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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 986 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker international
Prisma Offline




Beiträge: 7.593

30.04.2012 02:39
Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

DIE MÜHLE DER VERSTEINERTEN FRAUEN / IL MULINO DELLE DONNE DI PIETRA (1960)



DARSTELLER:

SCILLA GABEL
HERBERT A.E. BÖHME
PIERRE BRICE
WOLFGANG PREISS
DANY CARREL
LIANA ORFEI

Der junge Kunst-Student Hans van Harnim (Pierre Brice) reist nach Amsterdam um dort in einer alten Mühle über die Arbeit des Bildhauers namens Professor Gregorius Wahl (Herbert A.E. Böhme) zu recherchieren. Dieser Ort bietet eine bizarre Attraktion: Angetrieben durch das Windrad, läuft im Inneren eine Drehbühne für interessierte und sensationslustige Zuschauer, die historische Figuren in Ketten und am Galgen zeigt. Doch die unheimliche Mühle birgt noch weitere Geheimnisse wie zum Beispiel die rätselhafte Tochter des Professors, Elfie (Scilla Gabel), die sich in Hans verliebt und der ihr, wie von einem Zwang getrieben verfällt. Elfie wird von ihrem Vater und seinem undurchsichtigen Assistenten Dr. Bohlem (Wolfgang Preiss) vollkommen von der Außenwelt abgeschirmt. Da der Student die merkwürdige Situation nicht ordnen kann, Elfie sich in immer stärkere Gefühle hineinsteigert und Hans bedrängt, beschließt er, sie zu verlassen und sich zu seiner Jugendliebe Liselotte (Dany Carrel) zu bekennen. Die Zurückgewiesene (die unter einer rätselhaften Krankheit leidet) wird hysterisch und erleidet einen schweren Anfall, sie stirbt. Erschrocken und von Schuldgefühlen geplagt will er am folgenden Tag den Professor über die schrecklichen Tatsachen aufklären, doch es geschieht etwas Unfassbares: Elfie steht plötzlich wieder sehr lebendig vor ihm. Hat Hans den Verstand verloren oder hat er nur geträumt? Welches düstere Geheimnis wird die Mühle noch ans Tageslicht bringen...?



Diese französisch-italienische Co-Produktion aus dem Jahre 1960 genießt vielenorts einen gewissen Kultstatus und transportiert eine erstaunlich dichte und noch mehr beunruhigende Atmosphäre. Elemente aus Gothic-Horror, Science-Fiction und klassischem Grusel gestalten eine überaus morbide Grundstimmung, die diesen Film von Giorgio Ferroni zu einem kleinen Geheimtipp werden lässt. Sicherlich kommt einem die Geschichte letztlich sehr bekannt vor, denn sie fand in einigen vorigen Filmen schon Verwendung, dennoch steht »Die Mühle der versteinerten Frauen« grundsolide auf eigenen Beinen. Der Film bietet eine recht eigenartig zusammen gestellte Besetzung, die zunächst befremdlich wirkt, doch diesen Eindruck bekommt man hier ziemlich oft geboten.

