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Dieses Thema hat 55 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

13.06.2016 00:28
#46 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Zitat von Peter im Beitrag #42
Danke @Jan, herrliche Analyse. Dieser Tatort hatte für mich auch einen ganz außerordentlichen Unterhaltungswert ...

"Rattennest" gehört für mich gerade noch zu den besseren der guten alten Tatorte.

Gruß
Havi17

Peter Offline




Beiträge: 2.886

13.06.2016 11:10
#47 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Ich kann schon verstehen, dass jemand, der sich seinerzeit am Sonntagabend auf einen sachlichen Spannungs-Tatort gefreut hat, ähnlich enttäuscht von dannen gezogen ist wie @Gubanov vor wenigen Tagen. Aber als nostalgisch-amüsante Retrospektive zündet „Rattennest“ durchaus und sichert sich, wie von Jan mit feinem Blick beschrieben, mit seinen herrlichen Gangster-Karikaturen einen hohen Unterhaltungswert; und - auch ohne Drehbuch, das diese Bezeichnung verdient - einen Status als unvergessliches Tatort-Unikum ...

Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

14.06.2016 13:20
#48 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Nun, ich kann Gubanov nicht nur beipflichten, wenn Du das meintest, sondern bin sogar entsetzt, weil ich es bei vielen ersten Tatorten gewohnt war, eine hervorragende Qualität vorzufinden, und dann mit solchen interessanterweise auch noch als Box veröffentlichten Folgen mehr als enttäuscht wurde.

Die Tatort-DVD-Boxen sind kein Garant für gute oder gar sehr gute Tatorte und leider kommen damit die alten Folgen in Verruf. Das ist dann besonders schade.

Gruß
Havi17

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.06.2016 13:36
#49 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Man kann mir wohl kaum vorwerfen, ich würde mich beim "Tatort" an die offiziellen DVDs klammern. Mittlerweile habe ich ungefähr 30 bis 40 Episoden gesehen, von denen mir gerade einmal neun auf Kauf-DVDs vorlagen (davon hatte ich zwei vorher bereits anderweitig gesehen). Das heißt, dass ich ungefähr 80 Prozent meiner "Tatort"-Begegnungen unabhängig der Disney-DVDs hatte und durchaus auch in obskurere Bereiche vorgedrungen bin - wenn auch, so muss ich gestehen, häufig mit Lokalbias. Mein eher enttäuschtes Zwischenfazit bezog sich auf die Gesamtheit der Tatorte, die ich bisher gesehen habe, wobei ich vereinzelte Highlights nicht in Abrede stellen will.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

14.06.2016 18:21
#50 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Ich mag die Tatorte quasi bis zum Beginn des "Mackenwettlaufs" mit erhobenem Zeigefinger. Seitdem ist einer noch politisch korrekter als der andere. Dagegen würde auch ich Komplettboxen von z.B. Haferkamp, Trimmel, Lutz und Veigl gerne kaufen. Aber die "Auswahl" der Kauf-DVDs und deren Zusammenstellung ist / war ja leider sehr schwach. Natürlich waren auch eher schwache Folgen dabei, was bei der Anzahl auch nicht sehr verwundert.

Heute schaue ich außer den Münsteranern (okay, Schmunzelkrimis eben) nichts mehr, was als "Tatort" gesendet wird.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.07.2017 20:15
#51 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Angesichts der aktuellen RBB-Ausstrahlungen der restaurierten SFB-Frühfolgen (gute Arbeit!) habe ich mir nun auch den zweiten, also eigentlich ersten Fall von Kommissar Kasulke angesehen, der mir viel besser gefallen hat als „Rattennest“.



