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Dieses Thema hat 45 Antworten
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 Off-Topic
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Prisma Offline




Beiträge: 7.591

18.09.2014 19:15
#31 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten

Erscheint voraussichtlich am 26.09.2014 bei Studio Hamburg.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

28.12.2014 14:45
#32 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten


Romy Schneider   in

INZEST

● MY LOVER, MY SON / INZEST (GB|US|1970)
mit Dennis Waterman, Patricia Brake, Peter Sallis, William Dexter, Alexandra Bastedo und Donald Houston
eine Produktion der Metro-Goldwyn-Mayer | Sagittarius Productions | im Verleih der MGM
ein Film von John Newland





»Ich glaube du würdest sogar Gott beleidigen!«


Francesca Anderson (Romy Schneider) widmet ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit ihrem Sohn James (Dennis Waterman), da sie von ihrem Mann Robert (Donald Houston), der sich ständig auf Geschäftsreisen befindet und Affären hat, nicht mehr viel zu erwarten hat. Im Umgang mit ihrem Sohn fühlt sie sich frei, unbeschwert und ausgeglichen, bis dieser eines Tages die hübsche Julie (Patricia Brake) kennen lernt. Da die beiden von nun an viel Zeit miteinander verbringen und sich immer näher kommen, fühlt sich Francesca vernachlässigt und reagiert mit ungewöhnlicher Impulsivität auf die neue Situation, bis es schließlich zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen ihr und ihrem Mann kommt, in der Francesca den Bogen vollkommen überspannt und Robert bis aufs Blut reizt. Im blinder Wut versucht er seine Frau zu töten, doch James kommt ihr im letzten Moment zur Hilfe und erschlägt seinen Vater im Affekt. Bei der Gerichtsverhandlung wird er jedoch mit einer komplett anderen Anschuldigung konfrontiert, nämlich vorsätzlichem Mord...

Dieser Film von John Newland gehört leider zu den wesentlich unbekannteren Filmen mit Romy Schneider, möglicherweise auch, weil ihm ein eher einvernehmlicher Ruf im negativen Sinne voraus eilt. Es bleibt zu sagen, dass man sich hierbei unbedingt die Mühe machen sollte, die Inhalte selektiv zu betrachten, denn "Inzest" ist keineswegs ein Film, der seinen Titel mechanisch zu charakterisieren versucht. Falls man es also schafft, ein bisschen zwischen den Zeilen zu lesen, offenbart sich ein Film mit geheimnisvoller Spannung und intelligentem Aufbau, da sich die Regie einer eigenartigen Verschleierungstaktik bedient. Die Geschichte und deren Charaktere werden von der aufdringlichen Stärke einer Frau dominiert, die jedoch ihre Energie fatalerweise aus ihrer eigenen seelischen Zerrüttung schöpft und damit eine beeindruckende Umkehrreaktion hervorruft. Der Zuschauer ist dabei vollkommen sich selbst überlassen, obwohl die gezeigten Bilder augenscheinlich in eine bestimmte Richtung tendieren, aber schließlich nicht genug zu einer eindeutigen Wertung zwingen werden. Genau diese Taktik führt letztlich dazu, dass der Film steht oder fällt, und zwar je nachdem welcher Nerv der Auffassungsgabe getroffen wurde. Für zusätzliche Verwirrung sorgt hierbei die Einsilbigkeit an abgelieferten Erklärungen, deren Sparsamkeit das eigene Gedanken-Roulette anheizen wird. Selbst für den Fall, dass einen Newlands Beitrag völlig unbeeindruckt zurück lässt, bleibt wie so oft eine atemberaubende Romy Schneider zurück. In diesem Zusammenhang war 1971 in der "Saison Cinématografique" diese Einschätzung zu vernehmen: »Kein Wort, keine Geste, kein Blick erwachen hier zu einfachstem Leben. Damit ist alles gesagt! Von nichts kommt nichts. Es ist deshalb unnütz, sich Fragen zu stellen. Trotzdem muss man folgendes feststellen: nur Romy Schneider mit ihrem wunderbaren Gesicht ragt aus diesem unglaublichen Abschaum heraus«. Harte Worte, die allerdings im gleichen Atemzug - wie so oft - durch das Hervorheben der Aura von Romy Schneider entschärft wurden.

In der Tat sind es hier manche Bilder und Dialoge die peinlich berühren, aber dem Produkt keinen Schaden zufügen. Knackpunkt dabei ist der luftleere Raum zwischen quasi praktischem Nichts und mutmaßlichem, oder hier sogenanntem Inzest, der jedoch durch die immer wieder, in grellen Bildern einschießende psychologische Komponente weichgespült wird, und schließlich einen diffusen Charakter behält. Glücklicherweise muss man sagen, denn ansonsten hätte John Newlands Beitrag weniger Anteile von einem edel anmutenden, und intelligent auftrumpfenden Thriller, als von der oben erwähnten Einschätzung im Sinne von reißerisch-unglaubwürdiger Fließbandarbeit. Auch die Partizipation von Romy Schneider spielt hier eine entscheidende Rolle, die ohne jeden Zweifel alles hätte spielen können, die aber nicht alles gespielt hat. Dem Vernehmen nach interessierte sie sich sehr für derartige Einsätze, Rollen nämlich, die sich deutlich von einheitlichen und nichtssagenden abheben konnten. Vollkommen explizite Szenen spart sich der Verlauf glücklicherweise auf, zugunsten der Nachhaltigkeit und einer gefühlt höheren Glaubwürdigkeit innerhalb dieser eher halluzinatorisch-verzerrten Atmosphäre. Aufgrund der sich wenig vom Alter her unterscheidenden Protagonisten (Romy Schneider und Dennis Waterman trennten zur Entstehungszeit nur etwa genau zehn Jahre) und des überwiegend psychologisch angehauchten, und emotional motivierten Verlaufs, entsteht nicht das, was die Titel der Produktion zu suggerieren versuchen. Es kommt nicht zur vermuteten Perversion und es entsteht keine besonders große Abwehrhaltung des Zuschauers in Richtung der geschilderten Tatsachen, die ohnehin wie Seifenblasen zerplatzen werden. Daher ist zu betonen, dass »unglaublicher Abschaum« gewiss andere Strategien verfolgen, und anders aussehen würde. Mit einer anderen Besetzung für die Rolle des James hätte dies alles bestimmt schon wieder ganz anders ausgesehen, ein Gedankenspiel hierbei wäre beispielsweise John Moulder-Brown wert gewesen, der alleine aufgrund seiner gehemmten Art zu spielen, seiner oft grenzwertigen Charaktere, und des damit verbundenen Eindruckes auf den Zuschauer für heftige Brisanz beim Inzest-Motiv hätte sorgen können.

Dieses Gedankenspiel sei nur aufgeführt um aufzuführen, dass bei diesem Film offensichtlich alles gut durchdacht war und dass die geäußerte Kritik bei der Alters-Frage der Hauptdarsteller auf den ersten Blick zwar berechtigt ist, aber bei dem sich beinahe hinterhältig aufbäumendem Verlauf, bezüglich diverser Untertöne und der Umsetzung, insgesamt ohne Belang ist. Die lohnendere Aufgabe bleibt es also, sich diesem bemerkenswerten Film mit seiner herrlichen Bildgestaltung zu widmen, der meines Erachtens völlig zu Unrecht unter Verschluss gehalten wird. Handelt es sich also um einen Film, der hierzulande nicht zum isolierten, oder darf man ketzerisch sagen, gut präparierten Profil einer Romy Schneider passt? Vermutlich ist das so, wobei gerade diese provokanten Experimente die wahre Exzessivität und Leidenschaft der Schauspielerin offen legen. Die Filme ihrer englischen Phase werden im Allgemeinen nicht als besonders gut eingestuft, ergo auch nicht als sehenswert, wobei es die Frage bleibt, welches Schaffen man als Referenz nimmt. "Inzest" präsentiert sich im Rahmen seiner handwerklichen Umsetzung typisch britisch und transportiert eine überaus klassische Atmosphäre. Zu erwähnen sind hier die schönen Aufnahmen des Landsitzes der Andersons und die aus London, insbesondere zu späterer Stunde. Satte Ausstattungen, pompöse Inneneinrichtungen, schmeichelnde Ensembles und typische Settings tragen zu dem besonderen Flair bei, auch die Dialog-Arbeit setzt mitunter erfreulich scharfzüngige Akzente. Im Grunde genommen kommt die Geschichte recht langsam in Fahrt, bis aber Romy Schneider die vorgefertigte Möglichkeit optimal nutzt, für einen Vulkanausbruch zu sorgen, sowohl in Wort, als auch in Tat. Überragend ist die musikalische Untermalung die sich tagelang im Kopf fest setzen wird. Die Musik von Norrie Paramor und Mike Vickers ist einfach wunderbar, insbesondere die des Titelvorspanns, die übrigens jedem Giallo gut gestanden hätte, auch das immer wieder auftretende, und mit tieferem Sinn getränkte Stück 'What's on your mind' bleibt angenehm im Ohr. "Inzest" funktioniert letztlich sowohl als Psycho-Thriller, als auch als Komplex-Drama recht gut, vor allem die Übergänge und der permanente Wechsel von unterschiedlichen Genre-Zutaten sorgen für die willkommene Abwechslung, selbst in Phasen, in denen sich der Verlauf trügerisch ruhig und diskret gibt. Das psychologische Motiv erfährt keine lückenlose Erklärung, da Romy Schneiders Selbstinszenierung genügend Fragen beantworten kann. Ein besonderer Film, den ich immer wieder sehr gerne sehe da er das Potential hat, auf ganz besonders eigenwillige Art und Weise zu beschäftigen.


