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Dieses Thema hat 37 Antworten
und wurde 6.238 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
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JackHes Offline



Beiträge: 46

23.07.2005 11:36
Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Im August wiederholt BR 5 alte Tatort Folgen mit Gustl Bayrhammer alias Kommisar Veigl.
Ich freu mich schon drauf. :-)
Folgende Folgen werden gezeigt:
-Tote brauchen keine Wohnung, EA:11.11.1973
-Wohnheim Westendstraße, EA:09.05.1976
-Schüsse in der Schonzeit, EA:17.07.1977
-Schwarze Einser, EA:03.12.1978
-Ende der Vorstellung, EA:06.05.1979

Taunus Offline




Beiträge: 137

05.09.2006 22:54
#2 RE: Tatort mit Veigl Zitat · Antworten

Ja die Tatorte z.B.mit dem Gustl etc.aus den frühen Jahren,die schaue ich immer wieder gern an,das sind noch echte Klassiker !

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

17.12.2011 22:40
#3 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Usambaraveilchen (Folge 123, 20. April 1981)

Der letzte Fall für Kommissar Veigl ist ein stilles Beziehungsdrama, an dessen Beginn eine fast klassische Dreiecksbeziehung steht: ein vielbeschäftigter Anwalt in mittleren Jahren, von Stephan Orlac mit einer Art müden Gelassenheit und emotionalen Erschöpfung verkörpert, steht zwischen zwei Frauen: seiner hingebungsvollen Gattin (Maria Körber mit leisem, berührendem Spiel) und seiner fordernden, herben Geliebten (Karin Kernke). Just, als er sich entschließt, zu seiner Frau, zu Alltag und (kinderloser?) Ehe zurückzukehren, wird die Geliebte in ihrer Wohnung brutal erschossen. Herbert Rosendorfers Drehbuch ist unspektakulär, folgt im Grunde ausgetretenen Krimipfaden, variiert bekannte Versatzstücke, wirkt aber durch das natürliche Spiel der Darsteller und Wilm ten Haafs bodenständiger Regie im besten Sinne des Wortes alltäglich, nachvollziehbar, authentisch. Unterstützt wird dieser Eindruck von den realistischen Bildern des Münchens der frühen 80er-Jahre, wo die modischen Torheiten, Extremitäten und Übertreibungen der 70er-Jahre einem fast muffig-eintönigen Graubraun in Kleidung und Interieurs – und vielleicht auch ein wenig im Gefühlsleben der Menschen - Platz gemacht hat. Die Auflösung birgt eine Überraschung, wirkt aber nicht komplett ausgereift (z.B. Tatwaffe).

Gustl Bayrhammer beweist in jeder Szene aufs Neue seine darstellerische Klasse, ein wahrer Volksschauspieler, der im krachledernen Stück ebenso glaubhafte Figuren kreiert wie im Kriminalfilm, dass es sich um seinen finalen Fall handelt, wird nur durch einen kleinen Schlagabtausch mit seinem designierten Nachfolger Helmut Fischer offensichtlich, schade, dass man am Ende der Folge nicht noch ein paar Minuten für einen würdevollen Abschied geopfert hat. In Nebenrollen erschuf der dafür besonders begabte Rosendorfer wieder einige lebensechte Originale: den neugierigen Hausbewohner, der durch das Guckloch das Leben und Sterben seiner Nachbarn akribisch verfolgt – Wolfgang Büttner mit preußischer Genauigkeit, Marianne Lindner als sein bayerisches Gegenstück, das altjüngferliche Frl. Seufzger, Margot Mahler als schnatternde Hauswartsfrau, Marianne Brandt als traurige alte Tante, Robert Naegele als sauertöpfischer Apotheker und Otto Stern als lebenskluger Anwaltskollege.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

04.02.2012 15:01
#4 Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Heute abend bietet sich im Bayerischen Fernsehen eine optimale Gelegenheit, sich einen Eindruck des bayerischen 1970er-Tatorts zu verschaffen. Der BR wiederholt drei Fälle mit Gustl Bayrhammer als Oberinspektor (später Hauptkommissar) Melchior Veigl.
Mit seiner typisch bayerischen Art, seinem Dackel und seiner Art, seine Untergebenen Lenz (Helmuth Fischer) und Brettschneider (Willy Harlander) zu delegieren, hat er dem "Tatort" einen ganz besonderen Stempel aufgedrückt.
Hinzufügen muss man, dass die erste Folge "Münchner Kindl", die heute auch gezeigt wird, als unabhängiger Fernsehfilm produziert und dem "Tatort" bei dessen Erstsendung zugeordnet wurde. Als weitere Folgen sind "Wohnheim Westendstraße" von Starregisseur Axel Corti und "Schlussverkauf" zu sehen.
Viel Spaß!

Die Veigl-Fälle

Fall 01 | Tatort 014 | Münchner Kindl | 09.01.1972 | Regie: Michael Kehlmann
Fall 02 | Tatort 030 | Weißblaue Turnschuhe | 24.06.1973 | Regie: Wolf Dietrich
Fall 03 | Tatort 034 | Tote brauchen keine Wohnung | 11.11.1973 | Regie: Wolfgang Staudte
Fall 04 | Tatort 040 | 3:0 für Veigl | 26.05.1974 | Regie: Michael Kehlmann
Fall 05 | Tatort 048 | Als gestohlen gemeldet | 16.02.1975 | Regie: Wilm ten Haaf
Fall 06 | Tatort 051 | Das zweite Geständnis | 11.05.1975 | Regie: Wilm ten Haaf
Fall 07 | Tatort 063 | Wohnheim Westendstraße | 09.05.1976 | Regie: Axel Corti
Fall 08 | Tatort 070 | Das Mädchen am Klavier | 02.01.1977 | Regie: Lutz Büscher
Fall 09 | Tatort 077 | Schüsse in der Schonzeit | 17.07.1977 | Regie: Helmuth Ashley
Fall 10 | Tatort 088 | Schlussverkauf | 21.05.1978 | Regie: Wilm ten Haaf
Fall 11 | Tatort 094 | Schwarze Einser | 03.12.1978 | Regie: Wolf Dietrich
Fall 12 | Tatort 099 | Ende der Vorstellung | 06.05.1979 | Regie: Georg Marischka
Fall 13 | Tatort 107 | Maria im Elend | 16.12.1979 | Regie: Wolf Dietrich
Fall 14 | Tatort 114 | Spiel mit Karten | 27.07.1980 | Regie: Wolf Dietrich
Fall 15 | Tatort 123 | Usambaraveilchen | 20.04.1981 | Regie: Wilm ten Haaf

Matze K. Offline



Beiträge: 1.060

05.02.2012 07:08
#5 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Ich hoffe mein Aufnahmegerät hat funktioniert und ich kann mir die drei demnächst anschaun ;)

Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

08.02.2012 09:21
#6 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Tatort # 88: Schlussverkauf (1978)

Der doppelbödig metaphorische und gleichzeitig in seiner voluminösen-ominösen Vielschichtigkeit direkt ans Nichtssagende grenzende Titel verleitete mich irgendwie stante pede an gewisse ZDF-Freitagabendsechzigminüter (titeltechnisch vorzugsweise „Der Alte“) zu denken, und so ganz „entschlich“ mich diese „Verwandtschaftsverortung“ auch während des Sehens nicht.

