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Dieses Thema hat 53 Antworten
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Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

08.05.2012 07:20
#31 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov
Das ändert aber nichts an der grundlegenden Tatsache, dass die Rialto in der Realisierung den ersten Schritt machte.


Das ist unbestritten und unwiderlegbar wahr. Trotzdem hatten nicht nur die Rialto-Macher ein Auge auf Wallace geworfen - und sie waren ja auch bei weitem nicht die ersten. Durch den großen Erfolg von FROSCH und KREIS sprang man eben auf den Zug mit auf. Und da zumindest diese beiden Filme nach Original-Motiven von Edgar Wallace gedreht wurden, gehören sie wie die Rialto-Filme zu den "oriinal"-Filmen.

Bei den Bryan Edgar Wallace-Filmen handelt es sich um echte Epigonen. Arthur Brauner wollte eben auf der Wallace-Erfolgswelle mitschwimmen und kreierte eine "Konkurrenz"-Serie. Er hatte ja nur die Rechte an einem "echten" Wallace-Film.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

08.05.2012 09:59
#32 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Edgar007

Bei den Bryan Edgar Wallace-Filmen handelt es sich um echte Epigonen. Arthur Brauner wollte eben auf der Wallace-Erfolgswelle mitschwimmen und kreierte eine "Konkurrenz"-Serie.



Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Rialto in einer späteren Phase der Serie das Konzept der freien Titel- und Inhaltsgestaltung von Brauner übernahm. Auch der Titelzusatz "von Soho" tauchte zuerst bei Brauner auf. Ich finde dennoch, dass sich die Bryan-Edgar-Wallace-Filme eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt haben und nicht ausschließlich als bloße Kopien der Rialto-Filme betrachtet werden sollten. Speziell Filme wie "Der Henker von London", "Das Ungeheuer von London-City" und "Das Phantom von Soho" sind wesentlich kühler, düsterer und ernster als die meisten Rialto-Beiträge. Die Ermittler-Figuren (Felmy im "Henker", Borsche im "Phantom") sind - im Gegensatz zu Fuchsberger und Drache - nicht unbedingt Sympathieträger. Dementsprechend wirkt der Humor in diesen Filmen (auf den Brauner offensichtlich nicht verzichten wollte) auch immer etwas gekünstelt und deplatziert.

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

08.05.2012 10:38
#33 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat
Ich finde dennoch, dass sich die Bryan-Edgar-Wallace-Filme eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt haben und nicht ausschließlich als bloße Kopien der Rialto-Filme betrachtet werden sollten. Speziell Filme wie "Der Henker von London", "Das Ungeheuer von London-City" und "Das Phantom von Soho" sind wesentlich kühler, düsterer und ernster als die meisten Rialto-Beiträge. Die Ermittler-Figuren (Felmy im "Henker", Borsche im "Phantom") sind - im Gegensatz zu Fuchsberger und Drache - nicht unbedingt Sympathieträger. Dementsprechend wirkt der Humor in diesen Filmen (auf den Brauner offensichtlich nicht verzichten wollte) auch immer etwas gekünstelt und deplatziert.



Die von Dir genannten Filme haben auf jeden Fall eine eigene Atmosphäre. Ich finde es auch viel zu abwertend, von einer Kopie zu sprechen. Selbst das Wording Epigone finde ich eigentlich schon etwas grenzwertig. Genaugenommen finde ich den Begriff „Derivat“ (abgeleiteter Stoff) am treffensten. Aber das ist Wortklauberei. Epigone ist hier der etablierte Begriff und das geht OK.

Ich bin jedenfalls froh, dass Brauner auf den Zug aufgesprungen ist. Zwar bleibt seine Reihe durch gewisse Längen in den besten Beiträgen und einige Gurken (Koffer, Todesrächer) natürlich insgesamt hinter den Rialto-Produktionen zurück, aber dennoch war er die einzige ernstzunehmende Konkurrenz und derjenige der ähnlich hochkarätige Produktionen stemmen konnte. Andere Derivate, von Karl Spiehs etwa, gehen dagegen ganz unter gegen die Wallace-Filme.

Gruß,
Daniel

Georg Offline




Beiträge: 3.263

09.05.2012 17:14
#34 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Versuchen wir doch mal, das Ganze von der anderen Seite aufzuziehen: nehmen wir zwei Filme, die im Produktionsraum der schwarz/weiß-Wallace-Filme entstanden sind und sehen wir, welche Zutaten diese Filme haben. Vielleicht hilft uns das, darüber nachzudenken, was denn für uns ein stilverwandter Film bzw. eine Epigone beinhalten muss:

Das Wirtshaus von Dartmoor (1964)

Primäre Faktoren: Inhalt & Schauplätze
- ein unheimliches Moor
- Nebellandschaften
- eine mysteriöse Spelunke
- einen Inspektor
- ein Chef von Scotland Yard namens Sir X
- ein unbekannter Mörder
- ein Täter, der Rache nimmt
- eine Gangsterorganisation
- ein seltsamer Rechtsanwalt
- ein Komik verbreitender Part
- Spannung und Komik wechseln sich ab (natürlich nicht zu gleichen Teilen)
- London, Dartmoor

Sekunde Faktoren: Besetzung & Co.
- Darsteller aus der Wallace-Reihe: Heinz Drache, Judith Dornys, Dieter Eppler, Friedrich Schoenfelder
- Musik vom Wallace-Stammkomponisten Peter Thomas
- Drehbuch vom Wallace-Autor Egon Eis

