandte der Autor auf die Zeichnung der Mutter Malowa, die als schicksalsgeprüfte Frau von Michaela Rosen wankelmütig und exaltiert, aber dennoch in vertretbarer Form verkörpert wird. Rosen beherrscht ihre jeweiligen Szenen und meistert die Wandlung eines Charakters, dem das Publikum zunächst skeptisch gegenüberstehen muss, bis es dann die tiefe Zerrissenheit und den Druck erkennt, unter dem Frau Malowa steht.
Geschickt werden die Höhepunkte der Episode auf mehrere Schwerpunkte verteilt. Eine rasante Eröffnung erregt das Interesse, die zwischenzeitliche Observation des Lockvogels Margit hält den Spannungsbogen aufrecht und ihre Befreiung aus dem „heißen“ Betriebsgelände am Ende bietet einen passablen Schlusspunkt. Gerade durch den Seelenstriptease der Malowas, das behutsame Vordringen Siskas und die etwas willkürlich erscheinende Rolle des Kaplans ist das stringente Einhalten eines gewissen Grundtempos absolut essenziell.
Die Mutter als Leidensfigur. Nachdem im Pilot Frau Siska ihr ungeborenes Kind mit in den Tod nahm, zeigt nunmehr Frau Malowa ihre malträtierte Seite. Das Drama ist hinter allen offensichtlichen Aufmerksamkeitsrufen fein gesponnen und gut geschauspielert, hätte jedoch von charismatischeren Bösewichten profitiert. 4 von 5 Punkten.
Episode 3 der TV-Kriminalserie, BRD 1998. Regie: Vadim Glowna. Drehbuch: Herbert Reinecker. Hauptdarsteller: Peter Kremer (Peter Siska), Matthias Freihof (Lorenz Wiegand), Werner Schnitzer (Jacob Hahne). In Gastrollen: Ulrich Mühe, Ulrich Noethen, Michaela Merten, Wolf Roth, Lara Körte, Iris Junik, Jacques Breuer, Christoph Mainusch u.a. Erstsendung: 11. Dezember 1998, ZDF.
Zitat von Siska (3): Tod einer WürfelspielerinDrei Frauen, die sich vortrefflich amüsieren. Mit steter Regelmäßigkeit besuchen sie eine Bar, wo sie um interessierte Männer würfeln. Die Dame mit der höchsten Augenzahl verlebt mit dem jeweils Auserwählten eine angeregte Nacht. Dummerweise wird Helga Branner bei einem dieser Abenteuer von ihrem Mann in flagranti erwischt. Die Folgen sind unangenehm: Herr Branner bekommt einen psychischen Schock und die Würfelspielerinnen befinden sich plötzlich in Lebensgefahr ...
Zu den Tönen des Falco-Klassikers „Out of the Dark“ entwickelt sich eine von Herbert Reinecker mit unwillkürlich anziehender Detailverliebtheit entwickelte Dreiecksgeschichte. Die Idee der Frauen, die sich beim Würfelspiel um Liebhaber amüsieren, versinnbildlicht die sprichtwörtliche Affäre ohne jede Verpflichtung – ein One-Night Stand, der keine Konsequenzen nach sich zieht. Oder ziehen sollte ... Denn dann geht plötzlich etwas unerwartet schief, was zu großer emotionaler Ergriffenheit nicht nur bei den Protagonisten führt. Vadim Glowna, den man üblicherweise als Schauspieler kennt, gelang mit seiner Inszenierung ein sehr persönlicher Blick auf das Geschehen und ein tiefes Verständnis für die Führung der Darsteller.
Während der Ehemann und der Liebhaber im Kommenden in Nebenrollen abgeschoben werden, gewinnen Helga Branner und der Psychiater Fjodor Bobitsch an Boden. Michaela Merten gestaltet ihre Rolle wie die eines Kindes, das mit dem Feuer spielt, bis es sich verbrennt, und dann erschrocken zurückzuckt. Der Psychiater mit seiner Privatklinik dagegen macht selbst einen deutlich weniger im realen Leben stehenden Eindruck als die patente Würfelspielerin. Er gehört jener Gruppe von bösen Filmdoktoren an, die ihre professionelle Beratung nicht von ureigenen Wünschen und Wertesystemen trennen können und damit z.B. in die Kerbe eines größenwahnsinnigen Dr. Mabuse schlagen. Ironischerweise fällt Dr. Bobitsch genau gegenteilig zum altbekannten Filmbösewicht aus und entpuppt sich in glänzend von Wolf Roth umgesetzten Momenten vor und während des Finales als hasenfüßiger Großschwätzer.