Tatsächlich glaube ich, dass man, was Anlage und Aufbau des Plots angeht, diesen Fall recht gut als einen „doppelten-(Standard-)Derrick“ bezeichnen kann, sowohl, was die Anzahl der verwickelten Personen und als auch was deren Charakterisierung und psychologische Ausleuchtung, für die man sich hier (geringfügig) mehr Zeit einnimmt, angeht. Wahlweise, wohl nicht zuletzt aufgrund der bajuwarischen Urwüchsigkeit (zumindest) der Ermittler assoziierte ich die Erzählweise und Anlage des Kriminalfalls auch als eine recht typische „Bulle von Tölz“-Story, mit allerdings deutlich mehr sozialkritischen und psychologischen Einwürfen und diesbezüglicher Einfärbung (womit wir letztlich wieder bei Derrick wären, wenn auch die Sozialkritik wesentlich „unaufgesetzter“ und vielleicht „ratloser“ wirkt). Vielleicht trifft ja „ein etwas verwickelterer Derrick“ den Nagel auf den Kopf.
Natürlich hat jede Generalisierung ein Loch und ist manchmal ebenso hilfreich wie mit Vorsicht zu genießen , aber dies dürfte ja zur Genüge bekannt sein.

Wohlgemerkt, ich ziehe diese Vergleiche auch keineswegs als Ansatz zum Verriss dieser Folge, vielmehr ist als Resultat dieser Mischung etwas herausgekommen, was dem heute vielfach oft als schmerzhaft vermisst beklagten „klassischen Krimi, der auf niveauvolle Weise einfach nur unterhält und Lust am Rätseln macht“ beeindruckend nahe kommt, auch wenn die Geschichte an sich sicherlich weder besonders originell noch formal besonders zwingend aufgezogen ist. Es handelt sich im Kern um eine klassische Beziehungskiste, in die noch auf mehreren Ebenen Generationenkonflikte und überdies hinaus jede Menge auf vielerlei Arten desillusionierte Menschen involviert sind bzw. diese zumindest als Randfiguren nachdrücklich bereichern .

Auch wenn dabei echte Spannung und Nervenkitzel eigentlich kaum aufkommt, hatte ich durchaus Freude und Genuss vor allem an den oftmals längeren und leicht ins philosophisch-hintergündige abgleitenden Gesprächen und Verhören mit „Beichtvater-Veigl“, der im Gegensatz zu Derrick beispielsweise aufgrund seiner derberen und brachialeren Art die angesprochenen (zwischen-) menschlichen Probleme immer mal wieder schön auf Tatsächlichkeiten herunterbricht und aber auf irgendwie durchaus spannungsfördernd einfühlsame Art gleichzeitig nicht immer gewillt ist, alles restlos auszuleuchten und somit viele Gespräche und damit auch der gesamt Film in einer Art (intellektuell) spannender und (rätselwirksam!) vieldeutiger Schwebe hält. Dass die Geschichte konträr dazu zwischen diesen Gesprächsszenen teilweise allzu bocksprüngig-bieder und sogar zufällig vorangetrieben wird, nehme ich als nicht weiter störende Notwendigkeit und Bedingung, um eine derartige Erzählweise überhaupt zu ermöglichen, und überdies noch dazu als realitätsnah eher belustigt und durchaus wohlwollend zur Kenntnis.
Leider können die Auflösung und auch die Art der Herbeiführung dieser "Ent-wicklung" dann aber doch nicht restlos überzeugen.
Im Übrigen gibt es (wie üblich) ordentlich Zeit- und Lokalkolorit auf die Augen; das Ermittlertrio Veigl, Brettschneider und Lenz laviert sich gemütlich-rustikal-flappsig durch den Fall (Highlights für Fans dürften hier sicher der Besuch von Veigl im Gasthof seiner Schwester auf dem Land, sowie der Auffahrunfall des frisch beförderten und tiefenentspannten Brettschneider sein ).

Ich fühlte mich unterm Strich jedenfalls viel besser unterhalten als bei einem (für mich mittlerweile doch oft enttäuschenden) Durchschnittstatort, es gibt aber unbestritten noch wesentlich bessere Tatorte im Allgemeinen (sowieso) und auch Veigl-Tatorte im Speziellen.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

04.11.2012 00:36
#7 Bewertet: "Ende der Vorstellung" (Tatort 1979) Zitat · Antworten



TATORT - ENDE DER VORSTELLUNG (Folge 99)

mit Gustl Bayrhammer, Willy Harlander, Helmut Fischer
Gäste: Robert Freitag, Sabine von Maydell, Ingeborg Schöner, Elmar Wepper, Thomas Astan, Maria Sebaldt, Werner Asam, Ulrich Beiger
sowie Alexandra Marischka



Aufregung am Theater. Die Schauspielerin Andrea Bäumler (Claudia Demarmels) fehlt in der laufenden Vorstellung. Wenig später wird sie in ihrer Wohnung aufgefunden, sie wurde ermordet. Kriminalhauptkommissar Veigl (Gustl Bayrhammer) findet beim Durchleuchten ihres Privatlebens heraus, dass sie mit ihrem Kollegen, dem bekannten Schauspieler Carl Liebold (Robert Freitag) befreundet war, der allerdings mittlerweile mit der Cousine der Ermordeten, Johanna Prasch (Sabine von Maydell) liiert ist, was ihm sehr verdächtig vorkommt. Eine weitere Spur führt zu dem Kleinkriminellen Toni Inninger (Werner Asam), der der Polizei jedoch entwischen kann und wenig später tot in seinem Wagen aufgefunden wird. Anfangs geht man von Selbstmord aus, doch einige Ungereimtheiten lassen auf ein Verbrechen schließen. Was haben beide Morde miteinander zu tun? Veigl bleibt weiterhin misstrauisch...

Unmittelbar nach einem Kressin-Tatort wirkt ein Fall mit Kriminalhauptkommissar Melchior Veigl beinahe wie eine Kultur-Revolution. Überhaupt hat man mit den Ermittler-Figuren ein breites Spektrum an unterschiedlichen Typen zur Verfügung, die jedem Tatort von vorne herein etwas vermeintlich Besonders verleihen. Für diesen 99 Fall zeigte sich Regisseur Georg Marischka verantwortlich, und die Inszenierung ist solide und verständlich aber auch über weite Strecken zu viel zu behäbig erzählt. Deswegen ist es sehr angenehm, wie Veigl und seine Kollegen den Verlauf doch sehr markant prägen und mit glaubhaften Charakterzeichnungen erfrischen können. Der Mord an einer Schauspielerin bietet vom Prinzip her schon enmal kein Dutzend Tatmotive an, und hier wirkt die Erzählung vorhersehbar, kaum originell und geradezu konstruiert, und das leider ohne große Überraschungen anzubieten. Auch das Schauspieler-Milieu wird für meine Begriffe zu stiefmütterlich behandelt, folglich wurde einiges an Potential liegen gelassen. Erfreulicherweise ist die komplette Chose sehr gut besetzt, was ja bekannterweise über einige Schwächen hinweg helfen kann.