Tim Frazer jagt den geheimnisvollen Mister X (1964)

Primäre Faktoren: Inhalt & Schauplätze
- eine zwielichtige Nachtbar
- ein maskierter, hinkender Mörder mit einem Stillet
- ein lässig auftretender Ermittler mit einem schrägen Assistenten
- eine hübsche Begleiterin, die es zu retten gilt
- nebelige und unheimliche Hafenstücke, die auch als Tatorte fungieren
- Schießereien und Verfolgungsjagden
- ein von einem Barmädchen vorgetragener Song

Sekundäre Faktoren: Besetzung & Co.
- Darsteller aus der Wallace-Reihe: Ady Berber, Corny Collins, Mady Rahl, Herbert Fux (Letztgenannter allerdings damals noch Wallace unerfahren)


All die genannten Faktoren scheinen uns doch aus irgendeinem Wallace-Film (wenn nicht aus mehreren) bekannt. Es sind quasi die Grundbestandteile, die in den ersten Wallace-Jahren erarbeitet wurden, die gut ankamen und die beim Publikum derart zündeten, dass andere Produzenten wie Artur Brauner, Gero Wecker, Wolf C. Hartwig usw. auf Basis dieser Faktoren neue Geschichten ersannen (bzw. ersinnen ließen), die ebenso das Publikum anlocken sollten. Und wenn man es genau betrachtet: ab einem gewissen Zeitpunkt tat man bei der Rialto-Film eigentlich – mit wenigen Ausnahmen – auch nichts anderes mehr: man nahm die erprobten Zutaten und mixte sie erneut zu einer neuen Mischung zusammen, um einen weiteren Film zu produzieren.
Insgesamt ist es doch wohl so, dass die meisten unter uns als Epigonen und Stilverwandte wohl die Filme ansehen, die auf diese Art und Weise entstanden und die sich an der frühen Phase der Wallace-Filme orientieren.
Man könnte also so verfahren, dass man sich eine (weitaus umfassendere) Liste mit den Wallace-Zutaten erstellt und die Epigonen darauf prüft. Gibt es ein überwiegendes Zutreffen der Faktoren auf die jeweilige Produktion, dann ist sie als Epigone zu betrachten. Besetzung und Stab sollten dabei allerdings weniger Relevanz haben, als die inhaltlich dramaturgischen Faktoren, die mir entscheidend erscheinen. (Auf diese Art wäre z. B. der von Joachim im 3. Hallo-Buch aufgeführte Film Das Geheimnis der jungen Witwe als Epigone absolut zu streichen, da dieser außer der deutschen Coproduktion und dem Regisseur Massimo Dallamano überhaupt nichts mit anderen deutschen Krimiproduktionen zu tun hat und eigentlich eher ein Psychothriller ist, der auch nicht mit dem Giallo in Verbindung zu bringen ist).
Auch der Handlungsort sollte sekundär sein, da dieser häufig die Dramaturgie verschleiert und einige Filme dadurch ständig außer Acht gelassen werden.
Ich hoffe hier auf eine angeregte Diskussion, da eine gewisse Anzahl an Filmen in meinen Augen in die Reihe der Epigonen endlich aufgenommen werden und bei zukünftigen Publikationen auch berücksichtigt werden sollte, während um die weitere Listung anderer Filme in dieser Kategorie (wie die in meinen Augen nicht als Epigone zu zählende CCC-Produktion Sherlock Holmes und das Halsbuch des Todes) dringend zu diskutieren ist.

Peter Ross Offline



Beiträge: 2.000

12.05.2012 22:11
#35 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Georg

Wo wir in den letzten Tagen soviel von Stilverwandtschaft und Epigonen gesprochen haben: auch die Wallace-Reihe hat sich nicht davor gescheut, Elemente von anderen großen Genreschriftstellern zu klauen. Ist es hier der Hund von Baskerville, der zweifellos als Vorbild fungierte, so orientierte man sich in anderen Filmen an Agatha Christie (Das indische Tuch) und es ist auch kein Zufall, dass man Halstuch-Ermittler Heinz Drache im Indischen Tuch Morde, die mit einem Halstuch durchgeführt wurden, aufklären ließ.


Interessant wäre hierbei, ob die Wallace-Reihe überhaupt als Trittbrettfahrer-Filme zu anderen Produktionen in Jahr 1959 gestartet ist - nach meinem Kenntnisstand waren die Kinos zu dieser Zeit ja eher mit Heimatfilmen und Kriegsfilmen übersäht.
Wenn ich dies richtig überblicke, ließe sich hier recht eindeutig ausschließen, dass "Der Frosch mit der Maske" als Epigone zu anderen Filmen gestartet ist, sondern filmhistorisch als neues Element.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

08.08.2012 16:39
#36 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Da hier demnächst der große Stilverwandte- und Epigonen-Grand-Prix stattfindet, habe ich mich entschlossen als Anregung einen Aufsatz hier zu verlinken, denn ich in Bezug auf dieses Thema schon vor vielen Monaten geschrieben und in den letzten Tagen ergänzt habe. Sicherlich bedarf er an manchen Stellen noch einer Überarbeitung, aber er dürfte wohl auch so die Diskussion etwas anregen:

Überlegungen zu den Termini 'Epigone' und 'stilverwandt' in Bezug auf die deutsche Edgar-Wallace-Serie
http://krimiserien.heimat.eu/edgar-wallace-epigonen.htm

Peter Ross Offline



Beiträge: 2.000

10.08.2012 14:17
#37 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Vielen Dank, Georg, für die Ausarbeitung dieses Themas - wir hatten ja auch bereits einige Diskussionsgrundlagen hier ausdiskutiert. Ich möchte gerne meine Einschätzung als Feedback dazu geben.