Ein wenig enttäuschend stellt sich die Auflösung des Täterrätsels dar, die leider einer wirklichen Überraschung entbehrt. Anstatt Siska in seinen Kombinationen zu überfordern, legte Reinecker hier offensichtlich weiterhin Wert auf seine private und berufliche Eingliederung. Schritt drei im Vertrauensaufbau zwischen Peter Siska und Lorenz Wiegand: Der Assistent besorgt seinem Vorgesetzten endlich eine ordentliche Wohnung, damit dieser nicht mehr auf ein drittklassiges Pensionszimmer angewiesen ist. Nachdem Siska seine Frau verloren hat, wird doch nicht etwa der Kollege als bemutternder Ersatz herhalten müssen?
Liebe, Mord und Irrenanstalten. So wünscht man sich einen handfesten, aber dennoch mit Blick für die Plastizität der Charaktere entworfenen Krimi. Mit etwas klügerer Auflösung hätte sich dieser „Siska“ zu einem frühen Höhepunkt entwickeln können, so bleibt unterm Strich überdurchschnittlich gelungene Unterhaltung mit musikalischem Retrocharme. 4,5 von 5 Punkten.
Zitat von Gubanov im Beitrag #9Vadim Glowna, den man üblicherweise als Schauspieler kennt, gelang mit seiner Inszenierung ein sehr persönlicher Blick auf das Geschehen und ein tiefes Verständnis für die Führung der Darsteller.
Sehr schön analysiert. Vadim Glowna zählt(e) zu meinen Lieblingsregisseuren bei Ringelmann, der mit dem von dir genannten Kenntnissen auch schwache Drehbücher rettete und immer für eine intensive, im Gedächntis bleibende Inszenierung (auch mit Hilfe von starken Bildern) sorgte. Ein Toppmann!
Bei Deinem Enthusiasmus hoffe ich übrigens, dass Du von den anderen Siska-Folgen nicht enttäuscht wirst, da die von den anderen Autoren geschriebenen Folgen nicht mehr den philosophischen Balast und die typischen Reinecker-Dialoge enthalten. In meinen Augen gewinnt die Serie an Krimispannung und Eigenprofil (vor allem die Neckerei unter den Kollegen), je weiter sich die Folgen von den Reinecker-Episoden zeitlich entfernen. Störend wirkt dann nur die zu häufige Besetzung gleicher Darsteller, alleine drei Mal Wolf Roth in den ersten neun ausgestrahlten Episoden.
Übrigens wirst Du in der Endphase Derricks immer wieder Geschichten entdecken, die denen der Reinecker-Siskas ähneln. Sein bester Beitrag ist in meinen Augen übrigens auch sein letzter, Fünf Sekunden, höchstens sechs.
Zitat von Georg im Beitrag #10Bei Deinem Enthusiasmus hoffe ich übrigens, dass Du von den anderen Siska-Folgen nicht enttäuscht wirst, da die von den anderen Autoren geschriebenen Folgen nicht mehr den philosophischen Balast und die typischen Reinecker-Dialoge enthalten.
Ich traue mir in dieser Hinsicht noch kein fundiertes Urteil zu, aber genau diese Hoffnung muss ich nun nach der Sichtung von Episode 4 ebenfalls aussprechen. Meine ersten Nicht-Reinecker-Eindrücke gehen wenigstens fürs Erste doch eher in Richtung Oberflächlichkeit. Einer Besserung sehe ich aber schon erfreut entgegen.
Zitat von Georg im Beitrag #10Übrigens wirst Du in der Endphase Derricks immer wieder Geschichten entdecken, die denen der Reinecker-Siskas ähneln.
Auf die Idee, den in meinem Regal schon länger schlummernden "Siska" hervorzuholen, kam ich erst durch die gemeinsame Sichtung eines Spät-"Derricks" mit Percy Lister am vergangenen Wochenende: "Anna Lakowski" hat uns gut gefallen und durchaus auch die Zurückhaltung gegenüber den häufig gescholtenen Endphasenepisoden genommen. Ob das Flair der ersten drei "Siska"-Folgen vergleichbar mit diesem "Derrick" ist, liegt sicher im Auge des Betrachters, aber die Spät-Neunziger-Atmosphäre sagt mir aus nostalgischen Gründen doch im Allgemeinen sehr zu.
Derrick hatte sicher in der Endphase immer wieder gute Folgen, gerade die letzten Geschichten sind durchaus gelungen (sehr gut auch Herr Kordes braucht eine Million), die angesprochene Anna Lakowski mit Heidelinde Weis ist ebenso in Ordnung.
Bei Siska kommt vor allem mit der im Jahr 2000 durchgeführten Wiederverpflichtung zweier Ringelmann-Autoren aus den 80ern neuer Schwung hinein: Detlef Müller und Albert Sandner.
