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Dieses Thema hat 286 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
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18.06.2019 17:30
#151 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum (erzählt)“ (1963-70) Zitat · Antworten

Und schon kommt es zu ersten Uneinigkeiten – spannend! Dass „Die Frau im Nerz“ weniger prominent besetzt ist, stimmt auf jeden Fall, aber das allein macht sie für meine Begriffe nicht schlechter. Den Fall finde ich sogar sehr mysteriös, weil man erst bei der Auflösung erfährt, worum es überhaupt geht bzw. wie sich die Motivlage darstellt. – Hier nun ein Blick auf eine sehr faszinierende, weil ganz anders als üblich geartete „Kriminalmuseum“-Folge. Wieder nicht übermäßig namhaft aufgestellt, aber für mich ein außerordentliches Vergnügen:



Das Kriminalmuseum: Die Fotokopie

Episode 4 der TV-Kriminalserie, BRD 1963. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Maria Matray, Answald Krüger. Mit: Jürgen Goslar (Kriminalinspektor Breitenfeld), Klaus Dahlen (Kriminalassistent Appel), Dinah Hinz (Eva Sommer), Bert Fortell (Alfred Mack), Theo Frisch-Gerlach (Rechtsanwalt Dr. Schilling), Helmuth Rudolph (Rechtsanwalt Dr. Klein), Günther Schramm (Wolfgang Delius), Erik Radolf (Dr. Ewald Delius), Isolde Bräuner (Monika Berndorff), Bibi Jelinek (Liselotte Delius) u.a. Erstsendung: 4. Juli 1963. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (4): Die Fotokopie
Auf der Beerdigung des erfolgreichen Unternehmers und Philanthropen Dr. Ewald Delius sorgt Eva Sommer, die Tochter seines ehemaligen Dienstmädchens, für verwirrte Blicke. Den Delius-Kindern wird daraufhin schnell klar, dass sie in Eva eine Konkurrenz um ihr Erbe fürchten müssen, denn sie kann mithilfe eines an sie adressierten Briefs beweisen, dass sie eine uneheliche Tochter des Verstorbenen ist. Kaum hat sie ihre Ansprüche angemeldet, wird der Brief von einem Einbrecher aus ihrer Wohnung gestohlen. Der bald ins Netz der Kripo gegangene Langfinger beschuldigt ausgerechnet den aufgebrachten Delius-junior, Anstifter des Verbrechens zu sein ...


Ungewöhnlicherweise für einen Abendkrimi des ZDF ist der Todesfall, dem die die Episode eröffnende Beerdigung zugrundeliegt, ohne mörderisches Nachhelfen zustandegekommen. Und tatsächlich ist es nicht immer nötig, Mordmotive zu sondieren, wenn wie bei „Die Fotokopie“ auch eine anders gelagerte und nicht weniger dramatische Handlung erzählt wird. Sie gründet sich auf die Verteilung des Vermögens des Toten und wird dramaturgisch sehr geschickt aufgezogen. Als Zuschauer weiß man nie so recht, welcher der Seiten im Streit Sommer-Delius man vertrauen soll, ob zum Beispiel die eine eine Erbschleicherin oder die andere eine Bande von gierigen Einbrechern sind. Dass die Streitparteien in ziemlicher Deutlichkeit und Abneigung aneinandergeraten, sorgt jedenfalls von Anfang an für eine spannende, unterhaltsame Note, welche die Neugier des Zuschauers weiter ankurbelt. Durch eine kluge Besetzung nehmen sich auch Dinah Hinz und Günther Schramm als Vertreter der Interessengruppen nichts: Während Hinz als Eva Sommer mit unterkühlter Entschlossenheit, aber doch dem Sympathie-Vorteil einer David-Position geregelt geglaubte Verteilungsfragen durcheinanderwirbelt, kehrt Schramm als lautstärkstes der Delius-Kinder aus der Goliath-Warte eine abweisende, teilweise beleidigende Abwehrhaltung nach außen. Wer ihn hauptsächlich als sanftmütigen Inspektor Grabert aus „Der Kommissar“ kennt, wird von der Intensität seines Spiels (und seinem jungen Äußeren) überrascht sein.

Auf der einen Seite tritt Delius als eindimensionale Figur bald wieder aus dem Mittelpunkt des Interesses ab; andererseits zeigt sich in Eva Sommers Fall eine in der üblichen Krimikost (und insbesondere in Frauenrollen) sonst eher selten zu findende charakterliche Komplexität. Mit den einzelnen Wendungen der Geschichte müssen wir die Figur immer wieder neu einschätzen und es gelingt Dinah Hinz wirklich hervorragend, die untertänigen ebenso wie die abgebrühten und tragischen Charakterzüge ihrer Rolle überzeugend zum Tragen zu bringen. Wolfgang Beckers vieldeutige Inszenierung greift ihr zusätzlich unter die Arme. Dafür dass immer wieder neue Persönlichkeitsschichten freigelegt werden, bis die Wahrheit letztlich offen zu erkennen ist, sorgt Inspektor Breitenfeld in der engagierten Darstellung durch Jürgen Goslar. Zwar ebenfalls sachlich und korrekt, aber doch verspielter und exzentrischer als seine Vorgänger führt Goslar mit dem kuriosen Klaus Dahlen als Assistent durchs Geschehen und erübrigt jeden anderen zu dick aufgetragenen Humor, der der Wirkung von „Die Fotokopie“ geschadet hätte.

Die titelgebende Kopie ist in der Tat ein hochinteressantes, wenn auch sicher nicht einmaliges Indiz – gerade wenn man den technischen Fortschritt seit dem Jahr 1963 berücksichtigt. Vielleicht lernt man das Geheimnis der Kopie ein wenig zu zeitig im Episodenverlauf kennen, sodass sich die allermeisten Rätsel bereits nach der reichlichen Hälfte der Spielzeit aufklären. Einen großen Spannungsverlust zieht das aber nicht nach sich, denn Becker versteht es, den sich anschließenden Teil durch zahlreiche Rückblenden mit erläuternden Kommentaren zu würzen. Damit ist „Die Fotokopie“ in ihrer Gesamtwirkung die realistischste „Kriminalmuseum“-Episode bis dato, zumal man ihr bei wohlwollender Betrachtung attestieren kann, dass sie individuelle und gesamtgesellschaftliche Probleme wie Geiz, Leichtgläubigkeit und die Erwartung frühen, vorteilhaften Heiratens anspricht. Ob das nun die Intention des Autorenduos Matray-Krüger war oder sie uns einfach einen von Schema F abweichenden Unterhaltungskrimi servieren wollten, sollte jeder für sich entscheiden.

Vielleicht etwas unspektakulärer als ihre Schwesterfolgen, aber keineswegs weniger interessant wird in „Die Fotokopie“ eine Erbschaftsgeschichte mit mehreren Böden erzählt. Starke Darsteller und eine dynamisch zwischen den Zeitebenen wechselnde Regie halten das Interesse ebenso wach wie das allzu menschliche Vergnügen daran, zwei Menschen sich um Geld streiten zu sehen. 4 von 5 Kopien.

Gubanov ( gelöscht )
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20.06.2019 19:00
#152 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum (erzählt)“ (1963-70) Zitat · Antworten

Und hier wird zum ersten Mal die volle Punktzahl fällig:



Das Kriminalmuseum: Die Nadel

Episode 5 der TV-Kriminalserie, BRD 1963. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Andreas Weber. Mit: Gerd Brüdern (Kriminalkommissar Althoff), Horst Naumann (Kriminalassistent Gebhardt), Karel Stepanek (Dr. Werner Großmann), Adelheid Seeck (Frau Liebig), Walter Wilz (Manfred Liebig), Olga von Togni (Frau Rave), Narziss Sokatscheff (Stani Kosnitz), Eva Christian (Ina Schäfer), Hans Zesch-Ballot (Chefarzt), Heidi Treutler (Chefsekretärin) u.a. Erstsendung: 1. August 1963. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (5): Die Nadel
Dass das schwache Herz von Louise Großmann früher oder später zu schlagen aufhören würde, war allen Angehörigen klar. Es verbreitet sich aber große Aufregung, als sie erfahren, dass die Kranke keines natürlichen Todes starb, sondern mit einer Überdosis des Medikaments Strophanthin vergiftet wurde. Bei Reanimationsversuchen findet der Chirurg die abgebrochene Injektionsnadel in Frau Großmanns Herz. Ihren Tod bedauern die Hinterbliebenen nicht einmal, denn sie hatten sehr unter Louises sadistischen Launen zu leiden. Es stellt sich die Frage, wer das stärkste Motiv und die günstigste Gelegenheit hatte, den Mord zu verüben ...