Prisma Offline




Beiträge: 7.591

27.09.2015 13:35
#33 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten


Lino Ventura   Michel Serrault   Romy Schneider   in
DAS VERHÖR

● GARDE À VUE / DAS VERHÖR (F|1981)
mit Guy Marchand, Didier Agostini, Patrick Depeyrrat, Pierre Maguelon, Annie Miller, Serge Malik, u.a.
eine Produktion der Les Films Ariane | TF1 Films Production | im Concorde Filmverleih
ein Film von Claude Miller





»Eine Frau die Blumen liebt, tötet man nicht!«


Zwischen Silvesterabend und Neujahrsmorgen findet ein ungewöhnliches Verhör statt, dass von Routinier Inspektor Gallien (Lino Ventura) geführt wird. Zusammen mit seinem Assistenten Belmont (Guy Marchand) befragt er den angesehenen Notar Martinaud zu den schrecklichen Vorfällen, die jüngst in Cherbourg stattgefunden haben, bei denen zwei Mädchen vergewaltigt und ermordet aufgefunden wurden. Zunächst sieht man in Martinaud einen möglichen Zeugen, der eventuell entscheidende Hinweise im Zusammenhang mit den Gewaltverbrechen liefern könnte, doch die überhebliche Art des Juristen kommt bei den Beamten nicht gut an, außerdem verstrickt er sich zusehends in Widersprüche. Als auch noch seine eigene Frau Chantal (Romy Schneider) im Präsidium auftaucht und als Belastungszeugin gegen ihren Mann auftritt, eskaliert die Situation in vielerlei Hinsicht...

31. Dezember. Silvesternacht. 21 Uhr. Draußen regnet es in Strömen, das Szenario wirkt vom ersten Moment an ungemütlich. Durch einen schnellen Ortswechsel wird der Zuschauer an den Ort des Geschehens geführt und man befindet sich im Polizeirevier, welches die widrigen Verhältnisse von draußen beinahe zu übertrumpfen versucht. Auf dem Revier herrscht trotz des bevorstehenden Champagner-Ereignisses ein reger Betrieb, Protokolle werden aufgenommen, Angaben gemacht, das Tagesgeschäft scheint tatsächlich immer das gleiche zu sein. Maître Martinaud wartet, ganz offensichtlich gab es bereits zuvor verborgene Spannungen zwischen ihm und Inspektor Galliens Assistenten, die Atmosphäre ist nervös und gleicht nach kürzester Zeit einem Vakuum. Das Büro vermittelt eine ernüchternde Eintönigkeit, in diesen vier Wänden sind ganz offensichtlich schon viele Fassaden gefallen und Schicksale besiegelt worden, doch auf dem Stuhl vor Inspektor Galliens Schreibtisch sind letztlich alle gleich, egal, welcher Gesellschaftsschicht der jeweilige Gast entstammt. Dieser am Anfang transportierte, kammerspielartige Aufbau wird die Basis der Geschichte bleiben und Regisseur Claude Miller verfolgt eine ganz konsequente Strategie bei der Inszenierung und einen nahezu chronologischen Aufbau, der im Verlauf mit kurzen Rückblenden angereichert wird. Es wird wenige buchstäbliche Lichtblicke geben, das Büro vermittelt eine Eintönigkeit, die Viele auf Dauer sicherlich verrückt machen würde, es herrscht eine Struktur, eine stumpfsinnige Ordnung, die man besser nicht hinterfragen möchte, lediglich das Pinup-Girl der Woche an der Wand wirkt wie ein versteckter Ausbruchsversuch von diesem Fließband, das offenbar 365 Tage im Jahr gleich zu laufen scheint. Noch bevor man die alles dokumentierende Schreibmaschine zu hören bekommt, befindet man sich unmittelbar in einem Gespräch, das aus empfundenen Belanglosigkeiten besteht, um allerdings plötzlich und Unerwartet immer mehr zum Kern der Sache zu kommen. Zwei bestialische Morde liegen auf dem Tisch und es muss ein Verantwortlicher gefunden, aber vor allem präsentiert werden.

Das Verhör und die damit verbundenen Gesprächsinhalte entwickeln eine unberechenbare Eigendynamik, obwohl man routiniert und ganz im Prinzip von zahlreichen Dienstjahren agiert. Diese versteckte Unberechenbarkeit geht vor allem von Maître Martinaud, aber auch von Inspektor Galliens Assistenten aus, denn beide repräsentieren unterschiedliche gesellschaftliche Herkünfte und sie veranstalten zunächst ein indirektes Tauziehen um die bessere Position und um die persönliche Größe in dieser Arena. Lediglich die Sachlichkeit und augenscheinliche Neutralität Galliens wirken immer wieder in den richtigen Momenten gegen ein aus dem Ruder laufen der Situation, da er sich am besten im Griff zu haben scheint. Noch. »Sie kennen meine Frau nicht. Sie spricht niemals etwas direkt aus, immer in Windungen.« Nicht zum ersten Mal hört man eine derartige Bemerkung, denn offensichtlich scheinen tatsächlich alle Wege immer wieder zu Madame Martinaud zu führen, die genau wie der Mädchenmörder wie ein Phantom über der Angelegenheit zu schweben scheint. Doch auch wenn es so aussieht, aneinander vorbeigeredet wird hier nicht und die vielen Mosaiksteinchen des überaus intelligenten Aufbaus formen sich immer mehr zu einem hässlichen Bild zusammen. In diesem Zusammenhang verlieren die Beteiligten des Verhörs auch immer mehr an Souveränität und Geduld, der Raum wird wahlweise von Zynismus, Arroganz, Überheblichkeit und Verachtung, immer ordinärer ausgedrückten Zwischenmeldungen und schließlich empfindlicher platzierten Torpedos gefärbt. Die ohnehin angespannte Stimmung droht also endgültig überzukochen, doch kurz vor dem erwarteten Knall kommt es zu einer überraschenden Unterbrechung und eines der zentralen Phantome taucht auf. Chantal Martinaud wird dem Inspektor angekündigt, es sieht beinahe so aus, als würde er ihr vorgeführt, dies geschieht in einem separaten Raum. Der Zuschauer erhofft sich gerade von ihr Rückendeckung für den mutmaßlichen Angeklagten, obwohl ihr eigener Mann ein sehr bedenkliches und beinahe schon niederschmetterndes Profil von ihr erstellt hat. Doch es kommt anders als erwartet.

Auf Madame Martinauds eigenen Wunsch findet das Zusammentreffen nicht im gewohnten Setting statt. Eine elegant, aber ebenso eiskalte Frau dreht sich der Kamera zu, der verdunkelte Raum hüllt sie wie in einen nicht zu durchschauenden Schleier und die Situation behält den Standard der Unberechenbarkeit. Zum Erstaunen Galliens und des Zuschauers nimmt man wahr, dass sich die Schilderungen des Maître nicht mit der soeben vorgestellten Person decken, nein, trotz der immer dichter gewordenen Charakterisierung bekommt man die Gewissheit, dass man ihr offensichtlich geschmeichelt hat. Diese zutiefst verbitterte, aber beherrschte Frau bekommt ein bemerkenswertes Profil von Romy Schneider, die man hier in ihrem vorletzten Film sieht. Hemmungslos gestaltet sie eine kompromittierende Berichterstattung über eine Ehe, die einem Alptraum gleicht. Es kommt zu schweren Vorwürfen und Anschuldigungen, die über eheliche und zwischenmenschliche Belange hinausgehen, so dass sich die erhoffte entlastende Instanz zur unerbittlichen Zeugin der Anklage entwickelt. Ein Präzisionsauftritt im Bereich Rhetorik! Natürlich müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls die außergewöhnlichen Leistungen des Dreiergespanns Lino Ventura, Guy Marchand und Michel Serrault und genannt werden, die den kompletten Verlauf spektakulär prägen. Die unfreiwillige Zusammenkunft bekommt ihren Reiz durch die unterschiedlichen Typisierungen. Lino Ventura bemüht sich um Ruhe und Sachlichkeit, wenngleich man Verachtung wahrnehmen kann, jedoch hat er sich besser im Griff als sein Kollege. Der Verlauf schüttelt Umgangsformen und Höflichkeiten durch die präzisen Auftritte von Ventura und Marchand sozusagen ab und der Ton wird rauer. Michel Serrault hält mit einer Art unempfindlichen Hochmut dagegen, allerdings wittert man eine mögliche Kapitulation, da ihm die Situation naturgemäß zu profan ist, und er auch über das Verhör hinaus längst resigniert hat. Wenn schließlich alle Vorhänge gefallen, und alle Hosen heruntergelassen sind, betrachtet man eine eigentlich unfassbare Geschichte, die an sich den größten Twist in sich darstellt. Claude Millers depressiver Thriller sichert sich mit Leichtigkeit seinen Platz im Kreis der ganz großen französischen Beiträge und wurde in der laufenden Saison in acht Kategorien für den César nominiert, darin viermal ausgezeichnet. Dieses in allen Belangen überragende Ergebnis sollte man gesehen haben!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

08.12.2015 20:08
#34 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



Bewertet: "Das Verhör" (Garde à vue) Frankreich 1981
mit: Romy Schneider, Lino Ventura, Michel Serrault, Guy Marchand, Elsa Lunghini, Jean-Claude Penchenat u.a. | Drehbuch: Claude Miller und Jean Herman nach dem Roman "À table!" von John Wainwright | Regie: Claude Miller

Der Notar Martinaud wird am Silvesterabend von Inspektor Gallien vorgeladen. Er soll seine Zeugenaussage im Fall zweier Mädchenmorde noch einmal wiederholen. Gallien misstraut dem Mann, da er sich in beiden Fällen in der Nähe des Leichenfundortes aufgehalten hat und kein überzeugendes Alibi für die Tatzeit vorweisen kann. Im Gespräch stellt sich heraus, dass der Notar eine unglückliche Ehe führt. Welche Rolle spielt Chantal Martinaud, seine Ehefrau? Wird der Notar die Verbrechen gestehen?

