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Dieses Thema hat 15 Antworten
und wurde 3.887 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker international
Seiten 1 | 2
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

01.01.2011 14:34
Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Erstmals eingesetzt wurden Gaslaternen in London. Die in England aufgestellten Gaslampen sind im Prinzip nur Rohrstutzen, die an ihren Enden durch kleine Öffnungen Gas ausströmen lassen. Das Licht ist allerdings noch recht schwach, die Aufhellung des Gaslichts durch einen Glühstrumpf - einen mit Thorium- und Ceriumoxid getränkten Gazestreifen, der die Flamme hellweiß leuchten läßt - erfindet erst 1885 der österreichische Physiker Carl Auer Freiherr von Welsbach. ("Chronik des 19. Jahrhunderts")



BEWERTET: "Gaslicht" (Original: Gaslight, 1939)

mit: Anton Walbrook (Paul Mallen), Diana Wynyard (Bella Mallen), Frank Pettingell (B.G. Rough), Cathleen Cordell (Nancy, das Hausmädchen), Robert Newton (Vincent Ullswater), Minnie Rayner (Elizabeth, die Köchin), Jimmy Hanley (Cobb), Marie Wright (Alice Barlow), Aubrey Dexter (Häusermakler) u.a. Regie: Thorold Dickinson, Drehbuch: A.R. Rawlinson und Bridget Boland nach dem Stück "Angel Street" von Patrick Hamilton


Im Jahr 1885 spielt auch die Verfilmung der Fa. British National Films aus dem Jahr 1939. Der Film hatte im Sommer 1940 in Großbritannien Premiere. Das Filmstudio MGM fürchtete den Schatten des Vorgängers offenbar so sehr, dass es 1944 noch während der Dreharbeiten zu "Das Haus der Lady Alquist" versuchte, alle Kopien der britischen Version zu erwerben, um sie dann zu verbrennen. Zum Glück für die cineastische Nachwelt ist dieses kühne und arrogante Vorhaben gescheitert.

Im Vorspann flackert die Gasflamme auf und der Blick des Zusehers fällt auf das Laufband eines Pianolas. Die Namen von Cast & Crew enthüllen beiläufig, dass ein weiterer Vertreter des britischen Kriminalfilms hier seine Kunst des "relief from the suspense" (Hitchcock) beisteuert: George Pollock. Der bekannte Miss-Marple-Regisseur der Sechziger Jahre fungiert hier als Assistant Director.

Pimlico Square 12, 1865: Alice Barlow, eine "jolly old spinster" arbeitet an einer Stickarbeit, als sich ein Einbrecher von hinten nähert und sie erwürgt. Sein Augenmerk gilt den berühmten Rubinen, die sich im Besitz der alten Dame befinden. Hektisch und in manischer Besessenheit durchwühlt er Schränke und Kommoden, schlitzt Polsterungen auf und reißt das Parkett aus der Verankerung. Zwecklos. Bevor er die Steine finden kann, wird er durch den Schrei des Dienstmädchens gestört. In wenigen Minuten wird gezeigt, wie die Polizei nach einer ersten Bestandsaufnahme den Fall ad acta legt. Anhand eines frisch gepflanzten Bäumchens im Garten gegenüber wird gezeigt, wie die Jahre vergehen. Der Stamm gewinnt an Umfang, das Maklerschild "To let" wird schmutzig und das Haus versinkt in einem Dornröschenschlaf. Erst zwanzig Jahre nach dem Verbrechen herrscht plötzlich eifriges Treiben: Maler, Handwerker und Möbelpacker künden vom bevorstehenden Eintreffen eines neuen Mieters. Das Ehepaar Mallen bezieht das Haus mit der Nummer 12.

In scheinbar ehrbarer Monotonie besucht man den Sonntagsgottesdienst, musiziert und liest, während die zwei Hausangestellten ihren Pflichten nachgehen. Umso verwunderlicher scheint es, dass der Fuhrwerksbesitzer Rough, ein gemütlich aussehender Mann mit Bierbauch, von Anfang an ein Interesse für die Vorkommnisse im Haus hat. Sein Pferdebursche Cobb, ein neugieriger junger Mann, wird angehalten, sich mit dem Hausmädchen anzufreunden, um Neuigkeiten aus erster Hand zu erfahren. Rough war früher bei der Kriminalpolizei und hat als junger Polizist selbst mit dem Fall Barlow Kontakt gehabt. Den Neffen der alten Dame, einen Mann namens Louis Bauer, fand er schon damals höchst verdächtig. Es scheint so, als seien Paul Mallen und Louis Bauer ein und diesselbe Person. Ist er nach all den Jahren an den Tatort zurückgekehrt?

Bella Mallen, die Ehefrau des distinguierten Mannes, hat wenig Freude an ihrem neuen Heim, das ihr Gatte mit ihrem Geld gekauft hat. Wie für die meisten Frauen des gehobenen Bürgertums erschöpfen sich ihre Möglichkeiten in der Beaufsichtigung der Dienstboten. Die traditionellen Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau kommen ihrem Ehemann bei der Durchführung seiner Pläne mehr als gelegen. Für Bella bedeutet dies, dass sie Tage voller Langeweile durchlebt. Sie sehnt sich nach dem zarten Grün von Devonshire, wo sie in der Nähe von Exmouth Verwandte hat. Ihre kurzen Ausgänge führen sie nur in die Kirche oder den abschließbaren Privatpark der Anwohner auf der anderen Straßenseite. So hat sie ihr Ehemann immer unter Kontrolle. Eine Kontrolle, die er in bigotter Pedanterie ausübt, indem er scheinbar beiläufige Begebenheiten zu Taten einer Wahnsinnigen aufplustert, um Bellas Mut und Entschlossenheit zu töten.