Im Gegensatz zum unkonventionellen Vorgänger bekommt das Publikum mit „Die Nadel“ einen Mord-Whodunit vorgesetzt, wie er klassischer nicht ausfallen könnte. Der sonst völlig unbekannte Autor Andreas Weber (womöglich ein Pseudonym?) verfasste mit geschultem Blick für dichte Atmosphäre, interessante Verdächtige und hochspannende Indizien ein Script, das selbst einem erfahrenen Herbert Reinecker später für „Derrick: Das dritte Opfer“ noch einmal zur Inspiration diente. Mit der bösartigen Kranken, die ihre Angehörigen terrorisiert, verstirbt zu Beginn der Folge ein Schreckgespenst, dessen Schatten sich auch im Verlauf der Ermittlung noch deutlich bemerkbar machen. Prägnant schildert der Kommissar die für die Großmanns und Liebigs unerträgliche Atmosphäre, die durch die Streitsucht der Verstorbenen, ihre Bettlägerigkeit und ihr penetrantes Klingeln um Aufmerksamkeit im Haus geherrscht haben muss, und weist allen Beteiligten damit ein einwandfreies Mordmotiv nach. Die Methode, Louise Großmann aus dem Weg zu räumen, ist aber kein edler Befreiungsschlag, sondern hat tatsächlich etwas Diabolisches. Die noch im Herzen steckende Injektionsnadel erinnert an Stahlnadeln, die Dr. Mabuse seinen Opfern gern ins Gehirn jagte. Später tauchen mit spiritistischen Motiven weitere Elemente auf, die der „Nadel“ einen regelrecht unheimlichen Anstrich verleihen.

Dass es sich um ein reines Kammerspiel handelt, fällt dabei zu keinem Moment ins Gewicht, da das Kennenlernen der Verdächtigen und das Entlocken von Informationen dadurch unangefochten im Mittelpunkt steht. Die von Karel Stepanek, Adelheid Seeck, Walter Wilz, Narziss Sokatscheff und Olga von Togni verkörperten Figuren können sich weit über das Notwendige hinaus als interessante und abgerundete Handlungsträger profilieren. Vor allem Seeck nimmt ihre Aufgabe als Schwester des Opfers sehr ernst und überspielt ihre Szenen auf angriffslustig-uncharmante Weise. Sie zieht sich damit Antipathien zu, wohingegen von Togni als gescholtene Haushälterin Mitleid erweckt. Wilz gibt einen unbeschwerten Studenten mit großem Fachwissen im medizinischen Bereich und sowohl Sokatscheff als Forscher als auch Stepanek als dessen Vorgesetzter hätten die notwendigen Möglichkeiten und Kenntnisse vorweisen können. Wie ein erfahrener Stoiker schwebt Polizeivertreter Althoff dagegen haushoch über den Niederungen zerworfener Familien und erträgt im Kontrast zu den Personen, denen er begegnet, ohne Verbitterung die Widrigkeiten des Lebens, die auch ihm selbst widerfahren sind. Sein Darsteller Gerd Brüdern wird nur dann laut, wenn es der Gerechtigkeit dient, bleibt im Übrigen unantastbar und exerziert den Ton jener Polizisten, die den Verdächtigen in blumigen Worten das Schlimmste unterstellen, an mehreren Stellen perfekt vor. Seinen Assistenten in Gestalt Horst Naumanns lässt er wenig zu Wort oder zu einer eigenen Meinung kommen, sodass dessen Rolle nicht nur blass, sondern absolut überflüssig ist.

Stilistisch stellt „Die Nadel“ einen ungewöhnlichen Zwischenschritt im frühen „Kriminalmuseum“-Kanon dar. Ihr deutlich ernsthafterer und düstererer Ton unterscheidet sie von anderen eher leichtherzigen Episoden. Humor hätte der Episode nicht gut zu Gesicht gestanden und es zeugt von der Feinfühligkeit der Macher, vom üblichen Serienrezept zugunsten eines positiven Einzeleindrucks abzuweichen. Roland Kovacs Musik erinnert in einigen Motiven stellenweise an die Konkurrenzreihe „Stahlnetz“, ohne jedoch die Prägnanz des „Dragnet“-Theme zu erreichen. Sie fügt sich dennoch gut ein, weil sie entlarvende oder dramatische Momente passend hervorhebt. So kann für „Die Nadel“ eine uneingeschränkte Sichtungsempfehlung ausgesprochen werden – gerade für Freunde ganz traditioneller Krimistrukturen ist der Mordfall Großmann ein Lehrbuchstück.

Der Tod einer Tyrannin eröffnet eine Vielzahl von Täterhypothesen. Sie gemeinsam mit Kriminalkommissar Althoff nach- und gegeneinander abzuwägen, ist ein ausgesprochen stimmiges Vergnügen, das den Zuschauer in interessante psychologische Tiefen entführt. Am Ende versammeln sich alle potenziellen Mörder im Salon, sodass im Christie-Stil der Schuldige entlarvt werden kann. No frills, many chills und natürlich 5 von 5 Nadeln!

Ray Offline



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20.06.2019 21:23
#153 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum (erzählt)“ (1963-70) Zitat · Antworten

Da bin ich doch sehr gespannt auf "Die Nadel", zumal ich spontan keine Erinnerungen mehr an diese Episode habe. Im Hinblick auf "Nur ein Schuh" sind wir uns jedenfalls wieder weitgehend einig...


Folge 3: Nur ein Schuh

Frau König wird tot in ihrem Haus aufgefunden. In ihrer Hand hält sie einen Schuh. Ein erster Verdacht fällt auf einen jungen Mann namens Steinitz, der mit Frau König ein Verhältnis gehabt haben soll. Zwei ältere Damen haben ihn am Tatabend gesehen...

Nach Wolfgang Becker in der letzten Folge saß bei der dritten Episode wieder Helmuth Ashley am Ruder. Den Ermittler mimt kein geringerer als "Hexer" René Deltgen, dessen Kriminalkommissar Wagner in Teilen ein vorweggenommener Kommissar Keller ist. So dutzt auch Wagner seinen Assistenten väterlich und nennt ihn gar verniedlichend "Paulchen". Deltgens Charisma trägt die Episode, die inhaltlich tatsächlich etwas unspektakulärer als die Vorgänger und in der Auflösung ein wenig nach Schema F ausfällt. In dieser entlockt Wagner dem Täter mit einem alten "Bauerntrick" ein indirektes Geständnis. Im Übrigen bietet "Nur ein Schuh" ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern. Auffällig ist, dass einige spätere Serienhelden dem "Kriminalmuseum" ihre Aufwartung machen. Von Konrad Georg alias Kommissar Freytag als betrogener Ehegatte der Toten über Claus Wilcke alias Percy Stuart bis hin zu Maria Sebaldt, die zukünftig an der Seite von Alexander Kerst in "Gewagtes Spiel" Versicherungsbetrügern nachjagen sollte. Vor eine harte Geduldsprobe wird der Zuschauer durch die beiden völlig überzeichneten alten Damen gestellt, die als Nachbarn der Toten mit ihren Beobachtungen dem Kriminalkommissar mehr oder weniger wertvolle Hinweise geben.


René Deltgen als charismatischem Ermittler hätte man einen etwas ideenreicher konstruierten Fall gewünscht, auch das alte Geschwisterpaar als Zeugen hätte man ihm und dem Publikum gerne erspart. Der im Übrigen gut und recht prominent besetzte Cast entschädigt jedoch ein wenig für diese Kritikpunkte. 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.06.2019 11:20
#154 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten



Das Kriminalmuseum: Zahlen-Code N

Episode 6 der TV-Kriminalserie, BRD 1963. Regie: Jürgen Goslar. Drehbuch: Rolf Becker, Alexandra Becker. Mit: Wolfgang Völz (Kriminalkommissar Michall), Jochen Brockmann (Kriminalkommissar Karst), Sigfrit Steiner (Drogist Stackmann), Fritz Strassner (Bauer), Nino Korda (Neubert), Carola Rasch (Marion May), Hans Richter (Barmixer), Norbert Kappen (Kellner), Alexander Malachowsky (Pianist), Thomas Braut (Kriminalassistent Loder) u.a. Erstsendung: 10. Oktober 1963. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (6): Zahlen-Code N
Wie gut, dass Kommissar Michall vom Falschgelddezernat nach Feierabend die Marokko-Bar besucht, denn dort kursiert ein falscher 20-Mark-Schein. Auf der Suche nach der Person, die die Blüte in Umlauf brachte, stolpert Michall nicht nur über einen auskunftsfreudigen Drogisten, sondern auch über die Leiche der regelmäßigen Barbesucherin Marion May. In ihrem Ausschnitt steckt ein weiterer gefälschter Schein. Die Kripo findet außerdem einen Zettel mit einer Zahlenkombination bei ihr – womöglich ein Code, um mit den Hintermännern Kontakt aufzunehmen? Wer ist der geheimnisvolle „N“, an den der Geheimcode adressiert ist?