Die Routine des Polizeiapparats läuft auch an einem außergewöhnlichen Abend wie jenem des Heiligen Silvester ungestört ab. Die Hinweise auf Festivitäten rund um den Jahreswechsel sind dezent und zeigen sich in der eleganten Abendgarderobe des Verdächtigen und der Gesellschaft, die der Polizeidirektor besucht. Ein paar Weihnachtsbäume stehen noch in Büros oder auf den Straßen, aber der beständig niederprasselnde Regen könnte auch an einem Herbstabend fallen. Der abgeklärte Inspektor bereitet sich auf eine weitere lange Nacht in seiner Dienstlaufbahn vor; sein jüngerer Kollege fügt sich in die passive Rolle, aus der er dann im Laufe der Nacht exzessiv ausbrechen wird. Das Ping-Pong der Fragen und Antworten lähmt die Handlung in der ersten halben Stunde, sie erhält wenig Möglichkeiten, aus der überheizten Atmosphäre des Büros auszubrechen. Der Zuschauer sieht sich in Geißelhaft genommen und erfährt erst nach und nach von den Umständen der beiden Morde. Die Kamera zeigt das Auffinden der Leichen am Strand und am Waldrand, wahrt aber Abstand, sodass die Verbrechen ihren Abscheu nur aus den Andeutungen des Inspektors beziehen.



Die Verbindung zwischen der Tatsache, dass die Kinder erwürgt und missbraucht wurden, während Martinaud seit Jahren in einer sexuell enthaltsamen Ehe lebt, wird in verbalen Steilvorlagen serviert und durch die teils gleichgültige, teils zynische Art des Verdächtigen verstärkt. Behutsam zieht sich der Strick um seinen Hals zu und was wie eine Zeugenbefragung beginnt, entwickelt sich zum anklagenden Verhör, bei dem sogar der dritte Grad angewendet wird. Die Nerven liegen auf beiden Seiten blank, bis das Erscheinen der Ehefrau Martinauds für die nötige Unterbrechung der verfahrenen Situation sorgt. Der Unterschied zwischen der angespannten und eskalierten Atmosphäre im hellerleuchteten Büro und dem ruhigen, gedämpften Ambiente im Nebenraum sorgt für die emotionale Vertiefung des Falls. Die Schwere der Anschuldigungen, die sehr subtil vorgebracht, aber umso erdrückender für den Beschuldigten sind, scheint alles zu bestätigen, was sich der Zuschauer schon zusammengereimt hat. Unbehagen, Schock und Betroffenheit legen sich wie ein Schleier über die Indizien, die nun nach und nach ausgebreitet werden und deuten gleichzeitig an, dass ein noch größerer Schreckensmoment folgen wird.

Lino Ventura als dreimal geschiedener, abgehärteter Ermittler misst sich mit Michel Serrault, dessen glatter und ernüchterter Notar ihm in einer Mischung aus Abwehr und Zugeständnissen das präsentiert, was er hören will. Seine Selbstverliebtheit, die mit einem Mangel an Selbstbewusstsein und Konsequenz einhergeht, äußert sich in Details, die sein gestörtes Innenleben offenbaren. Beruflich souverän, privat gescheitert - diesen Spagat meistern beide Männer, nur, dass Gallien besser damit umgeht. In der 52. Minute kommt es zur Begegnung mit der Frau, auf die man die ganze Zeit gewartet hat. Romy Schneider erfährt vom ersten Augenblick an eine behutsame, fast zärtliche Behandlung durch Regie und Kamera. Im Halbdunkel und durch das Schwarz ihrer Kleidung geschützt, erhält sie Gelegenheit, in ihrem eigenen Tempo aufzurollen, was ihre Beziehung zu ihrem Mann unmöglich gemacht hat. Der hohe Respekt, den die Franzosen ihrem Star entgegenbrachten, ist in jeder Momentaufnahme und jeder Bewegung der Kamera zu spüren. Es ist, als habe sie Angst, dass Schneider sich wie ein Traumbild in Luft auflösen könnte, wenn sie zu nahe an die willensstarke, aber zerbrechlich wirkende Frau heranfährt. In wenigen Worten erzählt Chantal die Episode vom Weihnachtsfest mit Camille, bei der sie erneut in ein schmeichelhaftes Licht getaucht wird, das ihre Erinnerung wie in Watte packt und dem Zuschauer dennoch ein Gefühl der bösen Vorahnung gibt. Obwohl das Wort Pädophilie nie ausgesprochen wird und sich zwischen Martinaud und dem Mädchen auch nichts ereignet, schafft es der Film doch, eine Atmosphäre des Unbehagens zu schaffen.


Zitat von Romy - ein Bildband von Jean-Pierre Lavoignat und Sarah Biasini, Verlag Edel Germany 2012
"Als die Dreharbeiten zu "Das Verhör" von Claude Miller beginnen, wo sie nur eine kleine, aber unvergessliche Rolle bei der Konfrontation zwischen Lino Ventura und Michel Serrault spielt, durchlebt Romy eine schwere persönliche Krise. Sie ist dabei, Daniel Biasini für Laurent Pétin zu verlassen.(...) Ihr Körper, der zweifellos von zu vielen Exzessen und zu vielen Prüfungen erschöpft ist, zeigt Zeichen von Schwäche."


So ist es trotz des konzentrierten Spiels offensichtlich, dass sie die gedemütigte Frau nicht nur spielt, sondern selbst einiges erlebt hat, was ihr zusetzte. Sie wird oft im Profil gezeigt, aber wenn sie frontal in die Kamera blickt, sieht man die Spuren, welche Medikamente und Alkohol hinterlassen haben. "Das Verhör" war meine erste Begegnung mit Romy Schneider als französischer Schauspielerin. Bisher kannte ich nur ihre Frühwerke. Man sieht einer Legende zu und versteht, warum sich viele ihrem Zauber nicht entziehen können. Es ist die Mischung aus Stolz, Trotz und Schwermut - alles Eigenschaften, die angreifbar machen und den Menschen von anderen abschotten. Ein Schutzmechanismus vor äußeren Einflüssen, wobei man nie weiß, inwiefern sich Privates und Berufliches gegenseitig befruchteten oder im Wege standen.

Die kammerspielartige Studie über ein scheinbar alltägliches Verhör fördert menschliche Abgründe zutage und kennt keine Helden. Überzeugende Darsteller agieren in einer Produktion, deren Anspruch aus den Anforderungen an den Zuschauer rührt, sich in die Gefühlswelt der Protagonisten zu vertiefen. Er wird dafür mit einem spannenden Finale und einem Nachhall der Ereignisse belohnt. 4 von 5 Punkten

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

12.12.2015 00:07
#35 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #34
"Das Verhör" war meine erste Begegnung mit Romy Schneider als französischer Schauspielerin. Bisher kannte ich nur ihre Frühwerke.

Das ist erstaunlich, aber erfreulich zugleich, da du dich von der Tendenz her mal an Romy Schneiders wirklich relevante Arbeit herangewagt hast. Zugegeben, "Das Verhör" ist als diesbezüglicher Einstieg nicht unbedingt die leichteste Wahl angesichts des schwierigen Stoffes und der Anlegung der Rolle gewesen, aber wenn du sie in diesen Beitrag zu schätzen weißt, ist der Weg für weitere ihrer französischen Filme so gut wie geebnet. Sehr schön übrigens, was du zu Romy Schneider gesagt hast, es zeigt, dass sich ihr präzises Schauspiel in aller Kürze und Intensität auf dich übertragen konnte. Daher danke ich dir für deinen ebenso präzisen Beitrag!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

13.03.2016 13:47
#36 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die zwei Gesichter einer Frau" ("Fantasma d' amore" Italien/Deutschland/Frankreich 1981)
mit: Romy Schneider, Marcello Mastroianni, Eva Maria Meineke, Wolfgang Preiss, Paolo Baroni, Michael Kroecher, Victoria Zinny, Giampiero Becherelli, Ester Carloni u.a. | Drehbuch: Bernardino Zapponi und Dino Risi nach einem Roman von Mino Milani | Regie: Dino Risi

Dr. Nino Monti, Rechtsanwalt aus Pavia, leiht im Bus einer verhärmt aussehenden Frau Kleingeld. Als sie ihn am gleichen Abend anruft, erkennt er in ihr seine längst vergessen geglaubte Jugendliebe Anna wieder. Er ist schockiert, wie schlecht sie aussieht, kann sich aber zugleich der Erinnerung nicht entziehen. Als er das Viertel aufsucht, in dem sie früher gewohnt hat, wird dort eine Frau ermordet. Kurze Zeit darauf erfährt Nino, dass Anna schon seit Jahren tot ist. Als er ihren Witwer aufsuchen will, öffnet ihm eine strahlend aussehende Anna die Tür - als lägen nicht zwanzig Jahre zwischen ihrem Abschied und der erneuten Begegnung....

Zitat von Lord Byron: Gedichte, Phaidon Verlag 1990, Seite 140
"O mahne nicht, o mahne nicht an die verlornen teuren Stunden, wo all mein Herz dein eigen ward; an Stunden, hell von Sonnenlicht, vergessen nie, obwohl verschwunden, bis unser Herz im Tod' erstarrt."