Pierre Brice kann hier einmal fernab der Rolle seines Lebens bestaunt werden und er macht seine Sache überdurchschnittlich gut. Er zeichnet eine ernste Figur und arbeitet die innere Zerrissenheit beachtlich heraus. Darstellerisch gesehen und für die Verhältnisse des Franzosen bekommt man eine erstaunlich prägnante Interpretation geboten, die mich persönlich schon überrascht, wenn nicht beeindruckt hat. Hans ist hin und her gerissen zwischen unschuldiger Anmut und zwanghafter Verführung, die Ereignisse reißen ihn in einen Strudel zwischen Traum und Wirklichkeit. Dany Carrel spielt seine leicht naive und bürgerliche Freundin weitgehend unscheinbar und muss sich den anderen Darstellungen unterordnen, bildet jedoch einen notwendigen Kontrast zu Elfie und wird Spiegel der Wahnhaftigkeit von Hans, außerdem Magnet für tödliche Gefahr. Wolfgang Preiss als Dr. Bohlem hatte hier leider kaum Möglichkeiten, aus seiner dubiosen Figur das Optimum herauszuholen, seine Rolle ist im Gesamtgeschehen zwar nicht unwichtig, transportiert aber nicht im genügenden Ausmaß die latente Gefahr, die von ihm ausgehen soll. Das Kabinettstückchen dieses Szenarios liefert ganz eindeutig wie auch eindrucksvoll Herbert A.E. Böhme, der mit einer beinahe teuflischen Aura glänzen kann. Sein Professor Wahl ist durch und durch beunruhigend und verkörpert eine bedrohliche Präsenz. Die beeindruckendste Leistung zeigt jedoch die schöne Italienerin Scilla Gabel (damals als aufsteigender europäischer Star gehandelt), als Elfie Wahl. Ihre Erscheinung wird dem Titel der Produktion zusätzlich gerecht, sie wirkt selbst wie eine der Puppen aus dem Gruselkabinett der Mühle, mit ihrem maskenhaften, fast leblosen und emotionslosen Gesicht. Ihr Wesen scheint wie versteinert zu sein, sie vereint Unschuld und Verführung sehr beachtlich. Ihre Auftritte wirken einerseits sehr gespenstisch, andererseits aber auch anziehend und bleiben wenig greifbar, denn sie baut eine hohe Distanz auf. Die Schauspiel-Kolleginnen verlieren neben Scilla Gabel deutlich an Farbe und vor allem an Reiz.

»Die Mühle der versteinerten Frauen« vermittelt vielleicht nicht die höchste Glaubwürdigkeit, aber es handelt sich dabei um ein düsteres Märchen, das darüber hinaus sehr eingängig und geradlinig umgesetzt wurde. Ausgestattet mit einem klaren Aufbau, offeriert das Szenario für die damalige Zeit sehr ausgefallene Bilder und Inhalte, die den einen oder anderen Zuschauer schon schockiert haben dürften. Wie es wohl üblich ist, wurde die Produktion von der Kritik zerrissen [beispielsweise mit Aussagen wie »Entartungsprodukt kranker Fantasie« oder »Gruselfilm übelster Sorte«], trotzdem ist er in Fankreisen heute als atmosphärisch überzeugender Film geschätzt und anerkannt. Die Gruseleffekte erscheinen heute natürlich etwas angestaubt zu sein, doch muss man hier die über 50 vergangenen Jahre berücksichtigen. Ich bleibe dabei, dass man für damalige Verhältnisse schon ungewöhnliche Register gezogen hatte. Neben der positiv auffallenden Besetzung gibt es weitere Vorzüge, die die offensichtlichen Stärken des Films darstellen. Der gewählte Ort des Geschehens bekommt durch die Grusel-Mühle ein sonderbares, wenn auch überzeugendes Flair, im Inneren wirkt alles geheimnisvoll und düster, die skurrilen Personen tun das Übrige dazu. Ständig hat man das Gefühl, dass etwas Unheilvolles passieren wird, gewürzt wird der Verlauf schließlich mit einigen Schock-Passagen. Auch die Außenaufnahmen sind mit der charakteristischen Mühlenlandschaft sehr gelungen, die Effekte weisen eine optimale Dosierung auf. Musikalisch begleitet wurde das ganze von Komponist Carlo Innocenzi, der ein gutes Gespür für Spannungsförderung und Abstimmung bewies. Im Finale wird es dann schließlich richtig heiß hergehen, obwohl die Frage bestehen bleibt, ob es aus heutiger Sicht eher amüsiert oder das Fürchten lehrt. Für mich hat »Die Mühle der versteinerten Frauen« schon etwas beinahe herausragendes und fesselndes an sich gehabt und wirkt mit seinen vielleicht nicht gerade imposanten Mitteln durchaus extravagant. Ein rundum gelungenes Experiment!