"Du machst mir das Leben zuhause zur Qual und jetzt muss ich mich auch in der Öffentlichkeit für dich schämen!" So seine Vorwürfe, als er zusammen mit Bella ein Privatkonzert besucht. In listiger Weise versteckt er Taschenuhr und Kameenbrosche, um seiner Frau zu zeigen, wie zerstreut sie angeblich sei. Er unterschlägt einen Brief ihres Vetters Vincent und rät ihr, sich abends in ihrem Zimmer einzuschließen, wenn er wieder einmal ausgeht. Hier kommt erstmals das titelgebende Gaslicht ins Spiel. Fast jeden Abend schleicht sich Paul Mallen nach dem Essen fort. Unheimliche Geräusche dringen dann aus den Räumen über Bellas Schlafzimmer. Das Gaslicht wird schwächer und Bella fürchtet sich. B.G. Rough stellt unterdessen Erkundigungen bei dem Häusermakler von Pimlico an. Seine Nachforschungen ergeben bald, dass er auf der richtigen Spur ist ...

"Gaslicht" spielt mit den Kontrasten. Die Atmosphäre ist buchstäblich dicht, dicke Nebelschwaden verhängen den Blick aus dem Fenster. Nebel verhindert, dass Bella klar sehen kann. Sie erkennt zu spät, was ihr Gatte im Sinn hat, erst durch Einflüsse von außen hebt sich der "Schleier" und präsentiert ihre Welt "unverstellt". Allerdings wird erst eine Abreise nach Devonshire dafür sorgen, dass ihr Leben wieder "im warmen Golde fließen" (siehe: "Septembermorgen" von E. Mörike) kann.

In der steifen Gesellschaft eleganter und in der Taille abgeschnürter Damen lauscht man dem Klang der Klaviersonette, während der sinistre Paul Mallen (der eigentlich Louis Bauer, der Mörder ist) den unkomplizierten, heiteren Melodien von Jacques Offenbach frönt, der sowohl volkstümlich-humorvoll, als auch spöttisch-frivol auftritt. Wie Mallen ist auch er ein Mann, der in zwei Kulturen zu Hause ist. So unterstreicht der Auftritt der Pariser Cancan-Tänzerinnen im Varieté Mallens moralischen Abstieg, indem er mit dem Hausmädchen dorthin geht. Für Nancy, die lebenslustige junge Frau, wird es allerdings keine Zukunft mit ihrem Dienstherrn geben, wie in dem Lied angekündigt wird ("The Boy I love is looking down at me"). "Es ist hart, Ihnen alle Illusionen zu rauben," sagt Rough zu Bella. Das Publikum ist freilich nicht überrascht, dass Mallen der gesuchte Mörder ist; vielmehr genießt man alle Nuancen der Geschichte und es liegt einzig an den Darstellern, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Zum Gelingen dieser Adaption trägt vor allem Adolf Wohlbrück bei, jener österreichische Schauspieler, der 1936 sein Land verlassen musste, da er als "Halbjude" und vehementer politischer Gegner der Nazis wohl mit Repressalien rechnen musste, um es vorsichtig auszudrücken. So teuflisch und hinterhältig, so listig und eitel-charmant kann nur ein Wiener sein! Bei seinen Arbeiten im Ausland nannte er sich Anton Walbrook, kehrte jedoch in den Fünfziger Jahren wieder auf deutsche Bühnen zurück. Frank Pettingell ist der Prototyp des jovialen Kumpels, der mit Freunden abends auf ein Pint ins Pub geht, doch man sollte seine Klugheit und Hartnäckigkeit nicht unterschätzen. Diana Wynyard als junge Ehefrau, deren freier Geist in ein Korsett gesperrt wird, obwohl sie lieber in Spielhöschen moosbewachsene Abhänge hinuntertollen würde. Cathleen Cordell als typisches vorlautes Hausmädchen, das ständig auf der Suche nach Spaß und Abwechslung ist. Robert Newton als Vetter Vincent, der gefährlich werden könnte, wenn man ihn nur ließe. Dieses glänzende Ensemble macht "Gaslicht" zu einem besonderen Erlebnis.

FAZIT: Für mich die beste Adaption des Bühnenstückes von Patrick Hamilton. Konzentriert auf das Wesentliche, ohne Melodrama und mit einer Prise Humor.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

01.01.2011 19:48
#2 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #1
Für mich die beste Adaption des Bühnenstückes von Patrick Hamilton.

Welche anderen Versionen kennst du denn sonst noch?
Es gab ja insgesamt 5 deutsche Verfilmungen:

1956 - Regie: Karl-Heinz Bieber (DDR-TV)
1956 - Regie: Rudolph Cartier
1960 - Regie: Wilm ten Haaf
1962 - Regie: Hans-Joachim Martens (DDR-TV)
1977 - Regie: Ludwig Cremer

Mir gefällt die 60er-Version mit Dieter Borsche (einmalig diabolisch) und Margot Trooger besser als der US-Film (wegen des deutschen Schauspielerbonusses aber auch wegen der kammerspielartig gruseligen Atmosphäre).

