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Dieses Thema hat 34 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

04.09.2011 14:38
#16 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The Scarlet Claw (Die Kralle)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Gerald Hamer (Potts), Paul Cavanagh (Lord Penrose), Arthur Hohl (Emile Journet), Miles Mander (Richter Brisson), Kay Harding (Marie Journet), David Clyde (Sergeant Thompson), Ian Wolfe (Drake), Victoria Horne (Nora). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Edmund L. Hartmann, Roy William Neill. Produzent: Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „Who could be ringing the church bell at this time?“

Inhalt: Sherlock Holmes und Dr. Watson sind in Kanada, wo sie an einer Konferenz teilnehmen, die okkulte Phänomene untersucht. Dort erreicht sie die Nachricht vom Tode Lilian Gentrys, einer ehemaligen englischen Schauspielerin, die nach Amerika ging und dort die Frau von Lord William Penrose wurde, dem Vorsitzenden der Konferenz. Trotz des ausdrücklichen Verbots, sich in den Fall einzumischen, ermittelt Holmes in der Mordsache und stößt bald schon auf den Aberglauben der Dorfbewohner, die nachts Unheimliches beobachtet haben und sich vor einem blutrünstigen Geist fürchten. Kann Sherlock Holmes den Todesfall aufklären oder muss er diesmal vor der Kraft des Übernatürlichen kapitulieren?

Besprechung:

Zitat von Annette von Droste-Hülshoff: Der Knabe im Moor, Erste Strophe, 1841/42)
O schaurig ists übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ists übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!


Die düstere Atmosphäre von La Morte Rouge bildet das Zentrum dieses gothic thrillers. Die Dorfgemeinschaft liegt weitab der Zentren pulsierenden Lebens und bietet somit alle Ingredienzen für einen Schauplatz des Verbrechens. Die Pfeiler einer ländlichen Gemeinde, das Wirtshaus und die Kirche, stehen sinngemäß für die Ausweglosigkeit der Situation, in der die Bewohner gefangen sind. Der gemütlich aussehende Father Pierre mischt sich unter die Zechenden in der Gaststube, während sein Gotteshaus menschenleer bleibt. Wie in ein Rettungsboot gepfercht, harren die Einwohner La Morte Rouges ihres Schicksals. Es handelt sich ausnahmslos um Männer; die wenigen Frauen in „The Scarlet Claw“ haben wenig zu lachen – allen dreien wird übel mitgespielt, zwei kommen sogar zu Tode.

Zitat von Alan Barnes: Sherlock Holmes on Screen, Reynolds & Hearn, 2004, S. 154
The mostly unsympathetic supporting characters – the sham-crippled Brisson, the cold and lofty Penrose and the gruff child-beater Journet – [...]


Kay Harding (* 1924) spielt Marie Journet, die Tochter des Gastwirts. Sie hat Mitte der Vierzigerjahre in sieben Filmen mitgespielt, u.a. in „The Woman in Green“, wo sie ebenfalls ermordet wird. Ihr Tod ist einer der erschütterndsten innerhalb der SH-Serie, da sie durch ihr mädchenhaftes Aussehen sofort die Sympathien des Publikums gewinnt. Seinen ersten Auftritt hat auch Paul Cavanagh, einer der profiliertesten Darsteller der Reihe. Seine Unnahbarkeit und die emotionslose Art seines Handelns prädestinieren ihn für glanzvolle Suspense-Rollen, in denen er stets zu den Hauptverdächtigen zählt.

Basil Rathbone wirkt in diesem Film besonders souverän, was daran liegt, dass er als Einziger erkennt, dass es sich um eine konventionelle Mordserie handelt, die von Rache angetrieben wird. Die Geisterelemente sollen vom wahren Sachverhalt ablenken und verhindern, dass der Täter greifbar wird.

Natürlich hat Alan Barnes Recht, wenn er die Wahrscheinlichkeit anzweifelt, dass alle Personen, denen Alastair Ramson nach dem Leben trachtet, im selben kleinen Ort wohnen. Der Bequemlichkeit halber und um die kompakte Struktur des Ambientes nicht aufzubrechen, hat man sich wohl dafür entschieden. Ein unbeschwertes Alltagsleben scheint es in La Morte Rouge ohnehin nicht zu geben. Das ehemals florierende Hotel De La Porte dient nur mehr als Unterschlupf für lichtscheue Gestalten, die Besucher von Journets Schenke sind alte bärtige Männer und es grenzt an ein Wunder, dass der Ladenbesitzer teure Importware am Lager hat. Wahrlich ein trübsinniges Fleckchen Erde. Dr. Watson, stets den lukullischen Freuden zugetan, erhält nicht einmal Gelegenheit, auf Wildentenjagd zu gehen. Seine gesetzte Art wird besonders in den ungeschickten Versuchen betont, dem agilen Holmes bei seinen Streifzügen durch die rauhe Landschaft zu helfen. Jedes Mal landet er in einem Sumpfloch. Er kann wenig mehr tun, als seinem Freund Gesellschaft zu leisten oder sich mit dem Dorfpolizisten zu unterhalten. Richtig in Fahrt kommt er ohne die Anwesenheit seines Lieblingsfeindes Inspektor Lestrade nicht.

Schlussrede: Watson: „I shall like to have seen a bit more of Canada before we sailed, Holmes.“ – Holmes: „So should I, Watson. Canada, linchpin of the English-speaking world, with those relations of friendly intimacy with the United States on the one hand and her unswerving fidelity to the British Commonwealth and the Motherland on the other. Canada, the link that joins together these great branches of the human family.“ – Watson: „Did Churchill say that?“ – Holmes: „Yes, Watson, Churchill.“

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2011 14:49
#17 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The Scarlet Claw (Die Kralle)

Uraufführung USA: 26. Mai 1944. Erstsendung 1. Synchronisation: 22. Mai 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Erstsendung 2. Synchronisation (als „Die scharlachrote Kralle“): 23. August 1980, DDR II (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl (1. Fassung), Hinrich Köhn (2. Fassung).


Mordopfer und Mordmethoden: 4 – Lady Penrose (Kehle durchschnitten), Richter Brisson (Kehle durchschnitten), Marie Journet (Kehle durchschnitten), Potts (Kehle durchschnitten)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 3 Minuten, 58 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 5 Minuten, 49 Sekunden

Besonderheiten:

  • Ursprünglich sollte der Film „Sherlock Holmes in Canada“ heißen.
  • Der erste Film der Reihe, bei dem man nie die Baker-Street-Wohnung sieht.
  • Für den Special Effect des leuchtenden „Gespensts“ zeichnete Spezialeffekt-Experte John P. Fulton verantwortlich, der an über 260 Filmen beteiligt war und für seine Effekte dreimal mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
Kanonbezüge: Der Hund der Baskervilles, Der Vampir von Sussex, Das Zeichen der Vier

Zitate:
  • „Irgendetwas durchschnitt die Kehlen von Rosseaus Schafen, und dieses Etwas hinterließ keinerlei Spuren.“
  • „Wie gut, dass wir nach London zurückfliegen. So etwas kann in der Baker Street nicht passieren.“
  • „Ebenso schlau, der Kerl, wie ein alter Affe hässlich ist.“
Besprechung:
Förmlich greifbar wird an jenem abgelegenen und ungewöhnlichen Ort, der sich passenderweise „La Morte Rouge“ nennt, die Einsamkeit und Leere, die dazu führte, dass „The Scarlet Claw“ oft als ein besonders herausragender Sherlock-Holmes-Film bezeichnet wird. Die Ermittlungen in Kanada vermischen Realität und Aberglaube und zeichnen in dieser Beziehung nicht nur Parallelen zu Doyles berühmtestem Roman „The Hound of the Baskervilles“. Auch auf das echte Leben des Schriftstellers spielten die Drehbuchautoren Hartmann (Secret Weapon) und Neill an: Der gebürtige Schotte und Katholik interessierte sich vor allem in seinen späteren Lebensjahren zunehmend für okkulte und spiritistische Phänomene und thematisierte sie sogar in seinen Büchern (1926 führte er seinen Helden Professor Challenger in „The Land of Mist“ in spiritistische Kreise ein).

Zitat von Wikipedia, the free encyclopedia: Sir Arthur Conan Doyle, Link
Following the death of his wife Louisa in 1906, the death of his son Kingsley just before the end of World War I, and the deaths of his brother Innes, his two brothers-in-law (one of whom was E.W. Hornung, creator of the literary character Raffles) and his two nephews shortly after the war, Conan Doyle sank into depression. He found solace supporting spiritualism and its attempts to find proof of existence beyond the grave.


Mehr als das grobe Befassen mit derlei Erscheinungen, zu denen angeblich auch das unheimliche leuchtende Gespenst gehören soll, dessen Auftritt in der nächtlichen Moor-Szene sicher zu den unheimlichsten Momenten der Reihe zählt, bietet die Szene im Québecer Hotel, die uns Holmes, Watson und Lord Penrose vorstellt. Dort tagt die Kanadische Gesellschaft für Okkultismus, und man darf davon ausgehen, dass solch ein überzeugter Verein auch Conan Doyle persönlich nicht unbekannt war:

Zitat von Sherlock Holmes Magazin Nr. 4, Juni 2010, Sir Arthur Conan Doyles Krieg der Geister, Teil 1 von Markus Kompa
1922 überquerte Doyle den Atlantik, um auf einer Vortragsreise an der Ostküste der USA für Spiritismus zu werben. Er war Gast in [Harry] Houdinis Haus, die Familien verstanden sich gut und verbrachten ihre Freizeit miteinander. Um Houdini von den Kräften seiner Frau zu überzeugen, ließ er sie in einer spiritistischen Sitzung den Geist von Houdinis Mutter beschwören, der durch ihre Hand Antworten auf Houdinis Fragen aufschreiben sollte. Die Mutter grüßte ihren Sohn, malte für ihn ein Kreuz. Zwar soll sich Houdini während der Séance, in welcher er erstmals nach neun Jahren ein Zeichen seiner Mutter bekam, gerührt gezeigt haben. Später jedoch ließ er auf Nachfrage Dritte wissen, der Geist könne kaum seine Mutter gewesen sein. Diese habe nämlich kein Englisch gesprochen, auch hätte sie als Jüdin kaum ein christliches Kreuz gemalt.


Faulen Zauber muss sich aber bei allen Vorzügen auch „Die Kralle“ vorwerfen lassen. Gleich mehrfach kommt es zu logischen Fehlern, vor allem was die Frage angeht, warum die drei Menschen, auf die der mysteriöse Schauspieler Ramson großen Hass hegt, sich alle ausgerechnet in La Morte Rouge niederlassen. Ebenso wenig förderlich gerät die Szene, in der Holmes dem Vagabunden Tanner gegenübersteht und man dessen Identität und damit die des maskenverliebten Verbrechers genau erkennen kann. Was andere Produktionen, allen voran natürlich dem Wallace-Epigonen „Die weiße Spinne“ aufgrund der Vielzahl an Ereignissen, Ablenkungen und Knalleffekten keinen Abbruch tut, stellt in „Die Kralle“ einen empfindlichen Geheimnisverlust dar. Der Film basiert schließlich allein auf der Suche nach der Identität und Herkunft jener mysteriösen Kralle, die sich am Ende als Gartenharke herausstellt, obschon Watson diese in seiner Eigenschaft als Mediziner zu Beginn als Mordwerkzeug ausschloss.