Frontalangriff aufs „Stahlnetz“: In „Zahlen-Code N“ gibt mit Wolfgang Völz einer der beliebtesten ARD-Kriminaler nach „Die Zeugin im grünen Rock“, „E ... 605“, „In der Nacht zum Dienstag“, „In jeder Stadt“ und „Spur 211“ seinen „Kriminalmuseums“-Einstand. Seinen Kommissar Michall vom Falschgelddezernat, der abwechselnd als Inspektor, Kommissar und Oberinspektor angesprochen wird, stattet Völz mit der ihm eigenen grundsympathischen Gemütlichkeit aus. Diese ergänzt sich vortrefflich mit den mehr oder weniger hilfreichen Fingerzeigen des Mordkommissions-Kollegen Karst, der in seiner Verkörperung durch Jochen Brockmann an Wurstsemmeln und schönen Sekretärinnen mindestens ebenso interessiert zu sein scheint wie an der Leiche, deren Tod er aufklären soll. Die beiden bilden ein gleichberechtigtes Gespann, das von einigen Ermittlerfiguren (zuviel) – darunter einem jungen Thomas Braut – unterstützt wird. Dementsprechend hinterlassen die Polizisten einen profilierteren Eindruck als die eher schablonenhaft und in Unterzahl agierenden Verbrecher.

Selbst in einer so starken Phase wie den frühen Folgen des „Kriminalmuseums“ finden sich einige Folgen, die nicht ganz mit der sonstigen Qualität der Reihe mithalten können. Im Vergleich zu anderen Fällen wirkt „Zahlen-Code N“ eine Spur zu lapidar und uninspiriert, obwohl die Namen Rolf und Alexandra Beckers im Drehbuchbereich eigentlich für Hochwertiges bürgen sollten. Jürgen Goslar – zwischen seinen zwei Ermittlerrollen zum ersten Mal auf dem „KM“-Regiestuhl – gelang es jedoch nicht, dem recht mauen Fall um das Auftauchen eines kleinen gefälschten Geldscheins eine fesselnde Dringlichkeit zu verleihen. Das zu lange Verweilen in Polizeirevier und Marokko-Bar bremst den Handlungsfluss bedenklich aus, denn leider kommt weder der Unterhaltungsfaktor des Etablissements noch die zwielichtige Natur der Gäste und Betreiber wirklich zum Tragen. Es wirkt doch alles sehr brav. Und selbst ein wohlwollender Betrachter wird einen gefälschten Zwanziger sowie eine chiffrierte Notiz, bei der die Zahlen für die Nummer der Buchstaben im Alphabet stehen, nicht für besonders aufsehenerregende Kriminalelemente halten. Lediglich der Mord an der Kontaktfrau in der Telefonzelle gelang Goslar einprägsam und stilprägend. Im Rahmen der Handlung wirkt er aber eher wie ein Kollateralschaden als wie ein ernstzunehmendes Tötungsdelikt, gerade wenn man Vergleiche zur dramatischen Vorgängerfolge zieht.

Dass „Zahlen-Code N“ manches nicht ganz ernst nimmt (der Begriff „Räuberpistole“ ist keinesfalls verkehrt), erkennt man auch an der munter tingelnden Musik von Erwin Halletz sowie einigen etwas „deftigeren“ Humoreinlagen, für die Charlotte Scheier-Herold, Ethel Reschke und Franz Muxeneder verantwortlich sind. Hier hätte etwas mehr Zurückhaltung gut getan; man hätte sich gewünscht, dass stattdessen den Gangstern mehr Fleisch auf die Rippen gehangen worden wäre. Darsteller wie Strassner, Steiner, Korda, Richter und Malachowsky hatten jedenfalls schon charismatischere Auftritte. Und Verdächtige, die nichts mit dem Verbrechen zu tun haben, gibt’s praktischerweise auch so gut wie keine. Wenn Kripo-Arbeit nur immer so leicht wäre ...

Die gesättigte Wirtschaftswundergemütlichkeit und Selbstzufriedenheit, mit der Völz und Brockmann eine Bande von karikaturesken Falschgeldschurken jagt, ist das Unterhaltsamste an einer Folge, bei der vor allem die hochwertigen Namen hinter der Kamera hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Noch 3 von 5 Codes.

Ray Offline



Beiträge: 1.929

25.06.2019 23:32
#155 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Folge 4: Die Fotokopie


Der ehrenwerte Direktor Dr. h.c. Delius hinterlässt nach seinem Tode ein großes Vermögen. Anlässlich der Trauerfeier schlägt eine Frau namens Sommer auf, die vorgibt, eine nichteheliche Tochter des Toten zu sein. Als Beweisstück legt sie einen Brief des Verstorbenen vor, in dem er sie ihr eine Erbschaft in Höhe von 300.000 DM in Aussicht stellt. Die ehelichen Nachkommen des Toten zweifeln die Richtigkeit des Dokuments zunächst an. Eben jener Brief wird kurz darauf gestohlen. Allerdings hatte Sommer eine Kopie bei einem Anwalt hinterlassen...

Die vierte Folge beginnt mit der vertrauteren, kürzeren Version des Vorspanns. Spätestens beim Wort "Gaunerrequisiten" erreichen die nostalgischen Gefühle neue Höhen. Etwas untypisch kommt "Die Fotokopie" ohne klassischen Mordfall aus und bietet statt dessen eine wendungsreiche Erbstreitigkeitengeschichte. Für die Story zeichnet sich das Autoren-Duo Maria Mantray und Answald Krüger verantwortlich, das später u.a. die ersten Folgen von "Sonderdezernat K1" inhaltlich verantworten sollte. Als Ermittler agiert Jürgen Goslar, der als Kriminalkommissar Breitenfeld einen kompetenten Eindruck hinterlässt. Klaus Dahlen als Kriminalassistent Appel hätte es nicht gebraucht, zumal seine wenigen Gags einigermaßen verpuffen. Als Gegenspieler der (vermeintlichen?) Erbin sticht Günther Schramm hervor, der entgegen seinem späteren "Mr. Nice Guy"-Image mal eine eher unsympathische Figur verkörpern darf und dabei einen ausgezeichneten Job macht. Dinah Hinz gibt in der Rolle des Fräulein Sommer ebenfalls in jeder Lage eine gute Figur ab. Gegen Mitte der Episode verflacht die Handlung ein wenig und man wähnt sich verfüht auf der Zielgeraden. Mit interessanten Wendungen und geschickten Rückblenden gewinnt Regisseur Wolfgang Becker das Interesse des Publikums indes zurück. Insgesamt bestätigt "Die Fotokopie" das solide Niveau der bisherigen Folgen.


Eine Abwechslung von der typischen Mordgeschichte bietet "Die Fotokopie". Die Episode ist gut besetzt und zieht nach einem Zwischentief in der Mitte zum Ende hin nochmal gekonnt an. 3,5 von 5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.929

29.06.2019 12:22
#156 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Folge 5: Die Nadel


In der Leiche einer älteren Dame findet sich zwischen den Rippen eine Nadel, die Reste eines schwer nachweislichen Giftes enthält. Alles deutet daher auf einen unnatürlichen Tod hin. Verdächtige gibt es genug, war die Tote doch nach übereinstimmenden Angaben eine unangenehme Zeitgenossin, die versuchte, ihren Mitmenschen das Leben so schwer wie möglich zu machen...