Der gedämpfte Zauber des Gespenstes der Liebe umfasst den Zuschauer mit warmem Wohlwollen. Der Nebel, der über den Gassen der lombardischen Provinzhauptstadt Pavia liegt, hüllt die Empfindungen des Hauptdarstellers ein und schützt ihn vor den Fragen der anderen. Freilich resultiert daraus, dass er mit seinen Gedanken allein ist und sich immer mehr in Überlegungen verfängt, die seine vergangene Liebe betreffen. Wie ein Traumbild sucht sie ihn am helllichten Tage heim und ist doch greifbar und nah. Wunsch und Wirklichkeit scheinen eins zu werden und verheißen ein Aufflammen alter Gefühle und Bindungen. Die Hinweise auf Annas Tod lassen Nino zunächst verblüfft, dann ungläubig werden; er sucht Rat und Beistand bei seinen Freunden und dem Klerus, was ihn jedoch noch tiefer an den Grenzen zwischen Leben und Tod zweifeln lässt. Sein Leben hatte vor der erneuten Begegnung mit Anna eine feste Ordnung. Sein Eheleben mit Teresa war geprägt von beschaulicher Ruhe, gesellschaftlichen Verpflichtungen und einem dezenten Wohlstand, der ihm Achtung und Ansehen einbrachte. Hat er Anna wirklich unbewusst gerufen, wie diese behauptet? Ist es ein letztes Aufbäumen auf der Einbahnstraße des Lebens, die gleichmäßig, aber unvermeidlich zum finalen Stillstand führt?



Romy Schneider zeigt die beiden Medaillen eines menschlichen Lebens: hier die verwelkte, müde und resignierte Folge von Krankheit, Schmerz und Alter; dort das leuchtende, lebendige Antlitz der (Vor)Freude, des Tatendrangs und der Jugend. Der Zuschauer erschrickt zunächst, wenn er in das fahle, harte Gesicht blickt und schämt sich, dass es ihm nicht besser geht als Marcello Mastroianni, der sich angewidert abwendet und sich nach den Tagen ihrer Schönheit zurücksehnt. Ist es das Verlangen, Tod und Krankheit auszublenden und sich wie ein Ertrinkender am Strohhalm eines Trugbildes festzuhalten? Schneider schafft es bald, dass man ihr wie hypnotisiert folgt, obwohl man ahnt, dass dieses Glück nicht von Dauer sein kann. Drei mysteriöse Todesfälle überschatten die Romantik, an die nicht nur die Landschaft mit ihren alten Kulturbauten appelliert, sondern die auch durch die musikalische Untermalung von Riz Ortolani heraufbeschworen wird. Der Film ist in Braun-Grau- und Grüntöne getaucht und entbehrt kräftiger Signalfarben. Rot als Ausdruck für unangebrachte Leidenschaft äußert sich nur dreimal: im Rosenstrauß in Ninos Wohnung, als Teresa eine alte Ansichtskarte von Anna findet, im Blut am Hals der Pförtnerfrau und im Warnlicht an einem Gerüst, nachdem Nino sich die Lippen von Annas Kuss abwischt.

Poetisch wie eine Elegie verschwimmen die Genres ineinander; sie ziehen das Publikum in ihren Sog und verlangen ihm ein offenes Herz und Auge ab. Das Geheimnis, das den Film vorantreibt, macht es zum Verbündeten der männlichen Hauptperson, die entweder auf Unverständnis oder Verwirrung trifft. Rationale Erklärungen taugen ebenso wenig, wie der Blick hinter die Erkenntnisse der Schulweisheit letztlich zu überzeugen weiß. So touchiert der Film mögliche Erklärungen wie mit einer Feder, die sich immer dann wieder in die Lüfte erhebt, wenn man glaubt, nun die Lösung gefunden zu haben. Das Ergebnis ist ein nachdenklicher, zauberhafter Einblick in das Seelenleben eines Mannes, der verstehen will und glauben muss und dessen Hoffnungen ihn über die Banalität des Alltags hinaustragen. Eva Maria Meineke als Ehefrau zeigt das Bild einer durchschnittlichen Gattin, deren Leben durch die Pflichten eines sorgenfreien Lebens zwar nicht ausgefüllt, aber zufriedengestellt wird. Die harte Strenge eines Wolfgang Preiss sorgt für die Untermalung eines provinziellen Lebens, das den Konventionen gehorcht. Michael Kroecher hingegen bringt das unheimliche Element ins Spiel - seine Anwesenheit erinnert an das Schattendasein eines Wiedergängers.

Unvollkommenes Meisterwerk mit einer becircenden Romy und einem sympathischen Mastroianni. Die Reife der Dialoge und die Suche nach der verlorenen Zeit machen dieses Spätwerk aus dem Filmschaffen der Schneider zu etwas ganz Besonderem. 5 von 5 Punkten

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

27.03.2016 21:37
#37 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die Geliebte des Anderen" (Originaltitel: "Qui?") (Frankreich/Italien 1970)
mit: Romy Schneider, Maurice Ronet, Simone Bach, Gabriele Tinti, Jacques Duby, Eric Simon, Marie Dabadi | Drehbuch und Regie: Léonard Keigel

An einer bretonischen Klippe stürzt das Cabrio von Claude und Marina ins Meer. Die Frau kann noch rechtzeitig aus dem Wagen springen, ihr Partner jedoch versinkt in den Fluten. Serge, der Bruder von Claude, eilt zur Unglücksstelle und nimmt Marina für ein paar Tage bei sich auf. Er verliebt sich in sie, hegt jedoch einen schlimmen Verdacht: Wurde sein Bruder ermordet? Als er in Marinas Handtasche Patronen findet, fühlt er sich in seiner Annahme bestätigt....

Temporeich und temperamentvoll beginnt der Psychokrimi mit dem enigmatischen Titel "Qui?", was sowohl im Französischen, als auch im Italienischen eine Bedeutung hat. Im ersten Fall fragt es "wer oder wen, welcher?", im zweiten Fall hat es eine lokale Bedeutung: "hier?". Marina ist nach dem Tod ihres Geliebten eine Gehetzte; sie flüchtet vor inneren Dämonen und einer unbestimmten Bedrohung, die sich zunächst in Kleinigkeiten äußert. Von Beginn an zweifelt das Publikum an der Unfalltheorie, zögert jedoch mit einer Schuldzuweisung an die hintergründig lächelnde Frau, deren Leben durch den Verstorbenen psychisch und physisch bedroht war. Die Dreieckskonstellation der Geschichte - zwei Brüder lieben die gleiche Frau - erhält dadurch eine pikante Note, weil sich der zweite Bruder erst nach dem Tod des ersten in sie verliebt und sich darüber im Klaren ist, dass sie den Tod verschuldet haben könnte. Dass er sich nicht mit seinem Bruder verstand, ändert nichts daran, dass er Marina schwere Vorwürfe macht und abseits der polizeilichen Ermittlungen aktiv wird.



Romy Schneider verleiht dem Film jene Attribute, die ihn nicht nur aufwerten, sondern essentiell für seinen Erfolg sind: Eleganz, Geheimnis, Tiefe und jene Unberechenbarkeit, von denen Personen ihres Umfelds häufig berichteten: "Oui, so war Romy Schneider. Grundsätzlich lieb und liebebedürftig, großzügig, unerhört launisch, wetterwendisch, übersensibel, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt [...]" So äußerte sich der Journalist Billy Kocian über die Schauspielerin und betonte, dass alle Regisseure, mit denen sie arbeitete, sie als Wunder lobten, das mit einem Zauber behaftet war. Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, ist ihr stärkster Trumpf und verleiht ihr Souveränität. Sie amüsiert sich über ihr Umfeld, scheint den Menschen ihrer Umgebung eines Wissensvorsprung zu haben und kostet ein geheimes Vergnügen aus, an dem sie niemanden teilhaben lässt. Ihr Egoismus macht sie attraktiv, weil sie momentanen Launen nachgibt, sorgt aber auch dafür, dass sie in eine Falle läuft, wenn sie die Reaktionen ihrer Mitmenschen unterschätzt.



Die ungestüme Wildnis der Bretagne und das pulsierende Leben der französischen Hauptstadt werden in opulenten Landschaftsaufnahmen eingefangen. Stets bilden sie den passenden Rahmen für die Gefühlswelt ihrer Protagonisten, die aufgewühlt am Rande der Klippen manövrieren. Die Unterwasserwelt als gedämpfter Schauplatz einer Indiziensuche, die Pariser Metro als Zufluchtsort vor einem Verfolger und das Kaufhaus Lafayette, das mit seinen Treppen und Gängen die perfekte Kulisse für eine anonyme Gefahr bietet. Die eleganten Wohnungen, in denen sich Pflichtabendessen ebenso abspielen wie gelangweilte Einsamkeit, kontrastieren mit der Gelöstheit auf Capri, das sonnendurchflutet einen Neubeginn verheißt. Trotz aller Stringenz gibt es im Übergang zum dramatischen Finale einen Durchhänger, der verspielt und albern auf die Hilflosigkeit hinweist, mit der sich Personen konfrontiert sehen, die Misstrauen spüren und Sicherheit erhoffen. Wie auf einem Schiff, das kurz ins Schlingern gerät, reißt der Kapitän das Steuer wieder herum und belohnt die Zuschauer mit der Ironie des Schicksals, das ungeschminkt und gnadenlos zuschlägt.

Der spannende Thriller lebt von seiner Hauptdarstellerin und der optisch und akustisch stimmigen Allianz, die kleine Drehbuchschwächen überspielen und manche Logikfrage in den Hintergrund stellen. 4,5 von 5 Punkten

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

16.11.2016 14:51
#38 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die Sendung der Lysistrata" (Deutschland 1960)
mit: Barbara Rütting, Romy Schneider, Wolfgang Kieling, Karin Kernke, Ruth-Maria Kubitschek, Ullrich Haupt, Karl Lieffen, Hertha Worell, Ursula Graeff, Peter Arens, Franz Schafheitlin, Willi Reichert u.a. | Buch: Fritz Kortner nach Motiven von Aristophanes | Regie: Fritz Kortner

Um 20 Uhr treffen sich drei Ehepaare bei Agnes Salbach und ihrem Mann, einem Wissenschaftler. Sie wollen sich gemeinsam einen Film über einen Aufstand der Frauen im alten Griechenland ansehen. Uschi Hellwig und die Gastgeberin selbst spielen darin tragende Rollen. Die freundschaftliche Atmosphäre wird im Laufe des Abends getrübt, denn die bevorstehende Übersiedelung von Dr. Salbach in die USA ist ein Reizthema, das bald eine heftige Diskussion unter den Gästen auslöst. Das Thema Krieg oder Pazifismus scheint vom Bildschirm auf die Abendgesellschaft überzuschwappen....