Episode 4 der TV-Kriminalserie, BRD 1999. Regie: Hans-Jürgen Tögel. Drehbuch: Siegfried Schneider. Hauptdarsteller: Peter Kremer (Peter Siska), Matthias Freihof (Lorenz Wiegand), Werner Schnitzer (Jacob Hahne). In Gastrollen: Klausjürgen Wussow, Eva Kryll, Philipp Moog, Hans Peter Hallwachs, Maria Furtwängler, Michael Rast, Irene Clarin, Nikolaus Gröbe u.a. Erstsendung: 29. Januar 1999, ZDF.
Zitat von Siska (4): Die 10%-BandeManche Geschäftsmänner wirtschaften über Gebühr in die eigene Tasche. Solche Veruntreuungen befinden sich auf dem Schirm der 10%-Bande, die ihre Opfer um 10 Prozent der unterschlagenen Summen erpresst. So auch den Mogul Richard Weiß, der nach einem Autounfall plötzlich aus dem Krankenhaus verschwindet. Offenbar entführt. Und damit nicht genug: Seine Frau wird zusammen mit zwei jungen Männern erschossen in der gemeinsamen Wohnung aufgefunden ...
Eine ungewöhnliche Besetzung einer so verantwortungsvollen Stelle wie der des Nachfolgers des jahrzentelang erfolgreichen Herbert Reinecker: Siegfried Schneider – ein Drehbuchautor, der neben 32 Folgen „Siska“ lediglich ein einziges Script zu „Der Alte“ ablieferte, – nahm die Geschicke in einem überwiegenden Teil der frühen „Siska“-Episoden auf Weisung Helmut Ringelmanns hin fest in die Hand. Zumindest für Schneiders Erstling „Die 10%-Bande“ ist zu konstatieren, dass das Unterfangen, möglichst viel Verbrechen in die Stunde Laufzeit hineinzupressen, leider zu einer merklich spürbaren Oberflächlichkeit führt. Dabei ist es auch nicht hilfreich, wenn Tempo und Action als Mittel zum Selbstzweck eingesetzt werden und Siska schon selbstironisch anmerkt, dass die Polizisten in den vergangenen vier Episoden zu Experten auf dem Gebiet der obligatorischen Geiselnahmen geworden sind („Ich weiß, Ihre Spezialität: Großeinsätze mit minimalem Risiko und optimalem Ausgang.“). Der Produzent relativierte:
Zitat von ZDF Presse Special: „Immer auf der Suche nach dem Unverwechselbaren“: Interview mit Helmut Ringelmann, Booklet zur DVD, S. 7„Wir machen nach wie vor keine reinen Action-Krimis. In ‚Siska’ ist trotzdem mehr Action enthalten als in ‚Derrick’, dies hängt auch mit der Hauptfigur zusammen. [...] Die Hauptfiguren müssen abgestützt sein durch starke Gegenbesetzungen, sonst spielen sie ins Leere.“
Das Problem des gehetzten, abgesehen vom (leider ohnehin nicht gezeigten) Dreifachmord eher auf TKKG-Niveau spielenden Falls besteht darin, dass nicht einmal die von professionellen Namen dominierte Besetzungsliste etwas gegen die beliebig ablaufende Handlung unternehmen kann. Gerade der an erster Stelle hinter dem regulären Team aufgeführte Klausjürgen Wussow wird vollkommen verschenkt und windet sich als nach dem Autounfall bandagierter und rollstuhlfahrender lebensgroßer Macguffin durch einige eher peinliche Szenen, während Philipp Moog immerhin mehrere im Gedächtnis bleibende undurchsichtige Auftritte zu verbuchen hat. Die Rolle von Irene Clarin bleibt zu klein, als dass sie eine nennenswerte Entwicklung durchlaufen und für die Darstellerin eine Herausforderung darstellen könnte.
Es ist sicherlich zu zeitig, ausgehend von der „10%-Bande“ Befürchtungen für die Zukunft von „Siska“ zu hegen, aber der Sprung ins Wasser nach drei von altgewohnter Handschrift geprägten Folgen gestaltet sich doch etwas kühler, als ich vorher angenommen hatte. Sicher ein Luxusproblem, das sich mit der Sichtung weiterer Folgen ausgleichen wird.
Mit einem Tag Abstand zur Sichtung der Episode „Die 10%-Bande“ fällt es mir bereits schwer, die Entwicklung der Handlung aus dem Gedächtnis nachzuvollziehen. Ich betrachte dies als Indikator für das Unvermögen der Folge, die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf einen roten Faden im Drehbuch zu bündeln. An den Schauspielern liegt es jedenfalls nicht, dass ich für den vorliegenden Fall nur 2,5 von 5 Punkten ziehe.