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

01.01.2011 21:17
#3 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Ich habe insgesamt vier Fassungen der Geschichte:

- GB 1939 mit Anton Walbrook (= Adolf Wohlbrück) und Diana Wynyard
- USA 1944 mit Charles Boyer und Ingrid Bergman
- D 1960 mit Dieter Borsche und Margot Trooger
- D 1977 mit Josef Meinrad und Erika Pluhar

Ich bin hocherfreut zu hören, dass es außer den beiden DDR-Versionen noch eine weitere deutsche Umsetzung gibt. Kennst Du sie?

chris2005 Offline



Beiträge: 103

02.01.2011 09:52
#4 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Ich habe bisher von der 1956er-TV-Verfilmung auch nichts gewusst.

Man kann ja mal beim Saarländischen Rundfunk unter mitschnitt@sr-online.de einmal anfragen, ob diese Verfilmung noch im Archiv vorliegt!?

Chris

Georg Offline




Beiträge: 3.263

02.01.2011 13:09
#5 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Nein, die 56er-Version von Rudolph Cartier kenne ich leider nicht. Cartier war zwar Österreicher, aber hauptberuflich BBC-Regisseur und brachte immer wieder englische Stoffe ins deutsche Fernsehen und gab diesen - auch aus seinen Erfahrungen bei der BBC - eine besonders britische Note. Wäre daher sicher interessant.

chris2005 Offline



Beiträge: 103

03.01.2011 13:28
#6 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Ich hatte wegen der 56er-"Gaslicht"-Verfilmung mal beim Saarländischen Rundfunk angefragt - hier die Antwort:

"Leider reicht unser Archivbestand nicht mehr soweit zurück. Wir bedauern, dass wir Ihnen nicht weiterhelfen konnten."

Schade - hätte ich gerne mal gesehen.

Chris

Georg Offline




Beiträge: 3.263

05.01.2011 14:23
#7 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Es war ja auch eine Produktion des SDR (Nachfolger: SWR). Hast du dort mal angefragt? Oft muss man bei Fernsehanstalten auch mehrmals anfragen. Es ist mir schon passiert, dass beim 1. Mal nichts gefunden wurde und dann beim anderen Sachbearbeiter schon. Je präziser man die Angaben macht, desto eher findet man auch etwas im Archiv. Anbei nochmals die wichtigsten Daten samt Produktionsnummer:

Gaslicht
80 Min.
Ausstrahlung: ARD 29.05.1956; 80 Minuten
Herkunft: SDR
ID/Produktionsnummer: 477829

chris2005 Offline



Beiträge: 103

05.01.2011 16:19
#8 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Danke für die Infos. Irgendwo hatte ich zwar etwas vom SR gelesen, aber es muss ja auch nicht alles stimmen, was man im Internet findet. Werde nochmal beim SWR anfragen.

Chris

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

06.01.2011 20:34
#9 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten



BEWERTET: "Das Haus der Lady Alquist" (Original: Gaslight, 1944)

mit: Ingrid Bergman (Paula Alquist), Charles Boyer (Gregory Anton), Joseph Cotten (Brian Cameron), Angela Lansbury (Nancy, das Hausmädchen), Dame May Whitty (Miss Bessie Thwaites), Barbara Everest (Elizabeth, die Köchin), Emil Rameau (Maestro Mario Guardi), Halliwell Hobbes (Mr. Muffin), Tom Stevenson (Williams) u.a. Regie: George Cukor, Drehbuch: John Van Druten, John L. Balderston und Walter Reisch nach dem Stück "Angel Street" von Patrick Hamilton


Für sieben Academy Awards nominiert, gewann der Film den Oscar letzlich in zwei Kategorien: Beste Hauptdarstellerin und beste Innenausstattung (schwarz-weiß). Zusätzlich errang Ingrid Bergman noch den Golden Globe. Im Vorfeld hatte es einige Schwierigkeiten gegeben. Der männliche Hauptdarsteller, der Franzose Charles Boyer, stellte unerwartet hohe Gagenforderungen, Selznick wollte daraufhin seine Schauspielerin nicht mehr an MGM ausleihen. Vor allem durch die Beharrlichkeit von Ingrid Bergman, die die Rolle sehr gerne spielen wollte und sich bereits gewissenhaft darauf vorbereitet hatte, konnte sie den Part dann doch übernehmen.