Zitat
Dabei ist allerdings in Erinnerung zu rufen, dass auch diese Produktionen ab einer gewissen Phase nur mehr die typischen Stilelemente der ersten Filme kopieren und daher eher als Rialto-Krimi-typisch gesehen werden müssten zumal diese Filme mit den Originalromanen des britischen Schriftstellers oft nur mehr sehr wenig zu tun hatten und etwa der filmübliche Wechsel zwischen Grusel und Komik in den Werken Edgar Wallace‘ völlig fehlt.


Was ich mir noch mehr gewünscht hätte, ist die Fragestellung, ob nicht die späten Wallace-Filme als Epigonen eingegliedert werden könnte. Gerade durch die zu Beginn einleitende Definition "Epigone" müsste aus meiner Sicht damit belegt sein, dass wir von "Internen Epigonen" sprechen können. Geklärt werden müsste, ob die eine Neuverfilmung eines Buchs wie z.B. "Der Gorilla von Soho" mit eingliedern könnten oder ob diese Verfilmungen noch eine Sonderrolle darstellen sollten.

Zitat

In vielen Listen werden nun häufig Filme als Epigonen bezeichnet, die folgende Kriterien erfüllen:
Deutsche (Co-)Produktionen
Produktionen mit Wallace-Darstellern
Produktionen von Wallace-Regisseure
Whodunit-Dramaturgie
Verkleideter Mörder
Schwarz-Weiß-Filme


Hier findet man aus meiner Sicht "tausende" Filme, denen man mehrere Kategorien zuordnen könnte. Ich glaube aber, dass wir teilweise auch die Intention der Produktionsfirmen mit einbeziehen sollte. So wäre es sicherlich vermessen, den James-Bond-Filmen der Zeit nachzusagen, sie seien Epigonen der deutschen Wallace-Serie, nur weil "Der Frosch mit der Maske" im Jahr 1959 entstand und "007 jagt Dr. No" im Jahre 1962. Die Firma "Eon Productions" hatte sicherlich nicht vor, auf der Erfolgswelle in Deutschland mitzuschwimmen sondern kreiierte eine komplett eigene Idee, obwohl einige Elemente bereits bei "Der Frosch mit der Maske" enthalten waren (Gut/Böse, besondere Maskierung Täter usw.)
Ebenso könnte man tatsächlich in Frage stellen, ob ein Film wie "Ein Alibi zerbricht" entstand, weil die Produzenten auf dem Erfolgt der deutschen Wallace-Serie mitschwimmen wollten, oder nur etwas weit Stilverwandtes kreiren wollten.

Zitat
..., wobei der Grad der Epigone noch variierbar ist, denn nicht alle genannten Punkte sind gleich relevant. Dies ist so beim Ort der Handlung. Ist ein Film, der die obigen Kriterien erfüllt, aber nicht in England, sondern in Italien oder gar in Thailand spielt, dann etwa keine Epigone? Wohl kaum. Völlig unverständlich ist deshalb, warum Abenteuerkrimis à la Das Todesauge von Ceylon (1963), Der schwarze Panther von Ratana (1963) oder Der Fluch des schwarzen Rubin [sic!] (1965) des Münchner Produzenten Wolfgang C. Hartwig in den meisten Epigonenlisten völlig außer Acht gelassen wurden


Vielleicht ließe sich ja einmal eine Liste von signifikanten Merkmalen mit einer Gewichtung erstellen, die Filme in direkte, mittlere und entfernte Epigonen listet. Vielleicht sollten wir das Wort "Epigone" als "Stilverwandt" tauschen.

Der Stilverwandt-Rechner
Ich nehme mal deine Beispiel-Kriterien und Gewichte sie:
- Ort Handlung: England (2 Punkte)
- Unheimliche Handlungsorte (z.B. Schloss) (2 Punkte)
- umgebende Atmospäre (Regen, Nebel) (2 Punkte)
- Figurentrennung Gut/Böse (3 Punkte)
- Einen großen Unbekannten aufweist (2 Punkte)
- Täter mit Logo/Verkleidung) (2 Punkte)
- humoristische Szenen enthalten (1 Punkt)
- Dramaturgie (Mord Anfang, Demaskierung Ende) (2 Punkte)
- Schauspieleraufgebot zu Wallace parallel (3 Punkte)
- ähnlicher Aufnahmestab (1 Punkte)

0-10 Punkte: nur entfernt stilverwandt
11-15 Punkte: teilweise stilverwandt
16-20 Punkte: direkt stilverwandt


Danach wäre z.B. "Das Wirthaus von Dartmoor" (18/20 Punkte) direkt stilverwandt und "Der Mörder mit dem Seidenschal" (11/20 Punkte) gerade noch teilweise stilverwandt.

