Darsteller: Harald Leipnitz, Uschi Glas, Herbert Fleischmann, Walter Kohut, Wolfgang Kieling, Rosemarie Fendel, Michael Hinz, Wolfgang Lukschy, Karl-Heinz Vosgerau. June Bolton u.a.
Diesen Durbridge-Zweiteiler habe ich zum ersten Mal gesehen. Ich wusste nicht recht, was mich erwartet, schließlich lagen zwischen "Das Messer" und "Die Kette" sechs Jahre, so dass ich mir nicht sicher war, ob man qualitativ anschließen würde. Bereits beim Vorspann musste ich erstmals schlucken: nichts gegen Funk, aber die Art und Weise, wie dieser mit dem trivialen bzw. penetranten Gesang vermengt wird, wollte mir gar nicht behagen. Lichtjahre entfernt von den musikalischen Untermalungen der letzten beiden Beiträge.
Positiv ist zunächst die Besetzung, die in weiten Teilen an die Krimihochzeit der 1960er-Jahre erinnert. Vor allem habe ich mich gefreut, Wolfgang Kieling mal in einem Durbridge-Krimi zu sehen. Sein Auftritt ist für meine Begriffe auch das Highlight, was die Darsteller betrifft. Harald Leipnitz macht seine Sache routiniert, Glas ist gerade noch "okay".
Ein heimlicher Star des Films ist sicherlich die schöne Emily Bolton, die hier unter dem Namen June Bolton auftritt. Die in Aruba geborene und in England und der Niederlande (deswegen vermutlich ihr gutes Deutsch) aufgewachsene Aktrice sollte zwei Jahre später zu großem Ruhm kommen. 1979 wurde sie nämlich an der Seite von Roger Moore in "Moonraker" zum Bond-Girl. (Sie spielt eine Kontaktperson in Rio; ich erinnere mich noch an die Szene, wie Roger Moore sinngemäß etwas in der Richtung wie "Was macht man eigentlich in Rio, um die Zeit totzuschlagen?" sagt, während er ihr den Mantel auszieht sowie an eine Szene im Karneval von Rio, in der sie in einer engen Gasse vom Beißer verfolgt wird.)
Aber zurück zu Durbridge. Wie schon richtig gesagt wurde, hätte ein Dreiteiler mehr Sinn gemacht. Der erste Teil zieht sich mitunter etwas hin. Was mir persönlich auch nicht so gefallen hat, ist diese "Soap-Optik" (die Art der Szenenbilder und Kameraführung). Dem Film geht schlicht und ergreifend die Atmosphäre der letzten beiden Filme ab. Inhaltlich ist das völlig in Ordnung, es gibt mysteriöse Gegenstände (der Begriff "Kette" fällt in jedem erdenklichen Zusammenhang), falsche Fährten und sehr gute Regie-Einfälle (Kurz nachdem der Deckname des Täters im Gespräch zwischen Leipnitz und Fleischmann gefallen ist, schnelle Überblendung, die suggerieren soll, man bekäme nun den Täter präsentiert; die Vorgänge in der Wohnung von Judys Freundin, wo ein Verdächtiger nach dem anderen aufschlägt). Gerade das Finale ist wirklich gelungen, dagegen ist das romantische Ende ein wenig überdreht und gestrig ausgefallen, was im Widerspruch zu dem "Callgirl-Thema" steht.
"Die Kette" bildet einen soliden Nachklapp, der es mit den Highlights unter seinen Vorgängern wie "Melissa" oder "Das Messer" jedoch nicht aufnehmen kann. 3,5/5 Punkten.
Hier sicher schon bekannt ( ich war eher überrascht )......als ich mal wieder so durch die einschlägig bekannten Versender surfte um mir ein Krimi Paket zu schnüren......fand ich auf Weltbild "Die Kette /Straßenfeger der 70er " CD ( Soundtrack ? )na ja die DVD wäre mir lieber gewesen.