Vor diesem Hintergrund mag es merkwürdig erscheinen, dass viele der „Kralle“ den Titel des besten Universal-Holmes-Films zugestehen. Auch der an der Produktion beteiligte Cutter Paul Landres schlägt in diese Kerbe und konstatierte: „Everybody involved was very excited about this film because we all knew that it was far superior to anything else in the series.“ – Mit großer Sicherheit bedarf es keines Sherlock Holmes’, um mindestens fünf Produktionen zu nennen, die Landres’ Aussage auf inhaltlicher Ebene widerlegen. Schwierig hingegen dürfte sich Widerrede gestalten, die auf Inszenierung und Atmosphäre abzielt. Trotz einiger Längen erzielte Roy William Neill in Zusammenarbeit mit dem Kameramann George Robinson von Düsternis und latenter Gefahr durchtränkte Bilder, die tatsächlich für einen für B-Pictures erstaunlich hohen filmischen Standard sorgen. Sicher hat auch der sich nie zur Ruhe legende Doyle insgeheim seine Freude an „The Scarlet Claw“ gehabt und wird sie demnächst vielleicht als Anlass und Vorlage nehmen, sein Versprechen in die Tat umzusetzen:

Zitat von Sherlock Holmes Magazin Nr. 5, September 2010, Sir Arthur Conan Doyles Krieg der Geister, Teil 2 von Markus Kompa
1930 folgte Doyle ins Reich der Geister, über das er kurz vorher vor der Kamera referierte. Sein Geist ließ bei mancher Séance von sich hören. So auch bei Margery [Mina Crandon], der er versprach, einen weiteren Roman zu liefern: „Sherlock Holmes in Heaven“.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.09.2011 20:23
#18 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The Pearl of Death (Die Perle der Borgia)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Dennis Hoey (Lestrade), Evelyn Ankers (Naomi Drake), Miles Mander (Giles Conover), Ian Wolfe (Amos Hodder), Charles Francis (Digby), Holmes Herbert (James Goodram), Richard Nugent (Bates), Mary Gordon (Mrs. Hudson). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Bertram Millhauser. Produzent: Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „Who’s there?“„The steward, Sir.“

Inhalt: Sherlock Holmes begleitet die Perle der Borgia auf ihrem Transport vom Kontinent nach England. Durch eine List verhindert er, dass Naomi Drake, eine Komplizin des Verbrechers Giles Conover, das Kleinod in ihre Hände bekommt. Doch Conover gelingt es, die Perle aus dem königlichen Museum zu stehlen. Er versteckt sie an einem Ort, den er seinen Leuten mitteilt, bevor man ihn verhaftet. Bald schon geschehen drei unheimliche Morde und Sherlock Holmes muss sich fragen, wie diese Taten mit dem Diebstahl der Perle in Verbindung stehen. Welche Motive gab es für die Morde? Was hat das Auftauchen des Knochenbrechers Hoxton Creeper mit den Plänen Conovers zu tun?

Besprechung:
Sherlock Holmes und Dr. John Watson sind der Inbegriff der Männerfreundschaft. Dies wird vor allem in dieser Produktion deutlich, die die Loyalität, Treue und Verbundenheit der beiden Privatermittler betont wie kaum ein anderer Film der Reihe. Als Sherlock Holmes durch eigenes Verschulden dazu beiträgt, dass die wertvolle Perle aus dem Museum entwendet werden kann, wird Watson gegenüber einem Zeitungsreporter handgreiflich und verteidigt seinen Freund gegen die höhnischen Kommentare von Inspektor Lestrade. Als Watson einen Zeitungsausschnitt verlegt, wendet er Holmes‘ Methode an und ahmt den Detektiv bei einem Gespräch mit einem Besucher nach. Bedingungslos folgt er seinem Freund, wenn dieser ihn braucht und lässt selbst das beste Mahl stehen.

Eine weitaus fatalere Form der Abhängigkeit gibt es in den Kreisen der Verbrecher. Naomi Drake ist ihrem Mentor Giles Conover hörig, er nutzt ihre Mitarbeit für seine Zwecke aus. Hoxton Creeper beweist eine animalische Anhänglichkeit gegenüber der blonden Frau und bedient das Klischee „Die Schöne und das Biest“. Es sind ungesunde Verhältnisse, die im Dunstkreis der Perlenräuber gedeihen. Ganz wie innerhalb der mächtigen Familie Borgia, die Anfang des 15. Jahrhunderts von Spanien nach Italien kam und dort großen Einfluss erlangte, gibt es auch im Conover-Clan eine Reihe grausamer Todesfälle. Rodrigo de Borgia, der sich durch Bestechung unter dem Namen Alexander VI. zum Papst küren ließ, starb im Jahr 1503 eines Gifttodes, den Holmes als Auftakt der Todesserie der berüchtigten Perle, die bis zum Ende der Geschichte 25 Menschenleben fordern wird, sieht. Eine weitere geheimnisumrankte Persönlichkeit der Geschichte stellt Napoleon dar, der es als Kaiser der Franzosen ebenfalls nach ganz oben schaffte. Sein Bildnis in Form einer Büste wird zerschlagen – zertrümmert von einem geistig minderbemittelten Kraftprotz, der im Auftrag eines körperlich kleinen Mannes handelt, der wie Napoleon nach Macht dürstet. Hier schließt sich der Kreis. Ihn zu durchbrechen ist Sherlock Holmes‘ Bestreben. So erhält seine Mission einen fast religiösen, in jedem Fall zumindest ethischen Beweggrund. Durch feine Details erhält die Handlung Tiefe, die man nicht unbedingt in einem Kriminalreißer der B-Reihe erwarten würde: Die Schwester einer Ermordeten unterrichtet Geschichte und sollte die Büste erhalten, um ihre Schüler zu inspirieren.

In anderen Dingen ließ man weniger Logik walten: Woher weiß Naomi Drake, dass der Mitarbeiter des Museums die Perle in einem Nebenfach seines Koffers versteckt hat? Wieso glaubt man, dem Publikum weismachen zu können, dass Bleistift auf Porzellan schreibt und dem Wasser in der Spüle standhält? Wieso erhält Holmes beim Durchtrennen einer unter Strom stehenden elektrischen Leitung keinen Schlag?

Die Atmosphäre des düsteren Werks orientiert sich an den Vorbildern des Film Noir und bemüht sich, Horrorelemente mit solider Krimispannung zu vermengen. Die literarische Vorlage wird gekonnt wiederverwertet und entbehrt durch die Nennung der italienischen Adelsfamilie Borgia nicht einmal diesen Punkt aus Conan Doyles Geschichte „The Six Napoleons“. Sogar „The Resident Patient“ wird durch die Katalepsie einer Zeugin bedient.

Schlussrede: Watson: „By good Jove!“ – Holmes: „The Borgia Pearl – the blood of five more victims on it.“ – Watson: „Anyhow, Conover was one of them.“ – Holmes: „What’s Conover? No more than a symbol of the greed and cruelty and lust for power that have set men at each other‘s throats down through the centuries. And the struggle will go on, Watson. For a pearl, a kingdom, perhaps even world dominion till the greed and cruelty have burned out of the last one of us. And when that time comes, perhaps even the pearl will be washed clean again.“

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.09.2011 20:27
#19 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The Pearl of Death (Die Perle der Borgia)

Uraufführung USA: 22. September 1944. Erstsendung 1. Synchronisation: 17. Juli 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Erstsendung 2. Synchronisation (als „Die Perle des Todes“): 13. September 1980, DDR II (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl (1. Fassung), Hinrich Köhn (2. Fassung).


Mordopfer und Mordmethoden: 5 – Horace Harker (Rückgrat zerbrochen), Miss Carey (Rückgrat zerbrochen), Thomas Sandeford (Rückgrat zerbrochen), Giles Conover (Rückgrat zerbrochen), Hoxton, der Furchtbare (erschossen)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 23 Minuten, 53 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 3 Minuten, 24 Sekunden

Besonderheiten:

  • Ungewiss ist das Uraufführungsdatum des Films: In unterschiedlichen Quellen findet man den 1. August, den 25. August oder den 22. September 1944.
  • Darsteller Miles Mander trat bereits 1932 in dem Sherlock-Holmes-Film „The Missing Rembrandt“ neben Arthur Wontner auf.
  • Der creeper erfuhr 2010 in der Episode „Sherlock: The Great Game“ eine Wiederauferstehung als Golem.
Kanonbezüge: Die sechs Napoleons, Ein Skandal in Böhmen, Der Flottenvertrag, Sein letzter Fall / Das Tal der Angst, Das Musgrave-Ritual, Der Teufelsfuß, Der niedergelassene Patient, Seine Abschiedsvorstellung

Zitate:
  • „Er treibt sich dauernd vor Ihrem Zimmer herum. Der Gute hat so eine richtig treue Hundeseele.“
  • „Wir von der Polizei überlegen nicht erst lange.“
  • „Denken Sie daran, dass ein gefährliches Ungeheuer frei herumläuft. Tun wir das Unsere, Lestrade, denn es mordet weiter: eiskalt und erbarmungslos.“
Besprechung:
Der Entfernung von Kriegsthemen setzte die Universal-Sherlock-Holmes-Reihe eine stärkere Konzentration auf düstere Horrorelemente entgegen. Ein leuchtendes Monster im Moor, ein einsames Schloss in Schottland, entstellte Leichen und abgeschnittene Finger zählten statt Bombenangriffen und Nazi-Verbrechen zu Holmes‘ späteren Aufgaben und Herausforderungen. Die perfekteste und gruseligste Zutat, die die Serie mit Basil Rathbone allerdings erhielt, war Bertram Millhausers Figur des Hoxton creeper, eines riesenhaften, an einen Gorilla erinnernden Mörders mit entstellten Gesichtszügen und Armen wie Stahlseile. Mit den blanken Händen bricht er seinen Opfern die Wirbelsäule und ist deshalb ein gefürchtetes, skrupelloses Mordwerkzeug. Die Geschichte hinter dem creeper stellt sich bei genauerer Betrachtung allerdings als eher tragisch heraus, denn der Darsteller Rondo Hatton (* 1894) litt tatsächlich unter Riesenwuchs:

Zitat von David Stuart Davies: Starring Sherlock Holmes, Titan Books, 2007, S. 56f
The Creeper was played by Rondo Hatton, a grotesque looking actor who suffered from acromegaly, a condition which distorts and enlarges the facial features. Director Neill made the most of Hatton’s face, filming him in scenes with deep shadows and low key lighting. Hatton, who was known as the only horror star to play monsters without make-up, was quickly brought back to play the Creeper again in two non-Holmes films, House of Horrors (1945) and The Brute Man (1946), before the disease claimed him in 1946 at the age of fifty-one.


Aufgrund der körperlichen Form des Knochenbrechers sehen ihn Sherlock Holmes wie auch die Verbrecher nicht als Menschen, sondern eher als eine Zwittergestalt auf der Schwelle zum Tierischen an. Holmes gerät damit in keinerlei Gewissens- oder Gesetzeskonflikte, als er den Angreifer am Ende des Films mit der Pistole niederstreckt. Unterstrichen wird die Bedrohlichkeit des Furchtbaren, der nach einem Stadtteil in Ostlondon benannt ist, durch Roy William Neills gelungene Film-Noir-Anklänge. Hoxton agiert stets im Schatten, bis erst ganz am Ende Licht auf seine schauerlichen Züge fällt. Dies koinzidiert mit dem Licht- und Schattenspiel im Treppenhaus des Dr. Boncourt sowie mit der Düsternis, die bei der ersten Erwähnung des Namens des Monsters plötzlich durch Conovers Wagen flutet. Eine ausgeklügelte Schärfefokussierung sorgt dafür, dass immer die Person oder der Gegenstand von Interesse ins Auge des Zuschauers fällt: Holmes‘ Schlussrede bietet ein exzellentes Beispiel hierfür.

