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Prisma Offline




Beiträge: 7.591

10.06.2013 18:58
#106 Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") Zitat · Antworten



♦ FÜNFZIG JAHRE SPÄTER ♦


Mein Besuch im Filmhauskino Köln Anfang April hatte einen besonderen Grund, und zwar einen so spektakulären, dass ich garantiert 1000 Kilometer in alle Himmelsrichtungen gefahren wäre, um den angekündigten Beitrag sehen zu können. Da Köln von mir aus gesehen zwar auch nicht gerade um die Ecke liegt, aber auch keine Weltreise darstellt, besuchte ich das 15. Festival des deutschen psychotronischen Films unter dem Titel »BESONDERS WERTLOS«. Welcher Film konnte nur so dermaßen magnetisch wirken, um kurzerhand alles stehen und liegen zu lassen? Es war ein Film, bei welchem ich mir absolut sicher war, ihn niemals im Leben zu Gesicht zu bekommen. Glücklicherweise konnte der Veranstalter eine tadellose 35mm-Kopie in München ausfindig machen, um ihn (tatsächlich ungerechtfertigterweise) im Rahmen dieses Programmes zu präsentieren. Es war seinerzeit einer der großen Skandalfilme der frühen Sechziger Jahre, der dem Vernehmen nach auch relativ erfolgreich gelaufen sein soll, aber nach heutigem Verständnis überaus harmlos wirkt. Die Kino-Atmosphäre (die ich normalerweise wenig schätze), die Tatsache einen geglaubt verschollenen Film sehen zu dürfen in dem Marisa Mell obendrein in der Blüte ihrer Schönheit ist, und sie einem der überraschendsten Höhepunkte ihrer darstellerischen Kompetenzen zeigt, machte eine beispielloses, kaum zu beschreibendes Erlebnis daraus. Wie die Kinobesucher vor fast genau fünfzig Jahren bei der bundesdeutschen Uraufführung am 26. April 1963 wohl reagiert haben müssen, dachte ich mir. Etwa genauso gespannt-euphorisch, aber auch ebenso skeptisch wie ich? Das aktuelle Publikum von eher überschaubaren, vielleicht etwas über zwanzig Personen, fühlte sich dem Empfinden nach sehr gut unterhalten, und darf sich nun zu den wenigen Filmfreunden zählen, die diese Seltenheit zu Gesicht bekommen hat. Die Regie versprach mit keinem geringeren als Rolf Thiele eine markante bis eigenwillige Unterhaltung, jedoch hielten sich die Erwartungen bei mir deutlich in Grenzen, da ich mir bei Thieles pseudo-komplexen Arbeiten selten einmal die Mühe gemacht habe, diese verstehen zu wollen. So spielt dann eben auch das Leben, dass man gerade in einem solch schweren und unbequemen Stoff landet, wenn man Konzentration und Aufmerksamkeit beim Anschauen wie niemals zuvor um ein x-faches steigern muss, weil man nach Beendigung der Seheindrücke nicht eben einmal die passende DVD einlegen kann, um sich das Ganze nochmals anzuschauen, was ich so schrecklich gerne getan hätte. Nicht nur, um besser zu verstehen, sondern um die intensiven Eindrücke am Leben zu halten. Zwar hatte ich mein Elefantengedächtnis ausnahmsweise mal eingepackt, doch es war insgesamt ein zu derber Rundumschlag hinsichtlich aller Sinne und Sinnlichkeiten. Interessant dabei ist im Endeffekt, dass die jetzige Situation gravierender ist. Es war schon schlimm, diese Produktion erst gar nicht zu kennen, wenn man sie dann aber in all ihrer eigenwilligen Schönheit gesehen hat, kann man nicht mehr vergessen und sehnt sich förmlich nach einem Wiedersehen mit diesen so selten gewordenen Eindrücken aus der Filmwelt. Ich werde Rolf Thieles "Venusberg" also hier so gut wie möglich beschreiben, mich wahrscheinlich dutzend- bis tausendfach wiederholen, vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen und hin und wieder maßlos übertreiben und kritisch sein, aber nur aus dem folgenden Grund: Ich habe keine Ahnung, wann oder ob ich dieses Unikat wieder sehen werde, und ich möchte daher so wenig wie möglich verlieren und letztlich vergessen.

Giacco Offline



Beiträge: 2.499

10.06.2013 21:32
#107 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") Zitat · Antworten

Rolf Thieles "Venusberg" sorgte damals ja schon im Vorfeld immer wieder mal für Schlagzeilen,
die den Film möglicherweise auch nur ins Gespräch bringen sollten.
Er wurde mit 30 Kopien gestartet und sollte zu Ostern 1963 in die Kinos kommen.
Die FSK hatte aber jede Menge Beanstandungen und so mußte der Film um etliche Textstellen
und um eine Szene, die einen unbekleideten weiblichen Körper von vorn zeigte (wenn auch nur
durch eine eisbedeckte Fensterscheibe) gekürzt werden.
Dadurch verschob sich der Kinostart um zwei Wochen.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

10.06.2013 21:39
#108 Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") [1] Zitat · Antworten



VENUSBERG (1963)

mit Marisa Mell, Nicole Badal, Monica Flodquist, Ina Duscha, Claudia Marus, Christina Granberg und Jane Axell
es sprechen Rolf Thiele, Oskar Werner und Richard Häussler
eine Franz Seitz Produktion im Nora Filmverleih
Weltvertrieb Omnia
ein Rolf Thiele Film



Sechs junge Frauen treffen sich in einer feudalen Bergvilla um ihren Alltagsproblemen zu entfliehen, die vornehmlich mit dem vermeintlich starken Geschlecht in Zusammenhang gebracht werden können. Alle haben dem Anschein nach eines gemeinsam, denn sie kennen einen Herren namens Alphonse, den sie offensichtlich erwarten. Die Frauen haben die räumliche Nähe jedoch unterschätzt, und schon bald kommt es angesichts des ständigen Diskutierens von diversen Frauenproblemen zu ersten Streitigkeiten, bis die Situation in einem Suizid-Versuch eskaliert. Während die Damen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, weiter über die Männerwelt philosophieren, taucht eine geheimnisvolle, schöne Frau namens Florentine (Marisa Mell) im Haus auf dem Venusberg auf, und sorgt für Verwirrung und Misstrauen, doch auch ein unbekannter Mann schleicht um das Haus herum und scheint die Frauen zu beobachten...