Die Phantasie des Publikums wird durch Andeutungen von Romy Schneiders Figur gleich zu Beginn angeheizt, warnt sie doch vor lüsternen, verführerischen und koketten Aussichten, die sich dem Zuschauer eröffnen werden. Die Scheu des Schauspielers, sich selbst auf der Leinwand zu sehen, ist ein Umstand, der einen Darsteller ein Leben lang verfolgt und die eigene Person überkritisch und gnadenlos unter die Lupe nehmen lässt. Eben noch sitzen die Gäste in eleganter Cocktail-Kleidung vor dem Fernsehschirm, gemütlich knabbernd und tief in die Polster eingesunken, da eröffnet sich der Blick auf ionische Säulen und ein Panorama, das zweifellos auf das antike Griechenland schließen lässt. Nun tritt die eigentliche Hauptfigur ins Licht, die lebenskluge Lysistrata - charismatisch, einigend und vorausschauend. Ihre erklärtes Ziel, den Krieg zwischen Athen und Sparta zu beenden, will sie mit friedlichen Mitteln erreichen. Verhandlungen - ein grundlegendes Merkmal der Demokratie - sollen dazu führen, dass die Kämpfe beendet werden und die Männer endlich nach Hause zurückkehren. Das Druckmittel, das sie anwenden will, beruht auf der Verweigerung des Liebesspiels, wenn die Ehemänner auf dem Weg nach Süden in ihren Gemeinden einkehren. Durch die Botschaft, zuhause kein warmes Willkommen zu finden, solange auf den Schlachtfeldern gemordet wird, sollen Friedensverhandlungen erzwungen werden.



Wolfgang Kieling als Ehemann von Barbara Rütting, welche die titelgebende Lysistrata spielt, ist skeptisch ("Dein Standpunkt ist sentimental, unsachlich, unpolitisch, aber bühnenwirksam."), während Ullrich Haupt und Franz Schafheitlin bald eine Grundsatzdiskussion darüber führen, ob Pazifismus unmännlich ist. Leider geschieht dies nur am Rande, während die Spielszenen aus der Antike den größten Raum einnehmen. Beeindruckt Lysistrata mit ihren Anweisungen an die Frauen und in der Argumentation mit dem Ratsältesten, so gestalten sich die Hinhaltetaktiken nach der Einkehr der Männern überspitzt und realitätsfern und lassen die gute Basis des Stoffes ins Komödiantische abrutschen. Der Zuschauer erwartet sich ein Gesellschaftsstück und bekommt ein Theaterstück serviert, das ihn zunehmend langweilt, da es nicht als Ausschlag für Handlungen in der Gegenwart dient, sondern sich unnötig breit macht. Geschwächt wird die Botschaft des Stücks im Stück durch die Auflösung, die wie ein Verrat der Ideale der Lysistrata wirkt und die starke Persönlichkeit, die Barbara Rütting so überzeugend verkörperte, auf Instinkte und den Einfluss der Hormone reduziert. Das Fazit muss also lauten, dass alles nicht so ernst gemeint ist und das schmerzt den Zuseher, der sich gerade noch über die philanthropische Gesinnung der weiblichen Anführerin gefreut hatte.

Romy Schneider ist das "Küken" im Kreis der Frauenriege aus Hellas. Neben der führungsstarken Barbara Rütting, der matronenhaften Ruth-Maria Kubitschek und der geheimnisvollen Karin Kernke wirkt die feingliedrige Schauspielerin noch zarter und jugendlicher. Ihre kindliche Begeisterungsfähigkeit, naive Skepsis und tänzerische Leichtigkeit bilden zunächst die Opposition zur provokanten Forderung der Lysistrata. Im Eheleben noch am Anfang stehend, frei von den Ernüchterungen eines schal gewordenen Zusammenlebens, sieht sie ihr einziges Glück zunächst in der Vereinigung mit ihrem Mann. Die Zweifel über die Richtigkeit des verwegenen Plans stehen in ihren großen Augen geschrieben; angstvoll fürchtet sie um ihr Glück, das bisher keine große Prüfung erleiden musste. In der Rahmenhandlung ist sie impulsiv und zerstreut. Zuerst verfährt sie sich und stellt dann noch fest, dass der Wagen nicht aufgetankt ist. Als Jüngste in der Runde behauptet sie durch frischen Charme und natürliche Schönheit ihren Platz, wobei bereits ersichtlich wirkt, dass sie im deutschen Fernsehen nur zu Besuch ist. Ihr nächstes Projekt unter der Regie von Luchino Visconti nimmt sie in Angriff, als in Deutschland das Kortner-Fernsehspiel ausgestrahlt wird. Von nun an gehört sie der Welt, die ihr Talent und ihren Hunger nach anspruchsvollen Stoffen hinter den schalkblitzenden Augen erkennt.

Ambitionierte Lehrstunde in Sachen gewaltloser Widerstand, die allzu gemächlich abläuft und die interessante Rahmenhandlung leider vom Parkett ins Foyer abdrängt. Starke Leistung von Barbara Rütting, angenehme Akzente setzen auch Wolfgang Kieling und Ullrich Haupt. 3 von 5 Punkten

Percy Lister Offline



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01.05.2017 14:55
#39 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten

Romy Schneiders Interpretation der Anne-Claire in "Monpti" findet man unter dem folgenden Link:

Ein Rebell aus Neukölln: Filme mit Horst Buchholz

Percy Lister Offline



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17.09.2017 13:50
#40 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



BEWERTET: "Le Train - Nur ein Hauch von Glück" (Noi due senza domani) (Frankreich / Italien 1973)
mit: Jean-Louis Trintignant, Romy Schneider, Nike Arrighi, Maurice Biraud, Paul Amiot, Paul Le Person, Serge Marquand, Anne Wiazemsky, Roger Ibanez, Jean Lescot u.a. | Drehbuch: Pierre Granier-Deferre, Pascal Jardin nach dem Roman "Le Train" von Georges Simenon | Regie: Pierre Granier-Deferre

Frankreich, Sommer 1940. Kurz bevor die deutschen Truppen in ihrem Heimatort einmarschieren, verlassen der Radiotechniker Julien Maroyeur und seine Familie mit einem Flüchtlingszug das Dorf. Während Monique und die gemeinsame Tochter in der 1. Klasse Platz finden, muss Julien zu den Männern in den Güterwaggon. Dort trifft er die Deutsche Anna Kupfer, eine Jüdin, die sich vor den Nazis versteckt, seitdem ihr Mann und ihre Eltern deportiert worden sind. Julien und Anna merken bald, dass sie mehr verbindet als das gleiche Reiseziel und so sind es nicht nur die feindlichen Luftangriffe, die ihnen Sorgen bereiten, sondern auch das Ende der Fahrt. Was wird aus Anna, wenn Julien seine Familie wiedersieht?



Während die Bewohner des französischen Dorfes Sedan mit ihren Koffern zum Bahnhof eilen, um mit dem Zug nach Belgien zu fliehen, sieht man im Hintergrund weiße Lattenzäune, die wie eine Aneinanderreihung von Grabkreuzen wirken. Der Tod ist ein ständiger Begleiter von "Le Train", der mit Originalaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg angereichert ist. Nicht alle Fahrgäste werden die Reise überleben; das Risiko 'Gehen oder Bleiben' wiegt schwer, entscheidet sich aber anhand dessen, was das Publikum aus der zeitlichen Distanz weiß, relativ rasch. Das Unbehagen muss nicht detailreich erläutert werden, weil die Bilder der Vernichtung in den Köpfen der Zuschauer bereits vorhanden sind. Jean-Louis Trintignant und Romy Schneider harmonieren nicht nur optisch sehr gut. Ihr Zusammenspiel erhält auch deshalb eine besondere Note, weil der Franzose in der deutschen Synchronfassung von Harry Meyen gesprochen wird, dem Ehemann von Romy Schneider. Das Paar trennte sich ein Jahr nach der deutschen Erstaufführung des Films. Szenen, wie jene am Fluss, wo Trintignant seine Partnerin nach den Gründen für ihr Weggehen aus Deutschland fragt, erhalten durch die sensible akustische Interpretation von Meyen und Schneider nachhaltige Glaubwürdigkeit. Anna und Julien nähern sich vorsichtig einander an, weil sie spüren, dass eine Verbundenheit vorhanden ist, die über Solidarität und Hilfsbereitschaft hinausgeht. Obwohl Juliens schwangere Frau und seine Tochter nur einige Waggons entfernt im selben Zug reisen - anfangs wenigstens - scheint es völlig natürlich, dass Anna und er einander Schutz und Zuneigung gewähren. Es steht eine unausgesprochene Seelenverwandtschaft im Raum, die für Momente der Intimität sorgt, obwohl sich das Paar mitten unter Fremden befindet, von denen jeder seine eigene Geschichte mitgebracht hat. Trotzdem wirken Anna und Julien teilweise wie in einem Kokon, weil ihr Einverständnis sie über die Späße oder das Unken der anderen Passagiere erhebt. Ihre stille Loyalität zeigt sich zunächst in scheuen Blicken und später in offen freundschaftlichen Gesten.


Zitat von Die Eisenbahn als Filmstar, transpress Verlag 2015, S. 104
"Die Dampflok in diesem Farbfilm ist die Schlepptenderlok 230 G 353, Bauart 2'C, der SNCF, 1923 in den Batignolles Werken in Paris gebaut. Ihr Einsatzgebiet war vor Eil- und Lokalzügen und Güterzügen. Ihre jetzige Betriebsnummer erhielt sie 1938 nach der Übernahme durch die SNCF. Ihre letzte reguläre Fahrt fand am 2. April 1970 statt, später spannte man sie vor Sonderzüge - und sie war der Star in verschiedenen Kinofilmen wie zum Beispiel in "Mord im Orient-Express".