Die Handlung beginnt mit der Abreise der jungen Paula. Ihre Tante, die berühmte Opernsängerin Alice Alquist, wurde ermordet. Paula, die nun heimatlos geworden ist, wird nach Italien geschickt, um dort eine musikalische Ausbildung zu beginnen. Sie wird von Maestro Guardi betreut, einem alten Freund ihrer Tante. Sie trifft dort auf den Pianisten Gregory Anton. Er ist ein Fremder wie sie. Nach einer kurzen Bekanntschaft von zwei Wochen heiraten die beiden und kehren nach London zurück. Sie beziehen dort das Haus am Thornton Square Nummer 9, das Paula von ihrer Tante geerbt hat. Zehn Jahre sind seit dem Mord vergangen und alles erinnert noch an die Verstorbene. Gregory beschließt, die Besitztümer von Alice Alquist in die Mansarde des Hauses bringen zu lassen. Als Paula den Brief eines Sergius Bauer findet, der ihre Tante einst auf ihren Konzertreisen begleitete, verliert Gregory die Nerven. Von nun an beobachtet er seine Frau genau und unterstellt ihr immer wieder Vergesslichkeit und Zerstreutheit. Auf einem Privatkonzert erleidet Paula schließlich einen Nervenzusammenbruch ...

Die Musik ist ein wichtiger Begleiter dieses Films. Bereits zu Beginn der Handlung hört man eine Arie aus Donizettis Oper "Lucia di Lammermoor". Sir Walter Scott lieferte dafür die literarische Vorlage. Janet Dalrymple, die unglückliche Braut auf Baldoon Castle in Wigtownshire, Schottland, starb einen Monat nach der Hochzeit - geistig umnachtet. Parallelen zu Paula Alquist Anton gibt es kaum. Sie ging freiwillig eine Ehe mit dem Musiker Gregory ein und ihr Wahnsinn wurde ihr von diesem eingeredet. Das (musikbewanderte) Publikum sollte wohl auf eine falsche Fährte geführt werden. Weiters spielt Gregory ein Stück von Johann Strauß, das die angespannte Atmosphäre für einen Augenblick aufbricht und Paula fröhlich stimmt.

"Das Haus der Lady Alquist" wartet in der ersten Hälfte mit vielen Außenaufnahmen auf, obwohl gerade die italienischen Schauplätze (das Hotel am Comer See) ihre Künstlichkeit kaum verbergen können. Der Einsatz von Studioaufnahmen hatte vor allem ökonomische Gründe, könnte aber auch als Metapher für die Ehe des Paares gedeutet werden, die unter dem Vorwand der Täuschung geschlossen wurde. Paula lebt in einer Traumwelt, ihre Liebe ist echt und rein, wird aber von Gregory für seine finsteren Pläne missbraucht. Das zweite bemerkenswerte Set ist der Tower von London, in dem die Kronschätze verwahrt werden. "Juwelen sind wundervoll. Sie haben ein eigenes Leben." Die "Chronik des Films" bemerkt dazu folgendes: "Der Film konzentriert sich auf den Sadismus des Mannes, der seine Frau in den Wahnsinn treiben und zerstören will. Die Geschichte um Mord und Juwelenraub bildet nur den Rahmen." Weiters: "....spielt das mehrstöckige Haus eine entscheidende Rolle, denn je mehr sich die Ereignisse zuspitzen, desto höher liegen die Handlungsorte. Im Dachgeschoss spielt sich schließlich das furiose Finale ab." (Seite 188)

Für die Prise Humor sorgt Dame May Whitty, die dem jungen Joseph Cotten an die Seite gestellt wurde, der neben ihr manchmal etwas blass wirkt. Sein Beamter von Scotland Yard steht im Schatten seines Vorgängers B.G. Rough aus "Gaslicht" von 1939. Die Wahl fiel vermutlich deshalb auf ihn, damit dezent eine sich anbahnende Freundschaft mit Paula Anton angedeutet werden konnte. Niemals sollen die Damen am Ende allein dastehen! So etwas gibt es im Kino nicht. Mag die Enttäuschung auch noch so groß sein, zum Schluss findet sich immer ein netter Mann, der einen Start in ein neues Leben anbietet. Die deutschen TV-Umsetzungen sind hier weniger romantisch, doch dazu später mehr.

FAZIT: Die weiblichen Darstellerinnen glänzen durch ein breitgefächertes Spektrum, das von Schwärmerei, Misstrauen, Neugier, Angst, Verachtung und Resignation alle Facetten menschlichen Empfindens enthält. Die Männer haben es nicht leicht, dagegen anzuspielen. Joseph Cotten setzt auf harmlose Beharrlichkeit, um den Hauptdarsteller teuflischer erscheinen zu lassen. Brian Cameron soll nett und sanft wirken, damit der Unterschied zu dem Ehemann der Dame größer wird. Dennoch ist der Franzose Boyer ein wenig zu vornehm, sein Charme zu weltmännisch, um so gemein wie Adolf Wohlbrück zu wirken. Dieser Punkt war vielleicht ausschlaggebend, dass er den Academy Award am Ende trotz einer vielversprechenden Nominierung nicht erhielt.

Wer den Film im englischen Original sieht, muss auf die wunderbare Synchronarbeit von Peter Pasetti auf Charles Boyer verzichten. Eva Vaitl leiht Ingrid Bergman eindrucksvoll ihre Stimme, Margarethe Haagen ist auf Dame May Whitty zu hören. Die Produktionsleitung der deutschen Bearbeitung hatte Alfred Vohrer. Dafür enthält die amerikanische DVD neben dem Hauptfilm als Zugabe den britischen Vorgänger sowie beachtliches Bonusmaterial (Scan der Rückseite).

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.01.2011 13:02
#10 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

@Percy Lister: Diese spannenden und verheißungsvollen Besprechungen hinterlassen Eindruck! Ich habe gestern Abend die von dir erwähnte amerikanische DVD gekauft und werde die Wartezeit des Imports wohl nur mit wippenden Füßen und trommelnden Fingern überstehen können ...