"Der schwarze Panther von Ratana" (16/20 Punkte) würde nach diesem Rechner übrigens wie auch Georgs Argumentation lautet als direkte stilverwandt (und damit auf direkte Epigone) eingegliedert werden.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

10.08.2012 16:53
#38 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Peter Ross im Beitrag #37
Was ich mir noch mehr gewünscht hätte, ist die Fragestellung, ob nicht die späten Wallace-Filme als Epigonen eingegliedert werden könnte.
Problematisch. Das ist m. E. eine Gradwanderung. Der Lexikons-Definition der "Epigone" nach würde das ja auf die späteren Wallace-Filme zutreffen. Andererseits: ein Film, der Edgar Wallace im Titel trägt, kann kaum eine Edgar-Wallace-Epigone sein. Dass ab einer gewissen Phase die erfolgserprobten Zutaten auch von Rialto immer nur mehr variiert wurden, ist auch verständlich, da diese eine Zuschauergarantie war.

Zitat von Peter Ross
Ebenso könnte man tatsächlich in Frage stellen, ob ein Film wie "Ein Alibi zerbricht" entstand, weil die Produzenten auf dem Erfolgt der deutschen Wallace-Serie mitschwimmen wollten, oder nur etwas weit Stilverwandtes kreiren wollten.

Das ist ein Punkt, auf den ich nicht eingegangen bin, der jedoch noch erörtert gehört. Weil die Produzenten wussten, dass Krimi fast immer ein sicheres Geschäft ist, probierten sie auch andere Sachen aus, in der Erwartung, es werde dem Publikum gefallen. Sogesehen müsste man die Krimis der 60er in "Original" | "Epigone" | "durch die Krimiwelle inspiriert" einteilen.

Zitat von Peter Ross
Vielleicht ließe sich ja einmal eine Liste von signifikanten Merkmalen mit einer Gewichtung erstellen, die Filme in direkte, mittlere und entfernte Epigonen listet.

Tolle Idee, genau anhand einer solchen Liste könnte man sich alle Epigon-Verdächtigen ansehen und halbwegs objektiv klassifizieren. Damit würden die subjektiven Eindrücke und durch Fachliteratur vorgefertigte Meinungen etwas relativiert werden können.
Wenn man sich schon jetzt auf ein Muster einigen könnte, wäre das schon beim kommenden Grand-Prix anwendbar und wir könnten gemeinsam halbwegs Klarheit in diesem Fach schaffen. Danke für die Mühe mit der Liste, Peter Ross!

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

02.09.2012 02:40
#39 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Mit "Der Fluch des schwarzen Rubin" habe ich nun zum ersten Mal einen der sogenannten Exotikkrimis gesehen. Dieser mag vielleicht nicht repräsentativ für dieses Subgenre sein, aber als Wallace-Epigone würde ich diesen Film auf keinen Fall bezeichnen, nicht einmal als stilverwandt, wenn man einmal von der Musik absieht.

Zitat von Georg im Beitrag RE: Edgar-Wallace-Epigonen-Grandprix 2012: Anmeldung
... stimmt bei den meisten Exotikkrimis dramaturgisch und handlungsmäßig sehr vieles mit den Wallace-Filmen überein... Man tausche Asien gegen London und schon hat man eine perfekte Wallace-Epigone! Der Handlungsort kann doch nur sekundär von Wichtigkeit sein.


Auch wenn ich wie gesagt erst diesen einen Film kenne, aber speziell dem letzten Satz muss ich doch vehement widersprechen. Gerade mit der Wahl des Handlungsortes (in diesem Fall Bangkok, dessen touristische Sehenswürdigkeiten ausgiebig fotografiert werden - beinahe schon "Traumschiff-like") grenzt sich dieser Film doch ganz bewusst (!) von den Wallace-Filmen ab. Es geht eben nicht darum, dass eine "Wallace-typische" Stimmung kreiert wird; das Gegenteil ist der Fall. "Dramaturgisch und handlungsmäßig" sind auch keine signifikanten Parallelen zu erkennen. Zumindest nicht derart deutlich, dass man sich vor den Kopf schlägt und sagt: "Mensch; eine derartige Krimihandlung habe ich ja bisher nur bei den Wallace-Filmen gesehen". Das mag nicht für jede der betreffenden Hartwig-Produktionen gelten, für diesen Film, der es ja immerhin in den Grandprix-Wettbewerb geschafft hat, allerdings schon.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

02.09.2012 11:58
#40 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Marmstorfer im Beitrag #39
Gerade mit der Wahl des Handlungsortes (in diesem Fall Bangkok, dessen touristische Sehenswürdigkeiten ausgiebig fotografiert werden - beinahe schon "Traumschiff-like") grenzt sich dieser Film doch ganz bewusst (!) von den Wallace-Filmen ab.
Man muss bedenken, dass "Der Fluch des schwarzen Rubins" schon aus der Endphase der Exotikkriminalfilme stammt und dass die kriminalistischen, stilverwandten Elemente mal stärker, mal schwächer durchkommen. Jedenfalls erinnern der Countdown bis zum Tod, der Humor, der Bösewicht (Horst Frank), das Whodunit und die Auflösung schon an die Dramaturgie. Und dann darfst du nicht vergessen, dass auch andere Filme nicht in Londons spielten, aber trotzdem immer (für mich nicht ganz nachvollziehbar) mitgenannt werden: siehe "Handschuhe", "Grab", "Stecknadel", "Halbmond" oder auch der dem "Rubin" sehr ähnlich gelagerte "Pagode". Außerdem spielen ja auch "Schiff des Todes" und "Todestrommeln" nicht in London uns sind trotzdem Wallace-Filme.
Ich stimme aber zu, dass "Rubin" nicht typisch für die Exotikkrimis ist. Auch andere wie "Heißer Hafen Hongkong" zählen da dazu.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

02.09.2012 12:57
#41 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Mark Paxton im Beitrag #40
Jedenfalls erinnern der Countdown bis zum Tod, der Humor, der Bösewicht (Horst Frank), das Whodunit und die Auflösung schon an die Dramaturgie.


