Sie haben sich ja mehrfach als Kenner der deutschen Winnetou-Filme geoutet. In Ihrem neuen Werk "Inglorious Basterds" lassen Sie ein paar Nazis über die Herkunft von Karl Mays Apachen-Häuptling debattieren. Hat Sie Winnetous Tod zum Weinen gebracht?
Ich habe einige Winnetou-Filme gesehen, aber leider noch nicht den Teil, in dem er stirbt; das muss ich mal nachholen. Wie stirbt er denn?
Wenn ich Ihnen das jetzt verrate, nehme ich Ihnen ja die Spannung. Also gut: Er stirbt in den Armen von Old Shatterhand.
Winnetou stirbt in den Armen von Lex Barker? Ich würde heulen wie ein Schlosshund.
Neben den Winnetou-Abenteuern sollen Sie auch die deutschen Edgar-Wallace-Verfilmungen aus den 60er Jahren lieben. Wir dachten immer, dass diese Filme jenseits der deutschsprachigen Länder weitgehend unbeachtet blieben. Wo in Los Angeles haben Sie diese Filme sehen können?
Die Edgar-Wallace-Filme sind in der jüngsten Zeit in Kreisen von Film-Freaks herumgereicht worden. Da kündigt sich langsam eine richtige Wertschätzung an, die sind im Begriff, richtig angesagt zu sein.
Wir sprechen von jenen 38 deutschen Verfilmungen, die in den 60er Jahren in einer Art Fließband-Produktion entstanden?
Ja, ja, ja. Aber ich habe die Wallace-Filme nicht nur auf Video gesehen, sondern... oh, was haben Sie denn da am Arm? Eine Uhr mit Tim-und-Struppi-Motiv. Cool.
Sie wollten noch etwas zu Edgar Wallace sagen.
Ja, richtig. Einige dieser Thriller wurden in englischer Übersetzung im US-Fernsehen gezeigt, meist nachmittags in lokalen TV-Sendern. Filme wie "Der Glöckner von Soho" oder "Die toten Augen von London": Als ich die als kleiner Junge erstmals sah, faszinierten sie mich. Einmal habe ich einen Edgar Wallace-Film sogar im Kino gesehen: "Die Kreatur mit den blauen Händen" hieß der bei uns, es war der Einzige, der jemals in die US-Kinos kam. Ich erinnere mich noch gut an diesen manischen Klaus Kinski. Cool. Die Karl-May-Filme habe ich dagegen erst gesehen, als sie auf Video-Kassetten herauskamen.
Genau solche Leute brauchen wir! Nicht zu vergessen, die deutschen Filmschaffenden, die Wallace und Co am Leben halten: Christian Becker, Oliver Kalkofe usw.
ich habe ja auch schon einige Edgar Wallace DVDs an Brieffreunde in England, Argentinien und USA geschickt, immer mit der direkten Warnung dabei das sie sich am besten die deutsche Version mit englischen Untertiteln ansehen sollen.
Bisher habe ich NUR positive Reaktionen bekommen, teilweise sogar verbunden mit der Bitte nach mehr DVDs
Wenn Tarantino auch in Interviews mit amerikanischen Medien so ausführlich und leidenschaftlich über die Wallace Filme spricht, dann ist es kein Wunder das die Neugier der Leute dort immer grösser wird. Da kann man sich nur bei Mr Tarantino bedanken
Zum "Glöckner": "Der Bucklige von Soho" hieß bei seiner englischsprachigen Ausstrahlung "The Hunchback of Soho". Und hunchback fordert eben Assoziationen zu Victor Hugos "The Hunchback of Notre-Dame" (Der Glöckner von Notre-Dame) nur so heraus. Da liegt der Fehler wohl eher beim Übersetzer des Interviews als bei Tarantino.
Und man sollte auch seine "Wirkung" auf "nachwachsende" Zuschauer nicht vergessen. Ich war heute auf einem Trödelmarkt und dort kaufte ein jüngerer Filmfan "Foxy Brown". Ich habe auch kurz mit ihm gesprochen und er erzählte dabei, dass er erst durch Tarantino und in diesem Fall "Jackie Brown" auf Pam Grier und Blacksploitation Filme aufmerksam wurde.
Wie bei allem ist auch Tarantino Geschmackssache. Vieles um Ihn, seine Person und seine Filme wird sicher etwas zu sehr gehypt, dennoch gebe ich Stefan völlig recht, das ein derzeitiger Regisseur mit der Begeisterung für "alte" Filme die heutige Generation auf manches sonst vergessene Filmchen aufmerksam macht. Bspw. weiß ich nicht, ob KochMedia einst einen so vorbildlichen Release von "Der Killer von Wien" gemacht hätte, wenn Tarantino diesen Klassiker im Zuge von "Kill Bill vol. II" nicht wieder ins Gespräch gebracht hätte. So ähnlich verhält sich das auch mit Koch-Release von Castellaris "Ein Haufen verwegener Hunde".
Natürlich verändern sich auch die persönlichen Gewohnheiten im Lauf der Zeit. Früher war für mich in Punkto Tarantino "Pulp Fiction" das Maß aller Dinge und "Jackie Brown" irgendwie etwas lahm. Heutzutage finde ich zwar "Pulp Fiction" (der nach kürzlichem Sehen für meine Begriffe im 2. Drittel irgendwie mächtig durchhängt) immer noch gut, aber "Jackie Brown" rangiert mittlerweile gleichauf, weil er als ruhige Romanverfilmung/Dialogkino absolut sauber funktioniert. Dafür fand ich den kürzlich gesehenen "Inglourious Basterds" wieder richtig genial (wenn auch 2-3 Sequenzen etwas kürzer hätten sein können, aber sei's drum) und absolut sehenswert (der entgültige Sieg des Kinos als solches über die Realität) ... mal sehen, wie man das in ein paar Jahren betrachtet .