Tatort: Der Boss
Hauptkommissar Kasulke ermittelt in Berlin


Episode 13 der TV-Kriminalserie, BRD 1971. Regie: Heinz Schirk. Drehbuch: Johannes Hendrich. Mit: Paul Esser (Hauptkommissar Kasulke), Gerhard Dressel (Kriminalassistent Roland). In Gastrollen: Hugo-Heinz Panczak, Heribert Sasse, Ronald G. Nitschke, Christian Böttcher, Elke Aberle, Barbara Hampel, Günther Dockerill, Inge Wolffberg, Gerhard Wollner, Peter Schiff u.a. Erstsendung: 19. Dezember 1971, ARD. Eine Produktion des Senders Freies Berlin.

Zitat von Tatort (13): Der Boss
Weil sie die Kontrolle über den Wagen verlieren, demolieren Achim und seine Freunde zufällig das Schaufenster eines Pelzgeschäfts. Da liegt nun ein wertvoller Pelz in der Auslage – und Achim braucht nur zuzugreifen. Einmal auf den Geschmack der leichten Beute gekommen, beginnt er, mit seinem Kumpel Peter gezielt in weiteren Geschäften einzubrechen. Die Taktik der Jungs wird immer ausgefeilter und ihre Gaunerclique immer größer. Irgendwann beschließt der als Profi hinzugezogene Uwe, dass „der Boss“ Achim zu mächtig und zu wankelmütig ist. Er soll deshalb aus dem Weg geräumt werden!


Auch in seinem ersten Fall ist Kommissar Kasulke keine zentrale Figur: Seine wenigen Ermittlungssequenzen spielen sich fast schon isoliert von der auf die jugendlichen Verbrecher konzentrierten Haupthandlung ab und bestehen zum großen Teil aus dem Strapazieren von Sitzfleisch. Paul Esser wirkt dennoch nicht unsympathisch, aber eben wie ein typischer Beamter, dessen kurze „Tatort“-Karriere in Anbetracht seiner eher unterdurchschnittlichen Präsenz nicht überrascht.

Umso mehr überzeugt hier das Verbrechensmoment: Die Spirale der immer dreister werdenden Pelzdiebstähle wird sehr geschickt und „knackig“ in Szene gesetzt und die daran beteiligten Personen, insbesondere Bandenchef Achim, mit Sorgfalt gezeichnet. Jugendliches Kleinbürgertum mit Hang zur Großspurigkeit, das leichtes Geld ohne große Anstrengung verdienen und sich den Luxus leisten will, je nach Stimmung auch ’mal einen Tag zu verbummeln, offenbart sich dem Zuschauer in schönstem Seventies-Hedonismus. Geschmiedet werden die zuerst sehr simplen, dann immer aufsehenerregenderen Pläne entweder in der mit „Django“-Plakaten ausgehängten Räuberhöhle der Gang oder in einer Disco, in der viel zeitgenössische Musik läuft. Das Flair kommt einer in Farbe gedrehten „Kommissar“-Folge nahe. Im besten Wolfgang-Becker-Stil setzt Regisseur Heinz Schirk den Soundtrack überaus clever ein, was einen schönen Bogen vom Vorspann (aus der Zeit gefallene, sofort weggeschaltete Peter-Alexander-Klänge) bis zu den „tatort“-ungewohnten Abschlusscredits („Everything’s alright, everything’s fine, and we want you to sleep well tonight“) spannt.

Die Eskalation der Raubzüge ist ebenso spannungsförderlich wie Neid und Mauschelei zwischen den Pelzräubern. Während Hugo Panczak (Bruder des Krimi-Urgesteins Hans-Georg) überzeugend den großspurigen Tunichtgut mimt, füllen Ronald G. Nitschke den ruhigen, Heribert Sasse den cleveren und Elke Aberle den hintertriebenen Part aus. Die Beseitigung des Oberhaupts gerät zum Höhepunkt der Folge und dürfte dem ewig angestrebten „perfekten Mord“ durchaus nahekommen, weshalb es sinnvoll ist, dass „Der Boss“ mit einem unerwarteten, offenen Ende schließt und sich jeder Betrachter seinen Teil über den Erfolg des Hauptkommissars und der Diebe denken kann. Dass dabei manche Details offen bleiben, stärkt den elliptischen, unvollkommenen Charakter der Folge nochmals und verleiht ihr einen rauhen, kantigen Charme, den man dann bei „Rattennest“ ohne Sinn für ein gesundes Maß auf die Spitze trieb.