Mag sein, aber das reicht nicht, um als stilverwandt zu gelten. Der Humor ist beispielsweise ein gänzlich anderer, als in den Wallace-Filmen. Alder und Carsten klopfen blöde Sprüche, die wahrscheinlich erst im Synchronstudio entstanden sind. Horst Franks Figur ist ein typischer "Filmbösewicht", wie er wohl auch in jeder Eurospy-, Jerry Cotton- oder ähnlich gelagerten Produktion jener Tage vorkommt. Und der Whodunit allein kann auch kein ausschlaggebender Punkt sein, schließlich handelt sich dabei um das kriminalistische Handlungselement schlechthin. Aber ich spreche eben nur von diesem einen Film; bei "Der schwarze Panther von Ratana" mit Drache unter Rolandscher Regie sieht es wohl etwas anders aus. Den gibt es auch bald auf Sky Nostalgie und ich werde ihn mir sicherlich anschauen


Zitat von Mark Paxton im Beitrag #40

Und dann darfst du nicht vergessen, dass auch andere Filme nicht in London spielten, aber trotzdem immer mitgenannt werden: siehe "Handschuhe", "Grab", "Stecknadel", "Halbmond"...



Keine Sorge, das habe ich nicht vergessen. Aber hier liegt der Fall anders. "Stecknadel" (der übrigens in London spielt!!!) und "Halbmond" sind offizielle Teile der Rialto-Serie, "Handschuhe" und "Grab" offizielle BEW-Filme. Sie haben per se einen anderen Status.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

02.09.2012 14:43
#42 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Zitat von Marmstorfer im Beitrag #41
Aber hier liegt der Fall anders. "Stecknadel" (der übrigens in London spielt!!!) und "Halbmond" sind offizielle Teile der Rialto-Serie, "Handschuhe" und "Grab" offizielle BEW-Filme. Sie haben per se einen anderen Status.
Sorry, ich meinte auch nicht "Stecknadel", sondern natürlich "Die neunschwänzige Katze". Ich finde nicht, dass diese Filme einen besonderen Status haben. Sie wurden zwar als Wallace-Filme vermarktet, das stimmt und haben daher irgendwo Berechtigung auch als solche genannt zu werden. Ganz scharf muss man sie jedoch unter dem Aspekt der Stilverwandtschaft von anderen Filmen trennen, denn sie sind absolut nicht vergleichbar mit dem, was der Großteil generell unter Wallace versteht (s/w-Filme der Anfang-Mitte 1960er).

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.10.2012 14:26
#43 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Aus aktuellem Anlass
ein ganz anderes Herangehen an die Epigonenbestimmung

Epigonen sind Filme, die auf die Erfolgswelle ihrer Vorbilder aufzuspringen versuchen. Die Frage, die man sich folglich stellen muss, ist: Was machte die Edgar-Wallace-Filme erfolgreich? Ich zweifle daran, dass typische Einzelheiten wie die hier bereits genannten Faktoren dafür verantwortlich waren. Macht der Schauplatz England einen Film erfolgreich? Ziehen Masken oder ein Schloss Zuschauer ins Kino? War die Schwarzweißfotografie unbedingt nötig, um einen Erfolg beim Publikum zu landen? Alle diese Fragen möchte ich verneinen. Der Blick auf die Erfolgsgründe der Edgar-Wallace-Serie sollte abstrakter ausfallen. Masken, Schlösser und schwarzweißer Nebelgrusel kommen schließlich nicht in allen erfolgreichen Teilen der Reihe zwangsläufig vor und der Schauplatz ist für die Begeisterung des Publikums nur von untergeordneter Bedeutung.
Was die Besucher dazu trieb, sich Edgar-Wallace-Filme im Kino anzusehen, war, dass es sich um qualitätsvolle Unterhaltung handelte. Die Filme erfüllten handwerkliche Standards, verfügten über gelungene Spannungsbögen, waren von erfahrenen Regisseuren mit der crème de la crème der deutschen Schauspielergarde besetzt. Qualitativ erreichten im Produktionszeitraum nur wenige andere Filme das hohe Level, das die Rialto-Film dauerhaft vorgab. Es bestand kein Grund, sich nach einem Wallace-Kinobesuch über weggeworfene Zeit und verschwendetes Eintrittsgeld zu ärgern, wie man es bei schnell heruntergekurbelten Schundproduktionen tun musste. Die Wallace-Reihe hatte einen guten Leumund und entwickelte sich über die Zeit so, dass sie ihn vom jeweils aktuellen Zeitstandpunkt auch behielt.

Warum sollte man also Epigonen in erster Linie nach den Stichpunkten England, Masken, Schlösser oder Schwarzweißlook zuordnen? Ist es denn nicht das wichtigste Kriterium zur Erfüllung der Epigonenschaft, dass die betreffenden Filme sich konzeptuell an das Wallace-Erfolgsrezept anlehnen, d.h. dass sie grundlegende cineastische Qualitätsstandards erfüllen? Wie können dann Billigfilme gültige oder formvollendete Wallace-Epigonen sein, wenn die Wallace-Filme selbst keine Billigfilme waren?