"Die Kette" erscheint in einer REMASTERED VERSION (also bestens restauriert) im Jänner von Pidax. Da ich selbst das gesamte Bonusmaterial zusammentrage, schreibe und organisiere, hier schon mal eine Vorschau auf die Extras, die noch nicht vollständig ist:
- Booklet mit umfassenden Hintergrundinfos zu den Dreharbeiten und den verschiedenen Versionen von A GAME OF MURDER in den einzelnen europäischen Ländern - Kurzgeschichte "Coffee Break - Tödliche Kaffeepause" von Francis Durbridge, erstmals auf Deutsch, in England nur einmal 1971 in einem Theaterprogramm veröffentlicht - exklusives Interview mit Regisseur Rolf von Sydow - Audiokommentar - Fernsehinterview mit Francis Durbridge von 1971
Spitze! Hatte die DVD zwar vor ein paar Monaten mal ausgeliehen (meine Erstsichtung), aber bei so einer Edition des lange vergriffenen Titels schlage ich zu.
Gruß Markus
Gubanov
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gelöscht
)
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17.03.2018 20:15
#29 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Die Kette (11)
Teil 1 des TV-Kriminalmehrteilers, BRD 1977. Regie: Rolf von Sydow. Drehbuch: Francis Durbridge. Übersetzung: Marianne de Barde. Mit: Harald Leipnitz (Inspector Harry Dawson), Uschi Glas (Judy Black), Herbert Fleischmann (Chefinspector Yardley), Walter Kohut (Inspector Nat Fletcher), Rosemarie Fendel (Mary Rogers), Margot Hielscher (Sybil Conway), Karl Heinz Vosgerau (Arnold Conway), Klaus Wildbolz (Peter Newton), Wolfgang Lukschy (Harrys Vater) u.a. Erstsendung: 18. Dezember 1977. Eine Produktion des Südwestfunks.
Zitat von Die Kette (Teil 1)Dass sein Vater zufällig von einem verzogenen Golfball tödlich am Kopf verletzt wurde, kann Inspector Harry Dawson nicht wirklich glauben. Er wittert Mord und versucht, den merkwürdigen Todesumständen auf den Grund zu gehen. Der Mann, der den Ball abschoss, erregt Harrys besonderes Misstrauen und entpuppt sich tatsächlich als krimineller Tunichtgut, in dessen Wohnung sich die Kartei eines Callgirl-Rings findet. Zur gleichen Zeit taucht auch der entführte Pudel von Harrys Haushälterin wieder auf – mit dem kryptischen Hinweis, dass dessen Halsband der Grund für den Tod von Harrys Vater gewesen sei. Was kann damit gemeint sein?
Kam schon das recht zeitige Ableben von Albert Lieven in „Wie ein Blitz“ überraschend, so inszenierte Rolf von Sydow den ersten Mord in „Die Kette“ noch abrupter: Gerade noch saß der ähnlich renommierte Wolfgang Lukschy in seiner ersten (und einzigen) Szene überhaupt gemütlich am Schreibtisch – schon nähert sich die Ambulanz mit Martinshornlärm dem Ort seines Todes. Mit diesem Kniff und der dem Vorspann vorausgehenden Schlägerei setzt von Sydow den Ton für einen modernen Durbridge, der andererseits erstaunlich vertraut und stellenweise sogar etwas angestaubt wirkt. Bestandteil der neuen Herangehensweise ist auch das Format, das im Vergleich zur Phase von 1965 bis 1971 nochmals eingekürzt und auf lediglich zwei Folgen reduziert wurde, die dafür Spielfilmlänge aufweisen. Für Durbridge-Verhältnisse erfordern diese je 90 Minuten besonders hohe Aufmerksamkeit, weshalb der weniger engagierte Zuschauer den Zweiteiler vielleicht als etwas „langweilig“ empfinden wird. Dass der SWF besser das sechsteilige Originalformat beibehalten hätte, bemerkt man vor allem an den Stellen, die sich wunderbar als Cliffhanger angeboten hätten und in Sydows Version ungenutzt verpuffen.