"Die Nadel" lässt die Atmosphäre typischer Fernsehkammerspiele, wie man sie gerade zu Anfang der 1960er Jahre noch häufiger angetroffen hatte, wiederaufleben. Der Großteil der Handlung spielt sich im Haus der Toten ab, in dem auch ihre Schwester - großartig gespielt von Adelheid Seeck -, die ihre negativen Gefühle der Verstorbenen gegenüber offen zur Schau stellt, ihr Sohn (Walter Wilz) und die Haushälterin leben. Die Schwester hat ein Verhältnis zu einem deutlich jüngeren Mann polnischer Herkunft (Narziss Sokatscheff) und musste sich deswegen allerhand anhören. Da sie finanziell von der Verstorbenen abhängig war, blieb ihr jedoch keine andere Wahl, als dies zu erdulden. Sie hatte demnach ein Motiv und ihr Liebhaber als Forscher das nötige "Know How". Das Gleiche gilt allerdings für den Ehemann der Toten, der zudem eine Affäre und vor diesem Hintergrund ebenso ein Motiv hatte. Aber auch die Haushälterin, die im Krieg als Krankenschwester gearbeitet hatte sowie der Medizin studierende Neffe wären in der Lage gewesen, den Mord zu begehen. So versammelt sich also eine solide Anzahl an Verdächtigen, wodurch die "Die Nadel" zu einem Whodunit klassischer Machart wird. Unterstrichen wird der Eindruck durch die im Agatha-Christie-Stil vorgenommene Auflösung, in der die Ermittler alle Verdächtigen im Wohnzimmer versammeln und unter spannungssteigernder Dramaturgie des Rätsels Lösung präsentieren. In die Rolle des Kriminalinspektors schlüpft in dieser Episode der früh verstorbene und im Genre wenig präsente Gerd Brüdern, der seinen selbstsicher auftretenden und mit Handicap aus dem Krieg versehenen Ermittler jedoch durchaus reizvoll anlegt. Horst Naumann gibt an seiner Seite den jüngeren, etwas unsensibleren Assistenten, der Charakterzüge aufweist, die später Reinhard Glemnitz im "Kommissar" auszeichnen sollten. Die Besetzung fällt nicht übermäßig prominent aus, Freude machen die Gastauftritte von Walter Wilz, dessen Darstellung mitunter an seinen Ray Bennet aus "Der Frosch mit der Maske" erinnert, sowie Narziss Sokatscheff. Ein kleiner Hänger im Mittelteil verhindert die Höchstwertung, trübt den (sehr) guten Gesamteindruck aber wenig.


Klassische, kammerspielartig inszenierte Episode mit unverbrauchten Gesichtern. 4,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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30.06.2019 21:15
#157 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Also kann man insgesamt doch von weitgehenden Überschneidungen bei unseren Einschätzungen sprechen. Mal sehen, was du zu „Zahlen-Code N“ sagst, der hier auch schon jubelnd besprochen wurde, mich aber diesmal einigermaßen enttäuscht hat. Auch „Der stumme Kronzeuge“ ist nicht unbedingt „KM“ in Hochform, aber danach geht es dann wieder deutlich bergauf ...



Das Kriminalmuseum: Der stumme Kronzeuge

Episode 7 der TV-Kriminalserie, BRD 1964. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Stefan Gommermann. Mit: Horst Niendorf (Kriminalinspektor Halm), Wolfgang Weiser (Kriminalinspektor Gruber), Erik Ode (Kriminalrat Bachmayer), Anne Book (Barbara Eber), Harry Riebauer (Stefan Kosta), Helmut Weiss (Baron von Schneidlingen), Wolf Ackva (Arthur Klagenberg), Peter Garden (Robert Weiland), Helga Zeckra (Dienstmädchen Rosa), Manfred Spies (Willy Stuber) u.a. Erstsendung: 2. Januar 1964. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (7): Der stumme Kronzeuge
Einbruch im Hause der Schauspielerin Barbara Eber in einem Vorort von München. Materielle Verluste hat die Dame nicht zu beklagen; allerdings wurde ihr Kind entführt. Nach einiger Zeit trudelt auch die Lösegeldforderung ein. Während Barbaras Agent Stefan Kosta hellauf begeistert von der durch den Fall generierten Publicity ist, stehen die Verehrer und Verflossenen der Frau Schlange, ihr das geforderte Geld zur Verfügung zu stellen. Noch bevor es zur Übergabe der 100’000 Mark kommt, wird bei einem weiteren Einbruch der Teddybär des Jungen gestohlen und außerdem Kosta erschossen ...


Im Gegensatz zu „Stahlnetz“, bei dem die Fälle von Anfang an aus den unterschiedlichsten Regionen der BRD stammten, ist „Das Kriminalmuseum“ in seiner Frühphase fest in München verhaftet. Eine willkommene Abwechslung bietet „Der stumme Kronzeuge“ insofern, als er als erste Episode das urbane Milieu gegen eine fast dörflich wirkende Vorort-Umgebung eintauscht. In dieser Siedlung treffen sehr unterschiedliche Bewohner aufeinander – der Unterschied zwischen der unterkühlten, zurückhaltenden Schauspielerin und den aufdringlichen, neugierigen Kaufmannsleuten könnte zum Beispiel nicht größer sein. Wie auf dem Dorfe eben üblich, mischen sich letztere in alles ein, was sie nur irgendwie mitbekommen können – Paraderollen für Walter Sedlmayr und Ursula Barlen, die obendrein noch herrlich miteinander streiten dürfen. Natürlich haben sie auch genug Spekulationsstoff, denn da stille Wasser tief sind, gibt es bei Barbara Eber nicht nur einen Entführungsfall zu kommentieren, sondern gleich eine ganze Reihe potenzieller Liebhaber ...

Zu Beginn hält diese Vielfalt der Charaktere den Fall auf einem interessanten Niveau; es gelingt jedoch nicht, die Spannung bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt ist daran sicher der Umstand schuld, dass der Tenor der Episode für eine Kindesentführung vergleichsweise schnodderig ist, sodass man um den jungen Micky nicht ansatzweise so besorgt ist wie etwa um Uwe Teichert in der „Stahlnetz“-Folge „Rehe“. Diese entstand nur wenige Monate später und verdeutlicht, dass zwischen dem eher leichte Unterhaltung bietenden „Kriminalmuseum“ und der todernsten, abschreckenden Inszenierung des ARD-Pendants ein doch recht beachtlicher Machartunterschied bestand. Er lässt sich darüber hinaus auch am sehr humorvoll gezeichneten Ermittlerteam (vor allem Erik Ode) und an dem Umstand ablesen, dass sich der stimmungsvolle Titel der Episode ausgerechnet auf einen Spielzeug-Teddybär bezieht.

Im Gegensatz zu „Rehe“ kennt man den bzw. die Entführer nicht. Das gibt dem „stummen Kronzeugen“ nicht nur die Möglichkeit, ein Täterrätsel aufzubauen, sondern auch eine schön ausgeleuchtete Szene im nächtlichen Hause Eber zu zeigen, in der Inspektor Gruber mit dem unerkannten Täter bzw. dessen Helfer einen Faustkampf austrägt. Der Schurke kehrt an den Tatort zurück, um eben jenen Teddybär nachzuholen, und entkommt der Polizei dabei nur um Haaresbreite. Andererseits bringt sich die Folge damit bereitwillig um einen so charismatischen, verachtungswürdigen Verbrecher wie ihn Sigurd Fitzek im „Stahlnetz“ verkörperte. Die hier präsentierte Auflösung hält ganz klar nicht mit der dortigen mit, zumal die interessantesten Figuren der Episode entweder ungeschoren davonkommen oder im Fall Harry Riebauers zwischendurch einen relativ sinnlosen Tod sterben. Stefan Gommermanns Drehbuch ist also nicht ganz koscher, wenngleich es durch inspirierte, spritzige Dialoge (unter anderem über das damals aktuelle Fernsehprogramm) gut von einigen Schwächen abzulenken versteht.

Zum zweiten Mal in Folge zeigt sich ein „Kriminalmuseum“-Fall etwas zu seicht, um sich einen Gefallen damit zu tun. Ausgerechnet Kindesentführung ist eigentlich kein Stoff, der zum Scherzen einlädt; hier jedoch gerät die Anspannung, die solch ein Verbrechen normalerweise auslöst, gegenüber anderen Faktoren ins Hintertreffen. Auch ein zwischenzeitlich eingestreuter Mord erweckt kein besonderes Interesse. Dafür lenken gut aufgelegte Schauspieler von der etwas windigen Handlung ab. 3,5 von 5 Teddybären.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

01.07.2019 18:11
#158 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Interessant......diesen Quervergleich hatte ich noch nie gezogen .Aber wenn man jetzt drüber nachdenkt ist es wirklich so das die Stahlnetz Folge einen wirklich mit einem Kloß im Hals zurücklässt.Dem Thema und Ausgang entsprechend.
Die Stahlnetzfolge ist wohl die weitaus beeindruckendere (alleine der "schmierige" S. Fitzek )macht einiges aus.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.07.2019 12:00
#159 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Haben wir es hierbei vielleicht mit der besten „Kriminalmuseum“-Folge zu tun?