Natürlich ist es über die lange internationale Filmgeschichte hinweg kein Alleinstellungsmerkmal, wenn man sagt „Wallace-Filme sind in erster Linie Qualitätsfilme“. Wenn man den Zeitraum aber auf die 1960er und (ggf. frühen) 1970er Jahre sowie den Herstellungsort (zumindest anteilig) auf Deutschland reduziert, so handelt es sich sehr wohl um eine präzise Definition zu sagen, „Wallace-Filme sind Qualitäts-Krimis aus dieser Phase des deutschen Kinos“. Und darum könnten viele andere Qualitäts-Krimis aus dieser Zeit Wallace-Epigonen sein, auch wenn sie nicht in England spielen und nicht über Masken, Schlösser und Schwarzweißfotografie verfügen. Umgekehrt qualifizierte sich nicht jeder Film, der in England spielt, über Masken, Schlösser und Schwarzweißfotografie erhält, für das Qualitätsmerkmal, ein reinrassiger Wallace-Epigone zu sein.

Mit dieser Argumentation werden Filme wie „Ein Alibi zerbricht“, „Sieben Tage Frist“, Giallo-Produktionen, frühe Dr.-Mabuse-Filme und mehr zu besseren bzw. höherklassigen Epigonen als herkömmlich genannte Titel à la „Der Würger vom Tower“, „Die Nylonschlinge“ oder auch Asia-Filme aus der berüchtigten Rapid-Film-Schmiede.
Ich schreibe über diese Herangehensweise, weil ich weiß, dass die Bestimmung von Epigonen immer auch eine Charakterisierung des Originals, nämlich der Rialto-Wallace-Filme, erfordert. Ich möchte nicht, dass diese in den Verdacht geraten, billiger, aufmerksamkeitsheischender Schund zu sein, nur weil andere Produzenten auf völlig unverwandte Weise auf diese Schiene setzten, um Geld (und dann folgerichtig auch nachhaltigen Erfolg) zu sparen.

Mir liegt nicht daran, zu leugnen, dass das Verstehen von Wallace-Epigonenschaft als Teilung der Qualitätsstandards der Ursprungsserie auch zu gewissen Problemen führt. Wer soll „cineastische Qualität“ schließlich eindeutig festlegen können? Sie liegt im Auge des Betrachters und lässt sich nicht über einen „Epigonen-Rechner“ verifizieren. Eine weitere Frage, die man sich stellen muss, ist die nach den Grenzen, innerhalb derer filmische Qualität allein reicht, um als Wallace-Epigone wahrgenommen zu werden. Jeder würde sie anders ziehen, um aufgrund der lange angewöhnten Denkweise die persönliche Epigonen-Schmerzgrenze nicht zu überschreiten bzw. Ausnahmen von der Regel, die es fraglos gibt, festzumachen.

Es trifft sich gut, dass für den Epigonen-Grandprix eine Hitliste der „Filmqualität“ erstellt wurde, die sich aus verschiedenen (wenn auch nicht allen) Merkmalen zur Beurteilung der Güte eines Films zusammensetzt. Nehme ich diese Rangliste von 1 bis 46, erhalte ich nach dem Inhalt dieses Postings ein klareres Bild davon, welche Filme als Epigonen einzustufen wären, als beim Blick auf die eigentliche Epigonen-Liste.

Platz 01 (4,45 Punkte): Das schwarze Schaf
Platz 02 (4,41 Punkte): Der Würger von Schloss Blackmoor
Platz 03 (4,37 Punkte): Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
Platz 04 (4,33 Punkte): Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
Platz 05 (4,24 Punkte): Die weiße Spinne
Platz 06 (4,19 Punkte): Im Stahlnetz des Dr. Mabuse
Platz 07 (4,11 Punkte): Der Henker von London
Platz 08 (3,99 Punkte): Er kann’s nicht lassen
Platz 09 (3,98 Punkte): Sieben Tage Frist
Platz 10 (3,93 Punkte): Das 7. Opfer

Platz 11 (3,91 Punkte): Das Geheimnis der schwarzen Witwe
Platz 12 (3,89 Punkte): Das Wirtshaus von Dartmoor
Platz 13 (3,87 Punkte): Ein Alibi zerbricht
Platz 14 (3,80 Punkte): Die neunschwänzige Katze
Platz 15 (3,78 Punkte): Das Messer (Blutspur im Park)
Platz 15 (3,78 Punkte): Das Phantom von Soho
Platz 17 (3,75 Punkte): Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse
Platz 18 (3,71 Punkte): Das Testament des Dr. Mabuse
Platz 19 (3,69 Punkte): Hotel der toten Gäste
Platz 20 (3,68 Punkte): Der schwarze Panther von Ratana

Platz 21 (3,59 Punkte): Vier Fliegen auf grauem Samt
Platz 22 (3,56 Punkte): Wartezimmer zum Jenseits
Platz 23 (3,54 Punkte): Das Ungeheuer von London-City
Platz 24 (3,53 Punkte): Der Teppich des Grauens
Platz 25 (3,50 Punkte): Sieben Tote in den Augen der Katze
Platz 26 (3,45 Punkte): Das Geheimnis der drei Dschunken
Platz 27 (3,39 Punkte): Scotland Yard jagt Dr. Mabuse
Platz 28 (3,30 Punkte): Neues vom Wixxer
Platz 29 (3,27 Punkte): Piccadilly null Uhr 12
Platz 30 (3,21 Punkte): Das Geheimnis des gelben Grabes