Man hielt sich für Serienverhältnisse zudem sehr nah an die Geschichte der „sechs Napoleons“, 1904 im Strand Magazine erstveröffentlicht und ein Jahr später im „Return of Sherlock Holmes“ enthalten. Da die Erzählung zu Doyles besten, atmosphärischsten und cleversten, wenngleich nicht gerade zu den wahrscheinlichsten zählt, bot sie sich für eine Realisierung durch Universal geradezu an. Die prototypische Vermischung von Krimi- und Horrorelementen beweist zugleich einen Blick der Verantwortlichen über den Doyle’schen Tellerrand hinaus und bleibt in dieser Eigenschaft nicht die einzige Anspielung auf die Werke von Doyles Vorbild Edgar Allan Poe in der Sherlock-Holmes-Reihe:

Zitat von Sherlock Holmes Magazin Nr. 2, Dezember 2009, Poe vs. Doyle – Zwei Meister geben sich die Ehre von Nicole Glücklich
Obwohl Poe zeitlebens unzählige Geschichten und Gedichte verfasste und Der entwendete Brief für das Beste hielt, was er je geschrieben hatte, blieb er arm, während Conan Doyle, der seinen Detektiv deutlich an Poes Dupin anlehnte und Kriminalgeschichten als minderwertige Literatur erachtete, seinen Lebensunterhalt zu einem großen Teil mit Sherlock Holmes bestritt. [...] Doyle greift auch bereits früh im Kanon einen Plot einer Poe-Geschichte auf. Der Flottenvertrag handelt genau wie Der entwendete Brief von einem Schriftstück, welches verschwunden ist. [...] Am Ende werden beide Schriftstücke auf dramatische Art präsentiert, nachdem sie vom Dieb zuvor an der offensichtlichsten und damit unvermutetsten Stelle versteckt worden waren.


Im Fall der Perle handelt es sich natürlich nicht um ein Schriftstück, sondern um die sechste und letzte Napoleon-Büste, die Holmes sicher vor Conover verbirgt, indem er einen Hut darüberklappt. Namentlich fand diese Methode des „offensichtlichen Versteckens“ auch bereits in „Die Geheimwaffe“ mit Dr. Tobels Bombenzielgerät Verwendung.

Dennoch beweist „Die Perle der Borgia“ Namen nur Schall und Rauch sind. Der Trailer zeigt in diesem Zusammenhang, wie sehr „Sherlock Holmes“ und „Basil Rathbone“ schon zu Synonymen verwachsen sind: „Brute horror ... criminal cunning ... to baffle even Sherlock Holmes“, steht da ein wenig reißerisch, aber in Hinblick auf einen von Holmes‘ wenigen Rückschlägen ganz richtig zu lesen, bevor der Name des Detektivs einfach mit dem Namen des Schauspielers ausgetauscht wird: „to baffle even Basil Rathbone“. Dann muss es ja in der Tat ein ausgesprochen kluger Verbrecher sein ...

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

18.09.2011 20:48
#20 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The House of Fear (Das Haus des Schreckens)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Aubrey Mather (Alastair), Dennis Hoey (Lestrade), Paul Cavanagh (Simon Merrivale), Holmes Herbert (Alan Cosgrave), Harry Cording (John Simpson), Sally Shepherd (Mrs Monteith), Gavin Muir (Chalmers), Florette Hillier (Alison MacGregor). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Roy Chanslor. Produzent: Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „The events I’m about to relate began a fortnight ago – in a grim, old house perched high on a cliff on the west coast of Scotland.“

Inhalt: Der Versicherungsagent Chalmers wendet sich nach zwei mysteriösen Todesfällen von Mitgliedern des „Klubs der guten Kameraden“ an Sherlock Holmes und bittet ihn, diesen ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Als Holmes und Watson in Schottland ankommen, wird ein weiterer Mord gemeldet. Wird es dem Detektiv gelingen, die Todesserie zu stoppen? Was steckt hinter den anonymen Briefen mit den Apfelsinenkernen? Wer profitiert vom Tod der sieben Clubmitglieder?

Besprechung:
Drearcliff House liegt in Schottland, der Heimat von Dr. Watsons Vorfahren. Die elementaren Kräfte der Natur spielen hier ebenso eine Rolle wie der Aberglaube und das Misstrauen der Dorfbewohner. Um eine möglichst schauerliche Atmosphäre zu schaffen, wählte man das selbe Haus, das schon in „Gespenster im Schloss“ zu sehen war; die Außenansicht übernahm man aus dem Finale von „Die Stimme des Terrors“. Die Einwohner des abgelegenen Fleckchens scheinen der „Kralle“ entsprungen; wettergegerbte Seebären, ein wortkarger Ladenbesitzer und seine verängstige Tochter Alison, ebenso mit geflochtenem Haar und wollenem Schulterschal wie Marie Journet. Dennoch gibt es menschliche Wärme und zwar in Gestalt des knuffigen Bruce Alastair (Aubrey Mather, * 1885). Er ist einer der sympathischten Männer der SH-Reihe und bildet eine Abwechslung zum abgeklärten Paul Cavanagh, dem mürrischen Harry Cording oder dem aalglatten Gavin Muir.

Die Anleihen, die der Film bei Agatha Christie („And Then There Were None“) nimmt, werden von Alan Barnes in seinem Buch ebenso erläutert wie die interessante Entkräftigung des Vorwurfs, Sherlock Holmes habe versagt:

Zitat von Alan Barnes: Sherlock Holmes on Screen, Reynolds & Hearn, 2004, Seite 89
A frequent complaint – one that endures to this day – is that Holmes has too little to do and solves the problem too late. Close analysis suggests that this isn‘t really the case. On entering Drearcliff for the first time, Holmes declares that he suspects „no one but everyone“, and if one views the film in the light of his merely trying to prove a thesis he has formulated from the outset, there is absolutely no harm in his sitting back and waiting for each „murder“ to take place in anticipation of the conspirators eventually making a conclusive mistake.


Unwahrscheinlicher erscheint mir in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in einem verhältnismäßig kleinen Ort innerhalb kürzester Zeit genügend Männer sterben, deren Leichen die Bande „wiederverwerten“ kann. Wie gut, dass die Feuerbestattung damals noch nicht so verbreitet war.

Ich würde das Landhaus jedoch nicht als „Haus des Grauens“ bezeichnen. Ich finde es sehr gemütlich, gerade für die Tätigkeiten der Clubmitglieder, die sich vor allem mit Lesen, Pfeiferauchen und Herumsitzen beschäftigen. Ein angenehmer Alterssitz für gesetzte Herren mit Vermögen. Selbst der verregnete Abend, den Dr. Watson auf der Wacht verbringen muss, wirkt wenig furchteinflößend. Schuld daran ist natürlich der gute Doktor, der sich von einer Katze und einer Ritterrüstung aus der Ruhe bringen lässt. In Kombination mit dem eigens aus London angereisten Inspektor Lestrade wirken diese humorigen Einlagen wie ein Ablenkungsmanöver. Reicht die Zuständigkeit des Yards nicht nur bis zur Grenze, wie in „Juwelenraub“ behauptet wird? Umso ärgerlicher ist es, wenn Lestrade am Ende alle Lorbeeren einheimsen kann und Sherlock Holmes den Scheck der Versicherungsgesellschaft ablehnt.

Letzter Satz: „Your timely warning when you drew our attention to the empty tobacco jar and saved the life of my dear friend and collegue, Dr John H Watson.“„Very nice of you, Holmes.“„Thereby enabling us to continue our long and happy association together.“

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.09.2011 20:51
#21 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The House of Fear (Das Haus des Schreckens)

Uraufführung USA: 16. März 1945. Erstsendung 1. Synchronisation: 17. April 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Erstsendung 2. Synchronisation (als „Das Haus des Grauens“): 1. August 1980, DDR II (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl (1. Fassung), Hinrich Köhn (2. Fassung).


Mordopfer und Mordmethoden: 7 – Ralph King (mit dem Auto von den Klippen gestürzt), Stanley Raeburn (ertrunken), Guy Davies (im Heizungskessel verbrannt), Alan Cosgrave (bei Sprengung getötet), Captain John Simpson (Torso am Strand gefunden), Alex MacGregor (erschossen), Dr. Simon Merrivale (von Felsbrocken erschlagen)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 2 Minuten, 19 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 3 Minuten, 50 Sekunden

Besonderheiten:

  • Ursprünglich sollte der Film „The Murder Club“ heißen.
  • „The House of Fear“ wurde als Doppelprogramm mit dem Horrorfilm „The Mummy’s Curse“ in die amerikanischen Kinos gebracht. In beiden Streifen spielt Holmes Herbert mit.
  • Angeblich basiert der Film neben der Doyle-Vorlage und den offensichtlichen Christie-Bezügen auf dem 1929er MGM-Thriller „The Unholy Night“.
Kanonbezüge: Die fünf Apfelsinenkerne, Das letzte Problem / Das Tal der Angst, Das Zeichen der Vier

Zitate:
  • „Wir sind hergekommen, um Nachforschungen ... wir haben die Absicht zu jagen.“
  • „Im Augenblick verdächtige ich niemanden und jeden.“
  • „Die Ausführung ihres Plans konnte in letzter Minute verhindert werden.“„Eine hervorragende Arbeit des bekannten Inspektors Lestrade!“
Besprechung:
Mit dem Einstieg ins windumbrauste, unwirtliche Schottland ruft „Das Haus des Schreckens“ Erinnerungen an „Gespenster im Schloss“ wach, dem mit der dunklen Geschichte von Musgrave Manor ein ganz ähnliches Geheimnis anhaftet. Dieses Mal heißt das Schloss im Mittelpunkt der Handlung zu allem Überfluss auch Drearcliff House, was unter Verwendung des Wortstammes von dreary = düster, trostlos sogleich für den entsprechenden ungemütlichen Anstrich sorgt. Leider übernimmt die deutsche Synchronisation den Fauxpas des Originaltons, die Einleitung mit einer anonymen und nicht der Stimme Dr. Watsons zu unterlegen, sodass die Schilderung der ersten beiden Todesfälle unpersönlicher als nötig erscheint. Auch später gelingt es der Geschichte nicht ganz, den Zuschauer zu überzeugen: Zu klischeehaft gewollt wirken die recht willkürlich zusammengewürfelten Elemente eines Panoptikums. Lestrade – was auch immer seine Anwesenheit in Schottland rechtfertigt – bringt es auf den Punkt, als er verwirrt noch einmal nachhakt: „Möchte mir nicht bitteschön einer sagen, worum es hier eigentlich geht?!“

Es wird alles aufgeboten, was für einen gothic thriller lieb und teuer ist, ohne sich auf ein Hauptaugenmerk zu konzentrieren: ein Schloss an einer Steilküste, Regen und Gewitter, Nachtaufnahmen, Gasbeleuchtung, Pferdekutschen, die Andeutung eines Fluches, brutale Morde, Explosionen, eine Grabexhumierung und noch vieles mehr. Für sich selbst genommen sind all diese Elemente natürlich auch eine Werbung für ein besonders klassisches, ursprüngliches Sherlock-Holmes-Abenteuer, vermischt werden sie aber in einer derart selbstverständlichen Weise mit einer teils übertriebenen, klamaukigen Komponente (Lestrade wird in einer Kammer eingeschlossen, Watson schießt auf eine Ritterrüstung etc.), dass man die Geschichte zu keinem Zeitpunkt ernstnehmen kann. Vor Adrea Spedding, der Kralle oder Hoxton hatte man Respekt, die Drearcliff-Morde belächelt man hingegen mit der müden Gewissheit, dass hier nur die üblichen Theatertricks gezogen werden. Das Christie’sche Muster des one-by-one killings wurde in anderen Produktionen zudem einfallsreicher umgesetzt, findet aber trotzdem eine sehr befriedigende Lösung.