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

09.01.2011 13:11
#11 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Das ist das schönste Kompliment, das sich ein Kritiker wünschen kann!



BEWERTET: "Gaslicht" (TV, 1960)

mit: Margot Trooger (Bella Manningham), Dieter Borsche (Jack Manningham), Hans Zesch-Ballot (Kriminalkommissar Rough), Christiane Maybach (Nancy, das Hausmädchen), Else Quecke (Elisabeth, die Haushälterin), Regie: Wilm ten Haaf, Drehbuch: Günther Bloecker, Wilm ten Haaf nach dem Bühnenstück "Angel Street" von Patrick Hamilton


Nebel. Eine Straßenlaterne. Langsam tritt ein Mann aus dem Dunkel und bleibt unter dem erleuchteten Fenster eines Hauses stehen. Er sieht hinauf und die Kamera dringt nun in das Zimmer ein, wo eine Frau die Klingel bestätigt, um eine Dienerin zu rufen. Es ist Bella Manningham, die ein paar Waffeln beim Bäckerboten bestellen will, um ihrem im Sessel dösenden Gatten Jack eine Freude zu bereiten.

Nach den glanzvollen Ouvertüren, die uns die beiden Kinoproduktionen bieten, holt uns das deutsche Fernsehen auf den harten Boden der Realität zurück. Die Handlung überspringt die Einleitung und setzt gleich an der Stelle ein, wo Jack seiner Bella einen Theaterbesuch verspricht, diesen jedoch wegen des versteckten Bildes gleich wieder streicht. Sicher kann man damit argumentieren, dass dies vor allem am Zeitfaktor liegt. Die amerikanische Kinoversion ist rund 25 Minuten länger als das deutsche Fernsehspiel. Dennoch muss man den Mangel an romantischen Täuschungsmanövern bzw. das Fehlen der Vorgeschichte als beabsichtigt ansehen. Das Publikum soll möglichst lange im Unklaren bleiben. Fragen nach den Gründen für das seltsame Verhalten des Ehepaars zueinander sollen vorerst unbeantwortet bleiben. "Bella, kannst du nicht mehr lachen?" Jacks gönnerhafte Bemerkung trifft auf eine zutiefst verunsicherte Frau. Seit vier Jahren sind die beiden verheiratet, seit sechs Monaten wohnen sie nun in diesem Haus, nachdem sie in den Jahren zuvor zuerst in Belgien und dann in Yorkshire gelebt haben. Ist es die Eintönigkeit, die Bellas Geist verwirrt hat? Ist die Liebe Jacks zu seiner Frau abgekühlt?

Betrachtet man die Ausgangsposition, dann lässt sich die Erwartung des Publikums wie folgt umschreiben: "Dieter Borsche hat den Stempel des edlen jungen Mannes sozusagen aufgedrückt. Und dieser Stempel -so meint er selbst- ist auch das Geheimnis seines Erfolges. Einmal erklärte er, dass man sage, er strahle in seinen Filmen Zuverlässigkeit, Ruhe, Sauberkeit und menschlichen Anstand aus." Der heutige krimierprobte Zuschauer weiß natürlich, dass Borsche gerade in seinen späteren Schurkenrollen große Überzeugungskraft hatte, doch für das zeitgenössische Publikum, das Borsche als Pfarrer oder königliche Hoheit kannte, mag diese Feststellung durchaus nachvollziehbar sein. Bei Margot Trooger verhält es sich nicht anders: Erst ab den Sechziger Jahren wurde sie vor allem für starke Frauenrollen verpflichtet, wobei besonders ihre Edgar-Wallace-Auftritte, ihre Gastrolle in der "Raumpatrouille Orion" und die Figur der strengen Jugendfürsorgerin in "Pippi Langstrumpf" hervorzuheben sind. So sind die Voraussetzungen für das Gelingen des Fernsehspiels glänzend und man darf gespannt der Dinge harren, die nun kommen mögen. Der Altersunterschied zwischen den Darstellern ist übrigens größer, als man vermuten möchte: Borsche ist vierzehn Jahre älter als Trooger.