Platz 31 (3,17 Punkte): Tim Frazer jagt den geheimnisvollen Mr. X
Platz 32 (3,13 Punkte): Der Wixxer
Platz 33 (3,08 Punkte): Ein Sarg aus Hongkong
Platz 34 (3,05 Punkte): Das Geheimnis der chinesischen Nelke
Platz 35 (2,97 Punkte): Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse
Platz 36 (2,81 Punkte): Das Geheimnis der schwarzen Koffer
Platz 37 (2,80 Punkte): Sanders und das Schiff des Todes
Platz 38 (2,77 Punkte): Die Pagode zum fünften Schrecken
Platz 39 (2,75 Punkte): Die Diamantenhölle am Mekong
Platz 40 (2,72 Punkte): Das Rätsel der grünen Spinne
Platz 40 (2,72 Punkte): Sherlock Holmes und das Halsband des Todes

Platz 42 (2,66 Punkte): Die schwarze Kobra
Platz 43 (2,63 Punkte): Der Fluch des schwarzen Rubin
Platz 44 (2,60 Punkte): Die Nylonschlinge
Platz 45 (2,48 Punkte): Der Todesrächer von Soho
Platz 46 (2,37 Punkte): Der Würger vom Tower

Ray Offline



Beiträge: 1.930

17.08.2017 00:27
#44 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Sehr interessanter Thread, den man m.E. aus aktuellem Anlass mal wieder hervorkramen sollte, denn mindestens die Mitspieler des Epigonen-Grand-Prixs stehen oder standen vor der Frage, inwieweit ein Film als stilverwandt zu bezeichnen ist, wobei ich hier für die Zwecke des Wettbewerbs mal unterstelle, dass wir die Termini "stilverwandt" und "Epiogone" als synonyme Begriffe verwenden, obschon man dies - wie oben dargestellt - auch anders sehen kann.

Die Diskussion scheint, wenn man die letzten Beiträge und deren Datum zum Maßstab nimmt, ein wenig ins Stocken geraten zu sein. Es ist mithin nicht gelungen, sich auf eine Epigonen-Definition oder zumindest allgemein anerkannte Kriterien zur Beantwortung der Frage zu einigen. Scheinbar hat man es aufgegeben mit der Folge, dass jeder das als Epigonen bezeichnet, was er darunter versteht, wobei er vermutlich zumindest unbewusst gewisse Kriterien in seinem Gehirn abspult, auch wenn er meint, die Zuordnung eher "gefühlsmäßig" vorzunehmen.

Wie es sich anbietet, wurde in der Diskussion oben zunächst von einer Definition aus dem Wörterbuch ausgegangen. Jene des Online-Dudens lautet etwa: Ein Epigone ist jemand, "der in seinen Werken schon vorhandene Vorbilder verwendet oder im Stil nachahmt, ohne selbst schöpferisch, stilbildend zu sein." Klare Fälle bekommt man mit dieser Definition sicher problemlos in den Griff, aber um solche geht es dummerweise ohnehin nicht, weil man hier über die unterschiedlichsten Wege doch in aller Regel zum gleichen Ergebnis kommt. Für die problematischen Fälle müssten dann aber die Definitions-Elemente wie "stilbildend" genauer aufgeschlüsselt werden. Diese Mühe werden sich realistischerweise die wenigsten machen.

In der Folge gab es verschiedene Ansätze, Wallace-Epigonen ein wenig losgelöst von der allgemeinen Definition zu bestimmen.

-@Georg schlug etwa vor, sich auf bestimmte Kriterien zu einigen, anhand derer man die Epigoneneigenschaft bestimmen könne. Letztlich verleiht man damit der Zuordnung eine gewisse Objektivität (auch wenn bei der Frage, ob ein Kriterium erfüllt ist oder nicht, freilich wieder Wertungsspielräume bleiben).

-@Peter Ross unternahm den Versuch, die von Georg vorgeschlagenen Kriterien einer bestimmten Wertigkeit zuzuordnen und die erreichte Gesamtpunktzahl an einer Tabelle mit verschiedenen Stufen auf ihre Stilverwandtschaft hin zu überprüfen. Zudem plädierte er dafür, das Selbstverständnis der Verantwortlichen (Regisseure, Produzenten...) miteinfließen zu lassen.

-Schließlich schlug @Gubanov vor, die Einhaltung gewisser Qualitätsstandards zum entscheidenden Kriterium zu machen. Dabei erkannte er selbst die Problematik, dass dieses Kriterium höchst subjektiv und empirisch nicht nachweisbar ist. Ich persönlich halte diesen Ansatz auch insoweit für verkehrt, weil er sich zu sehr von der Ur-Definition entfernt. "Nachahmer" haben es - gerade zu jener Zeit - an sich, die Qualitätsstandards, welche die "Originale" erfüllen, nicht vorzuweisen. Unter Zugrundelegung dieses Kriteriums würde etwa nahezu das gesamte Eurospy-Subgenre wegbrechen, weil die allermeisten dieser Filme nicht mal im Ansatz die Qualitätsstandards der Bond-Filme erreichten. Bei Wallace sähe das nicht viel anders aus.