Roy Chanslor und Roy William Neill haben allen Unkenrufen zum Trotz einige anheimelnde Momente geschaffen. Neben der besonders versöhnlichen Schlusssequenz mit Anspielung auf die ungerechte Kreditierung der Polizei beim Lösen von Holmes‘ Fällen und der herzlichen Porträtierung der engen Freundschaft Holmes‘ zu Watson ist vor allem die anfängliche Bemerkung des Doktors zu notieren. Auf der Fahrt nach Drearcliff merkt er an, dass Schottland die Heimat seiner Vorfahren sei. In der Tat verrät schon Watsons zweiter Vorname seine Herkunft: Wahrscheinlich wissen nur eingefleischte Holmes-Liebhaber, dass sich hinter dem H in Dr. John H. Watson der Name Hamish, eine schottische Variante von James oder Jacob, verbirgt (mithin auch eine Erklärung, weshalb Watsons Frau ihn in der Erzählung „The Man with the Twisted Lip“ James nennt). Holmes‘ Assistent und Biograf teilt damit die Herkunft des Mannes, der für die Geschichten verantwortlich zeichnet: Arthur Conan Doyle wurde am 22. Mai 1859 in Edinburgh geboren, auch studierte er später an der dortigen Universität Medizin. Man vermutet, dass er sich einen seiner Professoren als Vorbild für Holmes‘ größten Gegner, Professor Moriarty, nahm. Auf den Erzschurken wird nun schon zum fünften Mal im Rahmen der Reihe verwiesen. Hier ist es Inspektor Lestrade, der meint, für die Vernichtung Moriartys (in der deutschen Fassung: Professor Melanders) verantwortlich zu sein. Sollte das tatsächlich stimmen, so bestätigt es nur die Einfältigkeit des – ebenfalls schottisch tönenden – Ermittlers, denn schon im Folgeteil „Die Frau in Grün“ wird Holmes Moriarty wieder in voller Lebensgröße begegnen.

Immer wieder Fragen wirft der Grund für die Verwendung der Orangenkerne auf. Sicher stellt dieses Kuriosum den größten Bezug zu Doyles Kanon dar und mit eben solcher Sicherheit wurde er weniger aus logischen denn aus Gründen der Ablenkung und Verwirrung eingebaut. Völlig unverständlich bleibt er trotzdem nicht: Während im Original der Ku-Klux-Klan hinter der sonderbaren Form der Warnung steckt, bleibt im „Haus des Schreckens“ zu vermuten, dass der Umschlag der Vorabidentifizierung der entstellten Leichen dient. Wenn jeder Verblichene vorher eine tödliche Nachricht erhält, wird automatisch angenommen, dass es sich hernach beim Fund der Leichen um die angeschriebene Person handelt, und es gibt keine genauen Untersuchungen der entstellten Toten. Für den Klub der guten Kameraden kann eine derartige Camouflage natürlich nur von Vorteil sein.

Percy Lister Offline



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25.09.2011 14:21
#22 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The Woman in Green (Die Frau in Grün)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Hillary Brooke (Lydia), Henry Daniell (Moriarty), Paul Cavanagh (Fenwick), Matthew Boulton (Inspektor Gregson), Eve Amber (Maude), Frederic Worlock (Onslow), Tom Bryson (Williams), Sally Shepherd (Crandon). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Bertram Millhauser. Produzent: Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „I won’t forget that morning – not if I live to be a hundred.“

Inhalt: Nachdem sich mehrere Frauenmorde ereignet haben, bei denen den Opfern der rechte Zeigefinger amputiert wurde, wendet sich Inspektor Gregson von Scotland Yard an Sherlock Holmes, der der Polizei in der Vergangenheit des öfteren geholfen hat. Als ein hypnotisierter Mann einen Mordanschlag auf den Detektiv verübt, erkennt Holmes den Zusammenhang zwischen den Verbrechen und der blonden Lydia Marlowe, die bereits Sir George Fenwick in ihren Bann gezogen hat. Steckt Professor Moriarty hinter den Morden? Was will er? Wird Sherlock Holmes dem hypnotischen Zwang standhalten?

Besprechung:

Zitat von Marie Belloc Lowndes: The Lodger, Academy Chicago Publishers, 1988, Seite 9
During the last fortnight four very curious and brutal murders had been committed in London and within a comparatively small area. The first had aroused no special interest – even the second had only been awarded, in the paper Bunting was still then taking in, quite a small paragraph. Then had come the third – and with that a wave of keen excitement.


Während der Name des historischen Serienmörders Jack the Ripper in der englischen Originalfassung erwähnt wird, beruft sich die deutsche Synchronfassung von 1969 auf einen gewissen Jack O’Brian. Dieser suchte sich seine Opfer immer aus der selben Gesellschaftsschicht und im selben Londoner Stadtteil. Diesmal ist es anders. Es ist interessant zu hören, dass das ursprüngliche Drehbuch vorsah, kleine Mädchen zu den Opfern des Mörders zu machen. Ein Teil davon hat in der Endfassung des Films überlebt: Dr. Simnell, der die Amputationen an den Leichen der Opfer durchführt, wird in einer Szene gezeigt, wie er eine Puppe ankleidet. Eine Puppe, die als Köder gedient hätte, wenn man bei der zunächst geplanten Drehbuchfassung geblieben wäre.

Ohnehin handelt es sich bei den Verbrechern um äußerst unterkühlte Menschen. Professor Moriarty, der vom Briten Henry Daniell mit Understatement gespielt wird, lässt sich durch sein unnahbares Auftreten nicht in die Karten blicken. George Zucco und vor allem Lionel Atwill wirkten durch ihre bodenständigen Beweggründe weitaus animalischer und damit berechenbarer. Lydia Marlowe wird von Hillary Brooke in faszinierend anziehender Weise dargestellt, die Alan Barnes in seinem Buch „Sherlock Holmes on Screen“ mit dem Titel „ice princess“ adelt. Die schmeichelnde Ausleuchtung der Szenen, die raffiniert geschnittenen eleganten Abendroben, die kunstvoll aufgetürmten Locken, die ihre Hochsteckfrisur umrahmen und ihr Talent, die Männer mit der Andeutung eines Lächeln zu verzaubern, machen sie zu einer Anwärterin auf den Titel „femme fatale der Sherlock-Holmes-Reihe“. Konkurrenz bekommt sie auf dem hohen Niveau ihrer Darstellung nur noch von Gale Sondergaard und Patricia Morison.

David Stuart Davies weist in seinem Audiokommentar zum Film auf einige Logikfehler hin. So erscheint es bemerkenswert, dass für den Schuss auf Sherlock Holmes ein Mann engagiert wurde, den man durch Hypnose zu dieser Tat zwang. Weshalb erledigte dies nicht einer von Moriartys Leuten? Was wurde aus den Erpressungsopfern vor Sir George Fenwick – denn zweifellos kassierte die Bande schon länger Gelder von unbescholtenen Männern, die für die Taten verantwortlich gemacht wurden.

Die Schauplätze zeugen von Geschmack und erwecken Erinnerungen an frühere SH-Produktionen. So hat man das Wohnzimmer, in dem Sir George tot aufgefunden wird, bereits in „Das Haus des Schreckens“ gesehen; dort diente es als Aufenthaltsraum der guten Kameraden in Drearcliff House. Die Bar im Pembroke House unterstreicht die distinguierte Aura von Lydia Marlowe ebenso wie ihre Wohnung, die durch zahlreiche weiche Stoffe, die in Form von Vorhängen für eine gedämpfte Atmosphäre sorgen, zu einem schützenden Kokon wird, der das Böse fernhält. Ihre Besucher dürfen nicht erfahren, dass das Blut von Mordopfern diesen Luxus mitfinanziert hat.

Lydia wird von den Taten, die nachts auf regennassen, schmutzigen Straßen verübt werden, ferngehalten. Deutlich wird dies vor allem im Finale, als sie nicht mitansehen will, wie Sherlock Holmes in ihrer Gegenwart getötet wird. „Machen Sie Schluss!“ fordert sie Prof. Moriarty auf. Sie ist zwar Nutznießerin der grausamen Taten, möchte jedoch keine Menschen sterben sehen. In diesem Punkt wird sie von Adrea Spedding („The Spider Woman“) übertroffen. Diese zuckt nicht einmal mit der Wimper, als der gefesselte Sherlock Holmes in ihrem Beisein erschossen werden soll. Ist der Grad der Kaltblütigkeit also entscheidend im Rennen um den Titel der Frau der SH-Periode? Wir werden es sehen. Mit Hilda Courtney („Dressed to Kill“) wartet noch eine weitere bemerkenswerte Person auf uns.

Bertram Millhauser ist es zu verdanken, dass wieder viele Elemente aus den Geschichten von Conan Doyle Erwähnung finden und an die Anforderungen des modernen Kinopublikums angepasst werden. So ist die Szene mit der Büste Julius Caesars weitaus stimmiger als die Umsetzung des gleichen Moments mit Jeremy Brett und Edward Hardwicke Jahrzehnte später.

Zitat von Edgar Allan Poe: Mesmerische Offenbarung (aus: Simon Marsden – Bilder aus der Welt des Edgar Allan Poe, Eulenverlag, 1993, Seite 18)
Welche Zweifel auch immer noch die vernunftsmäßige Erklärung des Mesmerimus umgeben mögen, seine verblüffenden Tatsachen sind heute fast weltweit anerkannt. Die an diesen letztern noch zweifeln, sind bloß wieder die ewigen Zweifler aus Profession – eine nichtsnutzige und wenig reputierliche Sippschaft.


Abschließend sei noch zu sagen, dass sich Dr. Watson in einigen Szenen wieder sehr leicht beeinflussbar zeigt, der große Sherlock Holmes ihn aber trotz seiner Marotten schätzt und wie ein Löwe aufspringt, wenn seinem Freund Unheil droht. Wohl dem, der so einen Beistand hat!

Letzter Satz: „What are you thinking, Holmes?“„I’m thinking of all the women who can come and go in safety in the streets of London tonight. The stars keep watching their heavens, and in our own little way we too, old friend, are privileged to watch over our city.“

Gubanov ( gelöscht )
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25.09.2011 14:24
#23 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



The Woman in Green (Die Frau in Grün)

Uraufführung USA: 27. Juli 1945. Erstsendung 1. Synchronisation: 7. Mai 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Erstsendung 2. Synchronisation (als „Die weiße Blume des Vergessens“): 1. November 1980, DDR II (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl (1. Fassung), Hinrich Köhn (2. Fassung).