Wallace-Fans werden sich über Ausflüge der Folge in Richtung Wannsee, Heckeshorn und sogar Pfaueninsel freuen, wobei von der Insel selbst nichts zu sehen ist (nur das davor gelegene Wirtshaus und die Fähre kommen zu Ehren).

Die kriminalistisch eher auf Räuber-und-Gendarm-Niveau angesiedelte Pelzräuber-Story wird durch geschickte Figurenzeichnungen und zersetzendes Konkurrenzdenken der Protagonisten über den Durchschnitt gehoben und schließlich durch einen astreinen Mord veredelt. 4 von 5 Punkten scheinen mir – gerade auch in Anbetracht der stimmigen Gastdarstellerleistungen – verdient.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.07.2017 20:15
#52 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Nachdem ich wusste, was mich erwartet, bin ich im zweiten Anlauf etwas gelassener ans „Rattennest“ herangegangen. Die Folge konnte mich zwar auch diesmal nicht vollständig überzeugen, aber der Untergang des frühen „Tatort“-Abendlandes ist sie deshalb nun auch nicht gerade ...



Tatort: Rattennest
Hauptkommissar Kasulke ermittelt in Berlin


Episode 22 der TV-Kriminalserie, BRD 1972. Regie: Günter Gräwert. Drehbuch: Johannes Hendrich. Mit: Paul Esser (Hauptkommissar Kasulke), Gerhard Dressel (Kriminalassistent Roland). In Gastrollen: Jan Groth, Carla Hagen, Angelo Kanseas, Götz George, Ingrid van Bergen, Herbert Fux, Ulli Kinalzik, Kurd Pieritz, Günter Hoffmann, Willy Semmelrogge u.a. Erstsendung: 8. Oktober 1972, ARD. Eine Produktion des Senders Freies Berlin.

Zitat von Tatort (22): Rattennest
„Laschke is aus’m Knast!“ schallt es über den Hinterhof einer Berliner Mietskaserne. Und weil Laschke weiß, dass das auch seine früheren Kumpanen um den Zuhälter Jerry mitbekommen werden, die er vor Verbüßung der Haftstrafe verpfiff, flüchtet er, so schnell er kann, mit Frau und Kind. Die DDR lehnt Laschkes Einreiseantrag ab, sodass West-Berlin für ihn zu einer höchst gefährlichen Insel wird. Während Jerry, Frankenstein und Stocker die Unterwelt durchkämmen, plant Laschke einen verheerenden Gegenschlag, um ein für alle Mal die Oberhand über seine Häscher zu gewinnen ...


Hauptkommissar Kasulkes erster Fall zeichnete sich bereits durch seine ungewöhnliche Machart aus. Erneut auf einem Drehbuch von Johannes Hendrich basierend, will „Rattennest“ offenbar noch einen Schritt weitergehen und mit den alten Konventionen von (TV-)Krimis gänzlich aufräumen. Dieser „Tatort“ erzählt keinen Mordfall, sondern wirkt wie eine Übersetzung einer alten Chicagoer Gangsterklamotte ins Berlinerische, wobei sie bemüht ist, die weltanschauliche Naivität, die ihr zugrunde liegt, hinter so viel Coolness wie möglich zu verstecken. Dies macht sich vor allem bei den kuriosen Figuren aus Jerrys Bande bemerkbar: Proletentype Kinalzik, der Wiener „Untote“ Fux und Verbrecherliebchen van Bergen sind so einschlägige Galgenvögel, dass sie hier ihre üblichen Klischees bedenkenlos auf die Spitze treiben können, ohne dabei lächerlich zu wirken. Doch letztlich bleibt zumindest ein Schläger mit Schmäh am Kurfürstendamm deplatziert – ob es dieser Besetzung wirklich bedurft hätte, ist fraglich.