»In Deutsch klingen die Dinge so hart!«


Rolf Thieles "Venusberg" gilt als einer der Skandalfilme des Jahres 1963, so dass man sich eindringlich mit der Zensur auseinandersetzen musste. Beanstandet wurden seinerzeit etwa 20 Textstellen, die bei der Prüfung durch die FSK als zu anzüglich, beziehungsweise zu schlüpfrig empfunden wurden, außerdem musste eine Szene mit einem nackten Mädchen in der Frontale entfernt werden. Dialoge wie: »Für mich fängt der Mann mit dem Kopf an, dann kommt lange nichts...dann sein zweitwichtigster Körperteil« (was entfernt wurde, beziehungsweise bei diesem Nebensatz hört der Zuschauer nur das Ertönen einer Kuckucksuhr bis »...und dann erst seine Million!« folgt. Einige Passagen wurden so entschärft, ohne signifikante Kürzungen vornehmen zu müssen. Gespräche wurden kurzerhand von alltäglichen Geräuschen überlagert, obwohl man auch ohne es zu hören ganz genau weiß, worüber sich die Damen eigentlich unterhalten. Diese aus dem Zwang entstandene Idee wirkt rückwirkend wie ein extravagantes Stilmittel. Das Lexikon des Internationalen Films versuchte die Produktion beispielsweise wie folgt zu entlarven: "Der fast handlungslose Film versucht, in der entkonventionalisierten Situation gleichgeschlechtlicher Einsamkeit 'das wahre Ich' der Frau zu enthüllen." Diese im Auszug zurückhaltende und vergleichsweise schmeichelhafte Kritik wird dem Film allerdings auch nur teilweise gerecht, denn unter all der offen zur Schau gestellten Oberflächlichkeit brodelt ein Vulkan an schemenhaftem Tiefsinn, den zu enträtseln beinahe einzig und alleine dem Zuschauer auferlegt wurde. Erneut stellt sich also das von mir persönlich stets empfundene Thiele-Problem heraus, denn er konnte seine Progressivität zwar im Bilde festhalten, sie allerdings nicht nachhaltig genug bündeln, sprich für den Zuseher verständlich machen. "Venusberg" ist ein Film, den man daher mehrmals gesehen haben müsste, um ihm guten Gewissens gerecht zu werden, doch eines kann ich ohne jeden Zweifel bestätigen, nämlich dass es sich um einen seiner besten Arbeiten handelt.

2009 veröffentlichte Joachim Kramp hier im Forum die Produktionskosten und die geschäftlichen Filmechobenotungen. Die Herstellungskosten für "Venusberg" beliefen sich auf DM 506.099,14 und man musste weit über ⅙ der Kosten, mit einem Verlust von etwa DM 80.000 wieder abschreiben. Die Filmecho-Benotung war mit 4,1 auch nicht gerade sensationell. Andere Angaben waren fast dreißig Jahre später von Hauptdarstellerin Marisa Mell, höchstpersönlich und selbst angefertigt, in ihrer Biografie "Coverlove" zu vernehmen, wenn auch lediglich nur kurz und knapp, und dem Charakter der Lektüre entsprechend, auf vagem Niveau: »Der Film wurde ein Riesenerfolg, auch international.« Große Probleme gab es bereits zum anvisierten Termin der Uraufführung, da die FSK offenbar ein riesiges Fass aufmachte. Der Nora Filmverleih musste den Start des Films verschieben, da man gezwungen war ihn aufgrund gewisser Änderungswünsche zurückzuziehen, außerdem wurde es kategorisch untersagt, ihn in der Karwoche, beziehungsweise rund um Ostern anlaufen zu lassen. Diese Prozedur ist heute nicht mehr ganz nachzuvollziehen, spiegelt aber wohl authentisch den Zeitgeist wieder, und ob sich diese Auflage mit der verbundenen Kritik letztlich als kostenlose Reklame gerechnet hat, wäre durchaus eine interessante Information. Lange Rede, kurzer Sinn. Der Film ist insgesamt mehr als gelungen und überrascht mit dem Unvorhergesehenen. Bemerkenswert elegant und stilvoll bekommt man wunderbare Bildkompositionen anvertraut, worin sich mitunter der besondere Charakter entwickelt, aber auch die ungewöhnliche Thematik als Konglomerat aus Oberflächlichkeiten, Groteske, Tiefgang und Symbolik transportieren einen ungeheuren Reiz, so dass man nicht mehr unterscheiden kann, ob es sich um ein Märchen im Wahrheitsgewand handelt, oder um einen Tatsachenbericht im Märchenformat. Fakt ist, dass man die nicht immer greifbare Atmosphäre durch die exzellente Kamera-Arbeit von Wolf Wirth transparent geschildert bekommt, sie jederzeit spüren kann, auch wenn man das Wahrgenommene nicht immer glauben kann.

Für das heutige Verständnis bleibt ein sagenhafter Jahrmarkt der Frivolitäten definitiv aus. Was die Gemüter (in welcher Form auch immer) seinerzeit erregte, wirkt heute schon fast wieder etwas bieder, brav und unspektakulär, außerdem unfreiwillig komisch. Eine Klassifizierung mit FSK 18, die bis heute Bestand hat, lockt daher nur noch ein müdes Lächeln aus den Zuschauern. Rückblickend ist bei dieser Produktion nichts Beispielloses mehr zu erkennen, zumindest nicht auf den ersten Blick. Was sich damals in der Zeit des Wirtschaftswunders jedoch hierbei in einigen Köpfen abgespielt haben muss, ist wenn überhaupt nur zu erahnen. Rolf Thiele war bestimmt kein Film-Vandale, das spiegelt seine eigenwillige oder eigenmächtige Art Kino zu machen nicht wieder. Vielleicht ist die Umschreibung Visionär daher etwas zu weit hergeholt, kommt der Sache ganz allgemein aber eigentlich nahe. Ein Schritt weiter, oder einige Schritte mehr gehend, den Unterhaltungswert und die anvisierte Exposition nie aus den Augen verlierend, machte er Kino, dass die Leute sehen, oder angeblich natürlich nicht sehen wollten, und viele Erfolge sprechen von daher ohnehin für sich. Man kann es nicht anders sagen, aber bei "Venusberg" handelt es sich um ganz eigenartige 88 Minuten. Ein Film über Frauen, der aber keineswegs schmeichelhaft für Frauen erscheint, sondern der ausschließlich für Männer gedacht und gemacht ist. Er spricht auf unterschiedlichsten Ebenen an, und verteilt daher auch groteske bis nachvollziehbare Rundumschläge auf ebenso unterschiedlichem Niveau. Stellt "Venusberg" also tatsächlich den zitierten »politischen Film des neuen Deutschland« dar, ist er durch die fast vollkommen fehlende männliche Präsenz ein »feministischer Film aus weiblicher Perspektive«, transportiert er einen surrealistischen Touch oder befindet sich unter dem verwirrenden Deckmantel der Geschichte nur ein primitiver Sensationsfilm ohne anspruchsvolle Ambitionen? Auf den ersten Blick lässt sich garantiert von allem etwas finden, und daher steht und fällt dieser Film auch nicht mit seinem Verlauf, sondern erst mit dem Wort »Ende«. Die Bandbreite an Einschätzungen war von »politischer Film« bis »Schweinkram« jedenfalls sehr ausgeprägt...

