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Dieses Thema hat 16 Antworten
und wurde 1.909 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker international
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Prisma Offline




Beiträge: 7.591

27.12.2014 20:27
#16 RE: "Kriegsfilme-Thread" Zitat · Antworten



DER TEUFEL SPIELTE BALALAIKA

● DER TEUFEL SPIELTE BALALAIKA / LES RÉVOLTÉS DU BAGNE (D|F|1961)
mit Anna Smolik, Charles Millot, Götz George, Pierre Parel, Sieghardt Rupp, Peter Neusser,
Günther Jerschke, Wilmut Borell, Franz Muxeneder, Peter Lehmbrock und Rudolf Forster
eine Produktion der Peter-Bamberger-Film | im UFA Filmverleih
ein Film von Leopold Lahola





»Das einzige Privateigentum das wir noch haben, ist unser Leben!«



Nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einem sibirischen Kriegsgefangenenlager für deutsche und japanische Gefangene: Leutnant Fusow (Pierre Parel) führt ein eisernes Regiment und verschärft die ohnehin schon harten Arbeitsbedingungen empfindlich. Wenn das Soll nicht erfüllt wird, muss ab sofort auch Nachts gearbeitet werden. Die Arbeiter müssen bis an die Grenzen ihrer physischen und mentalen Kräfte gehen und bekommen gerade so viel Verpflegung, um überleben zu können. Fluchtversuche und Aufruhr sind aussichtslos. Die einzigen Lichtblicke in dieser trostlosen Gegend stellen der jüdische Offizier Seidenwar (Charles Millot) und dessen Frau Elena (Anna Smolik) dar, die als Österreicherin mit jüdischen Wurzeln seinerzeit selbst in einem KZ war. Das Paar behandelt die Kriegsgefangenen mit Respekt und leistet heimliche Hilfe. Als ein Fluchtversuch geplant wird, steht das Paar vor einer schwierigen Entscheidung...

Bei "Der Teufel spielte Balalaika" handelt es sich um den ersten Spielfilm des slowenischen Dramatikers und Regisseurs Leopold Lahola und man bekommt ein sehr beachtliches Debüt sehen. Lahola, der seinerzeit selbst in einem Internierungslager arbeiten musste, zeigt sehr eindringliche Bilder des harten Alltags und viele Facetten der Willkür, allerdings nicht ohne den Zuschauer mit einem potentiellen Hoffnungsschimmer zurückzulassen. Hilfreich hierbei sind die recht harte Bildgestaltung sowie die kargen, sterilen Settings, die Kontraste transportieren und Stimmungen fabrizieren. Es scheint, als könne man die Nähe zu den Personen fühlen und die bittere Kälte dort spüren. Japanische und deutsche Zwangsarbeiter sind auf engstem Raum zusammengefercht worden, logischerweise bilden sich Gruppen, bei denen eine sich anbahnende Solidarität zueinander von der Obrigkeit unterdrückt wird. Um Unruhen im Keim zu ersticken, geht Lagerleiter Fusow mit härtesten Mitteln vor und im Endeffekt treibt er die Arbeiter so weit, dass dort beinahe jeder seine eigenen Kameraden für ein warmes Essen verraten würde, falls sie konspirierten. Als gutes Stilmittel der Inszenierung erweist das sichere Verwenden der bestehenden Sprachbarriere. Jeses Lager hat ein Sprachrohr und die oftmals harten Worte von russischer Seite müssen in die Landessprache übersetzt werden. Eine von Fusows langen Reden wird von Elena Seidenwar ins Deutsche übersetzt, doch bei Wendungen wie beispielsweise: »Hurensohn!« verweigert sie den Befehl. Der japanische Übersetzer spricht in dieser Situation nur einen ganz kurzen Satz zu seinen Leuten, so dass Leutnant Fusow aggressiv nachfragt, ob das schon alles gewesen sei. Der Japaner antwortet, dass es eben nicht mehr Wörter in seiner Sprache seien und als Zuschauer denkt man sich, dass er seinen Landsleuten ebenso gut: »Der Hurensohn soll sein Maul halten!« übersetzt haben könnte. Insgesamt setzt die Regie also auf die Kraft der Sprache und die der Bilder, unnötige Effekte spart sich der Verlauf daher weitsichtig auf, damit die trostlose Atmosphäre vollkommen alleine zu greifen beginnen kann, und das geschieht durchgehend von Anfang bis Ende.

