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Dieses Thema hat 37 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Jan Offline




Beiträge: 1.753

17.04.2020 20:07
#31 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Zitat von Ray im Beitrag #30
Dann warte ich lieber auf (sporadische) Ausstrahlungen. Da zeigt sich allerdings auch das "Flickenteppich"-Prinzip. Trotz gefühlt 20 Tatort-Wiederholungen pro Woche scheint es nicht möglich zu sein, da wenigstens partiell Struktur reinzubringen. Chronologische Wiederholungen wie bei den Drache-Tatorten Ende 2018 gibt es selten.

Ich kann mich da seit Jahren auch ohne Ende aufregen. Wie oft hat es 3Sat geschafft, den Kommissar oder den Alten chronologisch zu senden? Warum das zum Henker nicht mit dem Tatort klappen soll, erschließt sich mir nicht. Es muss nicht im Hauptprogramm der ARD sein. Es gibt unzählige Spartensender, die sowas - meinetwegen auch zu fortgeschrittener Stunde - ins Programm nehmen könnten. ARD alpha beispielsweise sendet seit Ewigkeiten unter dem Titel alpha-retro total verschrobene Dokumentationen aus den 1950er bis in die 1990er Jahre. Dass es insofern keinen Markt für das alte Zeug gäbe, kann ich mir nicht denken. 3Sat oder sogar arte kämen als geeignete Sender infrage, den Tatort einmal chronologisch zu senden.

Gruß
Jan

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

17.04.2020 21:54
#32 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Ich habe mich lange geweigert, überhaupt DVDs aus der Icestorm-Reihe zu holen. Jetzt habe ich doch bei 70er- und 80er-Box, Trimmel und Finke zugeschlagen, trotz des teilweise falschen Bildseitenverhältnisses. Bei diesen Fällen dürfte es recht lange dauern, sich alles einzeln zusammenzusammeln, auch wenn die Zusammenstellungen natürlich nach wie vor lückenhaft sind (selbst in der Trimmel-Box sind nur 8 von 11 Fällen enthalten). Haferkamp habe ich bewusst ausgelassen, weil mir da mit einigen wenigen Ausnahmen die Folgen als Aufzeichnungen vorliegen (ähnlich auch Kressin und Schimanski). Der WDR ist ja einer der vorbildlichsten alten "Tatort"-Wiederholer, wenn auch nicht in restaurierter Bildqualität.

Eine Komplettausstrahlung aller "Tatorte" im TV dürfte illusorisch sein. 97 Folgen "Kommissar" sind doch eine andere Hausnummer als 1130 Folgen "Tatort". Selbst die 70er- und 80er-Fälle allein kommen immerhin auf 226 Folgen (bzw. 239 inklusive der ORF-Zusatzepisoden). Da dürfte es wohl nur senderweise klappen, sodass z.B. der BR seine eigenen, der SWR seine eigenen, der RBB seine eigenen Klassiker-Fälle usw. ausstrahlt. Das sind dann überschaubare Zahlen.

Sonst wäre ich bei einer chronologischen Komplettveröffentlichung auf DVD trotz der neulichen Boxenkäufe sicher dabei.

brutus Offline




Beiträge: 13.030

17.04.2020 22:45
#33 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Am liebsten wär mir ja, die ARD würde sich endlich mal aufraffen alle Tatorte ohne jedwede zeitliche oder räumliche Beschränkung in ihre Mediathek zu stopfen, dann könnte sich jeder seine Favoriten anschauen wann und wie oft er will und man wäre weder auf obskure Veröffentlichungsstrategien diverser Labels angewiesen, noch auf willkürliche Wiederholungen.
Ich bin ja froh zumindest die ersten 25 Jahrgänge (also die Folgen 1 - 300 + 13 ORF-Episoden) als Aufzeichnung zu besitzen, die ich allerdings momentan völlig achronologisch durcharbeite

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.04.2020 16:45
#34 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten



Tatort: Tote brauchen keine Wohnung
Oberinspektor Veigl ermittelt in München

Episode 34 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Wolfgang Staudte. Drehbuch: Michael Molsner. Mit: Gustl Bayrhammer (Oberinspektor Veigl), Helmut Fischer (Oberwachtmeister Lenz), Willy Harlander (Wachtmeister Brettschneider), Hans Baur (Kriminalrat Härtlinger). In Gastrollen: Andreas Seyferth, Walter Sedlmayr, Mady Rahl, Arthur Brauss, Maria Singer, Wilhelm Zeno Diemer, Elisabeth Karg, Veronika Fitz, Robert Seidl, Hertha Worell, Hanna Burgwitz, Holger Hagen, Veronika Faber u.a. Erstsendung: 11. November 1973, ARD. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks.