Das Geschehen spielt sich mit Ausnahme einer kurzen Szene zur Gänze im Haus ab und konzentriert sich dabei großteils auf das Wohnzimmer. Durch den Einsatz von fünf Kameras gelingt es, den Raum immer wieder aus einer anderen Perspektive zu zeigen. Mal sieht man den Teetisch von oben, dann duckt sich die Kamera hinter dem Sessel am Kamin. Das gelungene Szenenbild von Peter Scharff trägt neben dem intensiven Spiel der beiden Hauptdarsteller zum Gelingen des Stückes bei. Einige geringfügige, aber interessante Änderungen der Handlung verleihen dem Fernsehspiel Tiefe und zusätzlichen Suspense. So zwingt Jack seine Bella vier Mal täglich eine Medizin einzunehmen, um sie auf diese Weise langsam zu vergiften. Sollte es ihm nicht gelingen, ihre Nerven vollends zu zerrütten, würde das Gift sehr langsam und unauffällig seinen Dienst tun. Statt der Suche nach einer verlegten Brosche geht es hier um eine Rechnung des Kolonialwarenhändlers. Und musikalisch ist Jack Manningham auch nicht. "Böse Menschen haben keine Lieder", lautet bereits ein altes Sprichwort. Nachdem Jack seine Frau durch ständigen Wechsel zwischen gütiger Nachsicht und unerbitterter Strenge mürbe gemacht hat, verlässt er das Haus und macht den Weg für Kriminalkommissar a. D. William Rough frei. Erst durch den Auftritt des 64jährigen Hans Zesch-Ballot kommt für die Dame des Hauses der ersehnte frische Wind in das staubige Zimmer. Er rollt die Ereignisse der Vergangenheit auf, erklärt die Bedeutung seiner Anwesenheit und erwähnt zum ersten Mal die Namen Alice Barlow und Sidney Power. Er klärt Bella Royd (er nennt sie beharrlich bei ihrem Mädchennamen) über den lauteren Charakter ihres "Mannes" auf. Der ungeschönte Realismus wird noch durch den sehr spärlichen Einsatz der Musik betont. Das Zupfen der Baßgeige untermalt die spannenden Schlussmomente und den Abgang des Verbrechers. Für Aufregung sorgt der raffiniert inszenierte letzte Akt. Der Herr des Hauses kehrt früher als erwartet zurück und Kriminalkommissar Rough versteckt sich im Wandschrank, wo die Sommeranzüge hängen. Immer wieder sieht es so aus, als würde er gleich enttarnt. Man atmet erleichtert auf, als er endlich wieder das Haus verlässt, um sich zu den Tingeltangel-Damen nach Whitechapel zu begeben. In diesem Zusammenhang sei das vorzügliche Spiel von Christiane Maybach zu erwähnen, die das Dienstmädchen Nancy mit blühendem Charme spielt. Sie lässt in keinem Augenblick Zweifel darüber, dass sie der Herrin des Hauses überlegen ist und sich bereits als ihre Nachfolgerin sieht. Dieter Borsche betont dies durch seine lüsternden Blicke und gierigen Küsse, die allerdings keine Garantie für die Frau bieten. Sein Interesse soll den Rubinen gelten, was seltsamerweise in dieser Verfilmung nicht betont wird. Es scheint, als bereite ihm das sadistische Quälen von Menschen (Alice Barlow wurde mit einem Rasiermesser getötet!), die Ausübung von grenzenloser Macht innerhalb seiner vier Wände und das bohemienhafte Leben größere Befriedigung als der Anblick der funkelnden Steine.

Am Ende steigt Bella Royd allein die Stufen zu ihrem Zimmer hinauf, kein Verwandter, kein neuer Freund und auch kein Polizeibeamter steht ihr zur Seite. So ist das Leben. Und der Kriminalfilm. Einzig die Aufklärung des Verbrechens und die Ergreifung des Täters zählen.

FAZIT: Ein hervorragendes Kammerspiel mit fünf motivierten Schauspielern, die mit Esprit und Energie agieren. Die Enge des Schauplatzes betont den Zweck der Handlung und sorgt für eine gemütliche Atmosphäre. Schöpft die (finanziell) begrenzten Möglichkeiten einer damaligen Fernsehproduktion aus und schafft es, durch die Faszination seiner Darsteller die Vorlage überzeugend zu interpretieren.

Zitat über Dieter Borsche aus: "Unsere Filmlieblinge - Ein Bilderbuch" Herausgegeben von Friederike Mat, Verlag Bernhard Reiff, 2. Auflage 1956

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.01.2011 17:24
#12 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten



BEWERTET: "Gaslicht" (TV, 1977)

mit: Erika Pluhar (Bella Manningham), Josef Meinrad (Jack Manningham), Gustav Knuth (Rough), Clara Walbröhl (Elisabeth), Irmgard Rießen (Nancy), Regie: Ludwig Cremer, deutsche Bearbeitung: Günther Bloecker (nach dem Bühnenstück "Angel Street" von Patrick Hamilton)


Die Handlung setzt mit Bellas Waffelkauf beim Bäckerboten ein. Jack ruht sich (vom Nichtstun) aus und wird gleich damit beginnen, sein Katz-und Mausspiel mit ihr zu treiben. Erstmals sehen wir "Gaslicht" in Farbe. Braungemusterte Tapeten, eine Sofagarnitur aus rotem Leder und silbergraue Vorhänge sollen dem Raum Schwere verleihen. Dazu passend trägt Jack Manningham zuerst einen nussbraunen Samtblazer und später ein Sakko mit leuchtendrotem Innenfutter. Bella freilich ist in taubengraue Spitze und schwarze Seide gewandet. Später legt sie sich noch einen schwarzen Schal um die Schultern.

