Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 529 mal aufgerufen
 Giallo Forum
Georg Online




Beiträge: 3.263

08.10.2011 11:56
Hatchet for the Honeymoon / Red Wedding Night (1970) Zitat · Antworten

Il rosso segno della follia
wörtlich: Das rote Zeichen des Wahnsinns
Spanischer Titel: Un hacha para la luna de miel (= Eine Axt für die Flitterwochen)
Italien / Spanien 1970

John Harrington (Stephen Forsyth) betreibt in Paris mit seiner Frau einen Modesalon. Niemand weiß jedoch, dass er ein psychopathischer Killer ist, der seine Modelle ermordet, wenn sie heiraten wollen. Sein Motto lautet nämlich: "Eine Frau darf nur bis zur Hochzeitsnacht leben, einmal lieben und muss dann sterben" ...

Eigentlich hatte ich mir hier einen packenden und spannenden Giallo erwartet, Mario Bava - der ja eigentlich dieses Genre mit seinen Filmen La ragazza che sapeva troppo (1963) und Sei donne per l'assassino (1964) begründet hat - serviert aber eine Produktion, die man wirklich nur am Rande in dieses Genre einreihen kann. Der Täter ist von Anfang an bekannt, "kommuniziert" mit dem Zuschauer per Offstimme und erzählt ihm, wie verrückt er ist, und dass niemand von seinem "Job" als Killer ahnt. Nachdem die Hauptfigur auch noch seine Frau umgebracht hat, driftet der Film ins Surreale ab, indem dem Täter seine Gattin immer wieder (im Wahn?) erscheint. Am Ende kommt dann doch noch Spannung auf, als wir erfahren, warum die gesamten Morde begangen werden. Bava erweist sich hier wiederum als Bildkünstler und bemüht erneut das Mileu der Modebranche als Hintergrund für seine "Kunstergüsse", die nicht jedem gefallen müssen. Auf mich wirkt der Film bizarr, ja streckenweise langatmig, weshalb diese Produktion wohl nur für Fans des Meisters geeignet sein dürfte (die ihn dafür aber wiederum sehr schätzen werden). Die Hauptrolle ist Stephen Forsyth wahrlich auf den Leib geschrieben, sein Spiel ist überaus gelungen. Insgesamt aber nichts für Giallofans. Ich werde mir den Film sicherlich kein zweites Mal antun ...

Schlamperei am Rande, die mich stört: In der Zeitungsmeldung auf Französisch, in der steht, dass ein verrückter Killer im Zug zugeschlagen hat, sind zwei Fehler!

Kamera und Regie: Mario Bava, Drehbuch: Santiago Moncada, Musik: Sante Maria Romitelli, Produzent: Manuel Caño, Mit: Stephen Forsyth, Dagmar Lassander, Laura Betti, Jesús Puente, Femi Benussi

Blap Offline




Beiträge: 1.128

17.10.2011 22:57
#2 RE: Hatchet for the Honeymoon / Red Wedding Night (1970) Zitat · Antworten

Hatchet for the Honeymoon (Italien, Spanien 1969, Originaltitel: Il rosso segno della follia)

Norman Bates reloaded in blutiger Seide

John Harrington (Stephen Forsyth) und seine Gattin Mildred (Laura Betti) führen in Paris ein erfolgreiches Geschäft für Brautmoden. Der stets galante John wird von Models und Kundinnen verehrt, seine Ehe ist jedoch ein eisiges Desaster aus Hass und Verachtung. Niemand ahnt etwas von der heimlichen Leidenschaft des John Harrington, er tötet junge Damen mit einem Fleischerbeil, vorzugsweise in deren Hochzeitsnacht. Lediglich Inspektor Russell (Jesús Puente) fühlt dem charmanten Geschäftsmann immer wieder auf den Zahn, kann ihm aber nichts nachweisen. Als John auf die attaktive Helen Wood (Dagmar Lassander) trifft, scheint sich sein Gefühlsleben in eine andere Richtung zu bewegen. Doch die tyrannische Mildred denkt gar nicht daran ihren Angetrauten freizugeben, sie akzeptiert nur den Tod als Scheidungsgrund. Diese Unnachgiebigkeit soll nicht nur für Mildred grausige Konsequenzen nach sich ziehen ...

