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Dieses Thema hat 8 Antworten
und wurde 692 mal aufgerufen
 Edgar-Wallace-Forum
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.07.2011 15:14
Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Bei der Lektüre des neuen Hohmann-Bildbands über die Edgar-Wallace-Filme ist mir eine Aussage bezüglich der "toten Augen von London" aufgefallen, die ich sehr interessant finde und von der ich glaube, dass sie einiges an Diskussionsstoff beinhaltet. Die Textpassage heißt:

"'Die toten Augen von London' ist nicht nur ein Meilenstein innerhalb der Wallace-Verfilmungen, sondern ein rundherum gelungener Horror-Krimi, der sicherlich zu den Klassikern des deutschen Kinos gehört und heute vielleicht auch ein wenig anders beachtet und respektiert würde, wenn er nicht Teil der Wallace-Reihe wäre."

Was meint ihr dazu? Werden einige Beiträge der Wallace-Serie, allen voran die "toten Augen", unterschätzt, eben weil sie zur Wallace-Serie gehören? Ist das Prädikat "Ein Edgar-Wallace-Film" für diesen "Klassiker des deutschen Kinos" eher eine Bürde denn eine Auszeichnung? Brandmarkt es ihn als triviales Schundprodukt? Wenn nicht, warum schauen dann viele Leute eher despektierlich auf diesen Film im Vergleich zu, sagen wir, einigen stilistisch verwandten amerikanischen Film-Noir-Berühmtheiten? Oder ist dem überhaupt gar nicht so und das Fehlen von Respekt und Achtung nur eine Fantasievorstellung des Autors?

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

03.07.2011 15:25
#2 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Ich denke, dass es ein deutscher Film in Deutschland immer schwehrer hat als ein Amerikanischer wenn er nicht gerade als Klassiker gilt und aus den 20er oder 30er stammt...

Viel Filmfans wollen einen deutschen Film gar nicht gut finden.... leider.
Bei uns muss immer alles schlechter gemacht werden als es ist.

Mag der Buchswald tot sein, der Buchsgeist lebt weiter!

Happiness IS the road ! (Marillion)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.07.2011 15:28
#3 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Über diese Aussage bin ich gestern auch gestolpert. Wie ich bereits an anderer Stelle belegt habe, hat der Filmautor John Howard Reid die deutsche Edgar-Wallace-Produktion "Die toten Augen von London" sehr geschätzt und in seinem Buch "Mystery, Suspense, Film Noir and Detective Movies on DVD" gewürdigt. Eine weitere Anmerkung: Laut Reid soll in "Films In Review" ein Artikel über Edgar Wallace erschienen sein, in dem Jack Edmund Nolan folgendes schreibt: "[...] maintains that the plot, characters and background are closer to Wallace's conception than the 1940 British version of the novel, starring Bela Lugosi."

Ich finde, Tobias Hohmann hat nicht unrecht, wenn er so eine These aufstellt. Allerdings ist "Die toten Augen von London" Teil der erfolgreichen Rialto-Serie und wurde deshalb dementsprechend beworben und vermarktet. Joachim Fuchsberger war das Aushängeschild; wer weiß, ob der Film als Solitär so eine Aufmerksamkeit erfahren hätte?

Glasauge Offline




Beiträge: 1.321

03.07.2011 15:43
#4 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Ja, leider werden die Filme unterschätzt. Kenne genug Leute, die meinen Ahnung zu haben, die jedem Wallacefilm (plus Giallo + Argento, plus deutscher Kriminal-Film der 60er) sofort das Prädikat "Schrott" aufdrücken, wobei sie höchstens ein, zwei gesehen haben. Und mir halten die dann vor, Vorurteile zu haben, weil ich Filme mit Schauspielern wie DiCabrio zum Kotzen finde

Glasauge
Aurum potestas est!

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

03.07.2011 16:28
#5 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Zitat von Glasauge
Und mir halten die dann vor, Vorurteile zu haben, weil ich Filme mit Schauspielern wie DiCabrio zum Kotzen finde



Es gibt haufenweise geniale Filme mit Herrn DiCaprio. "Blood Diamond", "Aviator", "The Departed", "Inception".

Aber zurück zur eigentlichen Frage: Hohmanns These ist nicht aus der Luft gegriffen. Die serielle Produktion der Wallace- und May-Filme wird aus filmwissenschaftlicher Sicht überwiegend mit einer fortschreitenden Trivialisierung des deutschen Kinos gleichgesetzt. Deswegen hat das deutsche Kino der 60er Jahre auch nur ganz wenige Filme hervorgebracht, die heutzutage als "Klassiker" gelten. Wallace und May können in der allgemeinen Betrachtung natürlich nicht komplett ignoriert werden; so fallen "Der Hexer" und "Der Schatz im Silbersee" - als die Flaggschiffe ihrer jeweiligen Filmserien - sicherlich in diese Kategorie. Letztendlich hätte das deutsche Kino ohne Wallace und May (und deren Epigonen) allerdings einen kommerziellen Totalabsturz hingelegt.