Immer wieder werden zeitgenössische Aufnahmen von den Kriegsschauplätzen eingeblendet, die dann mit jenen des Flüchtlingstrecks zerfließen. Die herrlichen Landschaftsbilder zeigen eine Idylle, bei der man meinen könnte, es handelt sich um eine Reise in die Sommerfrische ans Meer, über Kornfelder und an blühenden Wiesen vorbei in ein friedliches Glück. Anna und Julien verbannen die Gedanken an Vergangenes und Zukünftiges hinter die Mauer in ihrem Kopf, wo sie sich gefährlich aufstauen und darauf warten, dass der Damm bricht und alle Emotionen mit sich reißt. Vor allem Anna scheint in den kurzen Momenten der Zweisamkeit jene Energie zu schöpfen, die ihr über die späteren Jahre der Einsamkeit helfen wird. Julien bleibt immer noch seine Familie, in die er selbstverständlich zurückkehrt, was auch von Anna keinen Augenblick angezweifelt oder verurteilt wird. Der Mikrokosmos des Zuges, in dem so viele Charaktere auf engem Raum für kurze Zeit ihr Schicksal teilen, versammelt Moralisten ebenso wie Sünder, Opfer ebenso wie Täter. Grundsätze können auch in Ausnahmesituationen nicht bedenkenlos über Bord geworfen werden; für haltlose Opportunisten stellen die politischen Unruhen einen Freibrief für eigene kriminelle Anlagen aus. Das große Ganze wird selten gesehen, das Hemd ist meistens näher als die Hose. Schwierigkeiten werden gemeistert, Zeit für Trauer bleibt nur geringfügig. Die Eisenbahn verfolgt beharrlich ihren Weg ins vorläufig noch sichere Belgien, obwohl sich das Krebsgeschwür der Naziherrschaft wie ein Feuer durch ganz Europa frisst. Umso unprätentiöser naht das Ende, das bewegend und würdig zugleich die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen bündelt. Schneider und Trintignant schaffen es wortlos mit angespannten Mienen, bald jedoch durch sich lösende Blockaden jene Tragik zu transportieren, die durch Verlust, Einsamkeit und Selbstverleugnung entsteht. Es bedarf keiner erklärenden Worte, um zu verstehen, dass die Klimax ihrer Beziehung in jenem kahlen Büro erreicht wird. Die beiden Mimen verstehen es, in der Schlichtheit dieses Raumes jene Verbundenheit zu zeigen, die anrührend und befreiend zugleich ist.

Romy Schneider und Jean-Louis Trintignant bestechen in einer klaren Inszenierung, die vom Wechselspiel aus poetischen und realitätsnahen Bildern lebt. Die schnörkellose Erzählung erhält durch das ungekünstelte Schauspiel der beiden Stars eine Aufwertung, die den Film auch über vierzig Jahre nach seiner Entstehung frisch und modern wirken lässt. 5 von 5 Punkten

Percy Lister Offline



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29.04.2018 13:50
#41 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die Bankiersfrau" (La Banquière) (Frankreich 1980)
mit: Romy Schneider, Jean-Louis Trintignant, Jean-Claude Brialy, Claude Brasseur, Marie-France Pisier, Jean Carmet, Jacques Fabbri, Daniel Mesguich, Noëlle Châtelet, Daniel Auteuil, Thierry Lhermitte u.a. | Drehbuch: Georges Conchon und Francis Girod | Regie: Francis Girod

Emma Eckhert, elsässische Tochter eines Hutmachers, gelingt durch eine vorteilhafte Heirat der Aufstieg in die Pariser Gesellschaft. Durch das Vermögen ihrer Freundin Camille, mit der sie eine Liaison unterhält, kann sie sich bis zur Spitze einer Bank hocharbeiten, als deren Präsidentin sie durch geschickte Aktienspekulationen Millionen verdient. Ihre Konkurrenten beobachten Madame Eckherts Beliebtheit mit Argwohn; die hohen Zinsen, welche sie ihren Sparern verspricht, können von anderen Banken naturgemäß nicht gewährt werden und so versucht die Finanzelite die unliebsame Bankiersfrau mithilfe der Politik zu Fall zu bringen....

Romy Schneider hatte sich in Hinblick auf die Dreharbeiten zu "Die Bankiersfrau" gründlich über das Leben der Marthe Hanau informiert, die als Vorbild für die Rolle diente. Sie war von der Menschlichkeit der einfachen Frau, die es ganz nach oben schaffen wollte, fasziniert. Durch ihr facettenreiches Spiel versucht sie, der Persönlichkeit Sympathie zu verleihen und die haarsträubenden Berichte vergessen zu machen, die über die historische Person kursierten. Man merkt ihr nicht an, dass sie sich vor der Kamera verlassen fühlt und auf den Zuspruch des Regisseurs angewiesen ist. Die Leichtigkeit, mit der sie Emma Eckhert ihre verschiedenen Gesichter verleiht und sich von Entschlossenheit zu Verzweiflung, vom Übermut zum Trotz und von der Glückseligkeit zur Apathie hangelt wie ein geschickter Kletterer in einer anspruchsvollen Wand, lassen nichts von dem erahnen, was sich im Inneren der Schauspielerin abspielt. Man bewundert ihre Souveränität, ihre Eleganz und die Weitsicht, mit der sie Order gibt, Aktionen plant und Entwicklungen vorwegnimmt. Die Gelassenheit beim Aufziehen einer Krise; die Kühnheit, mit der auf spekulative Nachrichten reagiert wird oder Ereignisse zeitverzögert bekanntgegeben werden, um einen Vorteil daraus zu ziehen, zeigen die Unberechenbarkeit der Frau. Leider ist sie in amourösen Dingen weniger konsequent und legt sich hier selbst Fallstricke, die sie zum Straucheln bringen, sobald der Wind sich dreht und ihren Vertrauten das Hemd näher ist als die Hose. Unweigerlich drängt sich der Gedanke auf, weswegen die zielstrebige Geschäftsfrau hier ein weniger geschicktes Händchen beweist als bei ihren finanziellen Transaktionen. Sie übernimmt nicht nur die volle Verantwortung für ihr Handeln, was sie stets glaubwürdig bleiben lässt, sondern beharrt zudem darauf, ihren Partner von aller Schuld reinzuwaschen, was ihr weder seine Loyalität sichert, noch seine Gefühle für sie bewahrt. Das Opfer, das sie bringt, scheint vergebens. Die Selbstaufgabe, die sich in erschütternden Momenten zeigt, bricht ihr fast das Genick; umso überraschender sind die Augenblicke der Metamorphose von der gequälten Gefangenen zur Geschäftsfrau und wieder zurück.



Der Titel des Films impliziert im Deutschen eine Bezeichnung, die nicht eindeutig dem Berufsstand zuzuordnen ist, sondern auch einen Status benennen könnte. Laut "DUDEN" gibt es nur den Bankier in seiner männlichen Form, offenbar war es nicht vorgesehen, dass Frauen eine solche Stellung bekleiden. Bereits hier zeigt sich der Widerspruch, den Emma Eckhert in ihrem vorwiegend maskulinen Umfeld herausfordert. Oftmals baut sie auf ihre aparte Erscheinung und bringt ihre Gesprächspartner mit Charme dazu, sich für ihre Belange einzusetzen und ihre Pläne zu unterstützen. Die Opulenz des Geldadels, der sie selbst erlegen ist, blendet viele ihrer Gegner und setzt sie für kurze Zeit schachmatt, sorgt aber auch dafür, dass sie später alles daran setzen, sie auf den harten Boden der Erniedrigung herunterzuziehen. Die Frau soll durch Isolation gebrochen werden, ihr Stolz vernichtet und ihr Vermögen blockiert. Die Beharrlichkeit, mit der sich Emma Eckhert immer wieder aufrichtet und nicht nur gegen die Widerstände von außen, sondern auch gegen ihre Selbstvernichtung ankämpft, ist bemerkenswert und sorgt für laufend neue Wendungen in dem Drama. Daniel Mesguich als Rémy Lecoudray kommt das Verdienst zu, dass er den labilen Opportunisten mit einem jugendlichen Charme ausstattet, dem Emma nicht widerstehen kann, obwohl er sie angreifbar macht. Nicht weniger gelungen sind die Auftritte von Marie-France Pisier und Noelle Chatelet. Die betrogene Ehefrau Colette reagiert gegen die Erwartung und erhebt sich über das Klischee der lächerlich gemachten Frau, die entweder naiv oder rachsüchtig auf den Vertrauensbruch reagiert. Ihr umsichtiges Agieren und ihr Sinn für Gerechtigkeit stellen ihren Ehemann, der sich als schlechter Verlierer erweist, in den Schatten und verleihen ihr eine Würde, welche die impulsive Camille Sowcroft durch ihre Temperamentsausbrüche verloren hat. Anhand der feinen Porträts der Nebenfiguren, die allein durch Blicke und Gesten viel verraten, zeigt die Produktion den hohen Standard, der sich auch in Ennio Morricones empathischer Musikbegleitung ausdrückt, deren Anwesenheit die Bilder unterstreicht, statt sie zu überlagern.