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

10.07.2013 02:39
#109 Marisa Mell - Filme & Karriere · Wegbegleiter: Christine Kaufmann Zitat · Antworten



♦ CHRISTINE KAUFMANN: ANEKDOTEN ZU MARISA MELL ♦


Prisma Offline




Beiträge: 7.591

07.08.2013 20:28
#110 Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") Zitat · Antworten



VENUSBERG (1963)

mit Marisa Mell, Nicole Badal, Monica Flodquist, Ina Duscha, Claudia Marus, Christina Granberg und Jane Axell
es sprechen Rolf Thiele, Oskar Werner und Richard Häussler
eine Franz Seitz Produktion im Nora Filmverleih
Weltvertrieb Omnia
ein Rolf Thiele Film



Sechs junge Frauen treffen sich in einer feudalen Bergvilla um ihren Alltagsproblemen zu entfliehen, die vornehmlich mit dem vermeintlich starken Geschlecht in Zusammenhang gebracht werden können. Alle haben dem Anschein nach eines gemeinsam, denn sie kennen einen Herren namens Alphonse, den sie offensichtlich erwarten. Die Frauen haben die räumliche Nähe jedoch unterschätzt, und schon bald kommt es angesichts des ständigen Diskutierens von diversen Frauenproblemen zu ersten Streitigkeiten, bis die Situation in einem Suizid-Versuch eskaliert. Während die Damen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, weiter über die Männerwelt philosophieren, taucht eine geheimnisvolle, schöne Frau namens Florentine (Marisa Mell) im Haus auf dem Venusberg auf, und sorgt für Verwirrung und Misstrauen, doch auch ein unbekannter Mann schleicht um das Haus herum und scheint die Frauen zu beobachten...


»Ich treibe es mit allen und schlafe allein«


»Achtung, Achtung auf Bahnsteig zwo fährt der Schnellzug aus Hamburg-Altona. Planmäßige Ankunft 11.35 Uhr erhält voraussichtlich vierzig Minuten Verspätung. Sie müssen warten! Sie werden warten wie auf allen Bahnhöfen, stehend, gehend, zurücktretend. Treten Sie zurück! Lassen Sie sich zu Abschied und Wiederkehr die richtigen Worte einfallen! Wahre Worte. Verlogene Worte. Es ist nicht schwer, nicht verwerflich die Unwahrheit zu sagen, wenn man damit Freude bereitet, Hoffnungen erweckt, die nie erfüllt werden. Alle bleiben wartend, liebend, lügend, ungeschont, zögernd, da sie hoffen. Wie lange? Vergleichen Sie! Und vergleichen Sie die Zeit! Treten Sie zurück, Sie gefährden sich! Zurück! Zurück! Hoffnungen. Lügen. Worte, Worte, Worte...« Mit dieser Durchsage am Bahnhof beginnt der Film und zeigt sofort, dass er in eine komplexere Richtung führen möchte. Nebenbei erwähnt, fehlt leider die Nora-Verleihmarke, und der Vorspann setzt unmittelbar ein. Das Aufsparen von Musik lässt die Geräuschkulisse des Bahnhofes übermächtig erscheinen, doch die Durchsage fällt dennoch auf, weil sie so seltsame Formen annimmt. Die Szenerie wird gleich zu Beginn von Marisa Mell vereinnahmt, die dem Empfinden nach ziellos am Bahnhof umhergeht, sich umschaut, als ob sie jemanden suchen würde und letztlich durch eine bemerkenswerte Präsenz ins Auge springt. 90 Sekunden sieht man sie also, bis sie für lange Zeit im Nichts verschwindet, bevor sie wieder plötzlich im der Villa am "Venusberg" auftaucht. In dieser kurzen Sequenz wird bereis ersichtlich, dass Thiele auf Marisa Mell als Schlüsselfigur setzen wird.

Dann sieht und hört man sehr lange nichts mehr von ihr, und die anderen sechs Damen, die nach und nach in Erscheinung treten werden, übernehmen das Regiment auf dem "Venusberg". Marisa Mell ist übrigens die einzige von ihnen, die man mit ihrer Originalstimme hören wird, selbst ihre Landsfrau Ina Duscha wurde nachsynchronisiert, womöglich weil ihre eigene Stimme zu sanft für den darzustellenden Charakter war. Marisa Mells Auftrittsdauer ist im Vergleich zum Rest der Damen die kürzeste im Film, jedoch auch die intensivste. Insbesondere sie ist es, die die Fantasie und Erinnerung des Zuschauers anregt, wenn nicht sogar dominiert, denn der Regisseur setzte sie als verwirrenden Kontrast zu den übrigen Beteiligten ein. "Venusberg" kann als Grundstein für ihre einschlägig bekannte Karriere als Erotik-Star betrachtet werden. Wo sie hier nach eigenen Angaben noch etwas genant gewesen sei, sollte in späteren Jahren wesentlich Eindeutigeres auf die Fangemeinde zukommen. Die Faszination ihrer Florentine überträgt sich schnellstens auf den Zuschauer, sie wirkt unglaublich transzendent. Die geheimnisvolle Frau im Leopardenmantel, die niemand kennt, die über den Dingen steht, die anziehend und gefährlich zugleich wirkt, ist über die Maßen beeindruckend.

Nennen wir Marisa Mell einfach das Epizentrum der Sinnlichkeit in diesem Film. Man muss es betonen und anerkennen, dass Rolf Thiele ihre Leinwand-Dominanz resolut erkannte und zwingend einsetzte wie es - und ich kann es selbst kaum fassen! - selten der Fall war. Es handelt sich um die schönste und definitiv beste Arbeit von Marisa Mell, die ich im Schwarz/Weiß-Film je gesehen habe, auch global gesehen ist diese Interpretation eine unbekannte Ausnahmeerscheinung in ihrer vielfältigen Karriere. In ihrem Buch "Coverlove" fand der Film glücklicherweise folgende Erwähnung: »Mein nächster Film spielte in München, eigentlich in einer Villa in der Nähe. Er hieß "Venusberg". Regie führte Rolf Thiele. Es war ein Film mit sieben Frauen und keinem Mann. Ich spielte eine rätselhafte Schöne im Leopardenfell mit einer Rose in der Hand. Ich war so etwas wie ein Symbol des Todes und gegen Ende des Films wurde ich im Swimmingpool [...] Weil ich mich aber zu sehr genierte, die Szene, wenn auch unter Wasser, vor so vielen Männern (der Aufnahmestab bestand fast nur aus Männern, wie dem Aufnahmeleiter, den Kameraleuten, dem Produktionsleiter, Requisiteur u.a. vor allem auch dem Regisseur) zu spielen, hatte Thiele ein Einsehen. Er ließ die Szene ausnahmsweise komplett von seiner Regieassistentin drehen, und zwar so, dass kein einziger Mann zugegen war. Sogar die Kamera wurde so eingestellt, dass die Assistentin nur noch den Auslöser drücken musste. Es war wohl eine der wenigen Szenen im Film überhaupt, bei der weder der Regisseur noch irgendein Techniker persönlich anwesend waren.«