Mario Bava erinnert uns mit diesem Thriller an seinen eigenen Klassiker "Blutige Seide" (Sei donne per l'assassino), mit dem 1964 einer der wichtigsten Grundsteine des Giallo gelegt wurde. Tatsächlich sind beide Werke in der Modebranche angesiedelt. Doch während "Blutige Seide" als reinrassiger Thriller unterwegs ist, beschreitet "Hatchet for the Honeymoon" andere Wege, streift den Giallo nur am Rande. Der Killer ist von Anfang an bekannt, er berichtet dem Zuschauer freimütig von seinem Wahn. Oft wird der allseits bekannte Norman Bates (Psycho, Alfred Hitchcock 1960) als Vergleich bemüht, was bei Kenntnis beider Filme kaum wundert. Im späteren Verlauf macht sich zunehmend "Gruselstimmung" breit, die man je nach Vorliebe als Irrsinn des Hauptcharakters abtun mag oder aber der eigenen Phantasie freien Lauf lassen kann.

"Hatchet for the Honeymoon" bietet dem Bava-Verehrer die liebgewonnenen Ingredienzien an, für die man den legendären Regisseur schätzt und achtet. Bava übernahm hier auch die Kameraarbeit, die immerhin sein ursprüngliches Betätigungsfeld darstellt. Die Kamera wird sehr kreativ eingesetzt, ich wundere mich immer wieder darüber, welch nahezu einzigartiges Gespür der Künstler für "spannende" und faszinierende Einstellungen hatte. Nicht minder beeindruckend gelingt das Spiel mit Licht und Schatten, Farben und Räumen. Wenn Stephen Forsyth sein "Puppenkabinett" aufsucht, versinkt man in einem Rausch aus wohlig-bizarrem Grauen und obskurer Schönheit. Zusätzlich wird die Intensität des Films durch den treffsicheren Score von Sante Maria Romitelli gesteigert, der gekonnt zwischen dezent bis wüsten Psychedelic-Sounds und klassischen Ansätzen pendelt.

Stephen Forsyth ist die Rolle des irren Killers gewissermaßen auf den schlanken Leib geschneidert. Dank seiner leicht androgynen Ausstrahlung wirkt er zerbrechlich und rätselhaft zugleich, spielt den immer weiter in den Wahnsinn driftenden Schönling sehr gekonnt. Forsyth gelingt es immer wieder, mit entrücktem Blick für Gänsehaut zu sorgen, herrlich. Laura Betti gibt die giftige Ehefrau nicht minder überzeugend, offenbart aber auch zarte Seiten hinter ihrer harschen Fassade. Dagmar Lassander hat mehr zu bieten als man zunächst vermutet, keinesfalls sollte man ihren Part als "schöne Dekoration" abtun. Obschon die Anlage ihrer Rolle nicht die gleichen Möglichkeiten zu Glanzleistungen mit sich bringt, wie die von Forsyth und Betti dargestellten Charaktere. Jesús Puente schlüpfte in die Rolle des Ermittlers, der sachlich und beharrlich seinem Verstand und Instinkt folgt. Die hübsche Femi Benussi sehen wir als Model, ihr "Abgang" ist wundervoll in Szene gesetzt. Die übrigen Darsteller müssen sich mit kleinen Rollen begnügen. Wir bekommen einige nette Damen zu Gesicht, ferner kurz huscht die geschätze Froschfratze Luciano Pigozzi durchs Bild.

"Hatchet for the Honeymoon" ist eine Pflichtveranstaltung für alle Freunde des italienischen Kinos. Auch wenn der Streifen nicht so recht in die Schublade "Giallo" passen mag, sollte sich kein Freund dieses Genres eine Sichtung entgehen lassen. Auffällig ist der bissige, oft regelrecht zynische Humor, den Bava später auch in "Bay of Blood" aka "Im Blutrausch des Satans" (Reazione a catena, 1971) unterbrachte. Allerdings darf man keine grobschlächtigen Gewaltausbrüche erwarten, die sich blutrot durch Bavas "Ur-Slasher" ziehen. "Hatchet for the Honeymoon" verzichtet nahezu völlig auf Blut und grafische Gewaltdarstellungen, der Film lebt von seiner Atmosphäre, der handwerklichen und künstlerischen Klasse, nicht zuletzt von den gut aufgelegten Darstellern. Sicher, die Auflösung der Story ist leicht zu erraten, wird kaum einen Zuschauer wirklich vom Hocker reissen. Dies ist jedoch zu vernachlässigen, denn die Qualitäten des Flicks sind von anderer Art.