Anna Smolik sieht man hier nach "Und ewig singen die Wälder" in ihrem zweiten, und bereits letzten Spielfilm. Die interessante Österreicherin, die hauptsächlich in TV-Produktionen und am Theater agierte, hat leider nur eine sehr übersichtliche Filmografie vorzuweisen, die Anfang der Siebziger Jahre abrupt mit dem Rückzug ins Privatleben endete. In "Der Teufel spielte Balalaika" ist sie Elena, die einzige Frau weit und breit und somit Projektionsfläche für viele Wünsche und Bedürfnisse der Männer. Auch Elena ist eigentlich nur da, um Befehle auszuführen, jedoch behandelt sie die Arbeiter nicht wie wertlose Arbeitsmaschinen. Couragiert stellt sie sich gegen Entscheidungen und das Regiment der Lagerleitung, außerdem muss sie einen versuchten körperlichen Übergriff in Wodka-Laune über sich ergehen lassen, so dass sie ihren eigenen Weg geht, sich aber nicht von der Verachtung gegen das System und dessen Helfershelfer leiten lässt. Begleitet wird sie hier von ihrem Mann, der von Charles Millot ebenfalls sehr überzeugend dargestellt wird. In den Gesichtern lässt sich zwar Resignation und Erschöpfung herauslesen, aber es kommt zu keiner Kapitualtion. Eine besonders dichte Leistung liefert Pierre Parel als aggressiver Leutnant Fusow, der Hass und Verachtung offen zur Schau stellt. Viele seiner Ansichten und Reden wirken sehr schockierend, was im Endeffekt die morbide Spannung der Geschichte unterstützt. Von deutscher Seite sieht man damals noch sehr unverbrauchte Akteure wie Götz George, Peter Neusser oder Sieghardt Rupp, außerdem den großartigen Rudolf Forster als österreichischer Offizier aus Kaiserzeiten. Die Darsteller liefern dichte Psychogramme, die einen Großteil des düsteren Tenors ausmachen. Von Seiten der Inszenierung herrscht eine spürbare und gewollte Destruktivität und die Regie setzte nur äußerst sporadische Hoffnungsschimmer, um deutlich herauszuarbeiten, dass die Auswirkungen des Krieges wieder einmal nur Verlierer hervorgehen gelassen hat. Die Schauplätze sind authentisch, die Musik ist charakteristisch und insgesamt handelt es sich um einen Film, der seinen ernsthaften Ambitionen vollkommen gerecht geworden ist. Leopold Lahola ist mit einfachen Mitteln ein nachdenklich wirkender Film gelungen, der von seiner Thematik her naturgemäß schwer verdaulich, aber in seiner Intensität sehr überzeugend wirkt. Beachtenswert!

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

01.01.2015 14:16
#17 RE: "Kriegsfilme-Thread" Zitat · Antworten


Kirk Douglas   in

STADT OHNE MITLEID

● TOWN WITHOUT PITY / STADT OHNE MITLEID (US|CH|1961)
mit Barbara Rütting, Christine Kaufmann, Hans Nielsen, Karin Hardt, Ingrid van Bergen, Robert Blake,
Frank Sutton, Richard Jaeckel, Alan Gifford, Gerhart Lippert, Rose Renée Roth und E.G. Marshall
eine Gemeinschaftsproduktion der Mirisch Corporation | Osweg | im Gloria Filmverleih
ein Film von Gottfried Reinhardt





»Was heißt das, negotiate?«


Karin Steinhof (Christine Kaufmann) wird von vier betrunkenen US-Soldaten vergewaltigt und wegen dieser Tat droht den vier Männern nun die Todesstrafe, die von der Staatsanwaltschaft auch klar gefordert wird. Die deutsche Kleinstadt, in der sich das Verbrechen ereignete, ist empört und fordert Genugtuung. Steve Garrett (Kirk Douglas) ist mit der schwierigen Verteidigung beauftragt und strebt einen Kompromiss an. Falls die Anklage auf die Todesstrafe verzichten sollte, bekennen sich die vier Männer schuldig. Außerdem würden dem Opfer somit peinliche Fragen im Zeugenstand und dem öffentlichen Kreuzverhör erspart bleiben. Doch die Strategie der Verteidigung scheitert am Widerstand von Karins Vater (Hans Nielsen) und der Sensationsgier der Öffentlichkeit. Der Prozess nimmt seinen Lauf und provoziert eine Hexenjagd, bei der die Katastrophe vorprogrammiert erscheint...