Zitat von Tatort (34): Tote brauchen keine Wohnung
Josef Bacher kommt aus Bremen zurück nach München. Ausgerechnet in dem Viertel, in dem seine Familie wohnt und das momentan von großen Veränderungen im Immobilienbereich betroffen ist, soll er für den gierigen Vermieter Pröpper das „Mädchen für alles“ spielen. Nicht nur zieht sich Bacher auf diese Weise schnell den Zorn der Nachbarschaft zu; auch liegt seine Wirtin bald tot in ihrer Wohnung. Gehen Pröppers Methoden soweit, Mieter für schnelleren Profit durch Bacher ermorden zu lassen? Oder steckt ein Mieter aus dem Hause dahinter, der in der aufgeheizten Situation den Kopf verloren hat?


Auch wenn der BR wegen der politischen Gremienverteilung gemeinhin eher als „Schwarzfunk“ denn als „Rotfunk“ gilt, so muss man „Tote brauchen keine Wohnung“ doch wohl zumindest als eine versöhnende Handreichung an die Ide(-ologi-)en der antikapitalistischen 68er-Generation verstehen. In seinem Drehbuch versuchte Michael Molsner alles Menschenmögliche, um einerseits kein gutes Haar am Hausbesitzer Pröpper zu lassen und andererseits Investoren und Großkonzerne schlechtzureden. Unterstützt wird das von Wolfgang Staudte, der nicht ohne Grund in der Nachkriegszeit noch gern und lang bei der DEFA arbeitete: Seine Inszenierung formt aus dem Lehel ein heruntergekommenes Viertel der Rentner und Kommunarden, die in ihrer Finanzschwäche vor den Machtspielen von Kapitalisten und Stadtverwaltung erschaudern und folglich zur Revolution blasen. Dass dabei zwei Leichen anfallen, die Oberinspektor Veigl beschäftigen, ist für Molsner und Staudte offenbar eher Nebensache, denn hauptsächlich sind sie damit beschäftigt, dem Publikum die Gedankengänge der Stadt-für-alle-Anhänger nahezubringen. Es kümmert sie auch herzlich wenig, dass kein Gesetz der Welt es allen Menschen als Grundrecht verankert, für kleines Geld zwischen Englischem Garten, Bayerischer Staatskanzlei und Isarufer wohnen zu dürfen – ein kurzer Hinweis, die Vorstadt sei eine Zumutung, muss genügen.

Es geht die Legende um, dass wegen Walter Sedlmayrs „menschenverachtender“ Darstellung eines „Miethais“ die Episode für fast zwei Jahrzehnte im Giftschrank landete. Dagegen spricht die für Sedlmayrs Verhältnisse fast schon zurückhaltende Verkörperung des Vermieters Pröpper, der zwar seine Standpunkte streitbar vertritt, im Vergleich zu den prügelnden, verleumdenden und einander vergiftenden Mietern fast schon mit weichen Bandagen agiert. Das liegt auch daran, dass er sich nicht selbst die Hände schmutzig macht, sondern Andreas Seyferth eine – einigermaßen tragische – Handlangerrolle übernimmt. Entgegen Molsners Tenor würde ich Seyferths Rolle als die einzig sympathische bezeichnen. Leider sorgen die andauernden Befindlichkeiten der Bewohner für einen immens schleppend voranschreitenden Fall, der selbst die ebenso kurze Laufzeit wie bei „Münchner Kindl“ schier endlos erscheinen lässt. Auch die große Vielzahl an Figuren kann nicht helfen, da ein tiefergehendes Augenmerk nur auf wenige gerichtet wird und andere (z.B. Mady Rahl) blass und unbeteiligt bleiben.