Romy Schneider, die zitternd vor Angst am Morgen ins Studio kam, lässt sich ihre perfektionistischen Selbstzweifel als strahlend schöne Bankiersfrau nicht anmerken, sondern kanalisiert sie in jene Szenen, die ihr an die Substanz gehen. Die Achterbahnfahrt des Lebens von Emma Eckhert kann eine Vollblutmimin wie Romy Schneider am besten darstellen, ist sie doch immer glaubwürdig und engagiert. Das akkurate Spiel ihrer Partner fügt sich passgenau in das große Ganze. Eine Frau als Heldin auf dem Schlachtfeld der Finanzspekulation weicht von der Regel ab, dass tragende Alpharollen von Männern besetzt werden müssen. Vielmehr entlarvt der Film, wie nachtragend, rachsüchtig und eitel Männer reagieren, wenn es ein(e) Unwürdige(r) wagt, in ihre exklusiven Kreise vorzudringen. 5 von 5 Punkten

Prisma Offline




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04.05.2018 23:13
#42 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten

Deine Besprechungen der letzten Zeit zeigen mir, dass du durchaus Gefallen an Romy Schneiders späteren Charakterrollen gefunden hast, die ja ohnehin und mitunter die Höhepunkte ihrer Karriere darstellen. Daher vielen Dank für deine sehr ausgefeilten Besprechungen, Percy Lister. "Die Bankiersfrau" habe ich schon länger nicht mehr gesehen, stellt aber einer der Filme dar, der sich auch ohne ständige Auffrischung lebhaft im Gedächtnis verankern kann. Das Beste aber, dass es auch nach mehreren hervorragenden Filmen mit ihr immer noch Gleichwertiges zu entdecken gibt.

Prisma Offline




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23.09.2018 15:07
#43 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten


DAS MÄDCHEN UND DER MÖRDER


● L'ASSASSINIO DI TROTZKY / L'ASSASSINAT DE TROTZKY / THE ASSASSINATION OF TROTZKY / DAS MÄDCHEN UND DER MÖRDER - DIE ERMORDUNG TROTZKIS (I|F|GB|1972)
mit Alain Delon, Richard Burton, Romy Schneider, Valentina Cortese, Luigi Vannucchi, Jean Desailly, Enrico Maria Salerno, Simone Valère, Peter Chatel und Giorgio Albertazzi
eine Produktion der Dino de Laurentiis Cinematografica | CIAC | Cinétel | Joseph Shaftel Productions | im Constantin Filmverleih
ein Film von Joseph Losey




»Der Krieg ist nun mal ein Spiel für Kapitalisten!«


Leo Trotzki (Richard Burton), der einstige Weggefährte Lenins, lebt nach seiner Flucht aus der Sowjetunion in Mexiko-Stadt im Exil. Zu seinem schwer bewachten Haus haben nur wenige Personen Zutritt, wie seine Lebensgefährtin Natalja (Valentina Cortese). Als 1940 trotz eindringlicher Warnungen ein Anschlag auf das Haus und somit Trotzki verübt wird, kommt es zu verschärfen Sicherheitsmaßnahmen, da außerdem sein amerikanischer Leibwächter (Carlos Miranda) in die Hände der Attentäter gelangt ist, und später ermordet aufgefunden wird. Die latente Gefahr mobilisiert sich schließlich im Hintergrund, da Leo Trotzkis Dolmetscherin Gita Samuels (Romy Schneider) die Gefahr trotz ihrer uneingeschränkten Loyalität ihm gegenüber in seine unmittelbare Nähe lässt. Sie lebt mit einem Mann zusammen, der sich als US-Amerikaner (Alain Delon) ausgibt und sich Frank Jacson nennt. Wird er das zu Ende bringen, was andere nicht geschafft haben..?

Der US-amerikanische Regisseur Joseph Losey kann auf eine ausgefüllte Karriere blicken, in der sich nicht wenige Filme befinden, die ein Aufgebot von Top-Stars zur Verfügung hatten. Dies stellt generell eine gute Voraussetzung für jede Produktion dar, doch für einen Erfolg müssen natürlich auch die Geschichten vielversprechend ausgearbeitet sein. In "Das Mädchen und der Mörder - Die Ermordung Trotzkis" beweist die Regie ein gutes Gespür für die sachgemäße Abhandlung historischer Hintergründe und geht mit Akribie vor, was streckenweise zulasten einer flüssig erzählten, beziehungsweise publikumswirksamen Inszenierung geht. Zwar hängt die Gefahr stets lauernd über dem Szenario - nicht zuletzt wegen des verheißungsvollen Titels und geschichtlicher Tatsachen - aber insbesondere im Mittelteil fehlt es schon etwas an Drive, wobei man die Intention dieses Films sicherlich nicht auf reißerische angelegtes Kino reduzieren sollte. Eindrucksvolle, zum Teil destruktive Bilder und imposante Sets kreieren eine besondere Atmosphäre, die authentisch und überzeugend, in vielen Sequenzen aber auch beklemmend wirkt. Der Fall Trotzki konnte nie restlos aufgeklärt werden, sodass sich Losey an den strikten Leitfaden hält, nicht ins allzu Spekulative abzudriften. Ein behutsamer Aufbau lässt viel Spielraum für dichte Zeichnungen der Hauptcharaktere, die darstellerisch auffällig gegensätzlich wirken, obwohl es genügend Berührungspunkte zu geben scheint.

In der Titelrolle bekommt es der geneigte Zuschauer mit einem überaus disziplinierten Richard Burton zu tun, der die Szenerie in aller Diskretion dominiert, da über seine Person ein Großteil der Spannung aufgebaut wird. Aufgrund seiner bevorstehenden Ermordung ist somit nicht die Frage wie es vonstatten gehen wird am interessantesten, sondern man beschäftigt sich mit dem »Warum?«. Burton bekommt aufgrund der eng abgesteckten Dramaturgie eigentlich wenige Möglichkeiten geboten, sich frei zu spielen, jedoch legt die Geschichte einen anderen Schwerpunkt. Hier kommt Alain Delon ins Spiel, dessen Gefühlslage den Zuschauer beschäftigen wird. Joseph Losey widmet sich in diesem Zusammenhang nicht einer Art aussichtslosem Ehrgeiz, für eine lückenlose Klärung sorgen zu wollen, aber auf dieser Ebene wird es alternative Angebote und mögliche Beweggründe geben, die zwar auch den geschichtlichen Tatsachen entsprechen, jedoch von Delon sehr variabel dargestellt werden, sodass einige Deutungsmöglichkeiten zurückbleiben. Alain Delon fällt durch eine besondere Effizienz seiner Darbietung auf, da er nur in wenigen Szenen aus sich herauskommen darf. Trotz einer eigentlich vollkommen zerrütteten Persönlichkeit wie ihm erlebt man keine diffusen Gefühlskapriolen, was in stillen Momenten dazu führt, dass man ihn zunächst nicht voreilig oder einseitig stigmatisieren will - was im Endeffekt jedoch unausweichlich sein wird.

Diese Eindrücke werden weniger über Leo Trotzki, als über Gita Samuels alias Romy Schneider gebahnt, was ihrer eigentlich wenig relevant erscheinenden Rolle eine besondere Schlüsselfunktion zuspielt. Der Verlauf macht aus ihr eine klassische Antagonistin mit der besonderen Fähigkeit, den Zuschauer unmittelbar anzusprechen - und zwar in alle erdenklichen Richtungen. Dies deckt die wichtigen Bereiche wie beispielsweise Gerechtigkeitsempfinden, Ehrgefühl oder Moral ab, aber auch die Gegenseite, denn schließlich lebt sie mit einem potentiellen Mörder zusammen. Romy Schneiders manchmal zügelloses Temperament wirkt hier beinahe wie das einzige Sprachrohr einer doch so aufgeladenen Geschichte, in der viele andere Personen schweigen. Ihre Szenen mit Partner Alain Delon verbreiten erwartungsgemäß eine beinahe obligatorisch wirkende Intimität und einen so natürlich vorhandenen Zündstoff, der für Aufsehen sorgen kann. Eine Schlüsselszene in einer Stierkampfarena transportiert Eruptionen der Gefühle, Aggressionen und bevorstehenden Gewalt; schließlich reizt diese in die Länge gezogene Sequenz eine prosaische Variante der Darstellung komplett aus, indem der wilde Stier minutenlang gehetzt wird und mit dem Tod kämpfen muss, bevor ihm das erlösende Ende gemacht wird. Der tatsächliche Showdown des Films wird außerdem durch diese blutrünstige Strecke vorskizziert, in welchem einem die Minuten vorkommen werden wie eine halbe Ewigkeit.

"Das Mädchen und der Mörder - Die Ermordung Trotzkis" ist mit den Jahren etwas in Vergessenheit geraten und findet in der Karriere von Romy Schneider, wie im Allgemeinen auch, keine besondere Erwähnung. Bleibt man bei der weitgehend hochwertigen Inszenierung, ist diese Tatsache vielleicht ein wenig unverständlich, schließlich wurde im klassischen Sinn alles richtig gemacht. Auf der Gegenseite steht ein jedoch hin und wieder sperrig wirkender Film, der seine Publikumswirksamkeit nicht richtig auszuspielen weiß. Manche Szenen ziehen den Verlauf stark in die Länge und lassen ihn beinahe trocken wirken, beispielsweise wenn Richard Burton seine (politischen) Gedanken auf Tonband diktiert und dabei immer der Inbegriff von Sachlichkeit bleiben muss. Die zum Ausgleich angebotenen Emotionen wirken daher manchmal nur zweitrangig. Möglicherweise lässt sich sagen, dass dieser überqualifizierte Film schlussendlich schlicht und einfach an bestehenden Sehgewohnheiten scheitert, aber trotzdem zu einem hochwertigen Ergebnis gekommen ist, da geschichtliche Hintergründe und spekulative Inhalte besonders geschickt miteinander verknüpft sind. Joseph Losey lieferte insgesamt gesehen zwar keinen Coup oder gar Klassiker, aber sicherlich einen ernstzunehmenden Beitrag an, der stilistisch und inszenatorisch einem roten Faden folgt und seiner offensichtlichen Ambition treu bleibt. Fans des eher anspruchsvollen Kinos und der Interpreten werden somit sicherlich auf ihre Kosten kommen.