Ina Duscha als Inge liefert eine erstaunliche Leistung ab. In "Venusberg" sieht man sie bereits in ihrem zwölften, und letzten Film, bevor sie sich ins Privatleben verabschiedete, hier aber in einer anerkennungswürdigen Schlussvorstellung. Die gebürtige Österreicherin zeigt zunächst die Facetten einer beruflichen Wandlung; es ist nichts mehr übrig geblieben von der jungen Frau, die immer wieder gerne plumpen Annäherungsversuchen auf den Leim gehen musste. Inge ist die Frau für Jedermann, beziehungsweise die Frau des Anderen, und sie wirkt wie ein oberflächlicher Prototyp der gewollt modernen Frau von damals, doch letztlich ist sie nur ein Abziehbild ihrer selbst. Egoistisch und ohne signifikante Sozialkompetenzen macht sie sich hier erst gar nicht die Mühe, sich zu verstellen. Beeindruckend und die beste Ina Duscha, die ich je gesehen habe. Die 1940 geborene Niederländerin und Thiele-Star Nicole Badal hat fünf Filme in ihrer Karriere vorzuweisen, die sie von 1959 - 1967 alle unter dem Regisseur dieses Films drehte. Wo man sie ihrer Rolle noch genau zuordnen, und ihr eine angenehme Präsenz nicht absprechen kann, wird es bei den übrigen Beteiligten schon erheblich schwerer. Monica Ekman alias Monica Flodquist hat 13 Filme vorzuweisen, die sie fast ausschließlich in Schweden spielte, Christina Granberg sieht man hier in ihrem zweiten und letzten, Claudia Marus in ihrem einzigen Film, und Jane Axell war lediglich an sechs Produktionen beteiligt. Die meisten Gesichter der Darstellerinnen können also im Moment nur durch Ausschlussverfahren oder Kombinationsgabe zugewiesen werden. Was man zunächst anerkennen sollte, ist, dass dieses Gespann aus eigentlich sechs Interpretinnen und Marisa Mell als Außenseiterin ausgezeichnet funktioniert. Man bekommt Leichtfüßigkeit, Charme, Witz und eine unverbrauchte Spiellaune zu sehen, dass es eine wahre Freude ist.

Was die Erzähl-Stimmen angeht, so heißt es, dass Rolf Thiele selbst mit von der Partie gewesen sein soll, und einige andere Quellen geben beispielsweise ausschließlich Oskar Werner an. Ob diese beiden Informationen tatsächlich ihre Richtigkeit haben, entzieht sich meiner Kenntnis, bestätigen kann ich lediglich, dass Richard Häussler mehrmals akustisch mit von der Partie war, und dessen unverwechselbare Stimme sofort aufgefallen ist.

Giacco Offline



Beiträge: 2.499

20.08.2013 15:33
#111 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") Zitat · Antworten

Hallo Prisma! In der Rubrik "Stargalerie" der Programmzeitschrift "Bild und Funk"
konnte man 1967 "Alles über Harald Leipnitz" erfahren.
Als "netteste Filmpartnerin" bezeichnet er hier Marisa Mell.
Gab es außer "Jagd auf blaue Diamanten" weitere Produktionen, in denen beide
gemeinsam vor der Kamera standen?

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

20.08.2013 23:34
#112 Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") Zitat · Antworten

Wieder einmal eine sehr interessante Information, vielen Dank Giacco! So viel ich weiß, haben Harald Leipnitz und Marisa Mell nur gemeinsam bei "Die Jagd auf blaue Diamanten" vor der Kamera gestanden, wobei das nicht unbedingt heißen mag, dass man sich nicht nochmals getroffen hat. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man vor 1965 möglicherweise im Synchronstudio wieder zusammen arbeitete, das weiß ich aber nicht. Kann mir auch vorstellen, dass die beiden eine Affäre hatten, wenn ich an die Ausführungen von Ann Smyrner denke. Sie spielte ja bei den "blaue(n) Diamanten" die zweite weibliche Hauptrolle, und sprach davon, dass sie zu dieser Zeit sehr in Leipnitz verliebt gewesen sei, der aber wiederum nur Augen für Mell gehabt haben soll. Daraufhin habe sie sich an ihre Kollegin herangemacht, die ja angeblich nicht abgeneigt gewesen sein soll. Naja, Aussagen für die Galerie!

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

28.08.2013 23:06
#113 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · "Elisabeth, Kaiserin von Österreich" Zitat · Antworten

Am 27. Dezember 2013 wird Pidax voraussichtlich "Elisabeth, Kaiserin von Österreich" veröffentlichen, mit Marisa Mell in der Titelrolle.
Die kostspielige TV-Produktion wurde 1972 von Theodor Grädler inszeniert, und besteht halb aus Spielfilm und dokumentarischen Veranschaulichungen.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

26.10.2013 23:46
#114 Marisa Mell - Filme & Karriere · Die Feuerblume Zitat · Antworten



♦ DIE FEUERBLUME - ÜBER MARISA MELL UND IHRE FILME ♦ VON ANDRÉ SCHNEIDER ♦


Marisa Mell, 1939 als Marlies Theres Moitzi in der Steiermark geboren, machte in den sechziger und frühen siebziger Jahren eine beispiellose internationale Filmkarriere, die sie von Wien über Berlin, London und Paris nach Rom führte, wo sie mit Stars wie Marcello Mastroianni, Ursula Andress, Helmut Berger und Tony Curtis drehte und durch CASANOVA '70 von Mario Monicelli, GEFAHR: DIABOLIK von Mario Bava und NACKT ÜBER LEICHEN von Lucio Fulci zum Kultstar avancierte. Unter der Regie von Vincente Minnelli sollte sie am Broadway in MATA HARI spielen, Hollywood gab sie einen Korb, weil sie Italien so liebte. Ab 1976 begann ihr langsamer, schmerzhafter Abstieg; sie starb verarmt und sehr früh an Krebs. Diese literarische Annäherung an die Filmschauspielerin Mell - und die Privatperson Moitzi - ist die erste ihrer Art und zeichnet Marisa Mells Weg bis über ihren Tod hinaus nach. Der Autor nähert sich seiner Protagonistin über ihr Werk, und so ist DIE FEUERBLUME auch und vor allem eine filmhistorische Betrachtung des italienischen und spanischen Films jener Epoche. Mit über 130 zum Teil nie veröffentlichen Fotos aus Privatbesitz und einer umfangreichen Filmographie. [Zitat: "Die Feuerblume - Über Marisa Mell und ihre Filme, erschienen bei BoD]



http://www.amazon.de/gp/product/37322532...=A3JWKAKR8XB7XF
http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=1130104