Dank Koch Media liegt der Film in Deutschland ungekürzt vor. Die DVD erfreut mit ihrer schönen Bildqualität, der Ton ist in deutscher und englischer Sprache an Bord. Boni sind dünn gesät, immerhin fügte man ein kleines Booklet bei. Noch ist die Scheibe zu fairen Preisen erhältlich, von meiner Seite gibt es eine klare Empfehlung!

Zwar verfehlt "Hatchet for the Honeymoon" meine persönlichen "Bava-Top 5" deutlich, für dicke 7/10 (gut) reicht es aber locker. Die Tendenz weist in höhere Sphären, der "Wohlfühlfaktor" sprengt (mal wieder) die Skala.

Lieblingszitat:

"Eine Frau sollte nur bis zu ihrer Hochzeitsnacht leben. Einmal lieben und dann sterben."

***

Vom Ursprung her verdorben

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.12.2016 20:45
#3 RE: Hatchet for the Honeymoon / Red Wedding Night (1970) Zitat · Antworten



Hatchet for the Honeymoon / Red Wedding Night (Il rosso segno della follia)

Psychothriller, IT / ESP 1970. Regie: Mario Bava. Drehbuch: Santiago Moncada, Mario Bava. Mit: Stephen Forsyth (John Harrington), Dagmar Lassander (Helen Wood), Laura Betti (Mildred Harrington), Jesús Puente (Inspektor Russell), Femi Benussi (Alice Norton), Antonia Mas (Louise), Gérard Tichy (Dr. Kallewey), Pasquale Fortunato (junger John Harrington), Ignasi Abadal (Kane), Alan Collin (d.i. Luciano Pigozzi) (Vences) u.a. Uraufführung (Italien): 2. Juni 1970.

Zitat von Hatchet for the Honeymoon / Red Wedding Night
Offenbar verlangt Brautmodendesigner John Harrington für seine Entwürfe eine Bezahlung im Voraus, denn seine Angewohnheit, die Trägerinnen seiner Kleider in oder vor ihrer Hochzeitsnacht umzubringen, würde sein gut gehendes Unternehmen sonst schnell in die roten Zahlen befördern. John ist sich der Abartigkeit seiner mit einem Fleischerbeil ausgeführten Taten durchaus bewusst, sieht sie aber als Schlüssel zur Wahrheit über den Tod seiner eigenen Mutter an, an den alle Erinnerungen ausgelöscht sind. Nebenbei plagt John noch ein weiteres Problem: Seine herrische Ehefrau will nicht in eine Scheidung einwilligen ...

Zitat von John Harrington in „Hatchet for the Honeymoon“
„My name is John Harrington. I’m 30 years old. I am a paranoiac ... paranoiac – an enchanting word. So civilised and full of possibilities. The fact is I am completely mad, the realisation of which of course annoyed me at first but is now amusing to me. Quite amusing. Nobody suspects that I am a madman, a dangerous murderer.“


Man kann „Hatchet for the Honeymoon“ nicht vorwerfen, um den heißen Brei herumzureden. Nach einer Mordsequenz, die an eine etwas ruppigere Axt-Version von „Mord im Orientexpress“ erinnert, steigt der Film eben jenem vollumfänglichen Geständnis des Täters ein, das hier abgedruckt ist. Brüsten sich viele Gialli mit ihren Whodunit-Qualitäten, so schlägt „Hatchet“ einen gänzlich anderen Weg in Richtung Psychothriller ein, in dem der Zuschauer immer an der Seite des Killers steht, was Assoziationen wachruft, die halbwegs zwischen „Psycho“ und „Columbo“ angesiedelt sind. Robert Blochs „Psycho“ muss eine große Inspirationsquelle für den Film gewesen sein, denn das Trauma vom Tod der Mutter pflanzt auch hier die Saat einer angeknacksten Existenz, die sich in einem verkappten Umgang mit Frauen und der Unfähigkeit des sexuellen Auslebens niederschlägt. Jeder Mord, den John Harrington begeht, bringt ihn der Wahrheit ein kleines Stück näher – eine Wahrheit, an der aber nicht nur seine Opfer, sondern schließlich auch er selbst zugrunde geht.