Gustl Bayrhammer als Kriminalhauptkommissar Melchior Veigl kann man als bayrisches Urgestein bezeichnen, und man kann außerdem zu jeder Zeit sehen, das diese Interpretation wohl eine der leichtesten Fingerübungen für den sympathischen Darsteller war. Veigl befindet sich in Berufsstrukturen, die bereits mehrere Jahrzehnte alt sind, und daher wirkt er zwar augenscheinlich wenig flexibel und beinahe altmodisch in seiner kompletten Art, was jedoch durch seine Erfahrung, seinen Verstand und Instinkt eine vielversprechende Mischung darstellt. Mehrmals entsteht der Eindruck, dass er ungeduldig seinen Fall abschließen möchte, da dieser - als Störfall hinsichtlich seines bevorzugt ruhigen Tagesablaufes - sehr ungelegen kommt. Dies schlägt sich vollkommen in seinem Wesen durch, so dass seine Reaktionen oftmals sehr griesgrämig ausfallen und er keinen Wert auf zeitintensive Höflichkeiten legt. Bayrhammer formt eine echte Type, den man durchaus als Tatort-Aushängeschild bezeichnen kann. Im Umgang mit seinen Kollegen ist er ebenso wenig behutsam. Er delegiert gerne unliebsame Arbeiten und hält sich mit dickköpfigem, stumpfem Sarkasmus bei der Stange. So fabriziert er bei seinen Mitarbeitern, die sich oftmals über ihn zu wundern scheinen, zwar keinen großen Leidensdruck, aber er hält sie mit dieser Strategie auf Achse, das Wichtigste ist jedoch, dass sie als ungleiches Team (auch darstellerisch) sehr gut funktionieren. Robert Freitag als Schauspieler, der seine besten Zeiten definitiv gesehen hat überzeugt in einer, für die Rolle notwendigen, unsympathischen Erscheinung und zählt wie so mancher hier, zum Kreise der Verdächtigen. Sabine von Maydell als junge Frau, die begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat, wirkt gerade in derartig angelegten Frauenrollen mit einer guten Portion Rücksichtslosigkeit und vor allem Kalkül, besonders glaubhaft, auch die Einfältigkeit ihrer Johanna arbeitet sie adäquat heraus. Ingeborg Schöner hatte nicht nur in dieser Produktion, sondern vor allem rückblickend ebenfalls bessere Zeiten gesehen. Ob Haupt- oder Nebenrolle, ob gut oder böse, bei ihr sehe ich tendenziell immer die gleiche Interpretation aus dem Effeff. Komischerweise sehe ich sie trotzdem ganz gerne. Die übrigen Herren bieten überaus obligatorische Färbungen ihrer Rollen an, und es gibt daher eine Handvoll Verdächtiger.

Insgesamt gesehen, verläuft "Ende der Vorstellung" ohne nennenswerte Akzente zu setzen, obwohl die Darsteller alles Nötige tun. Es ist der Kriminalfall, der einfach zu unspektakulär bearbeitet wurde und von seinem Prinzip her zu oft dagewesen ist. Das Finale allerdings sorgt wenigstens für späte Spannung und wurde sehr eingängig und straff in Szene gesetzt, auch die Zusammenhänge werden gut aufgerollt und verständlich präsentiert. Da ich, was den "Tatort" angeht, quasi noch in Kinderschuhen stecke, bin ich mir sicher, dass die großen Klassiker noch auf mich zukommen werden. Dennoch habe ich mich bei Georg Marischkas Inszenierung von der Stange recht gut unterhalten gefühlt, was eben auch an den mangelnden Vergleichsmöglichkeiten liegen mag. Das persönliche Highlight stellt - um ehrlich zu sein - natürlich eine gewisse Dame dar, die hier mit an Bord war.

Bereits In ihrer vorletzten Rolle kann man noch einmal Alexandra Marischka bewundern, die mich immer wieder fasziniert und gerade hier doch sehr überraschen konnte. Sie spielt eine Art rasende Reporterin, die Hauptkommissar Veigl mit ihrer Hartnäckigkeit mächtig auf die Nerven geht. Immer auf der Suche nach neusten Informationen und Geschichten hat sie drei kleinere Szenen in und vor den Büroräumen der Polizei, wo sie stets abgewiesen und hinaus "gebeten" wird, sich aber durch ihre aufdringliche Art in den Fokus rücken kann. So hat es hier fast den Anschein, dass sie in ihren wenigen Minuten mehr zu sagen hat, als in ihren beiden Kommissar-Folgen zusammen. Alexandra Marischka, die man sonst eher ohne nennenswerte Dialoge kennt, darf hier endlich noch einmal zeigen, dass sie eine Rolle auch im herkömmlichen Sinne prägen konnte. Die damals erst Mitte 30-jährige, die mit den Jahren immer interessanter und schöner wurde, schlug wenige Jahre später ihre zweite Karriere als anerkannte Fotografin ein. Ich stelle mir oft die Frage, warum das nichts Richtiges wurde mit dem Film. Lasse ich die 70% ihrer mir bekannten Filmkarriere mal Revue passieren, so empfinde ich in ihren Darstellungen mittlerweile eine eigenartige Selbstironie. Ihre Filmografie ist genau betrachtet so gut wie belanglos und sie hat den Film bedient wie viele andere, jedoch einen Cut gemacht wie eben wenige. Ihren Auftritt hier schreibe ich mal spekulativ Regisseur Georg Marischka zu, vielleicht sogar als Spaß-Projekt? So bleiben unterm Strich zehn Arbeiten für Kino und TV in 10 langen Jahren, da lassen sich keine eindeutigen Ambitionen ableiten, und ich gehe ja davon aus, dass sie unter normalen Umständen sicherlich gut beschäftigt gewesen wäre, denn sie hat das Liebe-auf-den-ersten-Blick-Gesicht für jede Kamera. Was Alexandra Marischka betrifft, deutet sich in diesem Tatort leider ihr persönliches Ende der Vorstellung an. Ich weiß schon, das sind sehr viele Gedanken für eine Darstellerin einer kleineren Nebenrolle, aber um es noch einmal zu betonen: es gibt nur sehr wenige von ihnen, die mich so bedingungslos faszinieren. So sei es mir also erlaubt, diese Tatort-Folge in Richtung Alexandra Marischka-Folge zu drängen, schon alleine wegen des Seltenheitswertes ihrer Auftritte. Zu ihrer Rolle in "Ende der Vorstellung" sagte sie selbst: "Ach, diese kleine Rolle, ich nenne so was immer Sie-kam-und-ging-Auftritte. Der sinnlichste Augenblick ist der, wenn man zur Kasse geht." (Quelle: tagesspiegel.de) Wer sich einen Ausschnitt der Tatort-Folge #99 ansehen möchte, der kann das im folgenden Video gerne tun. Nach der Vorstellung von Alexandra Paszkowska beginnt die Szene etwa nach zwei Minuten.

http://www.youtube.com/watch?v=JpiJqdB5C58

Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.09.2014 11:10
#8 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten


TATORT MÜNCHEN - Veigls Fälle (1):
Münchner Kindl

(Tatort Nr. 14)
Erstsendung ARD: 09.01.1972
Buch: Michael Kehlmann, Carl Merz
Kamera: Manfred Ensinger
Musik: David Kamien
Regie: Michael Kehlmann

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Marianne Nentwich, Louise Martini, Walter Kohut, Walter Sedlmayr, Willy Harlander, Franziska Stömmer, Hans Stadtmüller, Rosl Mayr, Walter Schmidinger, Hans Reiser, Willy Schultes u. v. a.

Martha, eine psychisch kranke Frau, entweicht aus einer Heilanstalt. Sie wurde eingewiesen, weil sie ein Kind entführt und getötet haben soll. Nun ist sie in Freiheit und entführt auf einem Spielplatz ein Mädchen namens Ulli. Unterschlupf findet sie bei einer Bekannten, die als Prostituierte arbeitet. Deren Freund, ein Wiener Zuhälter, versucht aus der Sache Kapital zu schlagen. Einstweilen ermittelt die Münchner Kriminalpolizei in Form von Oberinspektor Veigl ...