Vieles oder gar fast alles - so glaubt man als aufmerksamer Fan - hat man bereits gehört oder ist einem längst bekannt, was DIE FEUERBLUME allerdings schlagartig ausräumen wird. Bereits nach kurzer Zeit stellt sich nämlich heraus, dass man mit sachlichen Informationen in Hülle und Fülle - ja beinahe - konfrontiert wird, und sich schließlich das ereignet, wonach man als Filmliebhaber gerne oder ständig sucht: Andere Blickwinkel, unbekanntes Material und neue Impulse. Im Rahmen der literarischen Auseinandersetzungen über Marisa Mell, bekommt man mit André Schneiders bemerkenswertem Buch eine bedeutende Erweiterung angeboten. Marisa Mells eigene Schilderungen aus ihrem "Märchenbuch" COVERLOVE sind nur insofern interessant, weil sie von ihr selbst verfasst wurden, Erika Pluhars Beitrag MARISA - RÜCKBLENDEN AUF EINE FREUNDSCHAFT gewährt einen freundschaftlichen, und daher selten transparenten Blick auf die Schauspielerin. DIE FEUERBLUME stellt jedoch die erste Auseinandersetzung dar, die auf den Werdegang eingeht, und gleichzeitig mit diversen Gerüchten aufräumt, außerdem sichert der flexible Aufbau ein umfassendes Bild der Film-Karriere im Ganzen, ohne jedoch das Rundherum zu vergessen. Umwerfendes, wunderschönes Bildmaterial gibt dem neuen Buch einen zusätzlich faszinierenden Schliff und letztlich muss man sich selbst eingestehen, dass man eigentlich kaum etwas über die Person wusste, von der man doch lange glaubte, sie einigermaßen gut zu "kennen". Für mich persönlich ging mit dem Erscheinen des Buches jedenfalls ein sehr alter Traum in Erfüllung.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

28.10.2013 16:52
#115 Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 31 ("Venusberg") [3] Zitat · Antworten



VENUSBERG (1963)

mit Marisa Mell, Nicole Badal, Monica Flodquist, Ina Duscha, Claudia Marus, Christina Granberg und Jane Axell
es sprechen Rolf Thiele, Oskar Werner und Richard Häussler
eine Franz Seitz Produktion im Nora Filmverleih
Weltvertrieb Omnia
ein Rolf Thiele Film



Sechs junge Frauen treffen sich in einer feudalen Bergvilla um ihren Alltagsproblemen zu entfliehen, die vornehmlich mit dem vermeintlich starken Geschlecht in Zusammenhang gebracht werden können. Alle haben dem Anschein nach eines gemeinsam, denn sie kennen einen Herren namens Alphonse, den sie offensichtlich erwarten. Die Frauen haben die räumliche Nähe jedoch unterschätzt, und schon bald kommt es angesichts des ständigen Diskutierens von diversen Frauenproblemen zu ersten Streitigkeiten, bis die Situation in einem Suizid-Versuch eskaliert. Während die Damen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, weiter über die Männerwelt philosophieren, taucht eine geheimnisvolle, schöne Frau namens Florentine (Marisa Mell) im Haus auf dem Venusberg auf, und sorgt für Verwirrung und Misstrauen, doch auch ein unbekannter Mann schleicht um das Haus herum und scheint die Frauen zu beobachten...


»Ich lasse grundsätzlich lieber andere leiden als mich!«


Wie bereits erwähnt ist Rolf Thieles Film voller Symbolik und Metaphorik und diese Komponenten gehen eine eigenartige, aber genauso beeindruckende Allianz mit der stets latenten Oberflächlichkeit ein, die durch die beteiligten Personen kolportiert wird. Zusätzliche, meistens harte Akzente im visuellen und akustischen Bereich stellen hohe Anforderungen an die Kognition des Zuschauers, so dass "Venusberg" zu einer intelligenten Assoziationskette wird. Alle Beteiligten des Films (ob vor oder hinter der Kamera) arbeiten mit Hochdruck daran, ein Verwirrspiel zu veranstalten, was schließlich auch gelingt. Dem Film wurde wohl hin und wieder eine offensichtliche Handlungsarmut vorgeworfen, was auf den ersten spröden Blick auch so aussehen mag, doch es wird hier die Sinnhaftigkeit bleiben, die ihre Berührungspunkte mit dem Zuschauer sucht und bestenfalls auch findet. Der Blick auf die tatsächlichen Belange und Wünsche der Frau funktioniert in aller erdenklichen Überspitztheit, und der Zuschauer wird mit diversen Wehwehchen der Damen konfrontiert die zunächst wie Luxusprobleme aussehen. Schließlich wird es der Aufbau des Films sein, der eine deutliche Umkehrreaktion anbahnt. Die Charaktere scheinen nicht in ein ernsthaftes Konzept zu passen, jonglieren dabei aber mit Worthülsen die den Zuschauern sicherlich nicht fremd erscheinen. Gut gelungen dabei ist, dass die Abhandlung schon an wichtigen Themen interessiert ist, sie aber optisch in eine andere Richtung drängen möchte, wobei die Dialoge der Frauen Schützenhilfe leisten. Oberflächlichkeit und bewegende Thematiken werden sich also lange Zeit auf einem recht neutralen Nenner treffen, bis der Verlauf gegen Ende urplötzlich eine ungewöhnlich deutliche, beziehungsweise erschütternde Entscheidung trifft.