Das Kriminalmuseum: Der Füllfederhalter

Episode 8 der TV-Kriminalserie, BRD 1964. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Ilse Lotz-Dupont. Mit: Jürgen Goslar (Kriminalinspektor Manfred Beyer), Edith Schultze-Westrum (Johanna Mendelsohn), Hans Zesch-Ballot (Dr. Martin Nova), Nina Sandt (Helen Nova), Gunther Malzacher (Ferry Maitner), Gardy Granass (Doris Beyer), Robert Klupp (Gerichtsvorsitzender), Horst Rüschmeier (Staatsanwalt), Hans Elwenspoek (Verteidiger), Elisabeth Wiedemann (Liesbeth Friedsam) u.a. Erstsendung: 2. April 1964. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (8): Der Füllfederhalter
Bevor Johanna Mendelsohn von den Nazis deportiert werden konnte, floh sie im Januar 1943 nach England. Ihre Habseligkeiten und ihren Schmuck vergrub sie damals im Garten ihrer Villa und händigte ihrem Vertrauten Dr. Martin Nova einen Lageplan des Verstecks aus. Nach dem Krieg sind die Wertsachen verschwunden, stattdessen findet sich Dr. Novas Füllfederhalter in dem fraglichen Eimer. Der Jurist wird wegen Veruntreuung und Diebstahl angeklagt und aufgrund einer Zeugenaussage verurteilt, obwohl er fest seine Unschuld beteuert. Wiederum einige Jahre später wickelt Inspektor Beyer den Fall neu auf. Seine Vermutung: Hier könnte ein Justizirrtum vorliegen ...


Während es der große „Stahlnetz“-Bruder mit seinen historischen Rückbezügen in „Das Haus an der Stör“ nur bis in die brotlose Nachkriegszeit schafft, schlägt „Der Füllfederhalter“ aus der Reihe „Das Kriminalmuseum“ eine Brücke bis ins Jahr 1944. Bomben fallen zwar nur abseits des Bildschirms und Soldaten gibt es auch nicht zu sehen, aber die Judenverfolgung und -deportation bildet den Ausgangspunkt einer spannenden Kriminalgeschichte. Ebenso wie in „Die Fotokopie“ geht es dabei nicht um Leib und Leben, denn Johanna Mendelsohn kommt aus dem selbstgewählten Exil, mit dem sie den Nazis zuvorkam, körperlich unversehrt zurück. Ihre Wertsachen aber sind in der Zwischenzeit gestohlen worden, sodass auf ihrem Vertrauten Dr. Nova ein schwerer Verdacht lastet. Die Geschichte ist angenehm ernsthafter Natur, absolut logisch konstruiert und zeigt neben soliden Gerichts- und Ermittlungselementen vor allem die Schwierigkeit auf, selbst vertraute Menschen richtig einzuschätzen. Wem können wir vertrauen und wer entpuppt sich doch insgeheim als fremder Wolf im Schafspelz?

Sehr besonnen verkörpern Edith Schulze-Westrum und Hans Zesch-Ballot die die einzelnen Zeitebenen überspannenden Handlungsträger. Sie tauchen sowohl in Rückblenden 1944 und 1950 als auch in der erzählerischen Gegenwart auf, wobei sich die Frage stellt, wann diese genau anzusiedeln ist, da Nova im Jahre ‘50 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde und dort während Inspektor Beyers Ermittlungen trotz guter Führung noch immer sitzt. Folglich kann man davon ausgehen, dass „Der Füllfederhalter“ insgesamt nicht später als 1955 angesiedelt sein kann. Gewisse altmodische Eigenheiten (die Gerichtsverhandlung, die konservative Rollenverteilung im Hause Beyer oder die geradezu noch nach k.u.k.-Zeiten duftende Wiener High Society, die in der zweiten Hälfte der Episode in den Fokus rückt) verstärken diesen Eindruck zusätzlich. Neben Schulze-Westrum und Zesch-Ballot überzeugen vor allem Nina Sandt als betrübte Ehefrau sowie der jugendlich wirkende Gunther Malzacher als flotter Musikstudent und späterer halbseidener Barbetreiber.

Dass „Der Füllfederhalter“ von Anfang bis Ende lückenlos interessant bleibt, liegt nicht nur an der atmosphärischen Dichte der historischen Handlung, sondern auch an der aufs Engste komprimierten, überdurchschnittlich komplexen Handlung. Obwohl es „nur“ um Diebstahl und Hehlerei geht, erweist sich das Drehbuch der sonst eher im Heimatfilmbereich zu verortenden Autorin Ilse Lotz-Dupont als vielschichtiger als so manche Mordstory in dieser oder anderen Reihen. Insbesondere die kleinen Schritte in Richtung Erfolg, die Inspektor Beyer mühevoll in seiner Freizeit gehen muss, um sein Bauchgefühl, dass Nova unschuldig ist, zu belegen, ziehen den Zuschauer bis zum Ende in ihren Bann. Er wagt sich dabei auch auf für ihn ungewohntes Terrain vor und ermittelt als erster Kriminaler der Reihe ohne Assistenten, was dem Profil der von Jürgen Goslar sympathisch verkörperten Figur ausnehmend gut tut. Stattdessen hat er seine Ehefrau im Schlepptau (wie in „Das Halstuch“ an Heinz Draches Seite: Gardy Granass), die für etwas Auflockerung, aber auch für zusätzlichen Suspense sorgt, wenn man befürchten muss, dass sie in angeschwipstem Zustand dem Verbrecher unbeabsichtigt warnen könnte. Man sollte jedoch darauf achten, dass sie nicht nur das Klischee vom „dummen Frauchen“ bedient, sondern auch ein sehr überzeugendes Plädoyer über die Verpflichtung hält, der Gerechtigkeit im Schatten des Zweifels zum Sieg zu verhelfen.

In mehrfacher Hinsicht liefert „Der Füllfederhalter“ mehr als übliche einstündige Krimifolgen: Zu einem ohnehin erstklassigen Fall kommen noch abwechslungsreiches Zeitkolorit und Fragen von (Un-)Schuld, Gerechtigkeit und Loyalität hinzu. Die erstklassige Besetzung und die eifrige, stringente Regie runden das Gesamtbild dann aufs Vortrefflichste ab. 5 von 5 Füllfederhaltern.

Gubanov ( gelöscht )
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04.07.2019 14:45
#160 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten



Das Kriminalmuseum: Gesucht: Reisebegleiter

Episode 9 der TV-Kriminalserie, BRD 1964. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Maria Matray, Answald Krüger. Mit: Paul Dahlke (Kriminalinspektor Brugger), Thomas Alder (Kriminalassistent Hertel), Jürgen Draeger (Lars Alnor), Alwy Becker (Ingeborg Hornung), Erwin Strahl (Boris Leblanc), Peter Paul (Herr Baumann), Krimhild Thalwitzer (Frau Baumann), Ellen Frank (Frau Zander), Elvira Schalcher (Anna Alamedine), Franz Muxeneder (Charly) u.a. Erstsendung: 4. Juni 1964. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (9): Gesucht: Reisebegleiter
Durch einen dummen Zufall wird der Student Lars Alnor bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub an der Grenze aus dem Verkehr gezogen. Zwar stellt sich bald heraus, dass sein Wagen irrtümlich auf der Fahndungsliste der Polizei steht, doch dafür findet sich reinstes Rauschgift in eine Reisedecke eingewickelt. Alnor behauptet, die Decke gehöre seiner Reisebegleiterin Inge Horn, doch alle Spuren, die Inspektor Brugger in Bezug auf diese mysteriöse Dame verfolgt, führen ins Leere. Hat Alnor sie sich nur ausgedacht oder existiert sie wirklich? Und wer sind die Hintermänner des Drogenschmuggels?


Helmuth Ashley inszenierte den neunten Rialto-Wallace-Krimi „Das Rätsel der roten Orchidee“ auf süffisant-ironische Weise. Der gleiche Helmuth Ashley inszenierte die neunte „Kriminalmuseum“-Folge „Gesucht: Reisebegleiter“ in einem ganz ähnlichen Stil. Zufall oder in beiden Fällen der Versuch, einem bewährten Konzept nach einer Eingewöhnungsphase einen „neuen Dreh“ zu verleihen? Anstelle einer windigen Gangstergeschichte thematisierte man hier den vielleicht frühesten ausgereiften Rauschgift-Krimiplot der ZDF-Geschichte – noch bevor sich Odes Kommissar die Zunge am Wort Marihuana brach oder Derrick den Zeigefinger in Richtung unzerschlagbarer Drogenkartelle ausstreckte. Und gerade diese allseitige Unverkrampftheit kommt dem Fall sehr zupass: Man verfolgt keinen moralinsauren Erziehungsappell, sondern einen vergnüglichen Exkurs, der viel Urlaubsflair und beinah etwas Komödiantisches an sich hat.