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

01.05.2012 15:14
#2 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

Hier der US-Trailer zu 'THE MILL OF THE STONE WOMEN':

http://www.youtube.com/watch?v=AvIulrVEmw8&feature=related

Giacco Offline



Beiträge: 2.595

23.05.2012 19:06
#3 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

Schöner Review. Danke.

Mir gefällt der Film auch. Diese düstere und bedrohliche Stimmung, die da aufgebaut wird, zieht einen in den Bann. Die Schock-Szenen dürften heute allerdings keine große Wirkung mehr erzielen.

Ich erinnere mich allerdings noch an die Verleih-Werbung von damals. Sie enthielt eine Warnung an schwangere Frauen, sich diesen Film doch bitte nicht anzuschauen. Das machte natürlich neugierig.

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

24.05.2012 21:12
#4 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

Vielen Dank! Von der Verleih-Werbung habe ich auch schon gehört und musste bei der Warnung an Schwangere schon etwas schmunzeln. Aber die Presse-Abteilungen haben ja schon immer sehr gerne solche weit hergeholten Hinweise oder Warnungen benutzt und schwere Geschütze aufgefahren, um potentielle Zuschauer anzulocken. Ich bin mir sicher, dadurch gab es schon unzählige Enttäuschungen. Aus heutiger Sicht ist "Die Mühle der versteinerten Frauen" sicher ziemlich angestaubt, hat aber doch einen gewissen Charme behalten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.10.2015 16:35
#5 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die Mühle der versteinerten Frauen" (Il mulino delle donne di pietra) (Italien/ Frankreich 1960)
mit: Pierre Brice, Scilla Gabel, Wolfgang Preiss, Dany Carrel, Herbert Boehme, Marco Guglielmi, Liana Orfei, Olga Solbelli, Alberto Archetti u.a. | nach der Novelle "Racconti Fiamminghi" von Pieter van Weigen | Regie: Giorgio Ferroni

Der junge Hans van Harnim soll ein Buch über die historische Drehbühne in der Mühle des Professors Gregorius Wahl schreiben. Um sich mit dem Thema vertraut zu machen, sucht er den Bildhauer auf und macht sich mit den Unterlagen vertraut. Er begegnet Elfie, der Tochter des Professors, die ihn bittet, sie nachts aufzusuchen. Sie lebt völlig isoliert in der alten Mühle und wahrt ein Geheimnis, über das ihr Vater nicht sprechen möchte. Elfie verliebt sich in Hans und will mit ihm fortgehen. Dieser plant jedoch seine Heirat mit Jugendfreundin Lieselotte. Daraufhin erleidet Elfie einen tödlichen Anfall. Der Professor und sein zwielichtiger Arzt setzen nun alles in Gang, um ihr Werk zu vollenden....



Das historische Panoptikum als Aushängeschild des Professors unterstreicht die morbide Atmosphäre, in der sich die handelnden Personen bewegen, sobald sie sich in die Einsamkeit der alten Mühle begeben. Die Figuren stellen Todesszenen nach; sei es nun auf dem Scheiterhaufen, am Galgen oder am Pranger. Dem Ambiente angemessen präsentieren sich die Bewohner des Hauses ebenfalls verschroben, abweisend und distanziert. Das Eintreffen des jungen Mannes, der ein bürgerliches Leben mit Beruf und Verlobter führt, sorgt für einen Funken, der eine Glut anfacht, die sowohl bedrohlich für die Verschwiegenheit eingespielter Rituale als auch befreiend für unterdrückte Emotionen wirkt. Es werden Reaktionen ausgelöst, die zunächst Veränderung und Lösung verkrusteter Strukturen erhoffen lassen, letztendlich jedoch in die Katastrophe führen.