Götz George gerät als zuerst den dicken Maxe markierender Gangleader im Laufe der knapp 90 Minuten immer weiter ins Visier von Laschke, bis zuletzt nur noch ein Häufchen Elend übrigbleibt. Diese Wandlung bringt George eng an die Grenzen seines schauspielerischen Vermögens und teilweise darüber hinaus in den Bereich wilden Chargierens, das sich vor allem im ersten der beiden großen Showdowns auf der Mülldeponie bemerkbar macht und überdies mit unappetitlichen Details ausgestattet wird. Demgegenüber tritt Jan Groth mit einer stimmigeren Mischung aus Zurückhaltung und kalter Entschlossenheit auf, die ihn trotz seiner Antihelden-Rollenanlage zu einem guten, identitätsstiftenden Hauptdarsteller macht. Auch Carla Hagen als seine Frau und Kinderdarsteller Angelo Kanseas stellen sich als Zugewinn für die Folge hinaus, weil sie ihr neben plumpen Räuberpistolen auch eine menschliche, tragische Seite verleihen. Es ist bezeichnend, dass das dritte Viertel der Folge, als Hagen und Kanseas weitgehend von der Bildfläche verschwunden sind, das langatmigste und zäheste von „Rattennest“ ist.

Wo sowohl für Gaunermilieu als auch für Familienschicksal viel Spielzeit freigemacht wird, bleibt wiederum eins auf der Strecke: Die polizeiliche Ermittlung. So ist Kasulke auch in seinem zweiten und letzten Fall nur ein besserer Statist und kann den schlimmen Ausgang schon wieder nicht verhindern. In dieser Zeichnung der Polizistenfigur – nett, gemütlich, routiniert, aber letztlich ein Verwalter nicht zu korrigierender gesellschaftlicher Schieflagen – schwingt ein bitter-ernüchterter Zeitgeist-Realismus der frühen Siebzigerjahre mit, der für Freunde derartig ausgestalteter Stoffe über großen Reiz verfügen dürfte. Wer sich hingegen einen einigermaßen ausgewogen konstruierten, womöglich noch klugen Krimi wünscht, sollte von „Tatort“ #022 eher die Finger lassen.

Knorrig-abartige Typen aus der filmischen Unterwelt der frühen Siebziger geben sich im „Rattennest“ ein durchwachsenes Stelldichein. Jan Groth als verfolgter Racheengel mischt den aufgetakelten Götz George zünftig auf, ohne dass die Motivation für sein Vorgehen vollumfänglich klar wird. Nach einer enttäuschenden Erstsichtung erhöhe ich bei der zweiten Begegnung auf 2,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

12.07.2017 16:15
#53 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten



Tatort: Transit ins Jenseits
Die Hauptkommissare Schmidt und Veigl ermitteln in Berlin und München


Episode 69 der TV-Kriminalserie, BRD 1976. Regie: Günter Gräwert. Drehbuch: Jens-Peter Behrend, Günter Gräwert. Mit: Martin Hirthe (Hauptkommissar Schmidt), Ulrich Faulhaber (Kriminalassistent Hassert), Gustl Bayrhammer (Hauptkommissar Veigl), Helmut Fischer (Kriminalassistent Lenz). In Gastrollen: Marius Müller-Westernhagen, Götz George, Gisela Dreyer, Angelika Bender, Gerd Baltus, Peter Schiff, Ursula Gerstel, Barbara Morawiecz, Katrin Schaake, Inge Sievers u.a. Erstsendung: 5. Dezember 1976, ARD. Eine Produktion des Senders Freies Berlin.