In seinem Zentrum steht mit Jürgen Draegers Figur Lars Alnor ein geradezu unverschämt wortgewandter und autoritätsunhöriger Student, der als offenkundig unschuldiger Hauptverdächtiger immer tiefer im Schlamassel versinkt, je mehr er versucht, daraus zu entkommen. In der Rückschau gilt Draeger dem Publikum ohnehin als ewiger Schwerenöter in der Fliegengewichtsklasse, sodass die Rolle für ihn als geradezu wegweisend bezeichnet werden kann. Als Verkörperung alles Unkonventionellen bricht er mitten im Semester zu einer vierwöchigen Spanienreise auf und macht bei seiner Rückkehr ins verschneite München eine geradezu fantastische Erfahrung: Die ihn belastenden Indizien und die raffinierten Verschleierungen der Hintermänner lassen den Zuschauer an die typischen Strategien von Francis Durbridge denken, mit denen auch dieser seine Figuren gern und oft gegenüber der Polizei kompromittierte. Am Ende entpuppt sich das Ganze dann natürlich als ein einziges großes Lügengespinst, in das so ziemlich alle anderen außer Alnor involviert sind: so namhafte Darsteller wie Alwy Becker und Erwin Strahl, aber auch Lokalgrößen und unbekannte Gesichter, die dem „Reisebegleiter“ einen unverwechselbaren Stempel aufdrücken.

Zugegeben: Einen starken Whodunit hat „Gesucht: Reisebegleiter“ nicht. Dass die ominöse Inge Horn alias Ingeborg Hornung alias Alwy Becker tief in der Sache drinsteckt, ist von Anfang an ein offenes Geheimnis. Ihr Komplize dagegen taucht überhaupt erst bei dessen Verhaftung auf. Andere Helfershelfer dürfen sich nicht über typische Abziehbilder ihrer schmutzigen „Zunft“ hinausentwickeln. Das ist aber kein wirklicher Abstrich, weil es bedeutet, dass man statt auf Abwegen umso mehr Zeit mit Alnor und Inspektor Brugger verbringt, dem Paul Dahlke einen gesetzten, auch durchaus konservativen, aber verständnisvollen Charakter angedeihen lässt. So absolvieren Studentencharme und urdeutsche Amtsgründlichkeit die vielleicht ironischsten und spritzigsten Gastauftritte der Folge – und sie werden in ihrer Widersprüchlichkeit aufs Vergnüglichste von Erwin Halletz’ schmissiger Musikuntermalung illustriert. Sie erweckt ebenfalls Erinnerungen an die schmissigen Einsätze aus „Das Rätsel der roten Orchidee“, die seinerzeit ein junger Peter Thomas beisteuerte.

Zum zweiten Mal in Folge ergibt sich die Spannung eines „Kriminalmuseum“-Falls aus der Frage, wie wohl die Unschuld der Hauptfigur bewiesen werden kann. Auch wenn „Gesucht: Reisebegleiter“ sicher nicht in der über alle Zweifel erhabenen Liga von „Der Füllfederhalter“ mitspielen kann, so handelt es sich doch um eine der vergnüglichsten und kurzweiligsten „Kriminalmuseum“-Folgen, die von ihrem frühen Produktionszeitpunkt profitieren, weil damals gewisse wiederkehrende Muster noch nicht so ausgewetzt waren. Stattdessen dominieren Leichtigkeit und Spielfreude – das resultiert in 4,5 von 5 Marihuanazigaretten (ich biete keine an, also seht bitte von PMs ab).

PS: Ich traue Lars Alnor einige Sperenzchen zu, aber warum er bei seiner Rückkehr aus Spanien die österreichisch-bayerische und nicht die französisch- oder schweizerisch-badische Grenze überquert, erschließt sich mir nicht so ganz.

Ray Offline



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05.07.2019 21:01
#161 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Die Einigkeit hält an...


Folge 6: Zahlen-Code N

Ermittlungen bezüglich einer Geldfälscherbande tragen alsbald eine Leiche zu Tage. Falschgelddezernat und Morddezernat müssen daher die Kräfte bündeln, um beide Taten aufdecken zu können...

Sonderlich viel zu sagen gibt es zu dieser ersten von Jürgen Goslar inszenierten Episode eigentlich nicht. Den "Stahlnetz-Faktor" erkennt man nicht nur an der Besetzung durch Wolfgang Völz, sondern auch an der Musik, die bisweilen an das Titelthema der Konkurrenz erinnert. Der Fall ist inhatlich in der Tat lahm und trägt kaum einen 60-minütige Episode und hätte daher eher bei einer Vorabendserie verwendet werden sollen. Immerhin sammeln die Ermittler Sympathiepunkte und sorgen für einige Schmunzler. Die Selbstverständlichkeit mit der Jochen Brockmann als Kommissar Karst die Sekretärin des Kollegen mit Essens- und Getränkewünschen von ihrer Arbeit abkommandiert, ist aus heutiger Sicht schon erstaunlich. Nach ganz ordentlichem Einstieg gelingt es der Regie leider nicht, das Interesse am Fall und an der Jagd nach den Geldfälschern hoch zu halten, was sicher auch an der Eindimensionalität der entsprechenden Figuren liegt. Den Schlussgag mit "Graswander Toni" Franz Muxeneder vergisst man besser - und zwar "quickly". Insgesamt sicher die bisher schwächste Folge.


Ein sympathisches Ermittlerduo vermag über den lahmen Fall nur sehr bedingt hinwegzutrösten. 2,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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16.07.2019 10:15
#162 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten



Das Kriminalmuseum: Akte Dr. W.

Episode 10 der TV-Kriminalserie, BRD 1964. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Hans Maeter, Helmuth Ashley. Mit: Heinz Engelmann (Kriminalobermeister Pommer), Horst Rüschmeier (Kriminalassistent Strottmeier), Konrad Georg (Dr. Watzmann), Gustavo Rojo (Tankwart José), Gernot Duda (Tankstellenbesitzer Thalhuber), Elfie Pertramer (Anna Brachvogel), Klaus Löwitsch (Kunstmann), Fritz Strassner (Obermeister Müller), Hans Pössenbacher (1. Landpolizist, Obermeister Weber), Willy Haibel (2. Landpolizist) u.a. Erstsendung: 2. Juli 1964. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (10): Akte Dr. W.
Wie von Sinnen rast der Ingeneur Dr. Watzmann in seinem Fiat über die Landstraße – schließlich will er unbedingt einen wichtigen Geschäftstermin einhalten. Plötzlich taucht vor seinem Wagen ein Mann auf, der ihm prompt unter die Räder gerät. Anstatt den tödlichen Unfall zu melden, zerrt Watzmann die Leiche ins Gebüsch und begeht Fahrerflucht. Er hat nicht damit gerechnet, dass ein Augenzeuge seinen Wagen genau beschreiben kann. So wird die Unfallflucht-Abteilung der Kripo auf ihn aufmerksam – auch wenn Obermeister Pommer zunächst klären muss, ob zur Tatzeit wirklich Dr. Watzmann oder der Tankwart José am Steuer saß ...


Man merkt es bereits der Inhaltsangabe an: „Akte Dr. W.“ hat ein signifikantes Konstruktionsproblem. Nicht nur ist Fahrerflucht nach einem profanen Autounfall mit einem Trunkenbold, der sich sein Schicksal gewissermaßen selbst zuzuschreiben hat, kein besonders faszinierendes Verbrechen; vor allem beißt sich die offene Schilderung des Tathergangs zu Beginn der Folge mit der sehr detaillierten Begleitung der Ermittlungen. Auf verschlungenen Wegen mit diversen falschen Fährten und spitzfindigen Indizien finden Obermeister Pommer und Assistent Strottmeier genau das heraus ... was das Publikum bereits seit den ersten fünf Minuten der Episode weiß! Einen Aha-Effekt gibt es nicht; wo soll er auch herkommen, wenn die Folge bereits offen und ehrlich „Akte Dr. W.“ heißt?