Um Dich zu beruhigen: Die 10% Bande habe ich immer für eine der schwächeren Folgen Siegfried Schneiders gehalten und ich bin damals auch bei der Erstsendung im Jänner 1999 nicht vom Hocker gefallen. Herr Schneider konnte das später dann doch etwas besser.
Betrachten wir „Die 10%-Bande“ also als eine Art Fingerübung.
Siska: Der Bräutigam der letzten Tage
Episode 5 der TV-Kriminalserie, BRD 1999. Regie: Hans-Jürgen Tögel. Drehbuch: Siegfried Schneider. Hauptdarsteller: Peter Kremer (Peter Siska), Matthias Freihof (Lorenz Wiegand), Werner Schnitzer (Jacob Hahne). In Gastrollen: Birgit Doll, Uwe Friedrichsen, Anja Kling, Steffen Schroeder, Tobias Hoesl, Anja Kruse, Will Danin, Stefan Sebastian Zimmermann u.a. Erstsendung: 26. Februar 1999, ZDF.
Zitat von Siska (5): Der Bräutigam der letzten TageHermann Eckholt sieht die Situation mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Seine todkrank geglaubte Tochter wird sich nun doch wieder vollständig von ihrer Krebserkrankung erholen. Ihr Bräutigam ist dem überfürsorglichen Vater jedoch ein Dorn im Auge: Für die letzten Tage ihres Lebens wäre er noch gut genug gewesen – aber länger will Eckholt Jochen Ries und dessen Freundeskreis nicht tolerieren. Kurz darauf findet man Ries tatsächlich ermordet auf ...
In einer recht langen Exposition, die den Zuschauer mit der interessanten Ausgangssituation vertraut macht, lernt man einen Familienclan kennen, den man kaum im lebemännischen München vermuten würde. Uwe Friedrichsen, der in seiner Respektabilität (und seinem Akzent) eher an einen hanseatischen Kaufmann erinnert, hält die Zügel im Hause der Eckholts fest in den Händen. Weil er Geld und einen starken Willen auf seiner Seite hat, ist schon bald abzusehen, dass die harmonische Zweisamkeit der Szenen zwischen Steffen Schroeder und einer jungen Anja Kling nicht lang währen wird. Der Mord kommt als erwartbare Bestätigung und zeichnet sich in erster Linie durch das ungewöhnliche Werkzeug aus, mit dem er begangen wurde: Der Täter hatte Jochen Ries einen elektrischen Tacker an die Halsschlagader gesetzt, was am armen Lorenz Wiegand am Tatort sogleich nachgestellt wird ...
Auch wenn die Protagonisten kaum auf Reinecker-Niveau ausgeprägt sind, so bleiben sie doch weniger flach als in Schneiders erster Arbeit für „Siska“. Der Fehler, zu viele Figuren einzuführen, wurde unterlassen, allerdings ließ Schneider dennoch die eine oder andere durchs Raster fallen. So ist es zum Beispiel ärgerlich, dass Uwe Friedrichsen in der zweiten Hälfte der Episode vollständig von der Bildfläche verschwindet und auch Will Danin nur wenig Aufmerksamkeit erhält. In der Szene, in der er zum Verhör geladen wird, stellt Peter Kremer ebenso wie in seinem Zusammenspiel mit Wolf Roth in Folge 3 unter Beweis, dass Siska nicht nur ein ruhig-freundlicher Nachdenker ist, sondern auch ordentlich aus der Haut fahren kann, wenn sich Schlüsselfiguren als nicht kooperativ erweisen. Er scheint die Good-Cop-Bad-Cop-Methode also schon völlig verinnerlicht zu haben.
Erneut erweist sich als problematisch, dass Hans-Jürgen Tögel den schmalen Grad zwischen Tragik und Overacting nicht immer passgenau abstecken kann. Die Auflösung kann einen gewissen Fremdschämfaktor nicht verleugnen und hinterlässt ein schlechteres Bild von der Episode im Gedächtnis, als es „Der Bräutigam der letzten Tage“ eigentlich verdient hätte. Schade ist aber auch, dass Schneider offenbar weniger Wert auf Kontinuität legte als Reinecker. Während dieser in seinen ersten drei Drehbüchern die Geschichte von der Eingewöhnung Siskas in München kontinuierlich weiterverfolgte, kam Schneider weder auf die Schussverletzung Wiegands aus #3 noch auf den verknacksten Knöchel Hahnes aus #4 zu sprechen.
Eine ungewöhnliche Storykonstruktion garantiert für Spannung in der ersten Hälfte der Folge. Die fehlende Kontinuität sowie eine ungeschickte Auflösung tun dem Vergnügen um den „Bräutigam der letzten Tage“ jedoch gewissen Abbruch. Sicher bestehen noch weitere Steigerungsmöglichkeiten. 3 von 5 Punkten.