Dass die längeren zusammenhängenden Ermittlungen dennoch funktionieren, ist in erster Linie der Hartnäckigkeit von Harald Leipnitz zu verdanken, der in „Die Kette“ reifer und bestimmter wirkt als bei seinem etwas blassen Auftritt in „Die Schlüssel“. Leipnitz hält das gesamte Konstrukt zusammen und darf als einzige Vertrauensperson in einem Geflecht von halbseidenen, hinterhältigen und verlogenen Beteiligten gelten. Dieses Alleinstellungsmerkmal hebt seine Rolle deutlich hervor, denn während Durbridge früher noch eine ganz klare Zweiteilung in offensichtliche Verbrecher und offensichtlich Unschuldige vornahm (mit der Ausnahme, dass sich der Haupttäter dann oft aus letzterer Gruppe rekrutierte), ist diesmal außer Harry Dawson wirklich jeder verdächtig – auch der Scotland-Yard-Kollege (mit Wiener Schmierigkeit: Walter Kohut) und der love interest (mit Beziehungen zu einem Verdächtigen: Uschi Glas). Während man sich bei den Auftritten von High Society-Pärchen Margot Hielscher und Karl Heinz Vosgerau um Jahrzehnte in der Zeit zurückversetzt fühlt, brechen Hinweise auf einen Callgirl-Ring die gute, alte Durbridge-Prüderie auf. Es fällt der „Kette“ manchmal etwas schwer, diese beiden Extrema miteinander in Einklang zu bringen, denn auch dem Subplot um das Hundehalsband haftet im Jahr 1977 eine gewisse unfreiwillige Komik an. Sie täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass gerade dieser Teil der Story sehr gut und rätselhaft konstruiert ist.
Neben dem überzeugenden Spannungsaufbau musste „Die Kette“ als letzter deutscher Durbridge-Mehrteiler auch auf einem anderen Gebiet Bestes liefern, auf dem die allermeisten seiner Vorgänger überdurchschnittlich überzeugt hatten: Musikalisch gelang diesmal ein weiteres Ausrufezeichen in Form der Titel- und Abschlussmelodie von Dieter Reith für die Jochen Bauer Group. Das Lied, das den gleichen Namen wie der Mehrteiler trägt, kombiniert einen schrägen Text und groovige Beats mit dem großen Rätsel, was diese titelgebende „Kette“ denn eigentlich genau sein soll – es wird uns schließlich weit mehr als eine Interpretationsmöglichkeit angeboten. Reiths Thema funktioniert hervorragend: Sowohl in verschiedenen Variationen in Kombination mit den eleganten oder düsteren Spannungsszenen als auch in Reinform zusammen mit den quietschbunten Seventies-Credits in Comicform.
Gubanov
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gelöscht
)
Beiträge:
18.03.2018 14:20
#30 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Die Kette (11)
Teil 2 des TV-Kriminalmehrteilers, BRD 1977. Regie: Rolf von Sydow. Drehbuch: Francis Durbridge. Übersetzung: Marianne de Barde. Mit: Harald Leipnitz (Inspector Harry Dawson), Uschi Glas (Judy Black), Herbert Fleischmann (Chefinspector Yardley), Walter Kohut (Inspector Nat Fletcher), Wolfgang Kieling (Heaton), Michael Hinz (Hubert Rogers), Margot Hielscher (Sybil Conway), Karl Heinz Vosgerau (Arnold Conway), Jan Niklas (Douglas Craft) u.a. Erstsendung: 20. Dezember 1977. Eine Produktion des Südwestfunks.
Zitat von Die Kette (Teil 2)Die Morde an Peter Newton und der Haushälterin Mary Rogers legen nahe, dass Harry Dawson auf der richtigen Spur ist. Obwohl er vom Polizeidienst suspendiert ist, schnüffelt er kräftig in der Angelegenheit herum und schließt Bekanntschaft mit der flüchtigen Judy Black, die das Geheimnis des Hintermanns der Taten – eines gewissen Tam Owen – zu kennen scheint. Bei einem Kampf über den Dächern von Kensington verletzt Dawson Judy Black. Kurz darauf lüftet sich das Geheimnis des Hundehalsbands: In einem Geheimfach war ein wertvolles Schmuckstück versteckt, das der durchtriebenen Sybil Conway gehört. Wird die Blutspur, die Tam Owen hinterlässt, auch sie das Leben kosten?