Dass Münchner Kindl ähnlich wie der erste Tatort mit Klaus Höhne Stuttgarter Blüten nicht für diese Reihe konzipiert war, sondern vom zuständigen Redakteur Peter Hoheisel in Ermangelung eines neuen Kommissars einfach in die Reihe gehievt wurde, ist in dieser Folge besonders gut erkenntlich: so ist der Ermittler nur eine Nebenfigur und - das dürfte in der Serie einmalig sein - löst er den Fall überhaupt nicht. Vielmehr ist er gut eine Viertelstunde vor dem Ende des Films das letzte Mal zu sehen, die Entführerin bringt das Kind dann selbst zurück und verschwindet im Wald an der Grenze zu Österreich. Schließlich könnte man sämtliche - ohnehin spärlichen - Veigl-Auftritte aus dem Film gänzlich streichen, es würde nichts (!!!) an der Handlung ändern! Das ist für einen Krimi, bei dem eigentlich der regionale Ermittler im Mittelpunkt stehen sollte, schon eher bedenklich. Apropos Regionales: sieht man diesen Film, so hat man eher den Eindruck in einer österreichischen Produktion zu sein, denn sämtliche Hauptfiguren werden von österreichschen Darstellern (Marianne Nentwich, Walter Kohut, Louise Martini (+Walter Schmidinger in einer Nebenrolle)) dargestellt, der Regisseur und der Autor sind ebenfalls Wiener und der Dialekt der Bundeshauptstadt ist im Prozentanteil sicherlich 75% präsent, dem gegenüber stehen etwa 15% Bairisch und der Rest Hochdeutsch. Überhaupt ist der ganze Film kein wirklicher Krimi, vielmehr eine Art Komödie mit kriminalistischen Anleihen.
Bayern wird durch kurze - aber humorvolle - Auftritte beinahe sämtlicher Volksschauspieler repräsentiert: neben Helmut Fischer und Willy Harlander als Kriminalassistenten sind da etwa mit dabei: Walter Sedlmayr als Brauereibesitzer, der immer donnerstags eine Prostituierte aufsucht und seine Impotenz auf das heiße Wetter zurückführt, Rosl Mayr als Ladenbesitzerin, Hans Stadtmüller als betrunkener Kneipengast, Franziska Stömmer als Wirtin, Maria Stadler, Willy Schultes und und und.
Dass der Film in die Reihe gehievt wurde, dürfte wohl mit der originellen Darstellung des Oberinspektors Veigl zu tun gehabt haben, aus der man später noch etwas machen wollte: der griesgrämige Urbayer, der seinen Dackel Oswald in der Aktentasche mit ins Büro nimmt und dem er Bier statt Wasser (das er angeblich nicht kennt, nur im Tee mit Rum!) gibt, weiß zu unterhalten. Das Gespann Veigl & Oswald ist sicherlich eine besonders einfallsreiche Variante, einen Kommissar darzustellen.
Der Film von Michael Kehlmann, der (in der Tatort-Geschichte einmalig?) mit versetztem Vorspann beginnt, wirkt heute als Krimi angestaubt, als Sammelsurium an originellen und witzigen Sprüchen und skurrilen Figuren jedoch unterhaltsam. Als Tatort ist Münchner Kindl jedoch völlig unbrauchbar, zumal ihm das Lokalkolorit beinahe gänzlich fehlt, der Film zu 90% aus Studioszenen besteht und das Münchnerische nur am Rande vorkommt.
Der aktuelle Münchner Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl meinte über die Folgen aus den 1970er-Jahren, dass diese nur "unter musealem Aspekt" zu genießen seien. Das stimmt nur bedingt, trifft aber auf diesen ersten Veigl-Fall sehr gut zu. Es ist sicherlich auch kein Wunder, dass man 16 Folgen lang warten musste, ehe mit Folge 30 Weißblaue Turnschuhe der erste richtige Fall des Münchner Oberinspektors auf Sendung ging!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.09.2014 16:10
#9 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

TATORT MÜNCHEN - Veigls Fälle (2):
Blauweiße Turnschuhe

(Tatort Nr. 30)
Erstsendung ARD: 24.06.1973
Buch: Herbert Rosendorfer
Kamera: Günter Haase
Regie: Wolf Dietrich

Mit Gustl Bayrhammer, Hans Baur, Nikolaus Schilling, Franziska Liebing, Edd Stavjánik, Karl Obermayr, Maria Stadler, Franziska Stömmer, Günther Stoll und Dieter Eppler

Eine alte Dame erstattet auf dem Polizeirevier Anzeige: auf dem Bogenhausener Friedhof wurde ihr von einem Mann mit blauweißen Turnschuhen die Handtasche entwendet. Oberinspektor Veigl wird Zeuge des Gesprächs und nimmt sich der Sache in seinem Büro an. Noch am gleichen Tag kann er den Täter ausfindig machen. Der Zufall will es, dass dieser ihn Wochen später in einem anderen, längst aussichtslosen Fall weiter bringt: dem Entführungsfall Schneck ...

Weißblaue Turnschuhe ist der erste richtige Fall für Oberinspektor Veigl, nachdem er in Münchner Kindl eher eine obsolete Randfigur der Handlung war. Der bayerische Ermittler zeigt sich in dieser Episode etwas stur, knorrig, menschlich, humorvoll und vor allem sympathisch. Ihm ist die geraubte Handtasche samt 10 Mark einer 83jährigen Rentnerin wichtiger, als der aktuelle Entführungsfall. Denn, so der Mann mit dem Dackel, 10 Mark sind für so ein Frauerl ja mehr als ein paar Tausender für den entführten Herrn Schneck. Der Zufall (oder besser gesagt das reichlich humorvolle Drehbuch von Dr. Herbert Rosendorfer) will es, dass diese Spur ausgerechnet zur Auflösung des ungeklärten Entführungsfalls führt. Zum zweiten Mal nun kommt der München-Tatort ohne Mord aus. Das Vergnügen schmälert sich dadurch jedoch nicht. Vielmehr vergeht die Zeit wie im Flug, wenn man Veigl bei seiner Arbeit zu sieht und den teilweise sehr komischen, urbairischen Dialogen Herbert Rosendorfers zuhört. Dieser Mann hatte ein ausgesprochenes Gespür für gute, menschliche Geschichten: das manifestiert sich auch und vor allem in seinen Büchern zur Polizeiinspektion 1 (wofür er sich sicherlich nicht zuletzt durch seine Arbeit am Münchner Tatort qualifizierte), wo es unter anderem auch ähnliche Szenen wie in dieser Folge gibt, wie z. B. jene, in der sich die alte Dame daran erfreut, im hohen Alter noch mit der Funkstreife mitfahren zu können. Fast analoge Szenen gibt es in der Polizeiinspektion 1 mit Rosl Mayr als unvergesslicher Frau Gmeinwieser. Rosendorfer, gelernter Richter, hatte aber auch ein Gespür für gute kriminalistische Geschichten. Das zeigt sich in der vorliegenden Episode vor allem daran, wie die unterschiedlichen Fälle ineinander führen, aber auch später in seinen ernsteren Beiträgen zu Der Alte und Ein Fall für zwei (vor allem die Topfolge Der Jäger als Hase).
Flankiert wird Gustl Bayrhammer in seinem 2. Fall von vorzüglichen Darstellern, neben seinen Assistenten Helmut Fischer & Willi Harlander, sind hier besonders Karl Obermayer und Niklaus Schilling (der in der Rolle gleich heißt!) hervorzuheben, in weiteren Nebenrollen sind bayerische Originale (Hans Baur, Franziska Stömmer, Maria Stadler) zu sehen, eine sehr kleine Rolle spielt Günther Stoll als Rechtsanwalt. Als Gastkommissar ist diesmal Dieter Eppler als Saarbrückener Ermittler Liersdahl zu sehen, der - auch das in der Tatort-Geschichte einmalig- öfter als Gastkommissar auftritt, als in eigenen Fällen, derer er nur zwei hatte.
Eine sehr stimmige, unterhaltsame und auch spannende Episode!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

17.09.2014 21:20
#10 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

TATORT MÜNCHEN - Veigls Fälle (3):
Tote brauchen keine Wohnung

(Tatort Nr. 34)
Erstsendung ARD: 11.11.1973
Buch: Michael Molsner
Musik: Gruppe 18 karat
Kamera: Michael Ballhaus
Regie: Wolfgang Staudte

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willi Harlander, Andreas Seyferth, Veronika Fitz, Walter Sedlmayr, Maria Singer, Mady Rahl, Wilhelm Zeno Diemer, Hans Höckermann u. v. a.