All diese Überlegungen zeigen, dass es schwierig wird, sich auf einen Ansatz zu einigen. Ich persönlich halte es daher in Konsequenz für realistisch und daher auch richtig, auf Basis der Ur-Definition des Epigonen eine freie Gesamtschau verschiedener Kriterien vorzunehmen, anhand derer jeder mit eigenen Präferenzen im Detail die Zuordnung vornimmt. Letztlich bleibt es so eine Frage der Argumentation und des Einzelfalles. Hat man einige der o.g. Kriterien auf seiner Seite, wird man immer zu vertretbaren Ergebnissen kommen. Dies geht zwar auch auf Kosten der objektiven Nachprüfbarkeit, fördert aber die angeregte Diskussion hier im Forum. Und dies ist sicher im Interesse aller hier.

Ich gehe daher auch nicht schematisch vor, als "Faustformel" richte ich mich aber primär nach Inhalt und Form und sekundär nach dem Personal. Heißt in concreto: Sobald ersteres "typisch Wallace" (natürlich auch wieder eine Wertungsfrage) ist, ist es ein Epigon. Wallacetypisches Personal alleine reicht nicht, es muss schon eine gewisse inhaltliche Nähe haben. Demnach wäre etwa "Ein Alibi zerbricht" oder "Sieben Tage Frist" in meinen Augen kein "Nachahmer", "Ein Sarg aus Hongkong" hingegen schon.


Abschließend eine Frage meinerseits: Wie seid ihr vorgegangen bzw. welche Ideen habt ihr für die nähere Bestimmung?

patrick Offline




Beiträge: 3.245

17.08.2017 22:32
#45 RE: Definitionen - Stilverwandt, Epigone & Co Zitat · Antworten

Auf die Frage was ein Epigone ist, habe ich für mich eine klare Antwort. Ein Epigone ist ganz einfach ein Film, den ich, wenn ich's nicht besser wüsste, für einen echten Wallace halten würde. Die Stilmerkmale lassen sich ganz leicht von den typischen Wallace-Elementen ableiten, welche die Originalfilme im Bewusstsein der meisten Fans, ehemaligen Fans oder auch oberflächlicheren Betrachtern als typische Wallace-Filme in's Gedächtnis eingeprägt haben. Das sind natürlich in allererster Linie die relativ frühen Filme, die ja die Reihe prägten. Sie führten das ein, was die Leute an ihnen mochten. Und das waren nunmal die vom deutschen Stummfilm abgekupferten, bewusst altmodisch gehaltenen schwarzweißen Licht-Schatten-Spiele, alten Gemäuer, Käuzchenrufe, vermummten Gestalten. Wenn man sich die Statistiken ansieht, sind es auch genau diese Filme, welche sich über die Besucherzahlen nicht die geringsten Sorgen machen mussten.

Ich hatte zwar angesichts meines Alters niemals die Ehre, Wallace im Kino kennenzulernen, bin aber zumindest insofern ein Zeitzeuge, dass ich immerhin dabei war, als sich der Erfolg der Filme im Fernsehen wiederholte. In den 70ern und frühen 80ern gab's natürlich noch kein Satellitenfernsehen und die Filme liefen erfogreich auf praktisch allen Sendern noch im Hauptabendprogramm. Und da liefen immer wieder "Frosch", "Gasthaus", "Augen", "Tuch", "Abt", etc......und nicht "Nonne", "Stecknadel", "Halbmond". Diese Filme durfte ich erst sehr viel später kennenlernen, als die Sender-Vielfalt zunahm. Wir jungen Wallace-Fans liebten die Klassiker und auch unsere Eltern, die ja cineastische Zeitzeugen waren. Die haben nie von der Stecknadel geredet...Jene Fans, die Wallace noch aus dem Kino kennen - und zwar von Anfang an - werden mir sicher beipflichten.

Damit sind DIE WALLACE-FILME eben jene, fast jedem bekannten Klassiker. Folglich sind DIE EPIGONEN jene Filme, die diesen Klassikern am nächsten kommen. Für mich logisch. Wer mich kennt weis natürlich, dass ich damit in allererster Linie Filme wie "Henker", "Würger", "weiße Spinne" aber auch die meisten Mabuse und LWW meine. Genau diese Filme werden auch von vielen, mir bekannten, aber weniger kundigen Film-Fans für Wallace Filme gehalten. Was ich diesbezüglich von Gialli halte, habe ich an anderer Stelle hinreichend erörtert. Aber auch Filme wie "Ein Alibi zerbricht" oder "Sieben Tage Frist" sind für mich keine Epigonen. Diese Filme würde auch kaum jemand für einen Wallace halten wenn er Wallace ein bisschen kennt. Bitte nicht falsch verstehen. "Ein Alibi zerbricht" ist ein ganz wunderbarer Krimi, den ich sehr mag. Ich habe ihn ja bei meiner Besprechung mit 5 von 5 Punkten in höchsten Tönen gelobt. Aber Epigone ist er keiner. Ich würde ihn näher bei Hitchcock einordnen. Aber egal, es stört mich nicht im geringsten, wenn er im Epigonen-Grand-Prix trotzdem vertreten sein sollte. Denn er wird nicht der einzige sein, der nach meiner Betrachtungsweise kein Epigone ist. Ferner ist es ja ein Spiel und ich bin da beim Zusammenwürfeln der Filme kein Definitions-Fetischist. Vielmehr Wert lege ich auf die Platzierung....

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