Percy Lister Offline



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23.09.2018 20:26
#44 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



Rosemarie Albach wird am 23. September 1938 in Wien geboren. Sie ist die Tochter des Schauspielerehepaars Magda Schneider und Wolf Albach-Retty. Sie wird später eine Weltkarriere antreten und weitaus berühmter werden als ihre Eltern.

Die Schauspielerin Romy Schneider ist jedem, der sich auch nur im Entferntesten mit Film beschäftigt, ein Begriff. Mit der Nennung ihres Namens verbinden die meisten ein herziges junges Mädchen, das durch seine Mitwirkung in der populärsten Heimatfilm-Trilogie der Fünfziger Jahre, noch dazu mit Adelsprädikat, durch seine Unschuld, Schönheit und Unbekümmertheit Millionen von Kinobesucher und später vor allem Fernsehzuschauer, rührte. Dabei enthält die Rolle der österreichischen Kaiserin Elisabeth bereits einige Komponenten, die charakteristisch für den Werdegang der Schauspielerin waren. Das Aufbegehren gegen muffige Konventionen und starre Regeln; das Unverständnis, sich dem Druck der Öffentlichkeit beugen zu müssen und die Enttäuschung darüber, dass jeder Erwartungen an sie stellte, bei gleichzeitiger Gleichgültigkeit gegenüber ihren Bedürfnissen und Empfindungen. Die Rebellion gegen die Rolle resultierte auch aus dem Gefühl, nicht nur der historischen Figur, sondern auch ihr selbst geschähe Unrecht und sie müsse mit aller Kraft dagegen ankämpfen. Das Verständnis für die unglückliche Kaiserin, der man mit einem Marzipanzuckerguss nicht gerecht werden konnte, versuchte sie fünfzehn Jahre später in Luchino Viscontis Epos über den Bayernkönig Ludwig II. zu vermitteln. Doch die große Mehrheit verlangte weiterhin nach der Prinzessin aus Possenhofen. Ähnliche Rollen deuteten auf einen unendlichen Walzer in Krinolinen und Seidenschuhen hin. Doch Romy sagte nein.

Ebenso wie sich Romy emanzipierte, liegt es am Reifegrad des Zuschauers, ob er bereit ist, sich den internationalen, größtenteils in Frankreich entstandenen Filmen der Schneider zu stellen. Wer sich darauf einlässt, wird durch ein Spiel belohnt, das auch aus mittelmäßigen Stoffen alles herausholt und dem Publikum nicht nur eine bloße Projektionsfläche bietet, sondern einen Menschen mit Ecken und Kanten, dessen Handlungsweise den Zuschauer oft vor den Kopf stößt, schockiert oder überrascht, aber niemals langweilt. Vor jedem neuen Film, den ich kennenlerne, frage ich mich, welche Facette von Romy Schneider ich diesmal entdecken werde, denn immer wieder erfindet sie sich neu, niemals bekommt man Althergebrachtes oder Routine, stets hat man es mit einer völlig anderen Person zu tun. So ist ihr filmisches Werk wie eine Pralinenschachtel, die verschiedene Sorten enthält, mal mit und mal ohne Glanzpapier. Der Zuschauer öffnet die Konfekt-Dose - und lässt sich ganz auf Schneiders Präsenz ein, die stets geheimnisvoll, faszinierend und unberechenbar ist. Der Wunsch, sich von ihrem enigmatischen Spiel an die Hand nehmen zu lassen, wird mit jeder weiteren Rolle neu formuliert und doch sind es immer nur Bruchstücke, die sich dem Zuschauer zeigen. Den ganzen Menschen mit all seinen Facetten und Nuancen erfasst man bei der vielschichtigen Romy Schneider nie. Deshalb bleibt sie so spannend und nutzt sich nicht ab und gibt einem das Gefühl, dass es immer noch viel zu entdecken gibt. Wie anmaßend erscheinen in diesem Zusammenhang die Versuche, das Geheimnis ihrer Ausstrahlung zu entschlüsseln, als ob man Charisma in Formeln ausdrücken oder sich ein Leben in Fakten erklären ließe!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.09.2018 13:45
#45 RE: Romy Schneider - Filme & Karriere Zitat · Antworten



BEWERTET: "Schornstein Nr. 4" (Die Diebin) (La Voleuse) (Deutschland / Frankreich 1966)
mit: Romy Schneider, Michel Piccoli, Hans Christian Blech, Sonja Schwarz, Mario Huth u.a. | Buch und Regie: Jean Chapot nach einer Idee von Alain Fatou und Jean Chapot

Julia Fleischmann hat ihren Sohn gleich nach der Geburt zu einem polnischen Ehepaar nach Oberhausen im Ruhrgebiet gegeben. Mittlerweile sind sechs Jahr vergangen. Seit zwei Jahren ist Julia mit Werner Kreuz verheiratet und wünscht sich den verlorenen Sohn zurück. Immer wieder fährt sie zu ihm hin, wartet vor seiner Schule, dem Haus und auf dem Spielplatz. Doch obwohl das Ehepaar Kostrowicz den Jungen nie offiziell adoptiert hat, will ihn Radek Kostrowicz unter keinen Umständen zurückgeben. Julia, die juristisch im Recht ist, schaltet die Behörden ein, um das Kind zu erhalten. Da greift Kostrowicz zu einem drastischen Mittel, um den Jungen wiederzubekommen....



Nachdem Romy Schneider jahrelang in Frankreich gearbeitet hat, fährt sie nach der Trennung von Alain Delon zu ihrer Mutter nach Berchtesgaden und anschließend nach Berlin, wo sie den Schauspieler und Regisseur Harry Meyen kennenlernt. Die beiden schmieden gemeinsame Theaterpläne und Romy will Paris verlassen und nach Berlin übersiedeln. Dort dreht sie im Frühling 1966 im Ruhrgebiet den Film "Schornstein Nr. 4", der u.a. auf dem Gelände der Firma Hüttenwerke Oberhausen AG spielt. Michel Piccoli, mit dem Schneider noch fünf weitere Male spielen wird, ist ihr Partner. Der psychologisch anspruchsvolle Stoff scheint genau auf die Schauspielerin zugeschnitten zu sein. Die elegante Schwarzweißfotografie vermittelt einen distanzierten Minimalismus. Sie isoliert die Emotionen der Protagonisten, lässt sie unpersönlich wirken und zeigt sie in ihrer Gefühlswelt erstarrt. Die vielen stummen Szenen leben von der Ausstrahlung der weiblichen Hauptdarstellerin, die ein konkretes Ziel verfolgt, aber dennoch von Widersprüchen gequält wird. Der Film zeigt den Menschen unbeherrscht, fassungslos und im Begriff, sein Ziel mit Gewalt zu erreichen. Sein Weltbild und das ganz private Universum sind erschüttert worden und nun reagiert er wie ein Tier, das in die Enge getrieben worden ist. Er will andere brechen, ihnen seinen Willen aufzwingen und diesen unter allen Umständen durchsetzen, auch wenn er sich dadurch isoliert und von der Gemeinschaft abspaltet. Die Extreme kollidieren, der Machtkampf eskaliert und die Druckmittel werden laufend erhöht, bis der Tod als letzte Konsequenz wie eine Waffe gebraucht wird. Zur Abschreckung, Bestrafung und Beweisführung der eigenen Furchtlosigkeit.



Romy Schneider reagiert behutsam, fast scheu auf ihren Filmsohn, als hätte sie Angst, ihn zu zerbrechen. Das Kind selbst bleibt den ganzen Film über unbeteiligt, es spielen sich keine herzzerreißenden Szenen ab (das eine Mal, als er weint, wird dies nur erwähnt und nicht gezeigt) und man wartet vergebens auf eine Reaktion des Jungen. Es scheint, als hätte Jean Chapot die Anweisung gegeben, der Knabe solle sich möglichst neutral verhalten, um das Tauziehen um ihn nicht zu beeinflussen. Die Erwachsenen müssen die Sache unter sich ausmachen, es gibt keine Hilfe und keine Bonuspunkte von Seiten des Kindes. Die emotionale Anspannung tragen Julia Kreuz und Radek Kostrowicz allein und das Drehbuch baut ihnen keine Eselsbrücke, welche den richtigen Weg weist. Beide sind unerbittlich in ihrem Denke und als Sieger wird derjenige hervorgehen, der ebenso unerbittlich handelt. Julias Gefühle entlarven einen weiteren Feind, gegen den es anzukämpfen gilt: den Feind im eigenen Kopf. Er hat sich unmerklich dort eingenistet und nährt sich wie ein Parasit aus den negativen Gedanken, die Julia in ihrer Einsamkeit verfolgen. Quälende Gedanken von Verlust und Sehnsucht, von Trauer und Hoffnung und von der Erkenntnis, dass ein Versäumnis trotz allen guten Willens vielleicht nicht wieder gutgemacht werden kann. Hans Christian Blech trägt den Kampf um das Kind alleine aus, seine Filmfrau Sonja Schwarz bleibt auffallend zurückhaltend, der Patriarch entscheidet über die Befindlichkeiten der Familie und ordnet an bzw. verbietet. Die Rolle ist dem Schauspieler mit dem markanten schroffen Gesicht auf den Leib geschneidert, er spielt sie überzeugend und füllt sie dementsprechend aus, als Kämpfer gegen Fleisch gewordene Windmühlen.

Die Spannung rührt aus dem intensiven Spiel der Darsteller und zeigt ein gesellschaftliches Problem auf, das sehr emotional ausgefochten wird. Romy Schneider gelingt es, durch feinste Nuancen Glaubwürdigkeit zu transportieren, während Michel Piccoli in seiner Rolle oft hilflos wirkt, weil er den Gefühlen seiner Frau nur die blanke Ratio entgegensetzen kann. 5 von 5 Punkten

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