Zitat von Tatort (69): Transit ins Jenseits
Als sie den freundlichen Horst Bremer kennenlernt, ahnt die Kellnerin Erika Marquart nicht, dass diese Bekanntschaft kein Zufall ist. Schon seit Tagen hatten Horst und sein Kumpel Martin Poll die Frau beschattet. Schließlich rückt Horst mit dem Grund für die arrangierte Freundschaft heraus: Er will der Verlobten seines Bruders zur Flucht aus der DDR verhelfen und benötigt für das waghalsige Vorhaben an der Transitstrecke eine Komplizin, die der Frau ähnlich sieht. Er bietet Erika 5’000 Mark an, mit denen diese ihre Schulden bezahlen könnte. Erika willigt ein, ohne zu wissen, dass sie aus der DDR nicht mehr lebendig zurückkehren wird ...


Auch beim dritten Sehen verliert diese Folge nicht an Reiz – im Gegenteil: Sie wirkt auf mich mit jeder Wiederholung gelungener und ausgewogener. Wenn ich einem „Tatort“-Neuling einen empfehlenswerten Klassiker ans Herz legen sollte, wäre es vermutlich dieser Fall, auch wenn er in seiner Konzeption mit der langen Vorgeschichte und der auf die letzten 20 bis 25 Minuten zusammengedampften Ermittlungen natürlich nicht besonders typisch ist. Aber gerade das macht ihn so innovativ und auch so spannend, denn die exzellent ausgearbeiteten Figuren bei ihrer riskanten Beihilfe zur Republikflucht zu beobachten, übertrifft das Adrenalin-Level üblicher lang ausgewälzter Zeugenbefragungen mit Lockerheit und Unkonventionalität.

In der geschickten Szenenmontage, in der Horst Erika beobachtet und dann „zufällig“ ihre Bekanntschaft sucht, weist Günter Gräwert den Protagonisten von Minute 1 an als Schurken aus. Dennoch gelingt es Marius Müller-Westernhagen, diese Rolle – bis zur Wendung der Ereignisse – mit einer freundlichen Kumpelhaftigkeit auszustatten. Ebenso wie er Erika umschmeichelt, weiß er auch den Zuschauer für sich einzunehmen – eine sehr gute, doppelbödige Performance des sonst eher als Sänger bekannten Düsseldorfers. Vielleicht ist es auch Erikas Blauäugigkeit, die den Zuschauer Horst einige Manipulationen verzeihen lässt ... und das, obwohl Gisela Dreyer keineswegs eine dumme, naive Frau spielt, sondern aufgeschlossen und hilfsbereit erscheint. Man setzt sich folglich gern mit den beiden in ein Auto – eine wichtige Grundvoraussetzung dafür, dass der Hauptteil der Folge durchgehend unterhaltsam und fesselnd ist. Dazu kommen der gut ausgetüftelte Fluchtversuch, die Kleinigkeiten, die den Plan nach und nach an den Rand des Einsturzes bringen, und die schönen Landschaftsaufnahmen der Transitstrecke, für die der SFB diesmal recht umfangreich mit seinen Kollegen vom Bayerischen Rundfunk kooperierte.

Dies schlägt sich auch darin nieder, dass Schmidt und Veigl zu fast gleichen Teilen ermitteln. Dadurch und durch die Kürze der Ermittlungsphase kommt keine Sekunde Langeweile in der Folge auf, die zudem auch noch mit sehenswerten Nebenauftritten von Götz George (Sahnetorte futternd im ikonischen Autobahnrasthof Frankenwald) und Gerd Baltus (in Gummistiefeln auf der Haveljacht) gespickt ist. Da verzeiht man sogar, dass Hauptkommissar Schmidt diesmal der Zufall ein wenig zu sehr unter die Arme greift, weil er sich an ein Foto der in der Zone gefundenen Toten erinnern kann und ihm die groben Tatumstände dadurch wie von selbst klar werden.