Josef Bacher, ein Außenseiter, kehrt nach München zurück, wo er sich vom Bauunternehmer Pröpper engagieren lässt, in dessen eigenen alten Miethäuser Wände und Heizungen zu demolieren, um die Mieter zum Auszug zu bewegen. Pröpper möchte nämlich so schnell als möglich Neubauten errichten. Eines Tages wird Frau Altmann, eine Mieterin, tot aufgefunden. Bacher gerät unter Verdacht. Veigls Ermittlungen tun jedoch einen Abgrund auf ...

"Ich habe keine Angst vor Menschen - aber manchmal habe ich Angst um die Menschen", so äußerst sich Oberinspektor Veigl gegenüber dem dreizehnjährigen Jungen, der in einem Abbruchhaus in St. Anna wohnt. Der Kriminalbeamte befindet sich diesmal in einer Münchner Gegend, die man sonst etwa im Ringelmann-Krimi so gut wie nie zu sehen bekommt: die Kamera von Michael Ballhaus fängt abbruchreife Altbauten ein, die ein Miethai und Bauunternehmer namens Pröpper niederreißen will, um Neubauten zu errichten. Dazu instrumentalisiert er einen Außenseiter, der durch Zerstörungen die alten Mieter dazu bringen soll, auszuziehen. Ein zeitloser Stoff, heute genauso aktuell wie damals. Das besondere an Wolfgang Staudtes erster Arbeit für den Tatort ist jedoch der Umstand, dass der Film nur auf den zweiten Blick ein Kriminalfilm ist. Dies schreiben auch Heinz-Jürgen Köhler und Hans Jürgen Wulff in ihrer Analyse "Wohnungskriminalität. Tote brauchen keine Wohnung" (p. 133) in dem in einem anderen Thread schon zitierten Tatort-Buch Eike Wenzels (Ed.):

"Ein Krimi im Sinne eines Whodunit ist TOTE BRAUCHEN KEINE WOHNUNG allenfalls in zweiter Linie. In erster Linie geht es um das Wohnen. >> Nur Tote brauchen keine Wohnung<< könnte man den Titel zuspitzen – denn wer lebt, braucht eine, als Rückzugsort [...]"

Michael Molsner, früher Gerichtsreporter, erzählt eher ein Sozialdrama und zeigt die Not der Menschen, die in Versammlungen und Kundgebungen versuchen, gegen den im Recht befindlichen Bauherrn aufzubegehren. Veigl, ein Vertreter des Gesetzes, bedauert und sieht machtlos zu, dass der von Walter Sedlmayr herrlich perfide gespielte Mann laut Justitia am längeren Hebel sitzt. Ganz klar wirft Veigl, der eigentlich unparteiisch sein sollte, sich jedoch auf die Seite der Mieter (und das Drehbuch tut das auch!). Molsner schildert die Probleme und das Innenleben der zum Abbruch bestimmten "Gesellschaft" und berichtet darüber, wie man lebt: herkömmlich traditionell oder eben "modern", was Wohngemeinschaften und Hippie-WGs mit einbezieht. Bei einer Versammlung lässt er seine Figuren gar die 68er-Themen aufgreifen und ein ältlicher Herr fordert soviel Spaß für die alte Generation als für die junge, und verlangt dabei Gruppensex für Alte. Veigl weilt in vielen Szenen nur als Beobachter vor Ort, zeigt sich in dieser Episode aber wie in keiner anderen so menschlich wie selten. Ein Kommissar zum Anfassen, ein Mensch, der einem hilft und sich auf die Seite der Schwachen schlägt. Soweit ich mich erinnere, wurde Veigl in keiner anderen Episode derart anthropophil dargestellt. Da bleibt auch keine Zeit für den in den anderen Episoden vorhandenen Humor, selbst Dackel Oswald wird nicht beim Namen genannt und kommt nur in einer sekundenlangen Einstellung vor.
Schauspielerisch hat diese Arbeit von Wolfgang Staudte gute Leistungen zu bieten: allen voran natürlich Sedlmayr, dessen böse Art und Weise den Bauunternehmer darzustellen dazu führte, dass die Episode fast 20 Jahre lang gesperrt war (erste Wiederholung erst 1992!). Ein Ausnahmeschauspieler, leider viel zu selten in derart ernsten Rollen! Bayrische Prominenz tummelt sich natürlich auch am Tatort und ist diesmal am Prominentesten durch Veronika Fitz (in Minirock und Ausschnittbluse!) vertreten. Hans Baur tritt letztmalig als Chef Veigls auf, in der darauffolgenden Episode 3:0 für Veigl hat ein neuer Vorgesetzter das Sagen. Artur Brauss spricht - sonst eher selten gehört - bairisch und gibt glaubwürdig einen Wirt, Andreas Seyferth als Außenseiter ist sehr glaubhaft, seine Erzählungen über das Heim, in dem er gefangen war, sind ekelerregend realistisch und tun Abgründe auf.
Insgesamt ist Tote brauchen keine Wohnung mit Sicherheit gewöhnungsbedürftig, zumal Gefahr läuft, sich zu langweilen, wenn man sich einen typischen Tatort-Krimi erwartet. Action kommt nur - und das ist für einen Gastkommissarsauftritt auch eher ungewöhnlich - in den in Bremen spielen Szenen vor (Hans Höckermann ist der Ermittler), bei denen es eine Verfolgungsjagd gibt. Ansonsten ist die Episode eher ein Problemfilm (+ tragischer Auflösung!), mit einem sympathischen und menschenfreundlichen Kommissar als Hauptfigur, der zu dem 13jährigen Jungen auch noch eine Art großväterliche Beziehung aufbaut. Als Kriminalfilm eigentlich nicht genießbar.




TATORT MÜNCHEN - Veigls Fälle (4):
3:0 für Veigl

(Tatort Nr. 40)
Erstsendung ARD: 26.05.1974
Buch: Michael Kehlmann & Carl Merz
Kamera: Manfred Ensinger
Regie: Michael Kehlmann

mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willi Harlander, Edwin Noël, Klaus Löwitsch, Karl-Maria Schley, Fritz Strassner, Wilfried Klaus, Uli Steigberg, Gustl Weißhappel, Heinz Beck, Werner Schumacher u. v. a.

Der Münchner Oberinspektor Veigl muss an drei Fällen gleichzeitig arbeiten: dem mysteriösen Tod einer Frau im Schlafzimmer, der Fälschung von Eintrittskarten zur Fußball-WM in München 1974 und der Klärung eines Raubüberfalls. Der "bedackelte" Ermittler schafft das natürlich mit Links ...