Übrigens hat Pauer damals "Die toten Augen von London" nicht nur als Klassiker des deutschen Kinos gewürdigt, sondern ihn sogar als einen Klassiker des Horrorfilms an sich:

Jenseits herkömmlicher Etikettierungen ist "Die toten Augen von London" kein gewöhnlicher Kriminalfilm, sondern eine alptraumhafte Odyssee zu den dunklen Mächten des Jenseits. London verkommt zum bühnenhaften, in Nebel getauchten Nirgendwo, und die Verbrecher scheinen nicht weltlicher Natur zu sein, sondern Wesen von einem fremden Planeten. Der Film ist ein Horror-Klassiker, was sich bis heute allerdings noch nicht herumgesprochen hat.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.07.2011 20:18
#6 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

@ Marmstorfer: Ich nehme an, Du hast die Abhandlung von Jens Thiele über "Die seltsame Gräfin" gelesen.
Der Professor für Visuelle Medien an der Universität Oldenburg hat für die Reihe "Fischer Filmgeschichte", im speziellen Fall für Band 4, der den Zeitraum 1961 bis 1976 umfasst, den Edgar-Wallace-Film im allgemeinen und "Die seltsame Gräfin" im besonderen unter die Lupe genommen. Er schreibt: "Der deutsche Edgar-Wallace-Film: ein Kind der ab 1957 niedergehenden deutschen Filmindustrie, aber auch ein Kind des anhaltenden Wirtschaftswunders mit all seinen auf Geld und materielles Glück ausgerichteten Normen und Zynismen." (Seite 41)

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

03.07.2011 22:10
#7 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Nein, die Abhandlung von Thiele habe ich leider nicht gelesen. Aber danke, dass Du mich darauf aufmerksam machst. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang der Aufsatz von Norbert Grob "Abschied von den Eltern" - Film der sechziger Jahre in "Geschichte des deutschen Films". Auch die Texte von Georg Seeßlen - das Kapitel in seinem Buch "Mord im Kino. Geschichte und Mythologie des Detektiv-Films", sowie sein Essay in epd film 6/86 http://www.filmzentrale.com/rezis/edgarwallacegs.htm sind sehr lesenswert.

eastmancolor Offline



Beiträge: 2.622

03.07.2011 22:58
#8 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Deutsche Filme haben es in Deutschland am schwersten. Ich denke, dass die Wertschätzung von DIE TOTEN AUGEN VON LONDON größer wäre, wenn er nicht zur Wallace Serie gehören würde. Zum Beispiel hat Dennis Gansel aktuell mit WIR SIND DIE NACHT einen super Film abgeliefert, der auch von einigen Leuten sehr geschätzt wird aber wie ich in anderen Foren feststellen musste, gibt es regelrechte Gegner des deutschen Films und fast keine Anerkennung, wenn etwas aus deutschen Landen kommt, was keine Komödie oder eine Aufarbeitung des zweiten Weltkriegs ist.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.07.2011 20:01
#9 RE: Als Wallace-Film nicht gewürdigt? Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister
"[...] maintains that the plot, characters and background are closer to Wallace's conception than the 1940 British version of the novel, starring Bela Lugosi."


Das ist ebenfalls eine interessante Aussage, über die sich debattieren ließe. Ich glaube, dass beide Verfilmungen, sowohl die von 1939 (nicht 1940) als auch die von 1961, über romannahe und -ferne Punkte verfügen. Der Vohrer-Film ist als Frühprodukt der Wallace-Serie mit Drehbuch von Trygve Larsen natürlich ein relativ originalgetreues Produkt, was die Grundstruktur und die Charaktere der Handlung angeht. Kleinere Abweichungen wie die Figur des Sunny Harvey, die im Roman der Butler von Larry Holt ist, oder das linksgesteuerte Wäschereiauto dürften vernachlässigbar sein. Die britische Verfilmung dagegen hat in Bezug auf den Aspekt der Originaltreue den entscheidenden Vorteil, dass sie zumindest noch in der "Vorkriegszeit" spielt. Wenngleich natürlich auch 15 Jahre Verlegung der Romanzeit einen gewissen Unterschied machen, so sind sie doch wesentlich weniger spürbar als die Übertragung in die frühen Sechzigerjahre. Den Plot betreffend macht sie allerdings tatsächlich einige Zugeständnisse, so zum Beispiel

die Zusammenlegung der Judd-Brüder zu einer Person.

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