Der Lebemann Jack wird von Josef Meinrad gespielt, der zur Drehzeit bereits 64 Jahre alt war und somit 26 Jahre älter als seine Partnerin Erika Pluhar. Um den enormen Altersunterschied auszugleichen, färbte man Haar und Schnurrbart des Mannes schwarz, während man Frau Pluhar eine absurde Perücke verpasste, die sie verhärmt und müde aussehen läßt. Wüsste man nicht, aus welchen Gründen der Ehemann seine Gattin quält, könnte man annehmen, es geschehe aus Langeweile. Der gute Mann gibt sich nämlich nicht einmal den Anschein, als gehe er irgendeiner Tätigkeit nach. Umso ärgerlicher ist es, wenn Bella ihn dem Kriminalermittler gegenüber als "Geschäftsmann" ausgibt. Ja, wenn man seinen Müßiggang nur überzeugend verkaufen kann! Aktiengeschäfte - als ob einen diese den ganzen Tag auf Trab hielten! Es ist schon erschreckend, wie leichtgläubig und vollkommen ahnungslos Bella Manningham ist. Dafür darf sie sich von ihrem teuren Gatten einiges vorhalten lassen: Gefühlsduselei, Schwachsinn, Verfolgungswahn, Bosheit, Unbeherrschtheit, Grausamkeit und Heimtücke. Die Rollen der Dienstboten wurden mit unterschiedlichem Erfolg besetzt: Clara Walbröhl sieht aus wie eine schlanke Margaret Rutherford und ist dem Herrn des Hauses durchaus gewachsen. Irmgard Rießen jedoch ist weder kokett noch anmaßend und die späteren Schmusereien mit Meinrad wirken so lächerlich, dass sich selbst die Kamera abwendet. Gustav Knuth soll Licht ins Dunkel bringen und Bella die Augen öffnen. Doch leider wendet der "Großvater" mehr Zeit dafür auf, mit Bella Whisky zu süffeln und seine Erzählungen auszuschmücken, ohne dabei ein Mehr an Informationen zu bieten (Hier findet sich der Grund für die über zehn Minuten längere Laufzeit!). Teilweise hat man das Gefühl, als amüsierten sich die beiden köstlich, was darin endet, dass Kriminalkommissar Rough Bella sogar auf den Mund küsst. Man möchte kaum glauben, dass die 1977-Version in Ablauf und Dialogen fast identisch mit der 1960-Variante ist. Alles scheint sich endlos hinzuziehen, Meinrad wird am Ende nicht einmal gefesselt. Sein Interesse für die Steine? Er fragt nicht einmal, wo sie denn nun tatsächlich versteckt waren. Nach einem weiteren Küsschen für Rough geht Bella nach oben.

FAZIT: Konnte die Produktion des Bayerischen Rundfunks mit den preußischen Hauptdarstellern überzeugen, so steckt mir in der Umsetzung des Südfunks Stuttgart zuviel Schmäh der kaiserlich-königlichen Monarchie.

Selwyn Offline



Beiträge: 82

24.01.2011 15:04
#13 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Deutschlandradio Kultur bringt heute Abend um 21.30 Uhr eine Hörspielfassung des Stoffs - eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1976. Unter den Mitwirkenden sind die Wallace-Stars Kieling und Deltgen, und die Musik stammt von Derrick-Komponist Frank Duval. Der Sender ist auch im Netz per Live-Stream zu hören.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.06.2012 14:47
#14 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten



Das Haus der Lady Alquist (Gaslight)

Kriminalfilm, USA 1944. Regie: George Cukor. Drehbuch: John van Druten, Walter Reisch, John L. Balderston (Theaterstück: Patrick Hamilton). Mit: Charles Boyer (Gregory Anton), Ingrid Bergman (Paula Alquist), Joseph Cotton (Brian Cameron), Dame May Whitty (Miss Thwaites), Angela Lansbury (Nancy), Barbara Everest (Elizabeth), Emil Rameau (Maestro Guardi), Edmund Breon (General Huddleston), Halliwell Hobbes (Mr. Muffin), Tom Stevenson (Williams) u.a. Uraufführung (USA): 4. Mai 1944. Eine Produktion von Metro-Goldwyn-Mayer.

Zitat von Das Haus der Lady Alquist
Paula Alquist heiratet den ihr erst seit wenigen Wochen bekannten Pianisten Gregory Anton. Dieser schlägt ihr vor, eine Wohnung in London zu beziehen. Paula fühlt sich an ihr altes Heim erinnert und so findet sie sich mit Gregory bald am Thornton Square wieder. Das Haus ist ihr allerdings verhasst – ihre Tante, die sie vergöttert, starb hier. Auch auf Paula scheint sich die Umgebung auszuwirken: Sie zergeht in Selbstzweifeln und Angst.


Das viktorianische London wird nur äußerst selten zum Schauplatz eines Film Noir erkoren, obschon flackerndes Gaslicht, nebelverhangene Gassen sowie die zugleich verführerische und beängstigende Aura des Tower of London sich geradezu ideal für ein Abtauchen in die Abgründe menschlichen Verhaltens eignen. Vielleicht zögert man deshalb, diesen Film als Noir zu kategorisieren, weil man die Steif- und Korrektheit der britischen Bevölkerung in Widerspruch zu dem großen Thema „Sünde“ in der Schwarzen Serie sieht, vielleicht liegt es aber auch einfach nur an einer ganz anderen Atmosphäre – eher an Sherlock Holmes denn an Filme wie „Die Spur des Falken“ erinnernd. Warum ist „Gaslicht“ trotzdem ein Noir? Es liegt an der Rolle, die Charles Boyer spielt. Sie verkörpert die menschliche Kälte, die Rücksichtslosigkeit und Unbarmherzigkeit, die so typisch für das Genre ist.