Der Aufbau des Films ist überaus bestimmend und zwingt den Zuschauer förmlich in seine Richtung. Dabei sind quasi die dominantesten Stilmittel die beteiligten Frauen in einer Geschichte, die ohne Männer funktioniert und dies dem Anschein nach nur so perfekt tut, weil man keinen Mann generell, oder irgend einen der besagten Herren zu Gesicht bekommt. Es muss dennoch erwähnt werden, dass man das Konzept des "Venusberg" ebenso gut hätte umstellen können, dass etwa nur Männer im Film auftauchen, und von Frauen nur die Rede ist. In den Gesprächen untereinander hört und sieht man, dass sich womöglich bis zum heutigen Zeitpunkt nichts verändert hat. Die Konversation der Damen untereinander erscheint intim zu sein, es kann über alles gesprochen werden und alles kann ganz deutlich verbalisiert werden. Hierbei hätte man stilistisch ruhig etwas mutiger vorgehen dürfen, und noch gezieltere Torpedos unter die Gürtellinie abfeuern können. Nur Frauengespräche also? Nicht ganz. Es wird geredet, als sei auch kein einziger Mann bei den Zuschauern zugegen, Diskussionen werden regelrecht inszeniert, die dem Vernehmen nach für jeden Mann unerträglich wären, bei denen aber dennoch so mancher gerne einmal Mäuschen spielen würde. Das überholte "Konzept Mann" wird genüsslich zerpflückt um indirekt die offensichtliche Schwäche des "Konzeptes Frau" oder der "Frau von Heute" zu entlarven. So bekommt man es eigentlich mit einem versteckten Kampf der Geschlechter ohne Gegner zu tun, wobei sich aber herausstellt, dass man es eher mit dem Kampf eines Geschlechts untereinander zu tun hat. So besteht die Intention der Regie darin, dass man mit den gängigen Gesellschaftsbildern (verschlüsselt) abrechnen wollte. Interessant dabei ist vor allem, dass mit diesem (beinahe raffinierten) Vorgehen jede Seite zu gleichen Teilen schuldig gesprochen, und ebenso entlastet wird.

Die sechs Frauen auf dem "Venusberg" beziehen diese Bühne nacheinander und es gibt zunächst keine schlüssigen Erklärungen, warum sie sich gerade dort zusammenfinden. Da sich hier noch nicht viel in Wort und Tat tut, zeigt der Film auf klassische Art und Weise seine Stärken, nämlich in der handwerklichen Inszenierung. Man sieht herrliche Bilder der Winterlandschaft, überhaupt wurde der Ort des Geschehens sehr großräumig dargestellt, man sieht immer wieder Spiegelungen, beispielsweise in einem Panoramafenster, das die Landschaft und die Darstellerinnen abzeichnet, oder auf der glattpolierten Oberfläche einer schwarzen Limousine. Interessant bei diesem Einstieg bleibt die Tatsache, dass die Geräuschkulisse erneut konträr zu den gezeigten Bildern eingesetzt wird, oder diese eben vollkommen in den Fokus gerückt wird. In einer der ersten Szenen auf dem "Venusberg" bäumen sich bebende Töne auf, man hört auch die Fußschritte, aber zum Beispiel nicht die Konversation oder das Fallenlassen eines Koffers. In einer späteren Sequenz hört man anstelle der aufgebrachten Streitgespräche nur das einkopierte Gackern von Gänsen, andernorts übernimmt wieder die Musik das Regiment. Eigentlich ist es so, dass immer ein Störfaktor auf akustischer, optischer oder kognitiver Basis mit eingebaut wurde, folglich etwas, das nicht zu passen scheint. Die Dialoge sind in diesem Film überwichtig, gelangen aber nicht in die Sphären der Kopflastigkeit und wirken oft nebensächlich, weil dieses Verwirr-Prinzip der Regie sehr gut greift. Im Bereich der Kameraarbeit geschieht wie erwähnt Großartiges. Das hohe Niveau an transportierten Eindrücken verdankt man den flexiblen und progressiven Einstellungen, die sich wie ein roter Faden durch den Film ziehen werden, aber insbesondere die Unterwasser-Frequenzen sind überragend. Entgegengesetzte Spiegelungen im Wasser, herrlich choreografierte Bewegungen die durch Blubberbläschen und das Licht-Schattenspiel eine besondere Dynamik erhalten, nackte Körper die diskret durch Hell und Dunkel die Fantasie anregen, aber fast nichts preisgeben; es ist eine Pracht! Dieser dritte Teil der Besprechung sollte den "Venusberg" eigentlich abschließen, aber die Produktion gibt wesentlich mehr her, als vermutet; sogar aus der Erinnerung. Daher werde ich den Film wohl in eine weitere Runde gehen lassen müssen...

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

09.11.2013 21:22
#116 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 32 ("Troll 3") Zitat · Antworten



TROLL 3 / QUEST FOR THE MIGHTY SWORD (1990)

mit Eric Allen Kramer, Margaret Lenzey, Donald O'Brien, Dina Morrone, Chris Murphy, Don Semeraro
sowie Laura Gemser und als Gast Marisa Mell
eine Produktion der Filmirage
ein Film von Joe D'Amato


[


»Nur die Kunst wird nie betrügen!«


König Ator (Eric Allen Kramer) erhält das sagenumwobene Schwert des Heiligen Grals von der Gottheit Troll (Don Semeraro), um den Frieden in seinem Land zu gewährleisten. Doch eines schlimmen Tages verlangt der erzürnte Troll diese milde Gabe wieder zurück. Als Ator die Rückgabe verweigert, wird er kurzerhand vor den Augen seiner Frau, Königin Sunn (Dina Morrone) getötet. Das Schwert zerbricht in zwei Teile. Sunn bringt diese zu dem Gnom Grindel, da nur er die Bruchstücke schmieden kann, und die todessehnsüchtige Königin vertraut ihm ihren kleinen Sohn, Ator Junior an. Grindel geht auf den Handel ein, aber nicht ohne Gegenleistung: Sunn muss dem hässlichen Gnom mit ihren Liebesdiensten zur Verfügung stehen, worauf hin sie wahnsinnig wird. Achtzehn Jahre später ist Ator zu einem Mann herangewachsen und bekommt von der Seherin Nephele (Marisa Mell) die wahre Geschichte über das Schicksal seiner Eltern berichtet. Daraufhin tötet Ator seinen Ziehvater, er schwört Rache und will sein Land von der Unterdrückung befreien. Doch das Böse begegnet ihm immer wieder und scheint auch immer die gleiche Fratze zu haben...