So hatte es das Script ursprünglich vorgesehen. Nachträglich musste es rigoros umgeändert werden, weil die renommierte Laura Betti als zänkische Ehefrau in den Film hineingeschrieben wurde. Man merkt, dass diese Änderungen die Handlung manchmal zum Stocken bringen. Zum einen bekämpfen sich die beiden Motive des Muttermords und der gescheiterten Ehe gegenseitig, wollen nicht recht zusammenpassen. Zum anderen wechselt der eigentlich als Serienmörder-Thriller konzipierte Film nach dem Mord an Mrs. Harrington sein Sujet, indem aus dem Psychokrimi ein Geisterthriller wird – denn wo kämen wir hin, wenn sich eine Schreckschraube wie Mildred Harrington so einfach beseitigen ließe? Mit bitterem Sarkasmus werden die Versuche Johns gezeigt, sich seiner toten Frau zu entledigen, die ihm oder seinen Gesprächspartnern aber auch über ihren Tod hinaus immer wieder erscheint.



Vielleicht tanzt „Hatchet for the Honeymoon“ im wahrsten Sinne des Wortes mit diesen mannigfaltigen Einflüssen auf zu vielen Hochzeiten. Diverse Stimmen, die ob der Einordnung des Films in den Giallo-Kanon Bedenken anmelden, beweisen, dass das schon 1968 gedrehte Bava-Werk jedenfalls nicht ganz reinrassiger Natur ist. Doch gerade bei einem so stilsicheren Regisseur, der schon früh die Grundsteine für das ganze Genre setzte, kann es nicht schaden, ein wenig über die reduziertesten Formeln hinauszublicken. Man könnte sicher argumentieren, dass der Film seinen Höhepunkt vor der Geister-Schnapsidee erreicht – nämlich in der intensiven Mordsequenz und dem darauf folgenden Hausbesuch der Polizei, während die Leiche noch offen auf der Empore liegt und das Blut auf den Teppich der Empfangshalle hinabtropft (eine Szene, die wahrlich an Hitchcock erinnert, das Drehteam aber vor immense Herausforderungen stellte, weil sie in der Villa des spanischen Diktators Franco gedreht wurde, dessen Bewacher peinlich genau darauf achteten, dass das Kunstblut keine Flecken hinterließ). Doch trotz des inhaltlichen Bruchs schaffte es Bava mit seinem findigen Gespür für Kamerawinkel, Beleuchtungen und Schnittfolgen, den Film interessant und am Laufen zu halten.

Dagmar Lassander war von der nachträglich für Laura Betti geschriebenen Rolle natürlich wenig begeistert und tatsächlich wünscht man sich, etwas mehr von ihr zu sehen, zumal ihr im Finale eine besondere Rolle zukommt. Für den eingangs geschilderten Antihelden John war die Änderung aber sicher ein Gewinn, erlaubt sie Stephen Forsyth doch nicht nur abgefahren-irre Szenen mit Brautschleier und Fleischerbeil, sondern auch Momente von Pein und Zweifel, in denen das Publikum mit dem wahnsinnigen Irren mitleidet (ähnlich wie in „Es geschah am helllichten Tag“, wo sich ebenfalls die Bösartigkeit der Ehefrau auf den willensschwachen Mann überträgt). Forsyth meistert alle diese Szenen exzellent und es ist bemerkenswert, dass er nach „Hatchet for the Honeymoon“ seine Schauspielkarriere beendete.

Ob nun also exzentrischer Giallo oder Gespensterfilm – die Kunstfertigkeit Bavas wird in allen Facetten dieses interessanten, wenn auch nicht ganz runden Filmjuwels sichtbar. Umso mehr noch, als die Produktion finanziell unter einem schlechten Stern stand, das Endergebnis aber alles andere als billig aussieht. Der Film gehörte auch zu Bavas persönlichen Favoriten und thematisiert einige biografische Elemente auf zugespitzte Art. Gerade diese Übertreibung macht den Film besonders, man muss mit ihr und dem schwarzen Humor, von dem beide Filmhälften nicht zu wenig abbekommen haben, aber auch etwas anfangen können. Im Gegensatz zu @Georg bin ich gespannt darauf, dem Film bei der dritten oder vierten Sichtung noch mehr Details zu entlocken.