Mit den vielen Naturaufnahmen profitiert der luftige „Transit ins Jenseits“ natürlich besonders von der schönen Bildrestaurierung, die auch diesmal wieder als sehr gelungen bezeichnet werden kann. Unterm Strich bekommt man es hier – in welcher Bildqualität man sich die Folge auch immer anschaut – mit einem der gelungensten Berliner „Tatorte“ überhaupt sowie einem aus heutiger Perspektive wertvollen zeithistorischen (Er-)Zeugnis zu tun, das sich auch vor einigen kritischen Tönen über die organisierten „Retter“ fluchtwilliger DDR-Bürger nicht scheut.

Knisternde Hochspannung macht sich breit, wenn Horst und Erika auf der Transitstrecke von Berlin nach Hof gewagte Fluchthilfe leisten wollen. Sowohl die ständige Gefahr von Überwachung und Ertapptwerden als auch die Anspannung zwischen den Figuren sorgen für beste Unterhaltung und starke (fast in Richtung der vollen Hand tendierende) 4,5 von 5 Punkten.

Georg Online




Beiträge: 3.263

02.01.2018 11:59
#54 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #53

Tatort: Transit ins Jenseits
Knisternde Hochspannung macht sich breit, wenn Horst und Erika auf der Transitstrecke von Berlin nach Hof gewagte Fluchthilfe leisten wollen. Sowohl die ständige Gefahr von Überwachung und Ertapptwerden als auch die Anspannung zwischen den Figuren sorgen für beste Unterhaltung
In der Tat ein sehr spannender Film, bei dem Gräwert wieder mal sein Können unter Beweis stellt. Wie beschrieben, sind vor allem die Szenen von der Einreise in den DDR-Transit bis zur Ausreise hochspannend und knisternd mit immer wieder neuen Höhepunkten und Überraschungen. Da ist es halb so schlimm, dass die Ermittlungen von Schmidt/ Veigl nur relativ kurz dauern. Positiv ist auch Klaus Doldingers starker Soundtrack hervorzuheben.

brutus Offline




Beiträge: 13.030

03.07.2018 19:36
#55 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Zitat von Jan im Beitrag Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf)
Zitat von Ray im Beitrag Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf)
Kennt jemand eigentlich sein einmaliges Gastspiel als Tatort-Kommissar und kann was dazu sagen?

Ich habe das vor x Jahren mal gesehen und war nur so halb begeistert. Ziemlich dröge Kost, wenn ich's noch recht weiß.
Jan

Ich habe ihn mal rausgekramt und gestern Abend angesehen, ganz so zäh ist er nun doch nicht.
Das Wichtigste zuerst: Alles Umsonst ist kein Whodunit. Regisseur Hartmut Grießmeyer nimmt sich reichlich Zeit für das Befinden des Hauptprotagonisten und so dauert es schon ein wenig bis die Geschichte in Fahrt kommt:

Bäckermeister Erich Schmidt(dargestellt von Hort Michael Neutze) betreibt mit seiner Frau Olga seit langen Jahren eine kleine Bäckerei und Konditorei, die durchaus gut läuft. Seine Ehe mit Olga hingegen ist eher eine Farce und besteht spätestens seit dem Unfalltod des gemeinsamen Sohnes nur noch auf dem Papier. Er beginnt ein Verhältnis mit seiner Verkäuferin Anni (Monika Bleibtreu), die daraufhin von der Chefin gleich entlassen wird. Doch seine Zukunft mit Anni sieht alles andere als rosig aus, bei einer Scheidung stünde Schmidt mit leeren Händen da, hat er doch damals nur in den Betrieb eingeheiratet, eine Tatsache die ihm seine Olga in regelmäßigen Abständen genüsslich aufs (selbst gebackene) Brot schmiert, eine andere Lösung muss her. Zeitungsberichte über eine noch andauernde Einbruchserie in der Nachbarschaft bringen ihn auf die Idee eines fingierten Einbruches, bei dem seine Frau die Täter überrascht und darauf von diesen zum Schweigen gebracht wird. Er bereitet den Einbruch ins eigene Haus sorgfältig vor, konstruiert ein sicheres Alibi und kann auch noch einen Kegelbruder als Zeugen einbinden, der mit ihm die vermeintlich Überfallene auffindet. Alles klappt wie geplant.
Die Polizei nimmt die Aussagen von Schmidt auf und untersucht den Tatort. Kommissar Nagel (Diether Krebs) befragt allerlei Zeugen, alles scheint sich so abgespielt haben wie beschrieben, trotzdem nagt ein gewisser Zweifel an ihm, waren doch all die anderen Einbrüche frei von Blutvergießen. Also begeben sich Nagel und sein Assistent auf die Suche nach den Ungereimtheiten.