Pierre Brice füllt seinen Part mit Ernst und Würde aus. Sein Bedürfnis, behilflich zu sein, kostet ihn fast Kopf und Kragen. Seine elegante Unnahbarkeit lässt ihn zunächst unbeteiligt wirken, was Raum für Spekulationen lässt, wohin ihn sein Weg führen wird. Seine Partnerinnen stehen anfangs mit ihren Gefühlen auf verlorenem Posten, hat er sich doch noch nicht entschieden, ob und wen er lieben soll. Scilla Gabel ist die verbotene Frucht, die überreif an den Zweigen hängt und sich gefährlich tief nach unten neigt. Sie zu pflücken, bedeutet Tod und Verderben für beide Seiten. Sie lebt im Elfenbeinturm und ist vom Wohlwollen und der ärztlichen Kunst eines zweifelhaften Mediziners abhängig. In gewisser Weise stellt sie das Dornröschen eines Gruselkabinetts dar. Ihre schauspielerischen Mittel setzt sie betont sparsam ein; vielmehr lockt sie durch den schnellen Wechsel von Nähe und Distanz. Sie ist ein Traumbild, das sich immer wieder verflüchtigt.



Dany Carrel obliegt es, die Normalität darzustellen, die erfahrungsgemäß wenig verlockend ist. Es scheint ein ungleicher Kampf zu sein, der sich zwischen den Frauen abspielt und Carrel liefert eine saubere Leistung. Wolfgang Preiss und Herbert Boehme erinnern an das große Vorbild aus der klassischen Schauerliteratur: den Forscher Dr. Frankenstein. Ihre Intentionen sind ebenso verwegen wie experimentell und haben nur einen Sinn: die Schaffung eines Idealbildes, das ihre eigenen menschlichen Unzulänglichkeiten kaschieren soll. Der Film provoziert mit Bildern, die dem Zuschauer den Spiegel vorhalten und ihn je nach Situation als pietätlosen Spanner oder als stillschweigenden Komplizen entlarven. Sicherheiten gibt es nicht in einer Welt, deren Selbsterhaltungstrieb sich auf Kosten anderer stützt.

Mühlen als Orte des Rückzugs und der isolierten Gefahr sind ein beliebtes Sujet des Kriminalfilms. Die sorgsam inszenierte Atmosphäre des Schreckens bedient sich ihrer ausgewählten Darsteller wie Professor Wahl seiner Puppen: am Ende bleibt ein Gefühl der Beklemmung zurück. 4 von 5 Punkten.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.642

17.10.2015 18:54
#6 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

Ich bin neugierig geworden: Kann mich per PM mal bitte jemand spoilern und erzählen, wie sich alles auflöst? Ich erwarte jetzt nichts wirklich überraschendes, aber dennoch.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.10.2015 20:22
#7 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

Ich habe Dir eine PM mit der Auflösung geschickt. Ich finde sie ergreifend, aber sehr stimmig.

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

18.10.2015 09:18
#8 RE: Bewertet: "Die Mühle der versteinerten Frauen" Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #5
Mühlen als Orte des Rückzugs und der isolierten Gefahr sind ein beliebtes Sujet des Kriminalfilms. Die sorgsam inszenierte Atmosphäre des Schreckens bedient sich ihrer ausgewählten Darsteller wie Professor Wahl seiner Puppen: am Ende bleibt ein Gefühl der Beklemmung zurück.

Vielen Dank für die sehr aussagekräftige und insgesamt geschliffene Einschätzung zu diesem wirklich besonderen Film! Es gibt ja sehr viele Beiträge, die ein ähnlches, oder nahezu identisches Strickmuster verfolgt haben, doch hier ist es alleine schon einmal das Setting, welches für einen Hauch von Extravaganz, ich möchte beinahe sagen, einen Hauch des Irrationalen sorgt. Allerdings geht Ferronis Strategie trotz seiner offenkundigen Vorhersehbarkeit auf, und es ist schließlich die Ausarbeitung, die für ansprechende Konturen sorgt, weil sie sich von anderen Beiträgen dieser Kategorie abzuheben weiß.

Zitat von Count Villain im Beitrag #6
Kann mich per PM mal bitte jemand spoilern und erzählen, wie sich alles auflöst?

Diese Bitte nach einer vorweggenommenen Auflösung hat mich so sehr irritiert, dass ich sie letztlich gruseliger als alles fand, was man in der "Mühle der versteinerten Frauen" geboten bekommt. Mehr will ich nicht verraten!

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