Die stellenweisen Tempoprobleme des ersten Teils werden vom zweiten ausgebügelt, der sich trotz seiner Länge problemlos am Stück verdauen lässt. Dass Judy Black und Tam Owen in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, macht einen großen Unterschied und lässt die zweite Hälfte des Doppel-Krimis druckvoll und abwechslungsreich erscheinen. Besonders beeindruckend gestaltet sich das Aufeinandertreffen Judys und Harrys auf dem Dach der Linda-Wade-Wohnung – eine Szene, die als sowohl optisch ausnehmend ansprechend als auch absolut spannungsgeladen in Erinnerung bleibt. Uschi Glas verleiht ihrer Judy Black in stetigem Wechsel Freundlich- und Fürsorglichkeit sowie die ganz klare Mitwisserschaft über zumindest einen Teil der Owen-Bande und wird so zu einem interessanten Dreh- und Angelpunkt der Story. In den Worten der Schauspielerin:
Zitat von Georg Pagitz: Die Kette, Booklet zur DVD-Veröffentlichung, S. 2„Die Rolle ist faszinierend: mal naives Mädchen, mal raffinierte Lady, mal cooles Callgirl.“ [...] Rolf von Sydow engagierte [Uschi Glas] vom Stand weg [...]. „Sie hat sich zu einer veritablen Schauspielerin gemausert. Sie hat Format bekommen. Das Kind hat ihr gut getan“, so der Regisseur. Auch der damals 65-jährige Francis Durbridge war mit der Besetzung sehr zufrieden und meinte, nachdem er Uschi Glas im Londoner Hotel Claridge’s kennengelernt hatte: „Sie ist genau so, wie ich mir die Besetzung der Figur Judy Black vorgestellt habe – sehr wandlungsfähig und sensibel.“
Auch Wolfgang Kieling spielt sich weiter in den Vordergrund und legt seinen Zoohändler als Kombination aus Gisela Trowes ähnlicher Rolle in „Wie ein Blitz“ und seiner schauerhaften Mörder-Gestalt auf Oberinspektor Derricks „Waldweg“ an. Er wird dem Zuschauer in einem mehrbödigen Finale als einer der möglichen Täter präsentiert – sehr effektiv, wenngleich es kein Durbridge-Stoff wäre ohne zusätzliche Überraschung. Diese wickelt sich pflichtgemäß in einer Londoner U-Bahn-Station ab, die als Finalschauplatz echtes Lokalkolorit verströmt.
Im Stil der „Kette“ hätte man gern weitere Durbridge-Mehrteiler des Südwestfunks gesehen, doch selbst von Sydows Einfluss auf die dortige Programmgestaltung als Produzent ermöglichte dies in den Folgejahren nicht mehr. Sowohl die hyperprominente Besetzung als auch die für 1977 immer noch ungemein erfolgreichen Einschaltquoten von ca. 72 Prozent sprechen dafür, dass der SWF mit einer Fortsetzung nicht schlecht gefahren wäre. Es wäre daher interessant, zu erfahren, welche Stoffe in diesem Fall für eine deutsche Verfilmung herangezogen worden wären – womöglich hätte man „Die Puppe“ in die engere Wahl genommen. Unabhängig davon braucht sich „Die Kette“ nicht vor den WDR-Verwandten zu verstecken, wenngleich das Flair doch ein recht eigenständiges ist.
Der Durbridge-Nachzügler entwickelt sich vom etwas stockenden Kuriositätenrätsel hin zu einem fesselnden Mord- und Identitätenspiel. Stellenweise gleicht der Bodycount das Fehlen der Cliffhanger aus, anderweitig legt sich einfach die exzellente Besetzung gut ins Zeug. 4 von 5 Punkten.