Mordopfer und Mordmethoden: 5 – zwei junge Frauen (?, je ein Finger abgetrennt), Sir George Fenwick (erschossen), Williams (?), Professor Moriarty (Sturz in die Tiefe)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 4 Minuten, 31 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 4 Minuten, 13 Sekunden

Besonderheiten:

  • Ursprünglich sollte der Film „Invitation to Death“ heißen.
  • Trotz der dunklen Ausstrahlung der erste Film der Reihe, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa in die Kinos kam.
  • Henry Daniell wird im Abspann fälschlicherweise als „Moriarity“ aufgeführt.
Kanonbezüge: Eine Studie in Scharlachrot, Das letzte Problem / Das Tal der Angst, Die Pappschachtel, Das Musgrave-Ritual, Das leere Haus, Der griechische Dolmetscher / Die Bruce-Partington-Pläne

Zitate:
  • „Vielleicht ist auch Methode in seinem Wahnsinn.“
  • „Alles, was ich Ihnen zu sagen hätte, ist Ihnen wahrscheinlich schon durch den Kopf gegangen.“
  • „Holmes hat eine Schwäche: seine fast unersättliche Neugier.“
Besprechung:
Nachdem er in den meisten der letzten sieben Holmes-Filme die Ermittlungen nach allen Regeln der Kunst behinderte, gönnte man dem trottelig-liebenswürdigen Dennis Hoey nunmehr eine wohlverdiente Auszeit. An seine Stelle tritt der ebenfalls aus der allerersten Holmes-Geschichte bekannte Inspektor Tobias Gregson, hier von Matthew Boulton mit erfreulicher Zurückhaltung und Ernsthaftigkeit verkörpert, entfernt von der bei Doyle angedeuteten kollegialen Eifersucht „wie [bei einem] Paar berufsmäßiger Schönheiten“. Das Fehlen von Lestrade, und zunächst auch von Watson, untermauert in Verbindung mit dem Voiceover als typisches Stilmittel der Vierzigerjahre und dem Kommentar Gregsons, die dritte tote Frau sei noch „ein halbes Kind“ gewesen, die Düsternis der ersten Filmminuten. Dabei hätte sie eigentlich noch kapitaler ausfallen sollen, schlug die erste Drehbuchfassung doch – bis auf die Finger – komplette Kinder als Mordopfer vor. In dieser Form erschien die Tötungsserie den Zensurbeamten indes zu brutal, was dazu führte, dass man den Handlungsstrang auf junge Frauen ummünzte. Man denke nur an die Assoziationen, die die Belastung der unschuldigen Männer bei Kindsmord hervorgerufen hätte!

Sherlock Holmes gibt sich gerade zu Beginn als gesitteter und eleganter Mann; sein Besuch im Leichenschauhaus gerät in Anbetracht der Umstände nicht so extravagant wie der erste Auftritt des jungen „Sherlock“ oder das zugehörige Original-Pendant in „Der schwarze Peter“. Stattdessen sehen wir Holmes als scheinbaren Stammgast in der vornehmen Tanzbar Pembroke House, erfahren, dass er den Gesellschaftsteil der Zeitungen liest, und hören neben allerlei gesellschaftlich geübten Plattitüden auch den Satz „Ich sehe einer sehr hübschen Frau nach“ aus seinem Mund. Basil Rathbone gestaltet seinen Holmes also mondäner, zeitgemäßer und weniger vorurteilsbehaftet:

Zitat von Bruce Wexler: The Mysterious World of Sherlock Holmes, Colin Gower Enterprises, 2007, S. 140ff
Although Conan Doyle must have taken a conscious decision that his great creation should remain a single man, it would be quite wrong to assume that Holmes’s life is free from feminine influence [or] that Holmes is unappreciative of womanly charm and beauty. He describes famous Irene Adler as „the daintiest thing under a bonnet on this planet,“ and quite often refers to the appearance of women he meets in his work. [...] Perhaps Holmes[’s] basic „problem“ with women is, put simply, that they are not like him. He certainly views the female mind as antithetical to his own. Rather than using the „cold clear reason which (he) place(s) above all things,“ Holmes believes that women rely on their intuition and „emotional qualities“. [...] Despite his ferocious intellect, Holmes cannot avoid being a man of his times. Men of his generation were conditioned to think of women as weaker and more vulnerable than themselves, creatures who need protection and guidance of men. [...] Nearly all the women characters who appear in the Canon are defined by the men in their lives, and many are their victims.


Nicht so die titelgebende „Frau in Grün“: Lydia (Hillary Brookes dritter, größter und überzeugendster Auftritt in der Holmes-Serie) handelt zwar letztlich auch nur als Marionette des großen Professor Moriarty, tritt aber als selbstbewusste, bis zur Ruchlosigkeit emanzipierte Frau auf, die einige Männer verführt und andere zurechtstutzt. Dass der Titel auf die Farbe ihrer Kleidung eingeht, zumal diese inhaltlich keine Rolle für die Verbrechen spielt, scheint für einen Schwarzweißfilm ein sonderbares Zeichen zu sein: Umso mehr bot es sich allerdings an, diesen Streifen gemeinsam mit den anderen drei in public domain befindlichen Produktionen „SH and the Secret Weapon“, „Terror by Night“ und „Dressed to Kill“ einer aufwändigen Koloration mit charmantem Ergebnis zu unterziehen.

Professor Moriarty, in eigener Person oder verschlüsselter Präsenz, gehört bereits ebenso zu den Stammgästen der Reihe wie Holmes, Watson, Lestrade und Mrs. Hudson, erhielt aber, um Abwechslung zu garantieren, immer neue Gesichter. Zum dritten Mal stürzt er am Ende bereits in die Tiefe zu Tode, doch dieses Mal hat der Abgrund insofern einen besonderen Reiz, als er mit all seinen Tücken – der niedrigen Balustrade und den lockeren Backsteinen – bereits in den ersten zehn Filmminuten dem Zuschauer offenherzig vorgestellt wird. Zuvor kommt es zwischen den beiden Genies ihrer Zünfte, Holmes und Moriarty, aber zu einem Gespräch in der Baker-Street-Wohnung, das nicht nur durch Ausleuchtung und Kameraarbeit, sondern auch durch Originalzitate aus „Das letzte Problem“ überzeugt.

Weniger authentisch wirkt dagegen die Schreibweise „Edgeware Road“ für den Fundort der zweiten Filmleiche – hier sind die Amerikaner wohl unbewusst selbst „over the edge“ gegangen. Dies mindert das Filmvergnügen an einem diabolischen, mit Hypnose ein interessantes, im Holmes-Kanon leider nicht vertretenes, dafür effektvoll in der „Murder Rooms“-Episode „The Photographer’s Chair“ angesprochenes Thema abbildenden Film aber ebenso wenig wie amerikanisch aussehende Häuserfronten, sodass „The Woman in Green“ zu den letzten großen Höhepunkten der Universal-Holmes-Arbeiten gezählt werden darf.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

02.10.2011 14:32
#24 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



Pursuit to Algiers (Gefährliche Mission)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Marjorie Riordan (Sheila), Rosalind Ivan (Agatha Dunham), Morton Lowry (Sanford), Leslie Vincent (Nikolas), Martin Kosleck (Mirko), Rex Evans (Gregor), John Abbott (Jodri), Gerald Hamer (Kingston). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Leonard Lee. Produzenten: Howard Benedict, Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „Simpson, thank you for keeping up so late and taking care of us.“

Inhalt: Sherlock Holmes und Dr. Watson sollen den Sohn des Königs von Rovinia vor den Männern schützen, die bereits seinen Vater getötet haben. Aus diesem Grund begleiten sie ihn nach Algier, wo er die Herrschaft seines Vaters fortsetzen soll. An Bord der SS Friesland werden mehrere Versuche unternommen, den jungen Mann zu ermorden. Wird es Sherlock Holmes gelingen, seinen Auftrag auszuführen? Und was hat es mit der geheimnisvollen Sängerin auf sich, die dem Detektiv konsequent aus dem Weg geht?

Besprechung:
Der größte Fehler, den man dem Film anlasten kann, ist seine schwache Zeichnung der Nebenfiguren. Die lächerlich unprofessionell agierenden Ägypten-Forscher, die ständig über einen Leichentransport diskutieren; das Gangster-Trio, das aus einem stummen Kraftprotz, einem Messerwerfer und einem dicken Mann besteht, der gebetsmühlenartig wiederholt, man müsse sich in Geduld üben, und „Agatha Dunham, a formidable spinster who carries a gun in her handbag“ (David Stuart Davies) – dieser Cast übt wenig Anziehungskraft aus und schwächt die Geschichte immens. Sherlock Holmes scheint sich auf die Rolle des Beschützers verlegt zu haben, auch bei seinem nächsten Auftrag reist er mit dem Vorsatz, etwas oder jemanden zu bewachen. Dabei hoffte man in den ersten Filmminuten, dass Holmes den Diebstahl der berühmten Juwelen der Herzogin von Brookdale klären würde. Das tut er dann auch, jedoch beiläufig, während er seine Zeit damit verbringt, sich an Deck im amerikanischen Spiel Shuffleboard zu üben und mit Dr. Watson Mühle zu spielen. Aufgelockert werden die trüben Tage an Bord durch gleich vier Gesangsnummern, wobei zwei davon das schottische Erbe von Dr. Watson unterstreichen. Musste der Arzt zu Beginn auf den lang ersehnten Urlaub in der Heimat seiner Väter verzichten, so darf er seine Zuneigung zu Schottland nun gesanglich hervorheben.

Zitat von „Loch Lomond“, Schottisches Volkslied, Melodie von 1841
By yon bonnie banks and by yon bonnie braes,
Where the sun shines bright on Loch Lomond.
Where me and my true love were ever wont to gae,
On the bonnie, bonnie banks of Loch Lomond.


Marjorie Riordan (* 1921) fällt die weibliche Hauptrolle zu. Die Vertragsschauspielerin von Warner Brothers absolvierte in den Fünfziger Jahren ein Psychologiestudium, da ihr die Schauspielerei auf Dauer intellektuell zu wenig Anreize bot. Nach einigen Jahren der parallelen Tätigkeiten, konzentrierte sie sich bald nur mehr auf ihre Arbeit in der Klinik, wo sie auch ihren Ehemann Allan Schlaff kennenlernte. Als Sheila Woodbury interpretiert sie u.a. „Flow gently, sweet Afton“, dessen Text der schottische Nationaldichter Robert Burns 1791 zu Papier brachte und dessen Melodie auch im Weihnachtslied „Away in a manger“ Verwendung findet.

Die halbherzigen Mordversuche an Nikolas Stephens werden dadurch unglaubwürdig, als die Bande vorher seinen Vater getötet und zwei Flugzeuge zum Absturz gebracht hat. Warum benimmt sie sich bei den neuerlichen Attentaten so dilettantisch? Weil der große Sherlock Holmes in der Nähe ist? Das will uns das Drehbuch wohl glauben machen. Ärgerlich ist auch, dass man die Überführung der Täter und die Befreiung des jungen Mannes am Ende nicht sieht. So wirkt der Fall wenig abgerundet.

Die Party mit den Papierhüten und Watsons komödiantische Ausführung eines Abenteuers („The Giant Rat of Sumatra“) fallen Holmes sichtlich auf die Nerven. Zum ersten Mal innerhalb der Reihe sehen wir Basil Rathbone an, dass ihm die Rolle zur Bürde geworden ist und keine Herausfordung mehr darstellt.

So wähle ich heute als Schlussworte für meinen Bericht zwei Zitate. Das erste stammt aus „Loch Lomond“, wo ein zum Tode verurteilter Soldat aus dem Gefolge von Bonnie Prince Charlie klagt: „But me and my true love will never meet again ...“, das zweite ist die Inschrift der Grabplatte von Marjorie Riordan und ihrem Ehemann: „To live in the hearts we leave behind is not to die“. Sherlock Holmes lebt ebenfalls weiter – auch wenn nicht alle Fälle seinen Ansprüchen gerecht werden können.