3:0 für Veigl unternimmt den Versuch, den Alltag eines Münchner Kommissars darzustellen. Nicht ein Fall, sondern mehrere werden - wie in Wirklichkeit - parallel behandelt. Dabei ist das Drehbuch von Kehlmann/ Merz anfangs doch etwas verwirrend, da man erst mal überlegen muss, auf welcher Handlungsebene wir uns gerade befinden. Entsprechend der vielen Fälle weist diese Episode auch eine ewig lange Besetzungsliste auf und hat in Gastrollen zahllose Schauspieler, die kaum mehr als eine oder zwei Minuten mit dabei sind. Darunter stechen etwa Karl-Maria Schley als Ehemann einer Toten oder auch Edwin Noël als Polizist hervor. Bayerische Urgesteine wie Max Grießer oder Fritz Strassner sind natürlich auch obligatorisch mit dabei.
Die Folge überzeugte mich erst gegen Ende, als Veigl drei Mal hintereinander die jeweiligen Fälle recht originell aufklärt. Überhaupt ist das Zusammenspiel zwischen dem Oberinspektor und seinem Hund Oswald beinahe das Sehenswerteste in dieser Episode, weil es auch besonders humorvoll ist. Dackel Oswald ist zweifellos Frau- und Kinderersatz (die Frau ist ihm ja - das erfahren wir in Episode 1 - weggelaufen), mit dem er diskutiert, den er belehrt und mit dem er spricht. Natürlich wird das geliebte Tierchen weiterhin in der Aktentasche herumgetragen und darf diesmal am Ende sogar einen Bösewicht ins Bein beißen, so dass dieser von Veigl überwältigt werden kann. Größter Gag am Ende ist jedoch, dass Veigl sich mit einer der beschlagnahmten gefälschten Eintrittskarten zur Fußball-WM Eintritt zu einem Spiel verschafft. Dackel Oswald sagt er: "Wenn d'anderen g'winnen, dann derfst sie beißen!".
Gastkommissar ist Lutz aus Stuttgart, dessen Auftritt eigentlich restlos gestrichen werden könnte, da er überhaupt nicht in die Handlung involviert ist.
Abschließend hinterlässt die Episode dank der letzten 20 Minuten doch noch einen halbwegs guten Eindruck, auch wenn sie weit entfernt von der Oberliga der Tatorte ist. Im Gegensatz zur tristen Vorgängerepisode Tote brauchen keine Wohnung ist sie jedoch sehr erheiternd und agiert auf Humorebene auf Polizeiinspektion 1-Niveau.

P. S.: Übrigens liest Gustl Bayrhammer später als Meister Eder in einer Episode der Serie Meister Eder und sein Pumuckl (Der große Krach und seine Folgen) den Kriminalroman "3:0 für Veigl"!

Georg Offline




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22.09.2014 10:27
#11 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

TATORT MÜNCHEN - Veigls Fälle (5):
Als gestohlen gemeldet

(Tatort Nr. 48)
Erstsendung ARD: 16.02.1975
Buch: Erna Fentsch
Musik: Rolf Wilhelm
Kamera: Luy Briechle
Regie: Wilm ten Haaf

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willi Harlander, Hans Baur, Gisela Uhlen, Susanne Uhlen, Ralf Wolter, Felix Franchy, Harry Kalenberg und Walter Richter

Am Straßenrand wird an einem Montagmorgen ein Schwerverletzter gefunden. Es handelt sich dabei um einen gewissen Otto Jirisch, KFZ-Meister in der Werkstatt von Frau Stumm. Für Oberinspektor Veigl stellt sich die Frage: Unfall oder Mord? Als das Opfer stirbt, und bekannt wird, dass der Firma, für die Jirisch gearbeitet hatte, immer wieder frisch gekaufte Autos gestohlen wurden, kommt endlich Bewegung in den Fall ...

Als gestohlen gemeldet ist ein klassischer Whodunit-Krimi, in dessen Mittelpunkt eine ältere Frau, gut gespielt von Gisela Uhlen, steht, die eine Beziehung zu einem jüngeren Mann hat, der sie ins Kriminelle mit hineinzieht. Dieser steigt freilich - ohne Wissen der Mutter - auch mit der wesentlich attraktiveren 18jährigen Tochter (Uhlens Tochter Susanne) ins Bett. Motive gibt es also, ebenso wie Rückblenden, die hier im Gegensatz zu den Szenen, die in der Gegenwart spielen, in schwarz/weiß gehalten sind. Erna Fentsch' Geschichte ist nicht unspannend, die Inszenierung Wilm ten Haafs weist jedoch einige Längen auf. Ob die Besetzung der Rolle des Herrn Leu mit Ralf Wolter eine Gute Entscheidung war, kann ich nicht genau beurteilen. Für mich wirkt er in diesem Part etwas unglaubwürdig. Neben ihm und den Uhlens fand ich Harry Kalenberg als Versicherungsvertreter gut und natürlich den Gastauftritt von Herrn Trimmel aus Hamburg. Schön, dass nach einer Pause nun auch wieder Hans Baur als Kriminaldirektor mit dabei ist.
Veigl - ab jetzt mit Schnauzbart - selbst läuft in dieser Folge zur Höchstform auf, sowohl in der Art und Weise, wie er die Ermittlungen führt, als auch was den Umgang mit den anderen betrifft. Humor inbegriffen, Dackel Oswald darf natürlich diesmal auch nicht fehlen. Etwas unglaubwürdig wirkt jedoch, dass der gemütliche Herr Oberinspektor den Abend im Anzug auf dem heimischen Sofa bei einem Glas Wein und Musik ausklingen lässt. Etwas legerere Kleidung wäre da glaubhafter gewesen.
Insgesamt ist diese Folge dann doch recht sehenswert, wenn sie auch nicht zu den besten zählt, im Vergleich aber zu dem Antikrimi Tote brauchen keine Wohnung um Meilen spannender.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.09.2014 10:38
#12 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Tatort München - Veigls Fälle (6):
Das zweite Geständnis

(Tatort Nr. 51)
Erstsendung ARD: 11.05.1975
Buch: Michael Molsner
Musik: Arpad Bondy
Kamera: Werner Kurz
Regie: Wilm ten Haaf

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willi Harlander, Hans Baur, Wilmut Borell, Veronika Fitz, Lisa Fitz, Peter Schiff, Siegfried Rauch, Werner Schnitzer, Sigfrit Steiner und Heinz Schimmelpfennig

Koczyk, ein aus der DDR geflohener Mann, sitzt in Untersuchungshaft: er soll seine attraktive Schwägerin Thea Schweiger ermordet haben. Zu allem Überfluss gesteht er seinem Zellengenossen Huber am Abend vor dem Prozess auch noch die Tat. Alles scheint klar zu sein, doch Oberinspektor Veigl hat Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Seine Hartnäckigkeit zahlt sich auch diesmal wieder aus.