Arthur Brauss mimt den Ex-Sportler, der nur die Sprache der Fäuste spricht, mit verachtenswerter Dummheit, während die Geschichte um den Drittfrühlingsopa Hallbaum (Wilhelm Zeno Diemer) zumindest solange amüsiert, bis die Causa des verschimmelten Apfelmus in erschöpfenden Details behandelt wird. Wahrscheinlicher als die allgemein also eher laue Konfliktsituation dürfte die Täterauflösung für einen Sendestopp gesorgt haben, denn sie verstößt gegen ein ehernes Film- und Fernsehtabu. Sie ist dabei aber dramaturgisch relativ ungeschickt gemacht, weil sie im zweiten Mordfall nicht überraschend kommt und im ersten völlig nebensächlich abgehandelt wird. Obwohl Veigl durchaus wieder gelungene Momente hat und sich einigermaßen sachlich zeigt, dürfte der beste Moment von „Tote brauchen keine Wohnung“ ironischerweise das Intermezzo des Bremer Kommissars Beck sein. Dieser wird wegen eines ähnlich gelagerten Giftmordes aktiv und findet binnen weniger Minuten heraus, dass dem Fall im hohen Norden nicht nur ein verständlicheres Motiv, sondern auch ein ernstzunehmender Mörder zugrundeliegt.

Obwohl man meinen sollte, dass der Giftmord an einer alten Dame ein elegantes Verbrechen ist, gestaltet sich „Tote brauchen keine Wohnung“ wegen seiner kruden Problem- und Gerechtigkeitsfantasien zu einer unschönen, langwierigen Angelegenheit mit Holzhammer-Moral. Die Darsteller gehen zwar in Ordnung, erwecken aber Sym- und Antipathien anders als vom Drehbuch beabsichtigt. Meine 2,5 von 5 Punkten belegen, dass hier sowohl dramaturgisch als auch kriminalistisch einiges im Argen ist.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.04.2020 09:45
#35 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten



Tatort: Schwarze Einser
Hauptkommissar Veigl ermittelt in München und Nizza

Episode 94 der TV-Kriminalserie, BRD 1978. Regie: Wolf Dietrich. Drehbuch: Willy Purucker. Mit: Gustl Bayrhammer (Hauptkommissar Veigl), Helmut Fischer (Hauptmeister Lenz), Willy Harlander (Wachtmeister Brettschneider), Claude Bertrand (Kommissar Häberlin). In Gastrollen: Karlheinz Böhm, Renate Grosser, Joseph Saxinger, Hans Reinhard Müller, Marilene von Bethmann, Helena Rosenkranz, Robert Naegele, Carl Heinz Friese u.a. Erstsendung: 3. Dezember 1978, ARD. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks.

Zitat von Tatort (94): Schwarze Einser
Alles Gute kommt von oben: Einem Stadtstreicher fällt in den frühen Morgenstunden in einer Münchner Wohnanlage eine Frauenleiche von einem Balkon der oberen Stockwerke vor die Füße. Nachdem er der Toten ein wertvolles Armband abgenommen hat, verschwindet der Tippelbruder. Veigl hingegen muss sich mit der Frau befassen, die da nun tot im Steingarten liegt: einer labilen, in Geldangelegenheiten aber sehr bestimmten Person, bei der sowohl Familienangehörige als auch der Liebhaber Grund genug für einen Mord gehabt hätten. Und die Gerichtsmedizin bestätigt: Der Balkonsturz war kein Unfall; jemand hat willentlich Hand angelegt, nachdem der Frau ein starkes Schlafmittel verabreicht worden war ...


Dass diese Todesfälle, die für die Kripo interessant sind, sich aber auch immer zur Unzeit ereignen müssen! Während der Anfangsminuten der Episode beobachten wir, wie Hauptkommissar Veigl zuerst telefonisch aus weißblauen Träumen gerissen wird, dann äußerst missmutig Mitarbeitern und Zeugen gegenüber grantelnde Töne anschlägt und andauernd nach Kaffee giert, der ihm aber stets verwehrt bleibt. Gustl Bayrhammer spielt diese Szenen ebenso einnehmend wie Helmut Fischer seine Assistentenrolle, die diesmal so gar nichts von den sonst in den 70ern alltäglichen Tugendbolden an sich hat. Lenz ist eine ursympathische, weil absolut menschliche Rolle, der auch ‘mal etwas danebengeht, und es war ein prima Schachzug des BR, nach Bayrhammers Ausscheiden dem langjährigen Schmiedl die Rolle des Schmieds zu überantworten.