Gottfried Reinhardts Spielfilm "Stadt ohne Mitleid" kann zu den ganz großen Beiträgen im Bereich des Justiz-Dramas gezählt werden und schildert eine bedrückende Geschichte mit all ihren perfiden Gesichtern überaus eindringlich und nachhaltig. Die Geschichte erteilt dem Effekt weitgehend eine deutliche Absage und mithilfe von sehr bewegenden Bildern und gestochen scharfen Psychogrammen entsteht ein Verlauf, in den sich die Ohnmacht der Opfer quasi auf den Zuschauer übertragen wird. Hierbei entsteht jedoch keine Schwarz-Weiß-Malerei, die eine Seite der Medaille nicht ausreichend beleuchten will, oder falschen Patriotismus, Optimismus oder unangebrachte Sentimentalitäten kolportieren will, die Abhandlung geschieht überaus kritisch und hinterlässt einen nahezu fassungslosen Beigeschmack. Trotz aller Sterilität und einer gewissen Starre von vielen Beteiligten, kommt es zu eindeutigen Berührungspunkten, so dass man es nicht anders sagen kann, dass der Film immer ungemütlicher, bewegender und abverlangend wird. Die Geschichte wird mit Unbekümmertheit eröffnet und innerhalb weniger Minuten werden mehrere Existenzen zerstört. Dabei kann man die Strategie von Regie und Drehbuch schon als genial bezeichnen, denn der Zuschauer wird ebenfalls in den Zeugenstand gezwungen. Einerseits kann man die Ungerechtigkeit, die das Opfer erdulden muss, kaum ertragen, doch andererseits entsteht die berechtigte Hoffnung, dass die vier jungen Soldaten trotz der schrecklichen Tat nicht zum Tode verurteilt werden. Diese Schachmatt-Situation lässt ein taubes Gefühl entstehen, da es gewiss ist, dass Unschuldige und Unbeteiligte auf der Strecke bleiben müssen. Die Kleinstadt wird durch diesen zwar bedauerlichen, aber anscheinend willkommenen Vorfall zum Hexenkessel und man sieht das komplette Repertoire innerhalb des Kleinbürgertums, der Doppelmoral und der Sensationslust. Die Handlung wird von Anfang bis Ende durch Barbara Rütting als Erzählerin begleitet und auch der Song 'Town Without Pity' von Gene Pitney begleitet den sich immer mehr zuspitzenden Verlauf wie ein langsam verhallendes Echo, selbst wenn der Film bereits zu Ende ist.

Christine Kaufmann erhielt für ihre präzise und bewegende Leistung des Missbrauchsopfers Karin Steinhof den Golden Globe Award als Beste Nachwuchsdarstellerin. Ihre Fähigkeit, Emotionen glaubhaft darzustellen und zu transportieren erweist sich hier als Fundament dieser Geschichte. Mit ihr braucht man jedoch nicht auf einen reibungslosen Verlauf zu hoffen, denn es lauern überall erschreckende Komplikationen. Im späteren Verlauf entsteht sogar der Eindruck, dass sie die Angeklagte sei, da sie es mit ihren körperlichen Reizen nur darauf angelegt habe, die Männer zu verführen. Auch die Stadt mutiert zum kollektiven Verfolger und stempelt das junge Mädchen schnell als Hure und Lügnerin ab. Kirk Douglas leistet hier als Verteidiger ganze Arbeit und er brilliert insbesondere beim Kreuzverhör. Zwar sieht man Garrett an, dass ihn diese Aufgabe sehr mitnimmt, aber er sieht sich den vier jungen Männern verpflichtet, da er sie vor dem Galgen bewahren möchte. Synchronisiert wurde Douglas übrigens von Heinz Drache, dessen Stimme genügend Vehemenz, Unempfindlichkeit und Arroganz zur Verfügung stellt. Barbara Rütting als Journalistin und Erzählerin erweist sich als Sprachrohr des Zuschauers und sie liefert genau wie Hans Nielsen als Karins Vater, dessen Enttäuschung und geplatzte Illusionen wie ein Brett vorm Kopf werden, einen Präzisionsauftritt. Überhaupt ist der Film bis in die kleinsten Rollen überragend besetzt, Ingrid van Bergen, Karin Hardt oder E.G. Marshall tragen beispielsweise zur hohen Glaubwürdigkeit bei. Die Kleinstadt, die unerbittlich eine mutwillige Hexenjagd veranstaltet, könnte also dem Empfinden nach überall sein. So wird der Prozess der Austragungsort für private Belange, und Karin wird schwer von Zeugen der Anklage belastet, wie von einem Spanner, der sie gerne vom Fenster aus beobachtete und sich animiert fühlte, vor Gericht allerdings von einem ordinären Flittchen spricht, einer alten Klatschtante, die ihre Augen und Ohren offenbar überall hat, einer eifersüchtigen jungen Frau, die eine Retourkutsche ausspielt und von der Mutter ihres eigenen Freundes, die der Ansicht ist, dass Karin nicht der richtige Umgang für ihren Sohn sei. Gottfried Reinhardts Inszenierung ist in gewisser Weise schonungslos, da sie sich nicht an Kompromissen orientiert und resolut eine Katastrophe ansteuert. Der Appell an das Gerechtigkeitsempfinden des Zuschauers wird immer wieder mir harten Schocks erschüttert und insgesamt zerrt dieser ernstzunehmende Beitrag gehörig an den Nerven. Überragend!


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