„Hatchet for the Honeymoon“ polarisiert nicht nur in der Frage, ob es sich um einen Giallo handelt. Die ungewöhnliche Mixtur aus Morden mit scharfer Klinge und scharfzüngiger „Psycho“- und Geister-Hommage mag formal nicht alle Ansprüche erfüllen, ist aber kreativ und temporeich. 4 von 5 Punkten.



Die DVD von Redemption / Kino Lorber (USA): „Hatchet for the Honeymoon“ ist auch bei Koch-Media erschienen; mir liegt jedoch die 2012 von Redemption und Kino Lorber herausgebrachte RC-1-Veröffentlichung vor. Diese basiert auf einer neuen Restaurierung, die auch als Blu-ray veröffentlicht worden ist. Die Bildqualität ist gegenüber der Koch-Veröffentlichung ein Schritt nach oben; Schärfe und Farbgebung bewegen sich auf besserem Niveau, auch wenn der Schwarzwert etwas zu satt ausfällt. Man muss zwar auf die deutsche Synchronisation verzichten (nur englischer Ton, keine Untertitel), erhält dafür aber einen Audiokommentar des Bava-Spezialisten Tim Lucas, der einige interessante Hintergrundinformationen bereitstellt. Eine Bava-Trailerschau ergänzt das Paket. Eine noch umfassendere hiesige Neuveröffentlichung auf Grundlage des gleichen Masters erschien (nur auf Blu und zum Apothekenpreis) im Eigenverlag von Wicked Vision.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

16.07.2017 14:05
#4 RE: Hatchet for the Honeymoon / Red Wedding Night (1970) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Hatchet for the Honeymoon" (Il rosso segno della follia / Un hacha para la luna de miel) (Italien / Spanien 1969)
mit: Stephen Forsyth, Laura Betti, Dagmar Lassander, Jesùs Puente, Femi Benussi, Antonia Mas, Alan Collin, Gerard Tichy, Veronica Llimera, Fortunato Pascuale u.a. | Drehbuch: Santiago Moncada, Mario Musy, Mario Bava | Regie: Mario Bava

John Harrington und seine vermögende Frau Mildred leben in Paris, wo sie einen guten Namen für exklusive Brautmoden haben. Ihr Anwesen bildet den perfekten Rahmen für ihr Geschäft und niemand ahnt, dass sich hinter der Fassade Abgründe auftun. John hat bereits mehrere seiner Kundinnen getötet und in seinem Ofen verbrannt, dafür ist das Verhältnis zu seiner Frau schon lange abgekühlt. Mit jedem Mord kommt er dem Geheimnis seiner Kindheit näher, das er aufdecken muss, um seinen Seelenfrieden zu finden.....

"Der Tod macht das Leben zu einem lächerlichen kleinen Drama."