Boyers Gregory Anton gerät demnach zur überzeugendsten Figur des ganzen Films. Es ist nicht einfache Gemeinheit, die sein Handeln bestimmt, sondern eine Mischung aus perfidem Sadismus und wahnsinniger Zielstrebigkeit. Anton geht im wahrsten Sinnes des Wortes über Leichen – nicht, um sich zu bereichern, sondern um seinen Hunger nach Juwelen zu stillen. Sie stellen für ihn keinen materiellen Wert, sondern die einzig wahre Liebesbeziehung seines Lebens dar – erschreckend überkommt den Zuschauer diese Einsicht, als sich Gregory am Kronschatz ergötzt: „Juwelen sind wundervoll. Sie haben ein eigenes Leben.“ Perfekt zur Geltung kommt Gregorys Umnachtung durch die Synchronisation von Peter Pasetti. Keinen wandlungsfähigeren Sprecher hätte man auswählen können, keine schmeichelhaft-zurückweisendere Stimme.

Zitat von Sheri Chinen Biesen: „Gaslight“, in Alain Silver et al.: „Film Noir: The Encyclopedia“, Overlook Duckworth, New York / London, 2010, S. 117
The next year [1941] Columbia acquired the American screen rights to release the British film version of Gaslight in the US (as A Strange Case of Murder), but were prevented from releasing the film by Taube, who owned the American dramatic rights and produced Gaslight on the New York stage, opening two days before Paul Harbor in early December 1941 under the title Angel Street. MGM cut a deal and paid $150,000 for the screen rights to produce its hefty-budgeted Hollywood screen version of Gaslight.


Die Vorgeschichte der Produktion, zusammengenommen mit der Absicht, den britischen Film „Gaslight“ in den USA unzugänglich zu machen, verdeutlicht, welch ein dickes Ausrufezeichen MGM mit seiner Verfilmung des Patrick-Hamilton-Stoffes setzen wollte. Dieser Ehrgeiz schlägt sich in mehreren Oscar-Nominierungen nieder, zur selben Zeit aber auch in dem Resultat, immer ein wenig zu viel von allem geben zu wollen. „Das Haus der Lady Alquist“ ist deshalb ein ungewöhnlich eindeutiger Noir, der auf die Verwischung der Grenze zwischen Gut und Böse keinen Wert legt. Aus diesem Grund erscheint vor allem Paulas Rolle, für die Ingrid Bergman prädestiniert erscheint, zu naiv und wehleidig, um wahres Mitleid hervorzurufen. Auffällig, dass Gregory nur sehr wenig nachhelfen muss, um Paula völlig aus dem Konzept zu bringen. Bergmans Performance können die Worte schwach, verwirrt, labil und depressiv zugeordnet werden. Sie wird nicht, wie etwa die zweite Mrs. de Winter in „Rebecca“, von den Verhältnissen im Hause des Ehemanns gebrochen, sondern ist in sich schon eine gebrochene Person, die alle Vorwürfe ohne Hinterfragung sofort auf sich selbst projiziert. Deshalb nimmt sie nie den Status einer Heldin ein – man sorgt sich zwangsläufig weniger um sie, weil sie so oder so kaum etwas zu verlieren hat.

Trotz all der düsteren Atmosphäre des Gefängnis-Hauses – nicht nur von den Personen, sondern auch von den in der Encyclopedia zitierten „amply dark, low-key noir visual style [and] entrapment of its protagonists“ erzielt – war es Cukor, der nicht weniger als 30 Komödien drehte, wichtig, auch den Humor nicht zu kurz kommen zu lassen. Zwar fühlt man sich durch Dame Mae Whittys altmütterliche Klatschbasenrolle ein wenig zu sehr an Lustspiele jener Zeit erinnert, doch mit großer Präzision gelang Cukor die Einbindung einer ganz neuen Actrice: Angela Lansbury in ihrer ersten Filmrolle. Vom heutigen Standpunkt macht das „Das Haus der Lady Alquist“ um einen Star reicher.

Der geringen Gegenwehr zum Trotz beeindruckt Gregorys Bosheit in den erstickend wirkenden Szenen mit Paula. „Gaslicht“ verdankt seine Wirkung dem Doppelgespann von Charles Boyer und Peter Pasetti, die intensiv einer wachsartig formbaren Weiblichkeit zusetzen. Als Fremdkörper, doch in Übereinstimmung mit den zeitgenössischen Durchhalteparolen des Jahres 1944 schlägt Cottons Schlussrede von der Sonne, die nach der dunklen Nacht aufgehen wird, einen galanten Bogen, der den Zuschauer dieses kriminalistisch angehauchten Kostümfilms zumindest wieder in die Realität des Produktionsjahres zurückholt. 4 von 5 Punkten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

16.08.2014 16:51
#15 RE: Gaslicht: Eine Chronologie Zitat · Antworten

Anlässlich des Jubiläums "50 Jahre Bayerisches Fernsehen" wird am Dienstag in einer Woche (26.08.) das Fernsehspiel "Gaslicht" von 1960 mit Dieter Borsche und Margot Trooger wiederholt! Unbedingt einschalten, diese Verfilmung lohnt sich!

http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-f...ung-648506.html
http://krimiserien.heimat.eu/fernsehspiele/1960-gaslicht.htm

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