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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 677 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.08.2011 23:37
Lina Braake (1974/75) Zitat · Antworten

Vor zwei Tagen hat Arte den Film „Lina Braake oder: Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat“ ausgestrahlt. Ich habe ihn mir aus Neugier wegen Fritz Rasp und Lina Carstens („Das schwarze Schaf“) angesehen und habe mich gut unterhalten gefühlt. In dem Film geht es darum, dass die Deutsche Boden- und Kreditbank das Mietverhältnis in Lina Braakes Wohnung kündigt, um auf dem Gelände Neubauten zu errichten. Lina, bislang mit Wohnrecht auf Lebenszeit ausgestattet, kann sich die neuen Mieten nicht leisten und wird deshalb in ein Altersheim gesteckt. Glücklicherweise lernt sie dort den entmündigten Gustaf Härtlein kennen, der ihr hilft, der Bank ein Schnippen zu schlagen und der Tristesse des Heims (vorerst) zu entkommen.

Hier einige Gedanken, die mir beim Sehen durch den Kopf gegangen sind:

Es gibt viele Kriminalfilme – und zwar nicht nur solche mit komödiantischem Einschlag – in denen man für die Täter mehr Sympathie aufbringt als für die Opfer. Und wenn nun eine alte Dame, der die gesichtslose und heute umso argwöhnischer betrachtete Institution „Bank“ übel mitgespielt hat, zu einem Rachefeldzug ansetzt, der dieses Wort gar nicht verdient, so kann man ihr nun wirklich nicht böse sein. So weit die Grundidee für Bernhard Sinkels Regiedebüt, in dem er auch noch die Rolle des Drehbuchautors und Produzenten übernahm. Sie passt hervorragend in die Zeit der Siebzigerjahre, in die Ausläufer des „Neuen Deutschen Films“, der ein Rechtsverständnis propagiert, an das während der Wirtschaftswunderzeit niemand auch nur im Traum gedacht hätte. „Aufstand der Anständigen“ hätte Simmel es genannt und Blacky Fuchsberger höre ich loben, „dass sich die Alten die faltige Haut nicht länger über die Ohren ziehen lassen“.

Sicher gebührt Lina Carstens das größte Lob. Als Identifikationsfigur entwickelt sie von der ersten bis zur letzten Szene eine erfreuliche Präsenz, die man ihr fast gar nicht zugetraut hätte, wenn man sie, wie ich, bislang nur als Mrs. Smith aus den „Pater Brown“-Filmen kannte. Ein interessantes Zusammentreffen ist es da, dass ihr Filmpartner Fritz Rasp, der mir hier präziser und mehr bei der Sache erschien als in „Der Kommissar: Tod eines Ladenbesitzers“, ebenfalls in „Das schwarze Schaf“ zu sehen war. Er bildet als „Fachidiot“ in beiden Sinnen des Wortes einen würdigen Gegenpart zu der agilen und ganz und gar nicht abschiebbaren Lina Braake und trägt einen Großteil dazu bei, dass das Altersheim so amüsant überzogen – fast wie ein Gefängnis ohne Ausweg und mit einschlägigem Klientel – wirkt. Lina hingegen macht in der Zeit, in der sie eingelullt werden soll, einen Prozess der Aufmerksamkeitsschärfung und des „Lügenlernens“ durch – so beweist etwa die liebenswerte Episode um den Hund aus dem Tierheim, dass sie doch eine ganz ausgekochte Natur ist.

Die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden begründete die Verleihung des Prädikats „Besonders wertvoll“ auch damit, dass der Film „das Milieu eines Altersheims im Blick auf eine vorstellbare Wirklichkeit genau, doch nicht ohne Überzogenheit, die in die Bereiche der Karikatur zielen“, zeige. Ich finde es besonders wichtig, auf diese Überzeichnung hinzuweisen, die satirische Züge und Züge schwarzen Humors in die Altersheimszenen einarbeitet. Einen wichtigen Anteil daran hat Herbert Bötticher, dessen Herr Körner die Leitung des Heims mehr als wirtschaftliche denn als soziale Aufgabe versteht und sich nicht fragt, ob sich zwischen der Behütung der Alten und dem Loslassen von Trickbetrügern und Sparmaßnahmen etwa ein Widerspruch auftun könnte.

Während die Kamera sich speziell in den sardischen Sequenzen in Lina Braakes Triumph suhlt und diesen mit langen, fast dokumentarischen Bildern unterstreicht, hat man an mehreren Stellen das Gefühl, dass die Inszenierung sich doch allzu sehr auf die Natur der Haupthandlungsträger eingelassen hat. Ich möchte nicht von Längen sprechen, doch verschiedene Szenen hätten nach der zügigen Einführung der Ausgangssituation kompakter gestaltet werden können. Positiv hebt sich dagegen die Musik von Joe Haider hervor – man widmete der guten Lina eigens ein italienisches Lied, zu dem sie gemeinsam mit Gustaf von der Zeit in Sardinien träumen kann.

Alles in allem gestaltet sich der Film ebenso charmant wie die Hauptcharaktere, aber auch genauso „gediegen“. Dass die Interessen der Bank nicht die Interessen sein können, die Lina Braake hat, führt den Zuschauer nicht so sehr in einen Zwiespalt, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Ich tendiere zu 3,5 von 5 Punkten, doch dieses Mal weise auch ich ausdrücklich auf zusätzliche Wohlfühlpunkte hin.

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

25.08.2011 00:03
#2 RE: Lina Braake (1974/75) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #1
Als Identifikationsfigur entwickelt [Lina Carstens] von der ersten bis zur letzten Szene eine erfreuliche Präsenz, die man ihr fast gar nicht zugetraut hätte, wenn man sie, wie ich, bislang nur als Mrs. Smith aus den „Pater Brown“-Filmen kannte.

An dieser Stelle wage ich doch zu widersprechen. Gerade weil ich sie als Mrs. Smith kannte, habe ich ihr das zugetraut. Für mich beherrscht sie auch dort fast jede Szene, in der sie auftaucht. Zumindest aber blieb sie mir als "Type" im Gedächtnis.

Glasauge Offline




Beiträge: 1.321

25.08.2011 21:13
#3 RE: Lina Braake (1974/75) Zitat · Antworten

Ein sehr schöner Film, der auch in die heutige Zeit passt. Am Dienstag als Aufnahme gesehen. Einzig das Ende fand ich ein wenig "seltsam". Spielt in einer Liga mit dem "Millionenspiel".

Glasauge
Nichts kann ewig sein, außer Freiheit ...

Georg Offline




Beiträge: 3.263

25.08.2011 22:34
#4 RE: Lina Braake (1974/75) Zitat · Antworten

Ist schon länger her, dass ich diesen tollen Film gesehen habe. Großartiges Zusammenspiel von Lina Carstens und Fritz Rasp, eine unterhaltsame, realistische Geschichte. @Gubanov hat das Ganze sehr gut geschildert.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

26.08.2011 00:34
#5 RE: Lina Braake (1974/75) Zitat · Antworten

Ende 2009 kam sogar ein recht gelungenes Remake von Leander Haußmann in die Kinos - und zwar unter dem Titel "Dinosaurier - Gegen uns seht Ihr alt aus!". Allein aufgrund der Besetzung (Walter Giller, Nadja Tiller, Eva Maria Hagen, Ezard Haußmann, Ingrid van Bergen, Ralf Wolter, Tom Gerhardt und Daniel Brühl) dürfte der Film bei einigen Forianern Interesse hervorrufen.

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