Die Eleganz der Bilder besticht in der gelungenen Symbiose mit Sante Maria Romitellis kraftvoller Musik und erlaubt es dem Film, sich an seiner eigenen Schönheit zu laben. Opulente Schauplätze, leuchtende Farben und großzügige Kamerafahrten unterstreichen den Wunsch nach Ästhetik, dem die männliche Hauptfigur mit seinen Gucci-Hemden und der Liebe zu edlen Rosen frönt. Dabei nährt sich die Gegenwart aus der Vergangenheit; treten Schuldgefühle und Zweifel wegen verblasster Erinnerungen zutage und bereitet die Asche der Opfer den Boden für üppiges Wachstum strahlender Flora. Offene Aussprachen bleiben aus, dafür übt man sich in Andeutungen und Beschuldigungen und verdrängt die Stunde der Wahrheit bis es zu spät ist. Die Morde als Zweck der Aufklärung ähneln einem Perpetuum mobile, das fast feierlich zelebriert wird. Skrupel kennt der Täter keine, achtet er doch als Narziss nur auf sein eigenes Seelenheil. Das Vorspiel gestaltet sich in immer gleicher Choreografie, wobei die Opfer der gefährlichen Spinne fast willenlos ins Netz gehen. Wie treffend sind hier die Worte von Raymond Durgnat, der über Bava-Vorbild Hitchcock sinnierte: "Nicht Brutalität an sich ist die Quintessenz des Horrorfilms, sondern erotische Brutalität." So wähnt sich die jeweilige Frau als Auserwählte des traurigen, einsamen Mannes und tanzt mit ihm ihren letzten Tanz. Die Fähigkeit, trotz der eindeutigen Tötungsabsichten Empathie auslösen zu können, sticht als bemerkenswertes Attribut hervor und hebt den Frauenmörder von den meisten seiner Kollegen ab. Durch die subjektive Kamera und die Offenheit gegenüber dem Publikum, kommt es bis zu einem gewissen Grad zur Identifikation mit der Hauptfigur. Als Herrscher in seinem kleinen, aber exquisiten Reich erhält er Zugeständnisse, die man einem weniger attraktiven Täter aus der Unterschicht nicht machen würde. Die Dekadenz der Reichen - so scheint der Film zu suggerieren - äußert sich in Schrullen, welche die Normalsterblichen nicht begreifen müssen. Faszinierend sind sie allemal. So wahrt selbst die Polizei einen vornehmen Abstand und belässt es zunächst bei Verhören, die im gemütlichen Plauderton geführt werden.



Stephen Forsyth gelingt es relativ rasch, eine Verbindung zum Zuschauer herzustellen. Durch die Anwesenheit von Laura Betti, die in der Rolle der strafenden, befehlenden Frau mehr Mutter als Ehefrau darstellt, wächst das Verständnis für seinen Wunsch nach Rückzug in sein eigenes Reich, das wie das verbotene Zimmer der Kindheit geheimnisvoll und verführerisch zugleich wirkt. Die Poesie, welche sich in diesen Szenen ausdrückt, die Zärtlichkeit, die John den Kleiderpuppen entgegenbringt, und die Überladenheit der Räume lassen die Seele des Zusehers baumeln und zeigen, dass hier nicht einfach eine Geschichte erzählt wird, sondern dass man sich Zeit nimmt. Der Film wird als Kunstwerk inszeniert und entfernt sich bewusst von den actionlastigen Reißern, die auf billige Effekte und einen schnellen Adrenalinkick beim Publikum setzen. Viel wichtiger als der Tötungsakt selbst ist das langsame Abwickeln der Vorbereitungen und die Aufarbeitung nach der Tat. Dagmar Lassander als neues Mannequin bringt Eigenschaften mit, die den anderen Frauen bisher fehlten: Selbstbewusstsein, ein offenes Ohr, Mut und Beharrlichkeit. Im Gegensatz zur passiven Femi Benussi, die sich fast schlafwandlerisch durch die Kulissen bewegt, tritt Lassander sicher auf und lässt sich nicht völlig von Forsyth blenden. Die Idee, Laura Betti als Ehefrau gleich in mehrfacher Ausführung auftreten zu lassen, verdichtet die Spannung und verleiht der Handlung eine ungewöhnliche Note. Die Geisterelemente sind dezent genug, um nicht unglaubwürdig zu wirken und sorgen immer wieder für unerwartete Wendungen. Im Gegensatz dazu erahnt man die Hintergründe um das Kindheitserlebnis sehr bald und so gibt es am Ende nicht die große Enthüllung, sondern nur eine Bestätigung. Einen sehr guten Job erledigt Jesùs Puente als Kriminalbeamter, der kontinuierlich am Fall dranbleibt und sich eine Strategie ausgedacht hat, die letztendlich erfolgreich sein wird. Die wunden Punkte der Hauptfigur sind der Stoff, aus dem Tragödien gemacht werden und so fasziniert "Hatched for the Honeymoon" vor allem jene, die selbst zu Schwermut neigen. Die herrlichen Bilder, in denen der Film schwelgt, hallen noch lange nach.

Ein Film wie ein Gedicht von Charles Baudelaire: verstörend, provokant und von einer morbiden Schönheit. 5 von 5 Punkten

 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz