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Dieses Thema hat 11 Antworten
und wurde 1.346 mal aufgerufen
 Giallo Forum
Blap Offline




Beiträge: 1.128

22.04.2010 23:28
Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

DAS GRAUEN KOMMT NACHTS (Italien 1972, Originaltitel: Delirio Caldo)

Dr. Herbert Lyutak (Mickey Hargitay) berät die Polizei seit einiger Zeit bei deren Ermittlungen. Momentan erschüttert eine grässliche Mordserie an jungen Frauen die Region. Sogar Lyutak selbst gerät in Verdacht, da ihn ein Zeuge mit einem Mädchen sieht, kurz bevor diese den Löffel für immer reicht. Tatsächlich hat der gute Herbert ein Problem, er ist impotent und ein zu allem Überfluss auch noch ein Sexualmörder. Seine Gattin Marcia (Rita Calderoni) kommt ihm auf die Schliche, doch da sie ihn abgöttisch liebt, beschliesst sie seine Taten zu decken. Der freiwillig arbeitende Parkwächter eines Nachtclubs (Stellenbeschreibung aus dem Film) schnüffelt Lyutak hinterher, denn auch er steht im Verdacht der Killer zu sein, was man als anständiger und freiwillig arbeitender Parkwächter natürlich nicht auf sich sitzenlassen kann. Weitere Morde geschehen, doch an diesen scheint der impotente Irre (Selbsteinschätzung Herberts) nicht beteiligt zu sein ...

Unglaublich, unfassbar, unbeschreiblich! Es entzieht sich meiner Kenntnis, welche Stoffe sich Regisseur Renato Polselli und die anderen Verantwortlichen durch sämtliche Körperöffnungen gezogen haben, aber dieser Film sprengt mir die Positronik aus dem Schädel! Als Freund des schlechten Geschmack und absonderlicher Filme bekommt man im Laufe der Jahre einiges zu sehen, aber "Das Grauen kommt nachts" nimmt eine Sonderstellung ein. Den Darstellern entgleisen bestädig die Gesichtszüge, wenn Mickey Hargitay vor dem Spiegel steht und "Hyäne, Hyäne" schreit, verschlägt es selbst dem gestandenen Trash-O-Logen die Sprache. Besondere Erwähnung verdient auch seine Filmgattin, gespielt von Rita Calderoni, die aus der Wäsche glotzt als hätte sie Tonnen weissen Pulvers aufgesogen. Es soll nicht unterschlagen werden, dass die Dame eine eigenwillige Schönheit ausstrahlt, die den Wahn trefflich untermauert. Dann wäre da noch der Typ namens Kartoffel, der dem kranken Doc nachstellt. Die Dialoge kommen in der deutschen Synchronisation erst so richtig zur Geltung. Man könnte hier Seiten mit unvorstellbaren Auswüchsen füllen, doch ich will nicht zu viel verraten und empfehle den mutigen Selbstversuch. Besonders Herbert rockt immer wieder das Haus, wenn er bedeutungsschwanger seine Weisheiten zum Besten gibt. Herrlich auch die Szenen mit Marcia. Sie hebt den Telefonhörer mit einem panischen "Bitte?" ab, das muss man einfach gesehen haben, es ist nicht mit Worten zu erfassen. Noch besser der Moment, in dem im Lyutak Anwesen plötzlich das Licht ausgeht. "Wer sind Sie?", "Wer schreit da"? "Wer ist es, ich sterbe!", Marcia und eine Verwandte wälzen sich grundlos auf dem Boden, plötzlich entdecken sie einen Cassettenrecorder. All diese Knüller kann man im ersten Moment kaum erfassen. Als ich ca. zwei Stunden nach dem Genuss im Bett lag, überkamen mich noch immer Lachanfälle, mein armes Zwerchfell ...

Was den Film zu einem bewusstseinserweiternden Erlebnis der ganz besonderen Art macht, ist die völlige Abwesenheit jeglicher Selbstironie. Alles ist offensichtlich völlig ernst gemeint, mit entsprechender Konsequenz und ohne Gnade vorgetragen. So grandios und auf ganzer Linie ist noch kein Film gescheitert! "Delirio Caldo" ist ein einzigartiger Giallo, gleichzeitig Schandfleck und mutiertes Juwel des Genres. Mir liegt die US-Scheibe von Blue Underground vor, die den Titel "Delirium" trägt. Erfreulicherweise hat man mir als Ergänzung eine gebastelte Version mit der deutschen Synchronisation überlassen. An dieser Stelle mein Dank an den edlen Spender! Ich finde keine Worte, die dem Streifen in irgendeiner Form angemessen wären. Man muss diesen Film gesehen haben um das Nirwana zu erreichen, denn Doktor Herbert Lyutak hat immer das Verbrechen bekämpft!

Die übliche Punktewertung enfällt. Wie soll man dieses Treiben mit Zahlen erfassen? 11/10 auf der nach oben offenen Skala des Wahnsinns?¿

Lieblingszitat:

"Aber ich habe einen instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters."

... einer geht noch rein:

"Ich bin's, der Kartoffel."

***

Vom Ursprung her verdorben

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

23.04.2010 07:07
#2 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Die Blue-Underground-DVD habe ich schon seit Erscheinen bei mir stehen. Es fehlte mir bisher nur an Mut, den Film zu betrachten ...

Ich hoffe doch, er ist auf English ebenfalls unterhaltsam ...

Peter

Happiness IS the road! (Marillion)

Blap Offline




Beiträge: 1.128

23.04.2010 09:50
#3 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Zitat von kaeuflin im Beitrag #2
Ich hoffe doch, er ist auf English ebenfalls unterhaltsam ...

Durchaus, durchaus. Aber in diesem Fall ist die deutsche Synchro einfach Gott!

***

Vom Ursprung her verdorben

Reinhard Offline



Beiträge: 1.373

24.04.2010 00:44
#4 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Als Demonstration habe ich dazu auch folgenden Clip auf YouTube eingestellt:


Josh Offline




Beiträge: 7.928

09.07.2014 21:53
#5 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

@Gubanov: Hast du mittlerweile "Das Grauen kommt nachts" geguckt? Ich warte auf deine Kritik zu dieser Perle!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.07.2014 21:55
#6 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Nein, das "Grauen" steht mir noch bevor. Ich habe das Gefühl, ich muss mich für diesen Film genretechnisch erst ein bisschen warmlaufen. Eindrücke werden niedergeschrieben, sobald ich zu einer Sichtung gekommen bin.

Josh Offline




Beiträge: 7.928

09.07.2014 21:59
#7 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Guck ihn dir auf jeden Fall zweimal an: einmal mit der ultrakultigen deutschen Synchro und danach mit dem sehr unterhaltsamen und lustigen Audiokommentar von Pelle Felsch und Christian Kessler.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.07.2014 22:02
#8 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Ich werde wohl um die dreifache Sichtung nicht herum kommen. Der O-Ton würde mich nämlich auch interessieren, weil es mir widerstrebt, den Film nur auf Grundlage einer Blödelsynchro zu bewerten. Hoffentlich gefällt mir der Film - bei dieser durch FilmArt bösartigst aufgezwungenen Wiederholungsquote wäre alles andere eine ziemliche Odyssee.

Josh Offline




Beiträge: 7.928

09.07.2014 22:12
#9 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Im O-Ton habe ich den auch gesehen, da fällt er in die Kategorie belanglos. Die deutsche Synchro macht den einzigartig.

StefanK Offline



Beiträge: 936

09.07.2014 22:50
#10 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Erwarte beim Grauen aber keinen "ernsthaften", typischen oder sonst irgendwie relevanten Beitrag zum Giallo-Genre. Damit hat der Film meines Erachtens nicht viel zu tun. Das Teil ist einfach eine Kuriosität mit Giallo-Anleihen.

Josh Offline




Beiträge: 7.928

09.07.2014 22:56
#11 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten

Ein ernsthafter Beitrag zum Genre ist der mit Sicherheit nicht, aber einer der lustigsten und damit kultig.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.07.2014 15:15
#12 RE: Das Grauen kommt nachts (1972) Zitat · Antworten



Das Grauen kommt nachts (Delirio caldo)

Erotikkrimi, IT 1972. Regie: Renato Polselli. Drehbuch: Renato Polselli. Mit: Mickey Hargitay (Herbert Lyntak), Rita Calderoni (Marcia Lyntak), Raoul (Inspektor Edwards), Carmen Young (Bonita), Christa Barrymore (Joaquine), Tano Cimarosa (der Kartoffel), Marcello Bonini Olas (Barmann), Katia Cardinali (Miss Heindrich), William Darni (Willy), Max Dorian (Polizist) u.a. Uraufführung (Italien): 5. Juli 1972.

Zitat von Das Grauen kommt nachts
Ein Lustmörder versetzt London in Angst und Schrecken. Nach den immer gleichen Torturen werden junge Frauen erstochen an verschiedenen Orten in der Stadt aufgefunden. Zwei Männer sind immer am Tatort: der Polizeipsychiater Herbert Lyntak und der Parkwächter Kartoffel. Lyntak, nach eigener Aussage ein „impotenter Irrer“, lenkt den Verdacht mit allen Mitteln auf den Kartoffel und die Polizei scheint die Pille zu schlucken. Doch tatsächlich laufen die Spuren der Verbrechen im Hause der Lyntaks zusammen ...


Eindringliche Warnungen vor dem Konsum dieses Films sind nicht nur angebracht, sondern sogar überaus hilfreich. Weiß man von Anfang an, welch ein zweifelhaftes Vergnügen einen bei „Das Grauen kommt nachts“ erwartet, so kann man sich auf die dargebotene Sause bestens einstellen und sie über weite Strecken sogar einigermaßen genießen. Den Buchautor und OFDb-Kritiker Frank Trebbin („Die Angst sitzt neben Dir“) hat offenbar niemand vorgewarnt. Seine Kritik zu diesem sonderbaren Kleinod liest sich jedenfalls, als würde Herr Trebbin zum Lachen ungern in den Lyntak’schen Folterkeller gehen.

Zitat von Frank Trebbin: Bewertung „Das Grauen kommt nachts“, OFdb.de
Ein wahrer Schund! Zu der miserablen technischen Qualität dieses Abfallproduktes gesellt sich nämlich noch die menschen- und frauenverachtende Grundtendenz der Story.


Damit hätten wir immerhin einen Indikator, dass es sich hier um einen Giallo handelt. Die grundlegendste Zutat dieses Genres, Morde an zeigefreudigen Frauen, kann auf der Liste schonmal getrost abgehakt werden. Das Besondere an „Das Grauen kommt nachts“ ist das Spiel mit den Konventionen, auch in Hinblick auf diese Mordserie. Denn im Gegensatz zu gelb leuchtenden Vorbildern wird der Zuschauer gleich zu Beginn in die Vorgehensweise und Identität des Killers eingeführt. Dass später noch Morde durch andere Hand geschehen, erscheint beinahe nebensächlich, weil sich alles auf den bitterbös impotenten „Onkel Herbert“ konzentriert. Zeugungsunfähigkeit wird „in solchen Filmen“ gern und häufig thematisiert, von Renato Polselli, der in Personalunion Regie führte, Drehbuch schrieb und als Produzent agierte, aber ganz besonders freudvoll ausgekostet. Den Kick bekommt Herbert (ich bin immer noch nicht über diesen Namen hinweg – wer wollte nicht schon immer ’mal die Zeile „Ti amo, Herbert“ hören!) stattdessen durch perverse Morde und die Misshandlung seiner Ehefrau, die aber trotzdem zu ihm hält, weil ihr wohl bestens gefällt, was er da mit ihr anstellt.

Zitat von Frank Trebbin, ebd.
Die Handlung selbst ist ziemlich verworren.


Als wolle der Film mit seinen Sex- und Perversionsszenen unter Beweis stellen, er sei besonders reif und erwachsen, lässt er im Bereich der Handlungsentwicklung grob naive Infantilität walten. Die Handlung würde ich nicht als verworren, sondern als in höchstem Maße lächerlich, durchschaubar und unlogisch bezeichnen, was aber gerade erst einen gewissen Reiz ausübt. Vor allem die völlig haarsträubenden Verhaltensweisen der Protagonisten machen Laune: Die Polizisten sind das wohl dümmste Beamtenduo der Geschichte, Herbert Lyntak geht mit der Pfeffermühle zu Werke und die Frauen wälzen sich zu einer Kassette mit Entführungsgeräuschen ’mal lachend und ’mal weinend auf dem Boden. Ein wenig fühlt man sich wie in einer Mischung aus der handwerklichen Raffinesse des „Akasava-Teufels“ und der charmanten Unvollkommenheit des „bösen Auges“ gefangen.


Zitat von Frank Trebbin, ebd.
Die schlechte deutsche Synchronisation hat dabei noch einen Multiplikatoreffekt.