So taugt der zehnte „Kriminalmuseum“-Fall am ehesten als Psychogramm eines sich überheblich gebenden, aber innerlich erstaunlich angefressenen Workaholics. Dr. Watzmann versucht verzweifelt, alles im Griff zu haben und – wo ihm Fehler passieren – diese auf andere abzuwälzen. Die unterlassene Hilfestellung bei der Fahrerflucht passt diesbezüglich ebenso gut ins Gesamtbild wie seine sofortige arrogante Kombination, den Tankwart anzuschwärzen, um Verdachtsmomente zu streuen und sich ein Alibi zu verschaffen. Dieser Dr. W. ist eine verschlagene, lästige Type, der man bei der Überführung eines sinnlosen Verbrechens keine Träne nachweint, auch wenn Darsteller Konrad Georg sich windet und pflichtschuldig betroffen dreinschaut. Einen für seine Verhältnisse eher mittelmäßigen Auftritt verbucht Heinz Engelmann als Georgs Widersacher von der Kripo – in „Stahlnetz“ hatte Engelmann ausgefeiltere Rollen; hier hingegen tritt er nicht aus dem Schatten charismatischerer Konkurrenz-Spürnasen heraus. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich der von ihm gespielte Polizist von Anfang bis Ende als nicht besonders treffsicher erweist – weder in seiner abschließenden Einschätzung des Unfallhergangs noch in der Charakteranalyse seines Verdächtigen oder in der Verfolgung einzelner Spuren. So verschwendet die Episode einen ermüdend langen Teil ihrer Spielzeit auf einen ins Nichts führenden Seitenplot um den Diebstahl eines für den Fall gänzlich irrelevanten Autos inklusive überlanger Verfolgungsjagd und einer unangenehm schmierigen Stereotypenrolle für Klaus Löwitsch.

Überzeugend ist noch der Auftakt zur Episode, bei dem Rolf Kästel schöne Landschaftsimpressionen einfängt, die schließlich in den Unfall münden. Leider werden die provinziellen Gemeinplätze im späteren Verlauf der Folge arg übertrieben – sei es in Gestalt der beiden bauernschlauen Landpolizisten, der geifernden Vorverurteilungen am Tatort, der aufdringlichen Schankwirtin oder des überkorrekten Bahnbeamten. Der Tenor, dass auf dem Lande offenbar nur Dummköpfe wohnen, wirkt gerade im Kontrast zur unnötigerweise promovierten Verbrecherrolle und dem zu Unrecht verdächtigten Gastarbeiter sehr dick aufgetragen und verleiht dem Fall eine provokative, fast schon kolportageartige Schlagseite, auf die man zugunsten einer ausgefeilteren Erzählstruktur (ohne am Anfang den Täter zu verraten) besser verzichtet hätte.

Leider machen sich gerade in diesem inhaltlich weniger interessanten Fall auch bei Helmuth Ashley inszenatorische Längen und Redundanzen bemerkbar. Ländliche Atmosphäre, ein verabscheuungswürdiger Opportunist als Täter und ein „stahlnetz“-erprobter Ermittler reichen allein nicht aus, um die Schwächen in „Akte Dr. W.“ zu übertünchen. Nur 3 von 5 Spektralanalysen.

Zitat von c.n.-tonfilm im Beitrag #73
Bei welcher Tankstellenkette arbeitet Gustavo Rojo also?

PS: Auch wenn das Logo der Tankstelle auf Rojos Overall nachträglich unkenntlich gemacht wurde, sieht man bei einer Auseinandersetzung zwischen José und seinem Chef Thalhuber ganz deutlich den sechsbeinigen Hund aus dem Agip-Signet im Hintergrund.

Gubanov ( gelöscht )
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18.07.2019 10:15
#163 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten



Das Kriminalmuseum: Der Fahrplan

Episode 11 der TV-Kriminalserie, BRD 1964. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Stefan Gommermann. Mit: Hans W. Hamacher (Kriminalkommissar Hager), Albert Hehn (Kriminalassistent Buttke), Paul Klinger (Herbert Forster), Marlies Schönau (Maria Forster), Karl-Georg Saebisch (Alois Fink), Fritz Strassner (Kriminalkommissar Bachmann), Gudrun Schmidt (Gloria Zenta), Peter Garden (Martin Zenta), Hans Zesch-Ballot (Prokurist Borda), Wilmut Borell (Bierkellner Ivo Nemec) u.a. Erstsendung: 10. September 1964. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (11): Der Fahrplan
Die Firma kurz vor der Pleite, eine hohe Lebensversicherung auf die Gattin abgeschlossen und eine Geliebte an der Hand: Für den Unternehmer Herbert Forster ist sonnenklar, dass seine Frau sterben muss. Um sich selbst ein lückenloses Alibi zu verschaffen, heuert er einen Auftragsmörder an, der Maria Forster in Düsseldorf töten soll, während Herbert sich in München aufhält. Der erste Anschlag, so gut geplant er auch ist, missglückt; erst ein zweiter bringt den gewünschten Erfolg. Der rheinische Kriminalkommissar Hager muss um bayerische Amtshilfe ersuchen, um den komplizierten Fall zu lösen ...


Der bis dahin krimiunerfahrene Regisseur Theodor Grädler legte sich für seine erste Ringelmann-Serienarbeit die Messlatte nicht gerade niedrig: Auf keine geringere Vorlage als Alfred Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ spielt dieser unter seiner Regie und nach Stefan Gommermanns Drehbuch entstandene Fall an. Die Parallelen sind nicht nur inhaltlich offensichtlich; auch stilistisch versuchte Grädler, sich eine Scheibe vom Altmeister des Suspense abzuschneiden. Mit Erfolg: Das dauerhaft hoch gehaltene Spannungslevel (missglückter Mordversuch, Auffinden der Leiche in der verschlossenen Wohnung, Duell zwischen Kommissar und gewieftem Gattinnenmörder) sowie die in expressionistischem Chiaroscuro gehaltene Fotografie des außerhalb von „KM“ und „fünfter Kolonne“ selten in Erscheinung tretenden Kameramanns Hannes Schindler machen den „Fahrplan“ zu einem besonderen Vergnügen. Zudem ist die Story geschickt geknüpft: Die Idee, dass man zwar den Auftraggeber mit seinem Motiv kennt, aber der gedungene Killer aus dem Verborgenen heraus agiert, erweist sich als absolut spannungsfördernd. Dass die Polizei sich auf ihn als „der Mann im dunkelblauen Anzug“ bezieht (der Titel einer Edgar-Wallace-Kurzgeschichte), macht die Sache für Insider nur umso atmosphärischer.

Die gezeigte Kooperation der Polizeidienststellen in Düsseldorf (Hamacher und Hehn) und München (Strassner) markiert das erste Mal, dass ernstliche regionale Abwechslung im „Stahlnetz“-Stil in den „kriminalmusealen“ Amtsstuben Einzug hält. Der wahre Star der Episode ist jedoch Paul Klinger, der als selbstsicheres Mastermind hinter dem gemeinen Mordplan auftrumpft. Sein schurkischer Oberlippenbart unterstreicht sein sinistres Auftreten und seine Überheblichkeit gegenüber dem Kommissar, zu dem sich ab einem bestimmten Zeitpunkt eine offene Feindschaft entwickelt, führt letztlich zu Herbert Forsters endgültigem Sturz. Der todgeweihten Frau Forster verleiht Marlies Schönau ein leidgeprüftes Gesicht, während Karl-Georg Saebisch als Forsters Schwager ein fein nuanciertes, fast schon naturalistisches Spiel an den Tag legt. Grädler beweist auf jeden Fall von Anfang an sein Gespür für Schauspielerführung, denn keine der Rollen fällt Klischees oder anderen unerfreulichen Übertreibungen anheim.

Neben den zahlreichen Verdächtigen, die am Ende clever ausgesiebt werden (Hans Zesch-Ballot als zu Falschaussagen bereiter, willfähriger Untergebener Forsters; Gudrun Schmidt als exotisches Nachtgeschöpf; Peter Garden als Mann mit Beziehungen in zweifelhafte Kreise; Gerd Frickhöffer als ausländischer Nachtbarbetreiber u.a.) dürfen sich an erwähnenswerter Stelle auch die Kriminalwissenschaften profilieren, auf die sich die Polizisten bei ihren Ermittlungen stützen. Die Kriminalmediziner und Labortechniker, die offenbar in Konkurrenz zueinander leben, wer wohl die hilfreichsten Informationen zur Lösung des Falles beitragen könne, unterstreichen die realistische Herangehensweise des Krimis. Sie setzen anschaulich jenen Anspruch um, den eigentlich jede „Kriminalmuseum“-Folge mit ihrem Vorspanntext anmeldet („die moderne Kriminalistik bringt die stummen Zeugen von Verbrechen zum Reden“).

Hochspannende Ratekrimi-Variante mit halboffener Täterkonstruktion – mit einem diabolischen Paul Klinger und einem unbekannten Auftragsmörder bringt Theodor Grädler in seinem ersten „Kriminalmuseum“-Fall das Beste zweier Welten zusammen und kann sich dabei auf das bis hierhin stärkste Skript von Stefan Gommermann verlassen. Auf Motive von Alfred Hitchcock anspielende Charakteruntiefen wie Gier, Kaltblütigkeit und Hochmut verleihen dem appetitlichen Fall zusätzlich eine besondere Würze. 5 von 5 Fahrplänen.