Dieser Film von David Hills alias Aristide Massaccesi alias Joe D'Amato präsentiert dem erstaunten oder entsetzten Zuschauer einen massiven Rundumschlag quer durch die einschlägig bekannte Fantasy-Welt, und bedient sich vieler verschiedener Mythen und Sagen. In die "Troll"-Reihe scheint dieses Vehikel jedoch nur äußerst vage passen zu wollen, so dass der deutsche Verleih-Titel sich als Schwindler entpuppt, viel mehr wird die "Ator"-Filmreihe bedient, und das leider ziemlich bescheiden. Um die Verwirrung schließlich perfekt zu machen, findet man sich später, und nebenbei gesagt, ziemlich abgewandelt bei den "Nibelungen" wieder, was nicht nur einen äußerst eindeutigen Gesamteindruck entstehen lässt, sondern diesen zu allem Überfluss auch noch bestätigt. Entstanden ist schließlich ein Film über Hoffnung und Spannung. Der Zuschauer hofft nämlich, dass die ersten fünf Minuten des Films nicht charakteristisch für den Verlauf bleiben werden und man ist überaus gespannt, ob wider erwarten irgend etwas passieren wird. Folglich zeigt Joe D'Amatos Werk leider seine wahre Identität, so dass es ausschließlich ein Film über verhältnislose Enttäuschung, verschwendete Zeit und verplemperte Produktionsgelder wird, wobei hier auch nicht viel zur Verfügung gestanden haben dürfte. Die VHS-Hülle bewirbt den Streifen sehr optimistisch und beinahe überschwänglich mit: »Troll! Ein Film! Ein Erfolg! Ein Mythos!«. Ehrlicher wäre vielleicht Folgendes gewesen: »Troll! Ein Haufen Schrott!«. Eigentlich ist es nicht zu verstehen, was man hier geboten bekommt. Die krude Story, zusammengebastelt aus vagen Fragment-Schnipseln aus anderen Filmen, verläuft unspektakulär und langweilig, die merkwürdigerweise an anderen Stellen gelobten Effekte sind erbärmlich, die Maske wirkt nicht immer originell und die grauenhafte Musik macht beinahe aggressiv, folglich bleibt unterm Strich nicht mehr viel übrig.

Marisa Mell sei Dank, wanderte dieses Filmchen also erneut in den Player (und überhaupt in meine Sammlung). Von darstellerischer Seite braucht man in "Troll 3" nicht auf Wunder zu hoffen, nein im Gegenteil, denn man muss sich auf ein unteres Niveau gefasst machen. Die Regie lässt also eine Handvoll Laiendarsteller auf den Zuschauer los, naja und wenigstens Laura Gemser und Marisa Mell. So denkt man zunächst jedenfalls. Laura Gemser aber, die hier nicht nur eine Nebenrolle als Prinzessin Grimilde interpretierte, sondern vor allem als Mode-Designerin für die Produktion am Werk war, offenbarte durchaus Kompetenzen im Entwerfen der teils stimmungsvollen Kostüme, und ließ sie vermutlich deswegen auch stets an. Marisa Mell sieht man hier in einem ihrer letzten Filme und es lässt sich bedauerlicherweise nicht viel Positives dazu sagen, höchstens dass sie in der englischen Fassung mit ihrer Originalstimme zu hören ist, was jedoch beim Herunterspulen der einfältigen Dialoge auch keine Freude darstellt. Seit Jahren hatte die Österreicherin beruflich gesehen leider nichts Nennenswertes mehr zu Stande bringen können, und dürfte daher mit jedem Engagement glücklich gewesen sein. Hier ist ganz ehrlich betrachtet nichts mehr übrig von der Marisa Mell von einst im Mai. Ihre Konstitution wirkt schlecht, sie bewegt sich schwerfällig und scheint müde und abgekämpft zu sein, ja sie wusste offensichtlich genau was sie dort fabriziert. Hauptdarsteller Eric Allen Kramer wirkt durch und durch laienhaft. Zwar sieht man ihm eine eigenartige, und daher vergebliche Motivation an, die Spieldauer zu überstehen, und bestenfalls zu prägen, und sei es durch brachiale körperliche Gewalt. Aber selbst hier bekommt man im Rahmen der lumpigen (mutmaßlichen) Choreografien nichts Überzeugendes geboten. Bei den weiteren Darstellern ist der Rest buchstäblich Schweigen. Ausdruckslose Gesichter, Minderleistungen an allen Ecken und Enden; ja es ist ziemlich erbärmlich!

Ein Film wäre kein Film wenn sich nicht auch positive Aspekte aufspüren ließen. Zu nennen ist hier vor allem die Garderobe, die sich garantiert nicht vor der Konkurrenz zu verstecken braucht, manche Masken sind stimmungsvoll arrangiert worden und einige Kulissen verbreiten durchaus einen gewissen Charme. Das wars dann aber auch schon. Hin und wieder werden dem erstarrten Zuschauer ein paar Ekel-Effekte vor die Füße geworfen, wie beispielsweise verfaulte Zähne, vor Schleim triefende Augen oder Warzen, aus einigen verwundeten Monstern sprudelt ebenfalls schleimiges, verfärbtes Blut; aber das wirkt alles keineswegs beunruhigend. Auch der Gnom will nicht so richtig erschrecken, denn er verleitet eher zum Schmunzeln, was allerdings ebenfalls ausbleibt. Im Grunde genommen wusste die Regie einfach nicht, wie man den Film und die Zuschauer anpacken soll, so dass sich gähnende Langeweile und der permanente Impuls einfach abzuschalten breit machen. Wie erwähnt wurden immer wieder lächerliche Inhalte mit in das Szenario eingebastelt, die vielleicht eine Vielfalt demonstrieren können, aber dem Sinn des Ganzen abenteuerliche Formen geben. So sieht man im letzten Drittel aus heiterem Himmel König Gunther und der Troll heißt plötzlich Hagen. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen bedient man sich auch noch überflüssigerweise einer Art des Verrückten-Künstler-Motivs, welches man spätestens in "Das Kabinett des Professor Bondi" bereits gesehen hat. Insgesamt fällt es daher sehr schwer den Gedankensprüngen aller Couleur zu folgen und die Inkompetenz wirkt hier wie ein Fass ohne Boden. "Troll 3" konnte mich leider nicht unterhalten, hat darüber hinaus auch keinen Spaß gemacht und ist objektiv, aber vor allem subjektiv betrachtet, ein äußerst launisches und uninteressantes Sammelsurium an wahllos aneinandergereihten Inhalten. Vielleicht fehlt mir ja die Fantasie, dass selbst eingefleischte Fans des Genres mit diesem Ding aus dem Film-Sumpf viel anfangen können, aber das Ergebnis dieses Beitrages finde ich einfach nur bemerkenswert schlecht.

Mr Keeney Online




Beiträge: 1.365

15.11.2013 23:41
#117 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · Die Feuerblume Zitat · Antworten

Zitat von Prisma im Beitrag #114
Umwerfendes, wunderschönes Bildmaterial gibt dem neuen Buch einen zusätzlich faszinierenden Schliff und letztlich muss man sich selbst eingestehen, dass man eigentlich kaum etwas über die Person wusste, von der man doch lange glaubte, sie einigermaßen gut zu "kennen". Für mich persönlich ging mit dem Erscheinen des Buches jedenfalls ein sehr alter Traum in Erfüllung.


Ich habe mir "Die Feuerblume" nun auch bestellt, und bin schon sehr gespannt und voller Vorfreude

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

19.11.2013 21:25
#118 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · Die Feuerblume Zitat · Antworten

Zitat von Mr Keeney im Beitrag #117
Ich habe mir "Die Feuerblume" nun auch bestellt, und bin schon sehr gespannt und voller Vorfreude

Oh das freut mich sehr, wobei ich mich ehrlich gesagt auch wundere. Wusste gar nicht, dass du Marisa Mell magst!
Ich bin mir sicher, dass dir das Buch gefallen wird, hier werden aus Einsteigern und selbst geglaubten Fortgeschrittenen erst wahre MM-Fortgeschrittene. Bin gespannt auf deine Rückmeldung!

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

14.01.2014 22:35
#119 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere Zitat · Antworten

Die DVD von "Elisabeth - Kaiserin von Österreich" hat Pidax sehr gut hinbekommen. Die mir vorliegende ORF-DVD hatte sowohl erhebliche Mängel in der Bild-, als auch in der Tonqualität. Der Bildvergleich zeigt, dass die Produktion auf einmal sogar in relativ satten Farben strahlt und der verwaschene Ton ist ebenfalls behoben. Das gibt der eher durchwachsenen Fernseh-Produktion einen komplett neuen Anstrich und hebt einige Vorzüge hervor, die bislang nicht unbedingt zu sehen waren. Eine sehr schöne Veröffentlichung von Pidax, ich bin ziemlich überrascht!





Prisma Offline




Beiträge: 7.591

09.02.2014 14:58
#120 RE: Marisa Mell - Filme & Karriere · Kapitel 33 ("Die Paras - Goldraub in der Luft") [1] Zitat · Antworten



DIE PARAS - GOLDRAUB IN DER LUFT / OBJECTIF: 500 MILLIONS (1966)

mit Bruno Cremer und Marisa Mell
Jean-Claude Rolland, Étienne Bierry, Pierre Fromont, Jean-François Chauvel, T. Hong-Maï u.a.
France Gall singt das Chanson "Dis à ton capitaine"
eine Produktion der Rome-Paris Films | Société Nouvelle de Cinématographie | Laetitia Film
ein Filmbörse Film im Eckelkamp Verleih
ein Film von Pierre Schoendoerffer





»Pratiquement sans risque!«


Reichau (Bruno Cremer) wird aus dem Gefängnis entlassen, wo er wegen Untergrundaktionen im Algerienkrieg gesessen hat. Völlig mittellos und ohne Perspektive tut sich ihm eine plötzlich eine einmalige Gelegenheit auf, um an Geld zu kommen. Er wird von einer geheimnisvollen Frau angesprochen, die sich Yo (Marisa Mell) nennt, und ihn mit zum Flughafen Orly nimmt. Dort beobachten die beiden eine Maschine, die gerade mit Postsäcken beladen wird. Yo erklärt, dass sich einmal pro Monat 5 Millionen Francs darin befinden, doch bevor sie Reichau ein bedeutendes Geschäft vorschlägt, stellt sie ihm einen Bekannten vor. Man trifft sich mit seinem alten Kammeraden Pierre (Jean-Claude Rolland), der für Reichaus Gefängnisaufenthalt verantwortlich war, weil er ihn seinerzeit verraten hatte. Der ehemalige Sträfling verliert kurz die Nerven und lehnt den Raub des Geldes daraufhin ab. Er meldet sich nicht mehr. Doch die Verlockung nach Unabhängigkeit ist zu groß, so dass er mit Yo wieder Kontakt aufnimmt, und sich schließlich doch auf den Coup einlässt...





Pierre Schoendoerffers Karriere als Regisseur erstreckt sich zwar über einen beachtlichen Zeitraum von gut 45 Jahren, dabei kam allerdings nur eine sehr übersichtliche Filmografie von zehn Filmen zu Stande. Diese Liste wurde allerdings mit mehreren Auszeichnungen gekrönt, unter anderem erhielt er 1968 den Oscar. Der Franzose war hauptsächlich im Kriegsfilm-Genre zu Hause, und verarbeitete dort seine eigenen Erfahrungen, da er als Kameramann der französischen Armee im Indochina-Krieg bei der Schlacht von Điện Biên Phủ in Gefangenschaft geriet. Mit "Objectif: 500 millions" kreierte er einen eigenartig ruhigen und subtilen Thriller, dessen Bildsprache absolut überragend ist, außerdem ist der Aufbau des Films sehr beeindruckend ausgefallen, und liefert gestochen scharfe Psychogramme der tragischen Protagonisten. Als Fundament für die Geschichte rund um den ehemaligen Sträfling, der keinen Anschluss mehr an das normale Leben findet, dient ebenfalls eine unterschwellige Kriegsfolgen-Thematik, die immer wieder verhalten einschießt, und schließlich ein unmissverständliches Fazit liefert, ohne jedoch aufdringlich zu werden. Nach der Erstansicht wirkt "Die Paras - Goldraub in der Luft" zunächst einmal so, als habe man irgendwie nicht alle Kapazitäten genutzt. Dieser Eindruck entsteht allerdings nur, weil man haufenweise herkömmliche, beziehungsweise reißerische Stilmittel des Thrillers erwartet, diese nach dem Verlauf aber nicht vermisst, weil der Film einen eigenständigen Charakter entwickelt.

Schoendoerffer transportiert eine recht einfache, wenn auch durchgehende Spannung, ja, und eine beinahe pragmatische Komplexität. Die Dominanz der Bilder liefert die Hauptaussagen, so dass selbst die Dialoge untergeordnet wirken. Harte Schwarz/Weiß-Kontraste bestimmen die Szenerie sehr beachtlich, und es kommt zu einer sehr dichten Atmosphäre, da der Film ohnehin besonders viele Sequenzen hat, die sich bei Nacht oder in dunkleren Settings abspielen. Die Kamera-Arbeit ist bemerkenswert, da hier ein umfangreiches Spektrum abgedeckt wird. Trotz empfundener Flexibilität macht sich eine sehr auffallende Sterilität und Lethargie breit, immer wieder ist eine diskrete Verliebtheit zum Detail sichtbar, aber vor allem werden Stimmungen sehr nachhaltig transportiert und manchmal glaubt man, dass man den böigen Wind am Flughafen oder am Strand der Côte d’Argent deutlich spüren, oder den Atlantik förmlich riechen kann, genau wie das Aroma der unzähligen Zigaretten, oder den Kneipendunst. Leider ist Pierre Schoendoerffers Beitrag an dem man sich einfach nicht satt sehen kann, nach wie vor ziemlich unbekannt und als außergewöhnliches Stück französischer Filmkunst leider weitgehend in Vergessenheit geraten. Außerdem handelt es sich in der Karriere von Marisa Mell um eine Ausnahme-Erscheinung, da man sie gebannt auf Film Noir spuren begleiten darf, was verständlicherweise aber noch eine genauere Betrachtung erfordert...

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