Die deutsche Vertonung – eine Videoauswertung aus den Achtzigern – fällt nicht in die Kategorie tumbe Blödelfassung. Sie fällt eher durch ihre überkandidelt salbungsvolle Art auf, die die kleinsten Alltäglichkeiten zu megalomanischen Albernheiten ausbaut. „Wo sind Sie?“ wird im Handumdrehen zu „Präzisieren Sie Ihren Sektor, Fräulein“ oder „Ich verdächtige den Parkwächter“ zu „Ich habe einen instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters“. Herrlich! Diese wohl ziemlich einmalige Art des Konversationspimpings unterstützt in erster Linie Renato Polsellis bierernste Herangehensweise an den Film. Noch heute erklärt er überzeugt, der Film sei eine ernsthafte Verarbeitung psychosexueller Traumata und es sei den Darstellern am Set verboten gewesen, zu lachen. Dann sieht man eben, dass sie ihren Elan über die lupenreine Story anders zum Ausdruck gebracht haben, denn ...

Zitat von Frank Trebbin, ebd.
..., denn das Chargieren der unbeholfenen Mimen ist schon sehr schmerzhaft.


Übertreibungen! Das ist das Wort, das im Zusammenhang mit „Das Grauen kommt nachts“ groß – GROSS – geschrieben werden muss. Vor allem wie der Wahnsinn dem rolligen Dreierduo Micky Hargitay / Rita Calderoni / Christa Barrymore aus den immer weiter anwachsenden Augen schießt, ist mehr als eine Sichtung wert. Polsellis Devise, es dürfe gern ein bisschen mehr sein, wurde mustergültig in die Tat umgesetzt und sorgt vor allem im Finale für, hmm, „intensive“ Momente. So wird die Geschichte, die nach der Verhaftung des Kartoffels kurz in dröge Langeweile umzukippen droht, durch ein in allen Belangen engagiertes Mienenspiel gerettet. Am Ende müssen die Schauspieler echt außer Atem gewesen sein, denn zu behaupten, sie hätten nicht alles gegeben, wäre die größte Ungerechtigkeit, die man diesem am ehesten noch unverfänglich als „interessant“ zu bezeichnenden Film antun kann.

An „Das Grauen kommt nachts“ kann man eben einfach keine ernsthaften Maßstäbe anlegen. Der Film weiß nicht genau, ob er ein Giallo, ein kruder Erotikfilm oder überhaupt irgendetwas anderes sein will. Obwohl er sich an verschiedenen Stellen hoffnungslos in pure Absurdität verrennt, wirkt er als Gesamtprodukt absolut unterhaltsam. In Punktzahlen lässt sich die eher beschränkte Güte des „Grauens“ bei gleichzeitiger abgefahrener Sonderbarkeit kaum ausdrücken. Ich verteile pro forma 3,5 von 5 Punkten, um keine anderen (objektiv besseren) Gialli zu übervorteilen.



Die DVD von FilmArt: FilmArt hat jedem Herbert-Lyntak-Freund ein Rundum-Sorglos-Paket abgeliefert. Der Film wird auf einer Doppel-DVD in den verschiedensten Fassungen präsentiert (italienische Originalfassung, alternative Sexfassung, deutsche Vietnam-Fassung, deutsche Kurzfassung), wobei die italienische Originalfassung zweifelsohne über das beste Bild verfügt. Es wirkt zwar manchmal etwas unscharf und zu bräunlich, erfüllt aber sonst alle Erwartungen, die man sich bei einem Label wie FilmArt macht. Es gibt deutschen und italienischen Ton zur Auswahl sowie optionale deutsche Untertitel (Gar nicht wird gar nicht zusammengeschrieben.). Zudem ist eine Interview-Featurette mit Regisseur und Hauptdarsteller aufgespielt, die von der Blue-Underground-DVD übernommen, aber offenbar an die FilmArt-VÖ angepasst wurde. Abgerundet wird das Ganze durch den in seinen Bezügen auf den Film super unterhaltsamen Audiokommentar, der sich leider nur manchmal zu sehr in Filmografien der Beteiligten verrennt, einen neu geschnittenen Trailer, Deleted Scenes und einen italienischsprachigen Fotoroman zum Film aus einer Zeitschrift namens „Cinesex“. Ach ja, und das Booklet von Heiko Hartmann nicht zu vergessen, dessen darin enthaltene Aufarbeitung die treffliche Überschrift „Metaphysische Charakter-Kartoffeln im Griff der impotenten Liebeshyäne“ trägt. Damit ist „Das Grauen kommt nachts“ doch wirklich ausreichend beschrieben.

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