Im vorliegenden Fall spielen die Polizisten mehrere Täterkonstellationen durch, denn alle Angehörigen verhalten sich wunderbarst verdächtig. Da ist eine spitzzüngige Renate Grosser, die mit ihrer rechtschaffenen Armut kokettiert und ihren Gatten in Gestalt des trinkfesten Joseph Saxinger bestens unter der Fuchtel hat. Womöglich gab es Unstimmigkeiten über die Rückzahlung eines Darlehens, das zwischen Schwestern zu ausgesprochen ungünstigen Konditionen ausgehandelt wurde? Oder ein bodenständiger Hans Reinhard Müller, der einen Braumeister spielt. Die verstorbene Frau Döring lag ihm offenbar als Teilhaberin ordentlich auf der Tasche. (Verwunderlich erscheint mir übrigens, dass Veigl die Befragung ausgerechnet in der Brauerei nicht persönlich übernimmt.) Eventuell steckt auch ein lebensfroher Cellist in der Sache mit drin? Karlheinz Böhm darf als Womanizer die Kripo virtuos verwirren und die Damenwelt in vielfacher Hinsicht bedrohen. Ein kleiner, aber sehr erlesener Kreis von Tatverdächtigen, zwischen denen Drehbuchautor Willy Purucker gekonnt Bälle hin- und herspielt.

Vor seinem Ausstieg aus der Unterhaltungsbranche spielt Böhm hier durchaus glaubhaft den Filou, dem man von Anfang an eine gewisse Schmierigkeit anmerkt. Er darf mit Helena Rosenkranz und Marilene von Bethmann zwei unterschiedliche Frauentypen becircen und es ist fast ein wenig bedauerlich, dass man keine Rückblenden zu seinen letzten Gesprächen mit der Toten zu sehen bekommt. Stattdessen sorgt Böhms unsteter Musikus für einen unerwarteten Ausflug: Weil er sich nach Nizza absetzt, verfolgt ihn Veigl nach Genehmigung von ganz hoch oben dorthin, nur um am Ende zu spät zum Showdown zu erscheinen, weil er ... auf Toilette war! Für den Zuschauer birgt der dramatische Ausgang der Geschehnisse mitsamt einer erstaunlich komplexen Erklärung der Hergänge für einen starken Schlusspunkt unter einer überdurchschnittlichen „Tatort“-Folge.

Grundsolides Whodunit-Rätsel mit stimmigen Charakteren, veredelt durch amüsant-liebenswerte Auftritte des Ermittlergespanns sowie einen Mix einheimischer und exotischer Sets. 4,5 von 5 Punkten – für meine Begriffe im Rennen um den stärksten Veigl-„Tatort“ im Spiel.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

28.04.2020 10:00
#36 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten



Tatort: Usambaraveilchen
Hauptkommissar Veigl ermittelt in München und Regensburg

Episode 123 der TV-Kriminalserie, BRD 1981. Regie: Wilm ten Haaf. Drehbuch: Herbert Rosendorfer. Mit: Gustl Bayrhammer (Hauptkommissar Veigl), Helmut Fischer (Hauptmeister Lenz), Willy Harlander (Obermeister Brettschneider). In Gastrollen: Stephan Orlac, Maria Körber, Karin Kernke, Robert Naegele, Wolfgang Büttner, Marianne Lindner, Otto Stern, Maddalena Kerrh, Günter Clemens, Franz Hanfstingl u.a. Erstsendung: 20. April 1981, ARD. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks.

Zitat von Tatort (123): Usambaraveilchen
Der Rechtsanwalt Dr. Berg macht mit seiner Geliebten Ulla Brendl Schluss. Seine Ehefrau weiß von der Affäre, will aber unter allen Umständen an ihrem Gatten festhalten. Als der Anwalt wegen eines Prozesses nach Regensburg fährt, besucht sie die Brendl. Sie weiß nicht, dass ihr Mann noch am selben Abend heimlich von Regensburg nach München zurückkehrt und Ulla in deren Wohnung mit vier Schüssen in der Brust auffindet. So geraten beide Ehepartner unter Mordverdacht und versuchen, sich gegenseitig zu schützen. Den kurz vor seiner Pensionierung stehenden Hauptkommissar Veigl, der mit Dr. Berg befreundet ist, bringt das Doppelspiel seiner Verdächtigen auf die Palme ...