Nach ungefähr einem Drittel des Filmes tritt der zweite Protagonist, Kommissar Nagel, auf den Plan und der Rest des Filmes besteht eigentlich aus einem Duell der beiden Antagonisten Schmidt und Nagel, ersterer immer im Zwiespalt zwischen Sicherheit und Angst, letzterer mit immer neuen Versuchen seinen Verdacht zu bestätigen. Nun ist Diether Krebs kein Peter Falk und sein Kommissar Nagel versprüht nicht den schlitzohrigen Charme eines Inspektor Columbo, aber mit dessen Penetranz kann er es schon aufnehmen, taucht er doch alle Nase lang in der Bäckerei oder bei Olga auf, immer auf der Suche nach einer schwachen Stelle. Doch zur Überführung Schmidts trägt eine ganz neue Überraschung bei, mit der weder Nagel noch Schmidt jemals gerechnet hätten (wir als Zuschauer eher auch nicht).

Fazit:
Von den beiden Hauptdarstellern Neutze (später selbst mal als Tatort-Kommissar Schreitle im Einsatz) und Krebs getragener Tatort (getragen quasi im doppelten Sinne): 2,5 von 5 Punkten

Editiert von Gubanov am 03.07.2018, 20:20 Uhr - Beitrag in passenden Thread verschoben

Ray Offline



Beiträge: 1.930

06.12.2021 13:30
#56 RE: TATORT - Die restlichen 700+ Zitat · Antworten

Zum Jubiläum "50 Jahre SFB-Tatorte" zeigt RBB ein paar entsprechende Folgen der Reihe. Gestern ging es los, am 12.12. und 19.12. folgen weitere:

https://www.rbb-online.de/fernsehen/prog...21/1727132.html

Gestern ging es los mit "Der Boss" (1971) mit Paul Esser als Kommissar Kasulke und"Feuerzaauber" (1977) mit Martin Hirthe als Kommissar Schmidt.

"Der Boss" fand ich trotz kurzer Laufzeit sehr zäh, Esser nur Nebenfigur, die Jungdarsteller wenig charismatisch in meinen Augen. Und offene Enden sind eh immer ein zweischneidiges Schwert. Immerhin etwas Nostalgie dank diverser "Django"-Poster in den Zimmern der jungen Leute und der ein oder anderen Disko-Szene. 2/5

"Feuerzauber" (Regie: Fritz Umgelter") hat mir schon wesentlich besser gefallen, allein scchon wegen der beachtlichen Besetzung (Weiss, Pfitzmann, Wüstenhagen, Fitzek, Kupsch. Auch der Plot kommt allerdings etwas schwerfällig in Gang. Für die damalige Zeit noch durchuas typisch und in den Haferkamp-Tatorten oft besser umgesetzt, kennt der Zuschauer zudem frühzeitig den Täter. Besondere Schauwerte liefern die Motorbootrenn-Sequenzen. 4/5.

Nächste Woche geht es mit "Beweisaufnahme" (1981, Brand) und "Keine Tricks, Herr Bülow" (1989, Drache) weiter.

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