Nach dem eher problemfilmartigen Veigl-Tatort Tote brauchen keine Wohnung von Michael Molsner ist dessen zweiter Beitrag Das zweite Geständnis nun ein echter Krimi. Originell ist die Dramaturgie, beginnt der Film doch im Gefängnis in der Gegenwart. Dann werden in Rückblenden die vorhergegangenen Ereignisse geschildert, wobei es sogar Rückblenden in den Rückblenden gibt. Eine Art der Erzählweise, die häufig im DDR-Polizeiruf 110 angewandt wurde und die sich der Autor möglicherweise von dort abgeschaut hat.
Hervor sticht in seiner darstellerischen Leistung Wilmut Borell, der als sympathischer Dambrowski aus der Vorabendserie Isar 12 große Beliebtheit erlangte. Im vorliegenden Tatort gelingt es dem Darsteller, keinen Moment Sympathie für ihn aufkommen zu lassen. Er spielt einen "schlechten" Menschen, gegen den man nur Abscheu empfinden kann. Selbst Veigl kann sich "Sie sind ein Unsympathischer...!" nicht verkneifen. Die Darstellung Borells, der sich als des Mordes beschuldigter je nach Situation auch charakterlich wandeln kann, hat zur Folge, dass man als Zuseher geneigt ist, ihn sofort als Schuldigen zu sehen. Veigls große Stärke ist es dann, den Fall doch nochmals aufzurollen, auch wenn er - wie erwähnt - Abneigung gegenüber dem Mann empfindet. Das spricht für seinen Gerechtigkeitssinn. Alle wollen bereits die Sache einstellen, aber der Münchner Oberinspektor hegt weiterhin Zweifel und so stellt er weitere Nachforschungen an. So wird aus dem Film noch ein anständiger Whodunit mit überraschender Auflösung. So brillant wie Borell spielt in dieser Episode niemand, hervorzuheben ist jedoch Lisa Fitz als femme fatale. Veronika Fitz ist in üblicher Rolle zu sehen, Toni Berger als Wirt. Peter Schiff ist in einem ungewohnten Part mit dabei, Siegfried Rauch verblasst etwas angesichts der anderen starken Darsteller. Immerhin bleibt auch Werner Schnitzer - der spätere sympathische Kommissar Hahne aus Siska - als nicht gerade sympathischer Zeitgenosse und Gefängnisinsasse in Erinnerung. Als Gastkommissar ist diesmal Gerber (Heinz Schimmelpfennig) aus Baden Baden dabei, der seine bescheidenen fünf eigenen Tatort-Auftritte um ein weiteres Auftauchen bereichert. In meinen Augen war auch er ein besonders guter Kommissar.
Veigl erweist sich also (auch dank der exzellenten Darstellung des großartigen Gustl Bayrhammers) als Spürhund, auch wenn er diesmal leider erstmals ohne Dackel Oswald auskommen muss. Dem Zuseher bleibt das eigenwillige Tierchen nur als Bild auf dem Schreibtisch des Oberinspektors in Erinnerung.
Das zweite Geständnis ist zweifellos der in meinen Augen bisher beste Tatort mit Veigl, wenn man den Beitrag Blauweiße Turnschuhe wegrechnet, in dem es um keinen Mord ging und der ja eher eine Krimikomödie war. So darf der Münchner weiter arbeiten ...

Georg Offline




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27.09.2014 22:11
#13 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

TATORT MÜNCHEN - Veigls Fälle (7):
Wohnheim Westendstraße

(Tatort Nr. 63)
Erstsendung ARD: 09.05.1976
Buch: Herbert Rosendorfer frei nach einem Hörspiel von Luigi Squarzina
Kamera: Xaver Schwarzenberger
Regie: Axel Corti

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willy Harlander, Hans Baur, Renzo Martini, Piero Gerlini , Ugo Fangareggi, Margot Leonhard, Veronika Fitz, Karl Obermayr, Toni Berger, Jörg Hube, Kurt Weinzierl, Liliana Nelska u. v. a.

Ein Betriebsunfall mit Todesfolge - so sieht es zumindest aus. Doch Veigl, nunmehr zum Hauptkommissar befördert, findet recht schnell heraus, dass der Tod des italienischen Gastarbeiters nicht am Fundort der Leiche - einem Bahndamm - eingetreten ist und dass auch die Todeszeit nicht stimmt. Wie kam der Mann aber dann durch Starkstrom um? Die Ermittlungen führen den Kommissar in das Wohnheim Westendstraße, wo alle möglichen ausländischen Gastarbeiter untergebracht sind. Dann verschwindet auch noch ein Italiener spurlos. Zu allem Überfluss muss der Münchner Ermittler auch noch seinen Assistenten, Kriminalhauptmeister Lenz, zur Ermittlung gegen Schwarzarbeit abstellen. Wie sich jedoch bald herausstellt, ist das ein Glücksfall. Denn eine von Lenz aufgedeckte Schwarzbaustelle scheint mit dem Todesfall, in dem Melchior Veigl ermittelt, zu tun zu haben ...

Nun ist Melchior Veigl nicht nur seinen Dackel los (dieser ist nur mehr auf einem gerahmten Bild zu sehen), sondern auch seinen Titel: der Oberinspektor - laut ihm eine bayerische Bastion - wurde abgeschafft und der bundesdeutsche Hauptkommissar eingeführt. Der Münchner Ermittler zeigt in dieser Folge wieder mal viel Toleranz, auch wenn er manchmal durch Sprachbarrieren den Menschen, mit denen er hier zu tun hat, etwas skeptisch gegenüber steht. Dafür scheint er sich mit der Dolmetscherin (sehr glaubhaft dargestellt von Margot Leonhard), die ihm darüber hinweg hilft, anzufreunden und geht mir ihr nach Feierabend sogar noch auf ein Glas Wein.
Ein Hörspiel von Luigi Squarzina diente als Grundlage für einen Tatort, der einerseits eine doch "unterhaltsame" Jagd nach dem Täter, andererseits aber auch das teils unmenschliche Leben der Gastarbeiter zeigt: zusammengepfercht in 6er- und 8er-Schlafräumen auf engstem Raume ohne Privatsphäre, im Konflikt mit anderen Nationen sowie ausgebeutet und zur Schwarzarbeit angestiftet. Von Regisseur Axel Corti, sonst auf qualitätsvolle Literaturverfilmungen und anspruchsvolle Dokumentarspiele abonniert, hätte man auch keinen "geraden" Krimi erwartet.
Das Drehbuch des gelernten Richters Dr. Herbert Rosendorfer hat natürlich wieder einige Seitenhiebe und bayerischen Humor parat. Veigl sehen wir - wie erwähnt - erneut als menschlichen Ermittler, an seiner Seite ist diesmal Assistent Brettschneider derjenige, der mal aus dem Rahmen fallen darf und sogar Undercoverermittlungen à la Franz Josef Wanninger als Arbeiter auf dem Bau getarnt anstellt. In weiteren Rollen sind erneut Toni Berger und Veronika Fitz zu sehen, die zum Stammpersonal des Bayern-Tatorts gehören. Berger passt diesmal sehr gut in die Rolle des "Bauherrn", Fitz als Kellnerin, die sich mit Ausländern auf Liebesabenteuer einlässt, ist glaubhaft und sympathisch. Sehr gut auch wieder mal Karl Obermayer als böser "Arbeitsvermittler". Hervorheben möchte ich auch den großartigen Kurt Weinzierl, hier als Türke zu sehen, dessen Engagement ebenso wie jenes der in Deutschland wohl völlig unbekannten Liliana Nelska (der Schwiegertochter des Mundl aus der Kultserie Ein echter Wiener geht nicht unter) dem Regisseur Axel Corti zu verdanken ist. Mit ihm hatte Weinzierl vier Jahre zuvor den herausragenden Film Der Fall Jägerstätter gedreht, in dem er einen Wehrdienstverweigerer spielte und dabei sein großes schauspielerisches Talent zeigen konnte. Später wurde dieser formidable Schauspieler leider allzu oft in der Rolle des "Deppen" verheizt. Hier überzeugt er (wenn auch erst auf den zweiten Blick erkennbar) sehr.

