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 Film- und Fernsehklassiker international
Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

14.08.2011 14:25
Besprechung: UNTER VERDACHT (USA 1944) Zitat · Antworten

UNTER VERDACHT
(USA 1944, Original: The suspect)






Auch dieser Film führt uns wieder in die scheint’s für Freunde des gepflegten Krimis recht fruchtbare Zeit der Jahrhundertwende, diesmal in das London des Jahres 1902. Regisseur Robert Siodmak verzichtet dabei bis auf eine – allerdings klassisch gefilmte – Nebelszene gänzlich auf bedrohliche Gaslicht-Atmosphäre und stürmische Wetterumstände, auf vordergründige Tötungsszenen und beängstigende Schattenspiele, die er ein Jahr später so virtuos in der „Wendeltreppe“ eingesetzt hat, begeistert hier mit einer nüchternen Klarheit und Schärfe der Schilderung, liefert einen fast dokumentarischen Einblick in das viktorianische Alltagsleben zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dabei liegt dem ganzen Film eine seltsam leichtfüßige Unbeschwertheit zu Grunde, die der Handlung – Abgründe hinter Samtvorhängen und glänzenden Firmenschildern, zweifacher Mord, Gewalt in der Ehe, Erpressung, Diebstahl – eine angenehme Realität und gleichzeitig eine gewisse Unbestimmbarkeit verleiht. Dreh- und Angelpunkt des Films ist der unvergleichliche Charles Laughton, ein dicklicher Mann in mittleren Jahren, gefesselt an eine zänkische, unzufriedene Ehefrau, die ihm das Leben zur Hölle macht und den gemeinsamen Sohn aus dem Haus treibt, gefangen in einem langweiligen Job. Unerwartet tritt in Gestalt einer jungen Frau Abwechslung und Lebensfreude in sein Dasein, doch die Gemahlin lässt sich in diesem Zeitalter der strengen Werte und hohen Moralvorstellungen nicht so einfach aufs Abstellgleis schieben. Nachdem sie am Weihnachtstag zum finalen Schlag ausholen will, fällt sie einem mysteriösen Treppensturz zum Opfer. Wenig später heften sich ein hartnäckiger Yard-Inspektor und ein Erpresser an seine Fersen …

Charles Laughtons ruhige, sympathische Präsenz und sein Talent sorgen für Schauspielkunst in hoher Vollendung, im Gespräch mit dem diebischen Botenjungen ebenso wie in den fruchtlosen Konfrontationen mit seiner Ehefrau oder im freundlichen Verständnis für seine geplagte Nachbarin. Nie wird er laut, höchstens mit leisen Gesten und verschämten Blicken deutet er an, dass seine Selbstbeherrschung Risse kriegt, und gerade deshalb wirken seine Taten umso brutaler, wird seine Motivation nachdrücklicher. Man macht sich als Zuschauer unbewusst zu seinem Komplizen und fiebert mit, ob die Flucht mit neuer Frau und Sohn gelingt. Der raffinierte Trick des Inspektors bildet dabei neben der hochspannenden Szene rund um den zweiten Mord einen krimitechnisch genussvollen Höhepunkt und gibt Laughton bravourös Gelegenheit, den differenzierten Charakter seiner Rolle auszuspielen. Ella Raines schafft es als angebetete Frau, ehrliche Gefühle ihrerseits in dieser ungleichen Beziehung glaubhaft zu machen, dass man mit Laughtons Opfern so wenig Mitleid und mit seinen Taten eine gewisse Solidarität empfindet, liegt auch an der herrlich unsympathischen Interpretation Rosalind Ivans als Hausdrachen (wobei hier eine leichte Modifizierung der Rolle oder ein Erklärungsversuch für ihr Verhalten vielleicht nicht geschadet hätte) und Henry Daniells als versoffenen, haltlosen Tagedieb und Erpresser. Verwundert hat mich, dass der Laughton’sche Haushalt keinerlei Bedienstete, weder Köchin noch Dienstmädchen, angestellt hat – vielleicht wurden sie alle vor Beginn der Handlung schon von der grässlichen Hausherrin vertrieben ...

(Hab jetzt für den Film einen eigenen Thread eröffnet, vielleicht hat ja gelegentlich noch jemand Lust, sich dazu zu äußern).

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