Am 20. April 1981 wurde „Usambaraveilchen“ als 15. und letzter Kommissar-Veigl-„Tatort“ in der ARD ausgestrahlt. Einerseits ist es äußerst bedauerlich, den urbayerischen, gemütlichen und originellen Gustl Bayrhammer aus seiner Rolle scheiden zu sehen; andererseits zwang das Alter den Darsteller zu diesem Schritt. Obwohl Bayrhammer beim Dreh der Folge im September / Oktober 1980 erst 58 Jahre alt war, wirkt der designierte Meister Eder aus der zukünftigen „Pumuckl“-Serie in seinem letzten Auftritt schon recht betagt. Er passt damit gut zum althergebrachten, etwas ungelenken Fall, der auf eine tausend Mal gesehene Dreiecksbeziehung aufbaut und sich hauptsächlich auf so klassische Krimielemente wie wackleige Alibizeiten und Tatgeständnisse aus Liebe stützt. Herbert Rosendorfer erfand für dieses Skript also keineswegs das Rad neu, verwertete einige seiner früheren Charaktere sogar ungeniert ein zweites Mal, brachte aber insgesamt eine solide Story zuwege. Sie ist leidlich spannend, wenngleich sie dem alternden Veigl sicher kein Herzrasen bescheren wird. Immerhin wählte Rosendorfer in einem Punkt eine Herangehensweise, die man eher mit modernen „Tatorten“ assoziiert: Er gab seinem Protagonisten eine persönliche Involvierung in den Fall mit, indem er aus Veigl einen alten Bekannten des Hauptverdächtigen machte. Das hat auf den Verlauf der Handlung aber recht wenig Einfluss, außer dass es Dr. Berg eben umso schneller verdächtig werden lässt.

Ihre größten Stärken hat die Folge „Usambaraveilchen“ sicher in der Porträtierung der drei zentralen Love Triangle-Charaktere: Stephan Orlac ist als Dr. Berg ein ruhiger, introvertierter Fremdgänger, der nichts vom Gigolo-Charme eines Karlheinz Böhm aus „Schwarze Einser“ versprüht und daher auch in seiner Motivation weniger durchschaubar wirkt. Das kommt der Spannung durchaus zugute, da die Anzahl der mutmaßlichen Täter recht überschaubar bleibt und Dr. Berg alles Menschenmögliche unternimmt, um sich in ein zweifelhaftes Licht zu rücken. Seine Frau wird von Maria Körber verkörpert, die zwar ihre Standpunkte vertritt, aber ihrem Mann keine Standpauken hält und so anhänglich wirkt, dass man ihr den Mord ebenfalls zutrauen würde. Karin Kernke liefert als Affäre und Mordopfer ebenfalls ein sehr einprägsames Spiel ab; sie ist fraglos mehr als eine kopflose Liebelei. Auch die überraschende Auflösung am Ende der Folge war eine gute Idee Rosendorfers; sie hebt den eher durchschnittlichen, sehr geradlinigen Gesamteindruck nochmal ein Stück an.

Gedämpft wird die Freude über „Usambaraveilchen“ jedoch durch die rosendorfer-typisch eher flachen und allzu überspitzten Nebenrollen. Negativ tut sich insbesondere Wolfgang Büttner hervor, der als alles überwachender Nachbar die Rolle von Hannes Stein aus „Der Alte: Zeugenaussagen“ weniger charmant wieder aufkochen muss und dabei enorm unangenehm wirkt. Auch aus dem Part von Robert Naegele, der hier einen unleidlichen Apotheker spielt, hätte man mehr herausholen können, wobei ich hier auch über eine andere, einfallsreichere Besetzung froh gewesen wäre. Dass die Folge teilweise in Regensburg spielt, kommt ebenfalls kaum zum Tragen – hier hätten ein paar mehr Außenaufnahmen nicht geschadet; auch insgesamt hätte der oft etwas bieder inszenierende Wilm ten Haaf etwas mehr aus sich herausgehen dürfen.

Typisch für Veigl und seinen Assistenten Lenz ist das kurze Gespräch, das beide im Gerichtssaal in Regensburg führen und in dem auf Veigls baldigen Ruhestand sowie Lenz als Nachfolger abgehoben wird. So ersparten sich die Macher tränenrührige Schlussmomente und bereiteten das Publikum zugleich mit einer Prise Ironie auf den Wechsel an der Spitze der BR-„Tatorte“ vor.

In Anbetracht der Verantwortlichen hinter der Kamera war nicht zu erwarten, mit „Usambaraveilchen“ einen Spitzen-„Tatort“ zu Gesicht zu bekommen. Insgesamt schlugen sich alle Beteiligten jedoch wacker, sodass hier ein sowohl im positiven als auch negativen Sinne sehr „klassischer“ Fall herauskam. Etwas langwierig und unspektakulär, aber mit Charme und letztlich sogar eine würdige Abschiedsvorstellung für Bayrhammer. 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

29.04.2020 19:15
#37 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

In Ermangelung anderer Episoden muss ich nun einen vorläufigen Schlussstrich unter meine „Veigl-Sause“ ziehen, die mir viel Freude bereitet und mich mit milden Augen auf die manchmal von mir gescholtene Serie „Tatort“ blicken lassen hat. Bayrhammer tut der Reihe als echtes Original wirklich gut und ich möchte mich auch nicht unbedingt den Eindrücken von @Georg anschließen, die BR-Folgen hätten zu schwache Drehbücher. Da war schon einiges sehr Brauchbares dabei und vor allem hatten die meisten Stoffe wirklich einen schönen Fokus darauf, kompakte, stringente Krimis zu erzählen. Dabei gab es dann sowohl sehr ungewöhnliche als auch sehr konventionelle Ausprägungen und es ist sicher Geschmackssache, welche Sorte Folgen jedem Einzelnen besser gefällt. Insgesamt lohnt ein Blick aber sicher, zumal es durch den Produktionsort München auch viele vertraute Locations und Gastdarsteller gibt, die man so ähnlich auch aus den Ringelmann-Serien kennt.

Mein provisorisches Ranking sieht wie folgt aus:

Platz 01 | ★★★★☆ | Folge 094 | Schwarze Einser (Wolf Dietrich)

Platz 02 | ★★★★★ | Folge 070 | Das Mädchen am Klavier (Lutz Büscher)
Platz 03 | ★★★★★ | Folge 048 | Als gestohlen gemeldet (Wilm ten Haaf)
Platz 04 | ★★★★★ | Folge 014 | Münchner Kindl (Michael Kehlmann)

Platz 05 | ★★★☆★ | Folge 123 | Usambaraveilchen (Wilm ten Haaf)
Platz 06 | ★★★☆★ | Folge 077 | Schüsse in der Schonzeit (Helmuth Ashley)
Platz 07 | ★★★☆★ | Folge 030 | Weißblaue Turnschuhe (Wolf Dietrich)

Platz 08 | ★★★★★ | Folge 040 | 3:0 für Veigl (Michael Kehlmann)

Platz 09 | ★★☆★★ | Folge 034 | Tote brauchen keine Wohnung (Wolfgang Staudte)

Ray Offline



Beiträge: 1.930

11.04.2021 09:08
#38 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Veigl (Gustl Bayrhammer) Zitat · Antworten

Die gestrige "Tatort"-Kultnacht im BR hat mir doch sehr viel Freude bereitet. Manches sehe ich so wie hier im Thread dargelegt, manches aber auch (ganz) anders. So empfand ich "Schwarze Einser" trotz Ausflugs nach Südfrankreich und des Auftritts von Karlheinz Böhm als die - sagen wir mal - uninteressanteste der gezeigten Episoden. "Tote brauchen keine Wohnung" fand ich dagegen als Zeitdokument ausgesprochen sehenswert und keinesfalls langweilig. Wie schon geschrieben wurde - die Wohnungsmieten-Problematik in Großstädten ist eben ein "Dauerbrenner" und aus der Brille der frühen 1970er eben nochmal besonders interessant. Sedlmayr spiellt den ausgesprochen "geschäftstüchtigen" Eigentümer/Vermieter wirklich großartig. Auch "Das zweite Geständnis" fand ich durch den formalen Aufbau der Geschichte - beginnend mit dem Prozess geht es weiter mit Rückblenden, um dann wieder in die "Jetztzeit" zurückzukehren und die Geschichte zu Ende zu erzählen -, Setting und Figuren/Darsteller durchaus gelungen.

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