Georg Offline




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28.09.2014 10:54
#14 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Tatort München - Veigls Fälle (8):
Das Mädchen am Klavier

(Tatort Nr. 70)
Erstsendung ARD: 02.01.1977
Buch: Erna Fentsch
Musik: Siegfried Schwab
Kamera: Gero Erhardt
Regie: Lutz Büscher

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willi Harlander, Hans Baur, Otto Bolesch, Michael Degen, Karin Hübner, Werner Asam, Ruth Drexel, Sissy Höfferer, Helen Vita, Else Quecke, Hans Zander u. v. a.

Die Schule brennt! In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli zündet jemand am Münchner Stadtrand ein Schulgebäude an. In den Überresten wird die verkohlte Leiche einer Frau gefunden, die erwürgt wurde. Nun muss geklärt werden, wer die Tote war. Veigls Ermittlungen führen zum Schulwart Riedel, der zur Zeit im Urlaub ist und sich am Chiemsee mit einem jungen Mädchen vergnügt, während ihn seine Ehefrau sucht. Für den routinierten Hauptkommissar ist rasch klar: dieser Mann hat etwas mit der Sache zu tun, weshalb er auch Lenz undercover auf ihn ansetzt. Unterdessen geht die Suche nach der Identität der toten Frau weiter. Ein Amulett führt die Ermittler schließlich zur Identität, als eine alte Frau dieses bei der Fernsehfahndung wieder erkennt ...

Diese sommerliche Episode ist gut besetzt: Werner Asam gibt den wahrlich unsympathischen Proleten, der es im Leben zu nichts gebracht hat, aber auf großem Fuss lebt. Trotz seines Machogehabes ("Baby, halt's Maul") kann er ein junges, attraktives Mädchen an sich binden, die ihm ein Alibi gibt. Sissy Höfferer, hier gerade mal 21 Jahre alt, passt optisch auch viel besser als Ruth Drexel, die die resolute Ehefrau gibt. Michael Degen wiederum verkörpert einen Architekten, der mit seiner beeinträchtigten Tochter ein schweres Schicksal zu tragen hat. Die Ermittler lassen es sich in dieser Episode gut gehen, heute wäre es unvorstellbar, im Dienst ein Bier zu trinken, Veigl genießt in der Mittagspause Schweinsbraten mit Knödeln. In dieser Episode haben wir auch traurige Gewissheit darüber, dass Dackel Oswald tot ist. In einer Szene meint nämlich der Kriminaldirektor (in manchen Szenen auch "Kriminalrat"): "Jetzt bräuchtma dem Oswald sei' Spürnase", worauf Veigl erwidert: "So eine gibt's nicht mehr, drum kauf i mir a koan Hund mehr".
Lutz Büscher hätte die Handlung ruhig etwas straffen können, die Wasserskiszenen etwa sind wirklich überflüssig.
Im Gegensatz zum Chiemsee, auf dem der Bonvivant Enrico täglich für 200 Mark Wasserski fährt, schlägt das Drehbuch Erna Fentsch' keine Wellen, die Handlung plätschert geradlinig vor sich hin. Immerhin bietet die tragische Auflösung eine Überraschung. Persönlich hatte ich diese Episode jedoch viel stärker in Erinnerung. Ein durchschnittlicher Tatort.

Georg Offline




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29.09.2014 10:25
#15 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Tatort München - Veigls Fälle (9):
Schüsse in der Schonzeit

(Tatort Nr. 77)
Erstsendung ARD: 17.07.1977
Buch: Willy Purucker
Musik: Frank Duval
Kamera: Klaus Werner
Regie: Helmuth Ashley

Mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willi Harlander, Ingrid Capelle, Werner Asam, Martin Semmelrogge, Siegfried Rauch, Veronika Fitz, Hans Stadtmüller, Jörg Hube, Rosl Mayr u. v. a.

Ein totes Mädchen liegt in einem Schlafsack mit Reisig zugedeckt im Grünwalder Forst. Getroffen wurde sie von einer Kugel, die möglicherweise aus einem Gewehr stammen könnte. Veigl übernimmt den Fall und findet recht rasch heraus, dass der Angelpunkt eine Wirtschaft in der Nähe ist, vor der kurz vor dem Mord ein Wagen gestohlen wurde. Nebenbei klärt der Münchner Ermittler auch noch einen Fall von Wilderei auf ...

Herr Veigl hat diesmal Besuch von einer Kollegin aus Berlin, mit der er liebäugelt, aber natürlich strikt per Sie ist. Dafür nimmt er sich auch schon mal einen Tag frei und besucht mit ihr ein Bauerntheater im tiefsten Bairisch, wo er als ihr Dolmetscher fungiert. Überhaupt wirkt Veigl unter Ashleys Regie und nach Puruckers Text sehr frisch und mit trockenem Humor ausgestattet, auch und vor allem im Umgang mit seinen Untergebenen. Hier ist es vor allem Herr Brettschneider, ab nun mit Oberlippenbart, der versucht "witzig" zu sein, was Veigl mit "Sie sind auf dem Weg zu einem Komiker" quittiert. Später mahnt er seinen Untergebenen noch auf charmante Art zurecht, dass dieser endlich einmal lernen solle, was der Unterschied zwischen Eindringen und Einbrechen ist.
Besetzt ist dieser Film teilweise recht stereotyp: Werner Asam und vor allem Martin Semmelrogge sind in ihren üblichen Rollenklischees, den kleinen Kriminellen, zu sehen. Immerhin passen diese Rollen ganz gut zu ihnen. Veronika Fitz, nunmehr zum 4. Mal bei Veigl mit dabei, spielt eine Mutterrolle, wobei sie in meinen Augen als Erzeugerin von Werner Asam zu jung wirkt und somit eine Fehlbesetzung in dieser Hinsicht ist: Fitz ist Jahrgang 1936, Asam 1944, das geht sich kaum aus. Auch dass der 33jährige Asam einen 20jährigen spielt ist etwas unglaubwürdig und erinnert an Besetzungen, wie sie in dieser Art und Weise nur bei Helmut Ringelmann vorkamen, wo weit über 40jährige Damen 18jährige Mädchen spielten. Siegfried Rauch als Stiefvater ist da weitaus glaubwürdiger, ebenso Jörg Hube als Wirt, der wie Rauch nun schon zum wiederholten Male mit dabei ist. In Nebenrollen sind übliche bayerische Darsteller zu sehen, Ludwig Wühr oder Rosl Mayr beispielsweise, unterhaltsam ist die Rolle von Hans Stadtmüller als großväterlicher Hehler der Ware seines Enkels.
Die Geschichte stimmt an und für sich, ist spannend und überrascht mit einem tragischen Ende. Einer der besten Veigl-Tatorte, der insofern etwas ganz Besonderes ist, als dass er der einzige Beitrag des genreerprobten Helmuth Ashley für die gesamte Reihe ist und somit für Fans von Krimisoundtracks eine perfekte Wahl war: bei Schüsse in der Schonzeit lernte der Regisseur nämlich Frank Duval kennen und schätzen und holte ihn anschließend zu Ringelmann. Ein Glücksfall, denn wie wir wissen, war Duval über 20 Jahre lang der Stammkomponist von Ringelmanns Produktionen. Auch im vorliegenden Film liefert er einen ins Ohr gehenden Soundtrack ab.

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