Letzter Satz: „Yes, Watson, let me advise you: If you ever consider taking up another profession, never even think of becoming an actor.“

Gubanov ( gelöscht )
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02.10.2011 14:39
#25 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



Pursuit to Algiers (Gefährliche Mission)

Uraufführung USA: 26. Oktober 1945. Erstsendung Synchronisation: 6. Juni 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl.


Mordopfer und Mordmethoden: 3 – Insassen des Flugzeugs (Flugzeug abgeschossen)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 18 Minuten, 32 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 1 Minute, 20 Sekunden

Besonderheiten:

  • Ursprünglich sollte der Film „The Fugitive“ heißen.
  • Der einzige Film der Reihe, in dem keine Leiche zu sehen ist und Sherlock Holmes keinen Mordfall untersucht.
  • Nach Sherlock Holmes stellt nun auch Dr. Watson sein musikalisches Können unter Beweis.
Kanonbezüge: Der blaue Karfunkel, Der Baumeister von Norwood, Das letzte Problem, Das leere Haus, Der Vampir von Sussex, Das Tal der Angst, Der Hund der Baskervilles

Zitate:
  • „Mr. Holmes, wir allein können es einfach nicht schaffen – nur mit Ihrer großen Erfahrung ist es möglich, einen solchen Plan durchzuführen. Bitte helfen Sie uns!“
  • „Ich glaubte nie, besonders anziehend zu wirken, aber dass eine Frau bei meinem Anblick die Flucht ergreift, ist mir neu.“
  • „In dieser Waschküche soll man nun jemanden finden!“
Besprechung:
Unter den Holmes-Kennern gilt „Pursuit to Algiers“ als der schwächste Film der Reihe. Alan Barnes argumentiert, dass es gar keinen Fall zu lösen gibt, und in der Tat ist Sherlock Holmes hier eher bei einer präventiven denn einer deduktiven Tätigkeit zu erblicken. Man änderte für die DDR-Synchronisation den Hintergrund der Geschichte vollkommen um, weil man genau wusste, dass der Grund, weshalb eine Reihe illustrer Schurken den jungen Nikolas verfolgt, eigentlich vollkommen egal ist. Im Originalton geht es um den Umsturz in dem imaginären Land Rovinia, woraus die vorsichtigen Sozialisten, die ihre Schäfchen nicht einmal auf die vage Idee einer solchen Handlung bringen wollten, kurzerhand im Stil von „Verhängnisvolle Reise“ die Jagd nach einem medizinischen Mittel machten. Beide Plotlines funktionieren auf dieselbe Art und Weise, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass tatsächlich nicht viel für den Meisterdetektiv zu tun ist.

Die typischsten Szenen entstehen zu Beginn in einem nächtlichen Backsteinlondon, wie es schon mehrfach in der Reihe als Backdrop für grausige Verbrechen und düstere Typen herhielt. Sherlock Holmes entziffert eine Botschaft, die ihm so verklausuliert übermittelt wird, dass man eigentlich wirklich nur einen politischen oder Spionage-Hintergrund erwarten kann. Es ist dabei die größte vergebene Chance des Films, den nur erzählten tödlichen Autounfall des Forschers Stephens nicht vor Beginn der ersten Szene bildlich darzustellen. Ein solcher Einstieg hätte den relativ spannungs- und verbrechensarmen Film enorm aufgewertet.

Die Schwächen der Produktion, die sich vor allem in einigen Längen auswirken, können nur bedingt durch einige kleine Leckerlis für Freunde der Reihe ausgeglichen werden: So ist der Diebstahl der Smaragde einer äußerst hässlichen Frau eindeutig als Bezug auf den „blauen Karfunkel“ zu deuten und auch das Schiff Friesland, ein durchaus beeindruckendes Set, findet eine Kanon-Erwähnung in „Der Baumeister von Norwood“. Sheila Woodbury, dargestellt von Marjorie Riordan, enthält Zeit für die Entfaltung der wahrscheinlich entzückendsten weiblichen Unschuldsrolle, wohingegen mit Morton Lowry der Jack Stapleton der ersten Stunde in einer undurchsichtigen Schlüsselrolle zurückkehrt, die sich als die größte Überraschung des gesamten Films entpuppen wird. Vielleicht handelt es sich sogar um die interessantere der beiden von ihm verkörperten Rollen.

Man bemerkt dennoch deutliche Abnutzungserscheinungen. Basil Rathbone war seit 1939 fest mit der Rolle des Sherlock Holmes verbunden und trat mit Nigel Bruce neben der Kinoserie ab dem gleichen Jahr auch im Radio in den Doyle-Rollen auf, sprach zuerst Original-Fälle und dann frei erfundene Geschichten ein. Bis zu seinem Ausstieg im Jahr 1946 vertonten die Freunde 220 Fälle und hatten deshalb weder die Zeit noch das Image für andere Besetzungen: Infolgedessen wurde Basil Rathbone langsam der Rolle überdrüssig.

Zitat von Basil Rathbone: In and Out of Character, Limelight Editions, 2007, S. 182
I came to the conclusion (as one may in living too closely and too long in seclusion with any one rather unique and difficult personality) that there was nothing lovable about Holmes [...] his perpetual seeming assumption of infallibility, his interminable success (could he not fail just once and prove himself a human being like the rest of us!) [...]


Vor allem in den Radiosendungen, aber, wie „Pursuit to Algiers“ zeigt, auch in der Kinoserie, achtete man nicht immer auf gleichbleibende inhaltliche Qualität, sodass Rathbones Missfallen der „Ausbeutung“ seines Charakters durchaus verständlich ist. In der Tat sollte es nicht mehr lang dauern, bis er einen Schlussstrich unter seinen größten Erfolg setzen würde ...

Vielleicht hätte Basil Rathbone eine Kur oder ein Urlaub gut getan. Wie sein alter ego geriet er aber, bevor er sich entspannen konnte, immer wieder in einen neuen „Fall“. Dieser Film ist ein gutes Beispiel für die Aufgaben, die sich Holmes vor anstehenden Erholungen immer wieder auflud und die oftmals dazu führten, dass er beschwerliche Reisen unternahm. Allein im Rahmen der Rathbone-Serie ist Holmes außer in London und Umgebung auch in der Schweiz, in den USA, in Schottland und Kanada zu sehen. Bereits im Kanon gibt sich der Detektiv kosmopolitisch (man denke nur an seinen französischen Großonkel Vernet) und als sein berühmtester Ausflug dürfte der Kampf gegen Professor Moriarty an den Reichenbachfällen bei Meiringen durchgehen. Auf der anderen Seite ist Holmes bei vielen fremdländischen Einflüssen der Geschichten persönlich nicht anwesend, sondern erfährt sie nur durch die Schilderungen anderer, etwa bei Watsons Ermittlungen in Lausanne, Baden-Baden und Montpellier in „Das Verschwinden der Lady Frances Carfax“, den amerikanischen Vorgeschichten von „Eine Studie in Scharlachrot“ und „Das Tal der Angst“ oder indischen und italienischen Einflüssen, die immer als wild und unberechenbar galten.

Ein wenig von dieser wilden Aura hätte der „Gefährlichen Mission“ nicht geschadet. Der Einsatz der Pistole von Agatha Dunham, Stephens Autounfall, der Diebstahl der Juwelen, der eine oder andere Mordfall an Bord der SS Friesland und exotische Aufnahmen in Algiers hätten onscreen sicher mehr Pepp geschaffen.

Cora Ann Milton Offline



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02.10.2011 15:11
#26 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #1
... dass man bei dem Pfeife rauchenden Meisterdetektiv aus der Baker Street zuerst Basil Rathbone vor Augen hat, darin stimmt nicht nur der renommierte Filmforscher David Stuart Davies, Autor des Buches „Starring Sherlock Holmes“, mit mir überein. Rathbone, hier liegt vielleicht das Geheimnis seines Erfolgs, demonstrierte einerseits unmittelbare Nähe zu der von Sir Arthur Conan Doyle erfundenen Figur – Auffassungsgabe, Scharfsinn, die verschmitzte Interaktion mit Watson und Lestrade und nicht zuletzt sein Äußeres –, bot andererseits aber mehr als sein Ebenbild aus Papier. Er fügte dem Charakter eine besondere Würde, eine Unfehlbarkeit und idealisierte Verlässlichkeit hinzu, die vor allem dem brisanten Entstehungshintergrund seiner Filme zuzuschreiben ist.

Absolut umfassend, liebevoll gestaltet und wunderbar aufbereitet! Tausend Dank an @Percy Lister und @Gubanov für diese Beiträge! Ein Genuss in jeder Hinsicht! Ein Muss für jeden Fan von Basil Rathbone als Sherlock Holmes und für alle, die es werden wollen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

16.10.2011 14:04
#27 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



Terror by Night (Juwelenraub)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Alan Mowbray (Major Ducan Bleek), Dennis Hoey (Lestrade), Renee Godfrey (Vivian Vedder), Frederick Worlock (Professor Kilbane), Mary Forbes (Lady Margaret), Skelton Knaggs (Sands), Billy Bevan (Zugschaffner), Geoffrey Steele (Ronald Carstairs). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Frank Gruber. Produzenten: Howard Benedict, Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „The star of Rhodesia is one of the most famous of the earth’s treasures.“

Inhalt: Sherlock Holmes und Dr. Watson begleiten Lady Margaret und ihren Sohn nach Edinburgh, um zu verhindern, dass der wertvolle Stern von Rhodesien, der sich im Besitz der Frau befindet, gestohlen wird. Ronald Carstairs wird ermordet und der Diamant gestohlen. Welcher der Passagiere des Zuges hat diese Taten begangen? Steckt Colonel Sebastian Moran hinter allem? Hinter welcher Maske versteckt er sich?

Besprechung:
Die Eisenbahn übt seit jeher eine unergründliche Faszination auf die Erfinder von Kriminalgeschichten aus. Das beginnt weder bei Agatha Christie (Murder on the Orient Express), noch endet es bei Carola Dunn (Murder on the Flying Scotsman). Die Beengtheit und Überschaubarkeit des Raumes, die Konzentration auf einige wenige Personen, die dafür umso genauer unter die Lupe genommen werden, und die gemütliche Atmosphäre zwischen Plüschsitzen, Gepäckräumen und pfeifenden Lokomotiven, die dicke Rauchwolken ausstoßen, machen diesen Handlungsort so anziehend.

Wie schon im Vorgängerfilm spielt Schottland als Urlaubsziel (wenn auch nur vorgeschoben wie im Fall von Inspektor Lestrade) eine symbolische Rolle. Immer wieder unternehmen Holmes und Watson Reisen dorthin oder planen es zumindest. Das Sehnsuchtsland, wo Watson fischen und Holmes (im Geiste) Verbrecher jagen kann, steht als Sinnbild für die Krönung ihrer Freundschaft, für eine nicht allzu ferne Zukunft, wo nur mehr die Natur den Ablauf des Tages bestimmt und die Hektik des Londoner Alltags ausgeblendet wird. Freilich zieht es den Detektiv immer wieder zu Verbrechen hin, zu ungelösten Rätseln und Orten der Zerstreuung. Für ihn gibt es keinen Ruhestand. Sein Gehirn verlangt nach Betätigung, weshalb die Ruhepausen auch stets verschoben werden.