Gubanov ( gelöscht )
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20.07.2019 21:35
#164 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten



Das Kriminalmuseum: Der Schlüssel

Episode 12 der TV-Kriminalserie, BRD 1964. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Georg Stuck. Mit: René Deltgen (Kriminalinspektor Bracht), Peter Pasetti (Werner Vilessen), Gisela Uhlen (Ruth Vilessen), Günther Schramm (Alfred Vilessen), Grit Böttcher (Maria), Karl John (Prokurist Mansfeld), Eva Pflug (Frau Mansfeld), Hans Cossy (Herr Maraun), Olga von Togni (Helga Maraun), Wolf Rathjen (Kriminalassistent Wagner) u.a. Erstsendung: 5. November 1964. Eine Produktion der InterTel fürs Zweite Deutsche Fernsehen.

Zitat von Das Kriminalmuseum (12): Der Schlüssel
Kaum haben die Herren Vilessen und Maraun, Leiter eines erfolgreichen Pharmaziekonzerns, von den Unterschlagungen ihres Mitarbeiters Mansfeld erfahren, als dessen Leiche auch schon im Innenhof liegt – zu Tode gestürzt aus dem Fenster von Vilessens Arbeitszimmer. Vom entwendeten Geld findet sich allerdings ebenso wenig eine Spur wie von jenem Schlüssel, den Mansfeld stets am Hosenbund trug und der den Worten des Toten nach „Sprengstoff aus Papier“ hütete. Inspektor Bracht muss herausfinden, ob hier wirklich ein Selbstmord vorliegt, wie Vilessen zu Protokoll gab, oder ob man dem allzu gefühlskalten Geschäftsmann besser misstrauen sollte ...


Schon die Auftaktszene offenbart, von welcher prachtvollen Schauspielerriege man hier in eine neue „Kriminalmuseums“-Welt entführt wird: Auf einer etwas blasierten High Society-Party geben sich Peter Pasetti, Hans Cossy und Karl John bei den Herren sowie Gisela Uhlen, Grit Böttcher, Olga von Togni und Eva Pflug bei den Damen die Ehre. Das Talent des Produzenten Helmut Ringelmann, prominente Namen für seine Krimireihen zu verpflichten, war bereits 1964 vollauf ausgeprägt. Als dann auch noch René Deltgen zu seinem zweiten und leider letzten Inspektorenauftritt ansetzt, darf man sich endgültig auf der darstellerischen Wolke 7 wähnen. Da „Der Schlüssel“ vollauf als Kammerspiel angelegt ist, ist die Hochklassigkeit der Besetzung ein ganz wesentlicher Baustein – und das Konzept geht zumindest insofern auf, als man es tatsächlich mit einer sehr attraktiven Ensembleleistung zu tun bekommt. Jeder der Akteure überzeugt auf seinem Posten, wobei Peter Pasetti als unterkühlter Rechenmaschine und Gisela Uhlen als betrogener Ehefrau zurecht die meiste Aufmerksamkeit zuteil wird.

Bedauerlicherweise kann „Der Schlüssel“ in anderer Hinsicht nicht zu seinen schauspielerischen Pfunden aufschließen. Vor allem am Drehbuch, das ein gänzlich unbekannter Georg Stuck verfasste, krankt es dieses Mal: Obwohl die Folge versucht, mit der Auslassung des Tathergangs ein Rätsel zu kreieren, so ist das Vorgefallene derart offensichtlich, dass nur wenig der Fantasie des Zuschauers überlassen bleibt. Am Ende enthüllt Inspektor Bracht dann pflichtgemäß die naheliegendste, überraschungsfreie Auflösung, auf deren Weg kaum kriminalistische Meisterleistungen und dafür reichlich schmutzige private Wäsche sowie gewisse Elemente der Polemik bzw. des Sozialneids lagen. Großunternehmer vom Format eines Herrn Vilessen kommen jedenfalls äußerst schlecht weg, sind gemäß dem Tenor der Episode prinzipiell emotional unterentwickelt, heimtückisch, untreu und verlogen. Der eher Bauernschläue demonstrierende Inspektor ist seinem wichtigsten Zeugen gegenüber von Anfang an voreingenommen, was sich in Deltgens sofortigem herablassendem Umgang mit Pasetti zeigt.

Erschwerend kommt hinzu, dass „Der Schlüssel“ wenig optische Abwechslung bietet und sehr studiolastig inszeniert wurde. Während Vilessens Wohnung und die kleine Gesellschaft, die sich dort versammelt, an Helmuth Ashleys beeindruckenderen zweiten Kinofilm „Mörderspiel“ denken lassen, verortet man die später in den Mittelpunkt rückenden Liebschaften eher in romantischen Dramen der 1950er Jahre. Immerhin bemühte Ashley sich auch innerhalb der restriktiven Grenzen um eine kreative Regieführung, wie das anfängliche Fokussieren auf den titelgebenden Schlüssel sowie die unkommentierte abschließende Rückblende beweisen. Zwar steht am Ende auch nur Aussage gegen Aussage, was weit von einer wasserdichten Überführung entfernt ist, aber einen beeindruckenden Effekt verfehlt der in den Abspann übergehende Todesschrei von Herrn Mansfeld nicht.

Eine brillante Darstellerriege rettet einen schwachbrüstigen Krimi. Nach einer starken Einstiegsphase der Reihe zeigt sich hier zum ersten Mal deutlich, welche Schwierigkeiten sich „Das Kriminalmuseum“ bisweilen durch eine ungeschickte Autorenauswahl einbrockte. Die interessante Ausgangslage und die Besetzung der Hauptrollen mit Deltgen, Pasetti und Uhlen hätte für ein offenes Gefecht besser getaugt als für eine verkappte Mördersuche mit offensichtlichem Ausgang. 3,5 von 5 Schlüsseln.

Ray Offline



Beiträge: 1.929

24.07.2019 23:45
#165 RE: Bewertet: „Das Kriminalmuseum“ / „Das Kriminalmuseum erzählt“ (1963-70) Zitat · Antworten

Folge 07: Der stumme Kronzeuge


Der Sohn einer Schauspielerin wird des Nachts entführt. Vieles deutet auf Erpressung als Motiv hin...

Unter der Regie von Wolfgang Becker entstand diese inhaltlich sich vom Gros abhebende Episode des "Kriminalmuseums". Nicht Mord, sondern Kindesentführung steht (zunächst) im Vordergrund. Entsprechend müssen sich die Ermittler und mit ihnen der Zuschauer auch nach anderen als den üblichen Motiven in Kriminalfilmen umsehen. Den Kommissaren schaut der Betrachter diesmal besonders gerne über die Schulter. Das Buch von Stefan Gommermann hält ein interessantes Ermittler-Trio parat. Allen voran natürlich "Kommissar" Erik Ode, der hier schon Anflüge seines Kommissar Keller zur Schau stellt, einzig das väterliche Du den Untergebenen gegenüber fehlt bei Kriminalrat Bachmayer. Aber die Szene in der Kantine mit den Kollegen, in der Bachmayer diesen überhaupt nicht zuhört, sondern mit der Wahl seiner Speise komplett ausgelastet ist, sorgt für Schmunzler und lässt echtes "Kommissar"-Feeling aufkommen. Überhaupt ist die Chemie auch zwischen Horst Niendorf und Wolfgang Weiser so hervorragend, dass man kaum glaubt, dass sie zum ersten Mal in dieser Besetzung agieren.

Unter den Verdächtigen tut sich (Bryan) Edgar Wallace-Akteur Harry Riebauer als Agent der Mutter des entführten Kindes hervor. In weiteren Rollen sieht man u.a. Wolf Ackva und Walter Sedlmayr. Dank der gut aufgelegten Ermittler und der spritzigen Dialoge (schön auch, wie sie die Hausdame mit Fragen zu einem Kriminalspiel mit René Deltgen einer Lüge überführen wollen) gerät die Folge über weite Strecken sehr kurzweilig. Jedoch ist zuzugeben, dass die Spannungskurve im letzten Drittel anders als idealtypisch nicht gerade ansteigt. Immerhin kann die Auflösung inhaltlich durchaus überzeugen und liefert einen kleinen "Aha-Effekt". Ich würde "Der stumme Kronzeuge" der zwar anspruchsvolleren, aber gerade hinten heraus doch recht zähen "Stahlnetz"-Episode "Rehe" insgesamt den Vorzug geben.


Hervorragend aufgelegte Ermittler und das von der typischen Mordstory abweichende Thema der Folge lassen über kleinere Schwächen hinwegsehen. Gute 4 von 5 Punkten.

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