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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 504 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
wallace-fan Offline




Beiträge: 895

12.06.2011 18:34
Der Verlorene (1951) Zitat · Antworten

Hallo,

kann jemand etwas zu diesem Film mit Peter Lorre berichten?



(Quelle)

MfG,
wallace-fan

Peter Offline




Beiträge: 2.886

23.07.2012 14:38
#2 RE: Der Verlorene (1951) Zitat · Antworten

Ein historisch ungemein wichtiger Film.

Düster - aber auch menschlich bewegend, treffend sowohl im Forscher-, als auch im Nazifunktionärs- und vor allem im Nachkriegs-Milieu eines trostlosen Auffanglagers. Berührend auch als Lorres Abgesang auf seine Mörderrolle in Fritz Langs "M" und im Grunde auch auf alle weiteren (Gangster)-Figuren in Hollywood. Ein Abschied auf Raten, da er keine weiteren Regieaufträge und bald auch keine nennenswerten Rollen mehr bekam.

Nicht zuletzt also ein Dokument von Peter Lorres zutiefst traurigem persönlichen Abschied aus einem Deutschland, das nach Zeiten der Zwangsemigration dieselbe, wichtige Künstlergeneration ein zweites Mal vergraulte ... Der deutsche Film kam darüber nie richtig hinweg, die meisten filmhistorisch Interessierten genauso wenig.

Großartiges Bonusmaterial. Der Kauf lohnt sich, selbst wenn man den Film schon vorher aus dem TV hatte / kannte ...

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.09.2016 14:15
#3 RE: Der Verlorene (1951) Zitat · Antworten



Der Verlorene

Drama, BRD 1950/51. Regie: Peter Lorre. Drehbuch: Peter Lorre, Benno Vigny, Axel Eggebrecht. Mit: Peter Lorre (Dr. Neumeister, ehemals Dr. Rothe), Karl John (Nowack, ehemals Hoesch), Helmut Rudolph (Oberst Winkler), Renate Mannhardt (Inge Hermann), Johanna Hofer (Frau Hermann), Eva-Ingeborg Scholz (Ursula Weber), Lotte Rausch (Helene), Gisela Trowe (Prostituierte), Kurt Meister (Preefke), Hansi Wendler (Sekretärin) u.a. Uraufführung: 7. September 1951. Eine Produktion der Arnold-Pressburger-Filmproduktion Hamburg im Nationa-Filmverleih Hamburg.

Zitat von Der Verlorene
Dass alte Sünden lange Schatten werfen, erfährt Dr. Neumeister, der als Arzt in einem Flüchtlingslager praktiziert und eigentlich Rothe heißt. Er trifft zufällig auf einen Bekannten aus Kriegstagen, seinen Kollegen Hoesch, der damals Rothes Verlobte der Werksspionage überführt hatte. Mit Hoeschs eindringlichen Warnungen im Ohr hatte Rothe die Frau umgebracht – ein fataler Schritt für den der Gerechtigkeit verpflichteten Arzt, der von der Gestapo gegen seinen Willen gedeckt wurde. Wird Rothe nun späte Vergeltung üben?

Zitat von Dr. Karl Rothe in „Der Verlorene“
„Meine Flucht war vergebens gewesen, ich war nicht entkommen. Ich hatte es nicht tun wollen, und ich hatte es doch getan. Und nun lief ich durch die Nacht, blind und taub und verloren.“


Gilt Peter Lorres Opus Magnum als Kenntlichmachung deutscher Kriegsschuld, so manifestiert sich diese Schuld vor allem im schlechten Gewissen der Hauptfigur. Als ehemaliger Forscher, der ungewollt zum Schutzbefohlenen der Nazis wurde, wandelt Lorre wie ein Zombie durch die Filmhandlung – nicht imstande, mehr als ein paar Sätze geradeaus zu sprechen oder Reaktionen ohne bis zum Äußersten ausgedehnte Verzögerungen an den Tag zu legen. Dieses für den Zuschauer zunächst mühselige und durch seine nach Auslandsaufenthalt und Drogensucht undeutliche Aussprache charakterisierte Spiel verleitet gemeinsam mit der tristen Atmosphäre im Flüchtlingslager zunächst zu gewisser Skepsis gegenüber dem Film, der jedoch in dem Moment drastisch an Spannung gewinnt, als von Rothes philosophischen Desillusionsplatitüden zur eigentlich zentralen Rückblendenhandlung gewechselt wird.