Zitat von Booklet zur DVD-Box Nr. 4 von Koch Media
Zunächst erleidet Holmes’ Mission einen schweren Rückschlag, als der junge Carstairs ermordet und der Edelstein geraubt wird. Bemerkenswert ist dabei insbesondere die Tatsache, dass nicht etwa die aufgeblasene Lady Carstairs dem Mörder zum Opfer fällt, sondern ihr sympathischer Sohn, der sich zuvor bei Holmes für die herablassende Art seiner Mutter entschuldigt hat.


In der Tat verwundert es, wie wenig der Detektiv getan hat, um dem Verbrechen vorzubeugen. Sicher, er hat den echten Stein gegen eine Imitation ausgetauscht, doch er hat nicht damit gerechnet, dass der Dieb einen Mord begehen könnte. Ziemlich schnell kombiniert er, dass der Nachfolger von Professor Moriarty – der nun wohl endgültig dem Reich der Toten zuzurechnen ist – an Bord des Zuges sein könnte. Trotzdem lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen und erlaubt Watson sogar, einige der Fahrgäste zu verhören, was dieser in seiner direkten Art recht unverblümt tut. Die Actionszene vor dem Gepäckraum, als Holmes an einem Haltegriff baumelt, sorgt für Aufregung und bringt den Detektiv in ernste Gefahr. Britisch stoisch kann sich der Detektiv schnell wieder fangen und gegenüber dem Hauptverdächtigen Haltung bewahren. Alan Mowbray, der „quick-witted Lestrade“ aus „A Study in Scarlet“ (1933), glänzt als Major Duncan Bleek, der in lässiger Weise fast den Zug verpasst hätte. Natürlich wollte man auch in diesem Film nicht auf weiblichen Glamour verzichten und besetzte mit Renee Godfrey (* 1919) als Vivian Vedder eine ehemalige Miss New York State, die als Sängerin und Schauspielerin kleine, aber prägnante Filmauftritte absolvierte. Die Mutter von drei Töchtern starb bereits im Alter von 44 Jahren an Krebs und ist auf dem Forest Lawn Memorial Park Glendale (Los Angeles) begraben.

Der Schluss-Twist mit dem falschen Inspektor MacDonald und Lestrades rascher Auffassungsgabe sorgt für einen würdigen Abschluss, der noch einmal betont, dass Holmes blitzschnell handelt, wenn es nötig ist.

Zitat von John Howard Reid: Mystery, Suspense, Film Noir and Detective Movies on DVD, Lulu Books, 2009, Seite 420
[...] the following "Terror by Night" (1946) fully deserves its reputation as a wonderfully atmospheric set-piece. It not only ranks as exceptionally thrilling, but is often cited as the second best of the Universal series (after „The Scarlet Claw“).


Letzter Satz: „If in the dark I could substitute a big hog like Lestrade for you, Colonel Moran, it’s no very great feat to switch a little thing like a diamond.“

Gubanov ( gelöscht )
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16.10.2011 14:10
#28 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



Terror by Night (Juwelenraub)

Uraufführung USA: 16. März 1946. Erstsendung 1. Synchronisation: 3. Juli 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Erstsendung 2. Synchronisation (als „Sarg mit doppeltem Boden“): 16. November 1980, DDR II (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl (1. Fassung), Hinrich Köhn (2. Fassung).


Mordopfer und Mordmethoden: 3 – Ronald Carstairs (Embolie nach Vergiftung), der Schaffner (Vergiftung mit Pfeilspitze), Sands (erschossen)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 11 Minuten, 51 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 3 Minuten, 25 Sekunden

Besonderheiten:

  • Der New York Times zufolge soll „Juwelenraub“ von Alfred Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“ inspiriert worden sein.
  • Schon während der Dreharbeiten zu „Juwelenraub“ hatte Basil Rathbone die Entscheidung getroffen, die Sherlock-Holmes-Serie zu verlassen.
  • Der letzte Film der Reihe mit Dennis Hoey als Inspektor Lestrade.
Kanonbezüge: Das leere Haus, Das letzte Problem, Das Verschwinden der Lady Frances Carfax, Das Zeichen der Vier

Zitate:
  • „Wenn es ein natürlicher Tod war, kam er jedenfalls zu einem günstigen Zeitpunkt.“
  • „Ihr Mr. Holmes pflegt ja ständig auf der Suche zu sein nach vermissten Juwelen oder mysteriösen Frauenzimmern.“
  • „Überhaupt scheint mir, Sie sehen den Fall aus einem etwas falschen Blickwinkel.“„Möglich, Watson. Wie sehen Sie ihn?“„Aus dem richtigen!“
Besprechung:
Natürlich erfand man das Rad mit dieser dreizehnten Rathbone-Holmes-Verfilmung nicht neu. Im Gegenteil: Die Grundkonstruktion des Plots, Holmes und Watson als Bewacher auf eine Reise zu schicken, wurde identisch aus dem vorherigen und oft kritisierten Film „Pursuit to Algiers“ übernommen. Nichtsdestoweniger gelang es dem neuen Drehbuchautor Frank Gruber, der bislang gerade einmal ein halbes Dutzend Arbeiten vorzuweisen hatte, das Geschehen lebendiger, spannender und interessanter auszugestalten als sein Kollege Leonard Lee. So steht das Tempo, mit dem sich die Filme „Gefährliche Mission“ und „Juwelenraub“ durch den jeweiligen Kriminalfall bewegen, in Übereinstimmung mit dem Tempo des respektiven Fortbewegungsmittels, auf dem sie angesiedelt sind – und ein Schnellzug nach Edinburgh gewinnt in diesem Fall ganz eindeutig.

Genaue Beobachter haben seit jeher festgestellt, dass jener Zug eigentlich gar nicht aus einem, sondern mehreren Zügen besteht, die sich je nach Einstellung bunt abwechseln. Dieser Rahmen, der auf die budgetären Grenzen der Universal-B-Pictures hinweist, stört jedoch kaum, wenn man sich das elegante und klassische Set des Zuginneren vergegenwärtigt mit seinen abgetrennten Abteilen, den Abgrenzung schaffenden Vorhängen zum Gang, dem Speisewagen und dem nostalgischen Eisenbahnpersonal. Doch das Drehbuch bietet weit mehr als Schauwerte: Um den Spannungsaufbau vollständig und von Anfang an zu verstehen, setzt es gar einige Kanonkenntnisse voraus, so zum Beispiel, dass Duncan Bleek hauptsächlich durch seinen militärischen Rang ins Zwielicht gerückt wird und sich Kilbane als versierter Mathematiker betätigt. Damit hat er eine verdächtige Gemeinsamkeit mit dem großen, für Universal-Filme schon obligatorischen Professor Moriarty, seines Zeichens ebenfalls Mathematikprofessor aus Edinburgh, in der Synchronisation von 1969 aber in Francis McLane umbenannt (vielleicht eine namentliche Verbeugung vor dem Fahrtziel).

Für Whodunnit-Verhältnisse erfolgt die Täterauflösung relativ frühzeitig und eigenständig, d.h. ohne Erklärung durch Holmes, was durch einen von ihm herbeigeführten und von Inspektor Lestrade als letzte und sicher cleverste Amtshandlung der Serie ausgeführten Doppeltwist wieder ausgeglichen wird. Geradezu unheimlich viel passiert in den letzten Minuten des Films, was symptomatisch für die Komplexität der Geschichte mit den vielen Originalbezügen ist. Inspektor Lestrade soll auch hier noch einmal zu seinem Recht kommen:

Zitat von Sherlock Holmes Magazin Nr. 4, Juni 2010, Scotland Yard, Zur Geschichte der Verbrechensbekämpfung in England von Uwe Jacobs
Sherlock Holmes war – abgesehen vom Fall des Erpressers Milverton – immer bereit, mit Scotland Yard zusammenzuarbeiten und bei schwierigen Aufgaben zu helfen. Mit Inspektor Lestrade baute [er] sich sogar eine freundschaftliche Beziehung auf, die soweit ging, dass dieser Holmes in der Baker Street 221B besuchte, mit ihm und Dr. Watson frühstückte und sie über interessante Vorkommnisse in seiner Dienststelle informierte [...] Holmes selbst chrakaterisierte Scotland Yard bei einer Kooperation als beratender Detektiv im Zusammenhang mit dem Fall Die 3 Garridebs mit den Worten: „Den Leuten dort mag es zwar gelegentlich an Phantasie und Intuition fehlen, aber in Punkto Gründlichkeit und Methodik sind sie in der Welt führend.“
Die Polizei und ihre Arbeit war[en] zu seiner Zeit bei der Bevölkerung sehr angesehen. Diese positive Einschätzung hat sich bis heute nicht geändert.


So bleibt Lestrade, selbst wenn er vom begabten Komödianten Dennis Hoey verkörpert wird und vor allem gern Dr. Watson neckt, in jeder Szene ein Sympathieträger und wenn schon nicht intellektuell so doch charakterlich manchmal dem kühlen Detektiv überlegen.

Andererseits zeigt „Juwelenraub“ auch einige Szenen, deren gelungene Umsetzung ich anzweifeln möchte. Was ich beispielsweise jedes Mal wieder sehr merkwürdig finde, ist, dass Holmes sich zur Seite dreht, um Lady Margaret den Blick auf ihren toten Sohn freizugeben, und nur Sekunden später, als sie zu weinen anfängt, ihr ernsthaft versichert, man hätte ihr den Anblick ersparen müssen. Später klingt zudem, selbst durch Major Duncan Bleek, an, dass der Verlust des Diamanten Lady Margaret offenbar mehr zu Herzen geht als der Tod ihres Sohnes. Die Szenen, in denen Watson selbst Befragungen anzustellen versucht, geraten ebenfalls ziemlich peinlich. Frederick Worlock tut hier – wie in „Die Frau in Grün“ – nicht gerade das Seine, um Nigel Bruce gut aussehen zu lassen ...

Das sind aber nur Kleinigkeiten. Viel schwerer wiegen die im Gesamten ausgesprochen gelungene Erzählstruktur und die ausgebuffte Besetzung, die nicht vor roten Heringen zurückscheut. Hierbei sind vor allem die einmalig durchtriebene Vivian Vedder, hinter der ausnahmsweise einmal keine verbrecherische femme fatale steckt, der anfangs freundliche und später bedrohliche Alan Mowbray (neben seiner Rolle als Lestrade auch 1932 der Colonel Gore-King (!) in „Sherlock Holmes“ mit Clive Brook) sowie Gerald Hamer und Janet Murdoch als Ehepaar Shallcross mit einem für DDR-Zungen offenbar sehr schwierigen Namen zu nennen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.10.2011 21:14
#29 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



Dressed to Kill (Jagd auf Spieldosen)

Mit: Basil Rathbone (Sherlock Holmes), Nigel Bruce (Dr. Watson), Patricia Morison (Hilda Courtney), Edmond Breon (Julian Emery), Frederick Worlock (Colonel Cavanaugh), Carl Harbord (Inspektor Hopkins), Patricia Cameron (Evelyn Clifford), Holmes Herbert (Ebenezer Crabtree), Harry Cording (Hamid), Leyland Hodgson (Museumsführer). Regie: Roy William Neill. Drehbuch: Leonard Lee. Produzenten: Howard Benedict, Roy William Neill (Universal).