Diese entwickelt sich in einem Stil, der nicht von ungefähr an eine Mischung aus Film Noir, Exploitation und Spionagedrama erinnert, keinesfalls jedoch als „leichte Unterhaltung“ misszuverstehen ist. Die Lebensgeschichte des „Verlorenen“ formt eine Parabel über die ungewollte Mitschuld an den Verbrechen der letzten Jahre, über einen unbändigen Gewaltdrang und über die Anwiderung über das eigene Handeln – eine Melange, die sich zu einer Pauschalisierung im Sinne einer Generalschuld-Anklage geradezu anbietet. Dass das Publikum sechs Jahre nach Kriegsende in seiner Kinofreizeit indes nicht angeklagt werden wollte (weil ein Ankläger gleichzeitig auch diejenigen beschuldigt, die zwölf Jahre selbst unter einem totalitären System leiden mussten), erscheint nachvollziehbar und keineswegs so egoistisch und „selbstmitleidig“, wie es viele moderne Analysen von „Der Verlorene“ gern darstellen. Sie verbrämen den Misserfolg des Films nach dem Gusto „zu gut für sein Publikum“ und behandeln gleichzeitig – ebenso zweifelhaft? – die Adenauerzeit-Zuschauerschaft wie den NSDAP-Führungsstab persönlich.



Deutlich spricht der Film in dieser Beziehung auch das Fehlen der Utopie „Entnazifizierung“ an, die in einem zynischen „Weiter so“ resultiert: Beide Hauptfiguren hatten in den Wirren der letzten Kriegstage wenig Mühe, ihre Spuren zu verwischen und trotz ihrer politischen oder strafrechtlichen Vergehen mit scheinbar weißer Weste zu helfenden Händen im Nachkriegsstaat zu anvancieren, der in „Der Verlorene“ nicht zufällig in Form einer Lagerrepublik dargestellt wird – Einrichtungen, auf die sich der Vorgängerstaat zur Lösung seiner „Probleme“ auch nur zu gern verließ. Dass es für ein Umdenken in den Köpfen von Hoesch, dem Idealnazi, und auch Rothe, seinem Opfertäter, ohnehin zu spät ist – darin besteht der Pessimismus dieses Films; das Niederschmetternde, das ihn damals so unleidlich und heute so viel beachtet machte. Enttäuschend ist nur, dass er sich auch vor dem letzten Schritt nicht scheut und abschließend Selbstjustiz in geradezu heroischer Weise verklärt. Man möchte nicht daran denken, zu welcher Schlussfolgerung man kommen müsste, würde man auch diese letzten Szenen pauschalisieren wollen.

Obwohl es sich bei „Der Verlorene“ viel eher um ein dezidiertes politisches Statement als um einen Kriminalfilm handelt, entbehrt die Dysfunktion des Hauptcharakters, mit dem Lorre an seinen Kindermörder in „M“ anschließt, nicht eines entschiedenen kriminalistischen und psychologischen Reizes. Der Zustand von Dr. Karl Rothe spiegelt sich in der düster unheilvollen Kinematografie von Václav Vích und dem warnend anschwellenden Musikgroll Willy Schmidt-Gentners wider – beide Elemente ergeben zusammen mit der dunklen Wohnung, dem morbiden Institut und den wiederkehrenden Alarmsirenen einen künstlerisch weit überdurchschnittlichen Mittelteil. Bemerkenswert sind nicht zuletzt die Vorzeichen, die den (Beinahe-)Taten des getriebenen Dr. Rothe vorangehen: Das mit Kaninchenblut verschmierte Gesicht und die sich wiederholenden Gesten oder Dialogfetzen des ersten Tatabends schüren die Gewissheit, Lorre bald in altbekannter Aktion zu erleben. Es sind diese Momente, die den „Verlorenen“ spannend und goutierbar machen – gesellschaftspolitische Aussagekraft geht hingegen eher von anderen, manchmal tristeren Szenen aus.

In einer Zeit, in der man lieber voraus- als zurückblickte, war Peter Lorres in Personalunion verantworteter Aufrüttlerfilm eine unbequeme Erinnerung an nur scheinbar Zurückgelassenes. Dass sie aufgrund ihres Misserfolgs den damaligen Diskurs über Aufarbeitung und Kriegsschuld nicht wesentlich mitbestimmen konnte, ist dem überbordenen Pessimismus des Films geschuldet, der in dieser Form einschüchternd wirkt, aber aus der Distanz mehrerer Jahrzehnte gleichermaßen den Sonderstatus von „Der Verlorene“ innerhalb des deutschen Nachkriegsfilms manifestiert. Lorre war ein außergewöhnlicher Film geglückt, der nicht ohne Makel, Übertreibungen oder Polemiken, wohl aber von herausgehobener geschichtlicher Bedeutung und exzellenter technischer Qualität ist. 4,5 von 5 Punkten.

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