Erster Satz: „Dartmoor prison – isolated from the outside world by walls of granite.“

Inhalt: Julian Emery, ein ehemaliger Schulfreund von Dr. Watson, wird wegen seiner Spieldosen-Sammlung ermordet. Die Bande, der die attraktive Hilda Courtney vorsteht, bringt sich in den Besitz einer Spieldose, die Emery auf einer Auktion erworben hat. Da das Sammlerstück in Dartmoor von einem Häftling gefertigt wurde, der vor Jahren Druckplatten der Bank von England gestohlen hat, wird die Polizei hellhörig. Wird es Sherlock Holmes gelingen, die beiden anderen Spieldosen zu bekommen, bevor deren Besitzer ebenfalls Opfer eines Mordes werden? Welche Ziele verfolgt die kluge Mrs. Courtney?

Besprechung:
Patricia Morison (* 1915) spielt als Mrs. Hilda Courtney die Hauptrolle im letzten Film der Sherlock-Holmes-Reihe. Die in New York City geborene Tochter eines Iren und einer Britin war mit ihren Rollenengagements bei Paramount nicht zufrieden, weshalb sie während des Zweiten Weltkriegs als Truppenbetreuerin durch Großbritannien tourte und dort ihre Stimme weiter ausbildete. Ende der Vierziger Jahre konzentrierte sie sich auf ihre Musicalkarriere, in der sie es weit brachte.

Neben ihrem Auftritt in „Das Lied vom dünnen Mann“ (1947), der übrigens auch den Abschluss einer Kriminalreihe bildet, bleibt vor allem die Rolle der glamourösen femme fatale in „Jagd auf Spieldosen“ in Erinnerung, eine Figur, die den Film aufwertet und ihm den nötigen Glanz verleiht. Man kann sich nicht an ihr satt sehen, was durch die häufigen Kostüm- und Frisurenwechsel noch gefördert wird. Vorbei sind die Zeiten der Sparsamkeit, als Hillary Brooke in „Gespenster im Schloss“ mit einem einfachen Schneiderkostüm auskommen musste. Nun darf wieder in Pelzen und Hüten mit spitzen Federn geschwelgt werden und kostbare Geschmeide schmücken den Schwanenhals der Hauptdarstellerin. Ihrer Entschlossenheit hat Sherlock Holmes wenig entgegenzusetzen, er benötigt diesmal die Hilfe eines Straßenmusikers und gleich zweimal gibt Dr. Watson den entscheidenden Tipp. Dafür beweist er im Finale, dass er noch den alten Esprit besitzt, indem er sich im wahrsten Sinne des Wortes zu neuen Höhen aufschwingt. Wo Rauch ist, muss auch Feuer sein. Zweimal verwendet Hilda Courtney diese Waffe, um das zu bekommen, was sie möchte. Sie steht damit in der Tradition einer Irene Adler, deren Geist in der ersten Szene mit Holmes und Watson in der Baker Street heraufbeschwören wird. Zweifellos suchte sie sich ein weibliches Vorbild, eine Wegbereiterin in der Welt der Männer.

Auch andere Elemente aus der SH-Reihe finden erneut Verwendung. Die Entschlüssung des Geheimcodes (aus: „Die tanzenden Männchen“) gab es bereits in „Die Geheimwaffe“, den treuen Anhänger der leading lady übernahm man aus „Die Perle der Borgia“ – ebenso wie den Wunsch, aus der Haft eine Nachricht an die Gangster zu übermitteln. Nichtsdestotrotz verfügt der Film über einige sehr atmosphärische Szenen, z.B. Hildas Besuch bei Emery, den sie telefonisch ankündigt und der die Gefahr dezent andeutet oder Holmes’ Besuch im Tabakladen. Einzig die Auktionshaussequenz und den Besuch des Unterweltlokals hätte man kürzen können – zugunsten zusätzlicher gemütlicher Szenen in der Baker Street, schließlich handelt es sich um den letzten Film der Reihe. Eine weitere Teestunde mit Reminiszenzen an vergangene Fälle, ein heftiges Gewitter mit Donnergrollen, Mrs. Hudson, die den Raum betritt, um Holzscheite im Kamin nachzulegen und dabei bemerkt, dass vor dem Haus ein unheimlicher Mann stehe usw. So bleibt das Fazit, dass nicht allein Basil Rathbone für das Ende der Erfolgsserie verantwortlich ist, sondern auch eine gewisse Routine, die sich in die Drehbücher eingeschlichen hat. Der baldige Tod von Regisseur Roy William Neill ist ein weiterer Faktor, der ein Wiederaufleben der Glanzzeit der Reihe ausschloss.

Letzter Satz: „Thank you, Inspector, I don’t think I would have done it entirely without Mr Holmes’s help, you know.“

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.10.2011 21:17
#30 RE: Basil Rathbone ist Sherlock Holmes: Die Fakten von Anfang an Zitat · Antworten



Dressed to Kill (Jagd auf Spieldosen)

Uraufführung USA: 7. Juni 1946. Erstsendung 1. Synchronisation: 1. August 1969, DFF (DEFA Studio für Synchronisation). Erstsendung 2. Synchronisation (als „Todbringende Spieldosen“): 7. März 1987, DDR II (DEFA Studio für Synchronisation). Synchronbesetzung: Walter Niklaus, Alfred Bohl (1. Fassung), Hinrich Köhn (2. Fassung).


Mordopfer und Mordmethoden: 2 – Julian Emery (erstochen), Sergeant Thompson (von Auto überfahren)

Zeit ...
... bis zum ersten Mord: 18 Minuten, 18 Sekunden
... bis zu Holmes’ erstem Auftritt: 8 Minuten, 13 Sekunden

Besonderheiten:

  • Bei manchen Auswertungen trug der Film den Titel „Prelude to Murder“.
  • Während die Radioserie mit Tom Conway als Rathbone-Ersatz fortgeführt wurde, entschied man sich bei der Kinoversion, keine Umbesetzung vorzunehmen.
  • Es sollte weltweit 13 Jahre dauern, bis der nächste Sherlock-Holmes-Film in den Kinos Erfolge feierte.
Kanonbezüge: Ein Skandal in Böhmen, Die sechs Napoleons, Die tanzenden Männchen, Der Teufelsfuß

Zitate:
  • „Ich als Detektiv muss erst die verschiedensten Seiten eines Falles betrachten, ehe ich ihn als unwichtig abtun kann.“
  • „Es war kein tragischer Unfall, Watson, es war kaltblütiger Mord.“
  • „Das Lob der gelehrigen Schülerin ehrt den bescheidenen Meister.“
Besprechung:
Nicht 1980 wie bei den übrigen sieben doppelt synchronisierten Filmen (außer „Der Hund von Baskerville“), sondern 1987 entstand für „Jagd auf Spieldosen“ unter dem Titel „Todbringende Spieldosen“ die zweite deutsche Tonfassung, die aber ebenfalls – wie auch die nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung angefertigten Bearbeitungen – mit Walter Niklaus als Sherlock Holmes und Hinrich Köhn als Dr. Watson aufwartet. Insofern hängt dieser letzte Teil der Universal-Produktionen in seiner deutschen Auswertungsgeschichte ebenso den anderen dreizehn Streifen hinterher wie in meinem ganz persönlichen Kennenlernprozess, in dem „Jagd auf Spieldosen“ als 14. von 14 Filmen und erst mit der vorzüglichen DVD-Veröffentlichung von Koch Media Beachtung fand.

Man könnte meinen, dass alles in bester Ordnung sei: Die Kamera fährt über eine Archivaufnahme des Gefängnisses Dartmoor, bald darauf werden die in den Titeln präsenten macguffins vorgestellt und dann wird auch noch frisch und frei Bezug genommen auf die allererste Kanon-Geschichte „Ein Skandal in Böhmen“. Dort trifft Sherlock Holmes auf Irene Adler, die einzige Frau, die ihm – in puncto Intelligenz, aber auch mit ihrer Persönlichkeit – gefährlich, weil ebenbürtig wurde. Rathbones Holmes-Filme haben vor allem in ihrer späteren Entwicklung oft Frauen in den Mittelpunkt des kriminalistischen Interesses gerückt, doch nie gab es eine so offensichtliche Bezugnahme auf die einzigartigste Frau des Doyle-Universums.

Zitat von Amanda J. Field: England’s Secret Weapon, Middlesex UP, 2009, S. 194
In Spider Woman, The Woman in Green and Dressed to Kill, the woman has taken the place traditionally occupied by the horror-film monster, which raises the interesting issue of what role, therefore, Holmes fulfils. There are three main protagonists in classic horror: the monster, the heroine who is both attracted and repelled by it, and the largely ineffectual hero who is nevertheless united with the heroine at the end of the film. [...] [I]t could be argued that Holmes fulfils the role of the heroine in these „dealy female“ films, and Watson the ineffectual hero.


Trotzdem fehlt der „Jagd auf Spieldosen“ die Klasse und das starke mysteriöse Element der besten Serienbeiträge. Ich hätte mich vom großen Basil Rathbone gern mit einem seiner größten Fälle verabschiedet, doch allzu harmlos, allzu niedlich und wenig furchteinflößend zeigen sich Verbrecher und Verbrechen in diesem Film. Da ist die bunt zusammengewürfelte Dreierbande als gesammelte Antagonistentruppe, von der leider weder große Gefahr auszugehen scheint (ursprünglich sind sie nur Diebe und Einbrecher, der erste Mord geschieht ungeplant und der zweite offscreen) noch wirken sie als kohärente Einheit wie etwa die ganz ähnlich gelagerten Giles Conover (Colonel Cavanaugh), Naomi Drake (Hilda Courtney) und Hoxton (Hamid). Das Rätsel, das Holmes lösen muss, wird darüber hinaus so offensichtlich mit der Melodie der Spieldosen in Verbindung gebracht, dass man sich wundert, weshalb der Meisterdetektiv so lang braucht, um den Code zu entschlüsseln. Wahrscheinlich war nicht nur Rathbone, sondern auch Holmes seiner Stereotypie als ewiges Superhirn überdrüssig.

Trotzdem entkam der Schauspieler seiner berühmten Rolle nicht. Auf der Straße sprach man ihn mit „Hallo Sherlock“ statt „Hallo Basil“ an, andere große Erfolge wollten ihm (außer in dem Stück „The Heiress“ von Ruth und Augustus Goetz) nicht mehr gelingen und in Werbung, Theater und Hörbuchform kehrte er ab den 1950er Jahren – eher mit gemischten Gefühlen – wieder zu dem altbekannten Metier zurück. Trotz (oder wegen) seiner markanten Gesichtszüge und seiner unveränderten Art des Spiels waren ihm selbst in dem von seiner Frau Ouida verfassten Broadwayanlauf „Sherlock Holmes“ nicht mehr als drei Vorstellungen vergönnt. So schließt sich das Kapitel „Basil Rathbone ist Sherlock Holmes“ mit der eher traurigen Erkenntnis, dass der Charakter des Meisterdetektivs aus der Baker Street es nicht immer gut mit den Männern gemeint hat, die ihm ein Gesicht gaben:

Zitat von Amanda J. Field: England’s Secret Weapon, Middlesex UP, 2009, S. 212
Rathbone had hit on the truth: with the ending of the war, the world had changed and Holmes’ brand of deduction, rationality and infallibility was, for that moment, unsustainable. [...] This revealed a trend [...] – the move towards the hardboiled genre, where morality and outcomes are more ambiguous than in Holmes’ world, and where the detective becomes emotionally or sexually involved in the crime. [...] Above all, it was an American world, one in which Vernet asserts that „actors like William Powell, Warren William and Basil Rathbone had too English a look“.


Wer hätte gedacht, dass sich für Basil Rathbone der große Vorteil, der ihn für die Rolle prädestinierte, – sein holmesähnliches Äußeres und distinguiertes, britisches Auftreten – am Ende als Fallstrick entpuppen würde?

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