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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.07.2009 22:24
Billy Wilder: "Zeugin der Anklage" (USA 1957, nach Agatha Christie) Zitat · Antworten

Zeugin der Anklage (Witness for the Prosecution)
Mit: Tyrone Power, Marlene Dietrich, Charles Laughton, Elsa Lanchester, John Williams, Henry Daniell, Ian Wolfe, Torin Thatcher, Norma Varden, Una O’Connor u.v.a. Regie: Billy Wilder. Drehbuch: Larry Marcus, Billy Wilder, Harry Kurnitz. USA 1957.


Dieser Kommentar enthält Spoiler.
Mit „Zeugin der Anklage“ entstand in den USA des Jahres 1957 eine der ersten Agatha-Christie-Verfilmungen in ganz großem Stil, die heute noch Rang und Namen haben. Mir bisher gänzlich unbekannt und nur durch ständiges Lob für die unerwarteten Twists der Geschichte berühmt, dachte ich mir, es sei nun endlich an der Zeit, im Rahmen meiner „amerikanischen Filmphase“ und nicht allzu lang nach Hitchcocks Gerichtskrimi „Der Fall Paradin“ auch dieses court room drama endlich einmal kennenzulernen.
Die Erwartungen an einen Gerichtsfilm sofort befriedigend, setzte Billy Wilder den ersten Shot des Films in einem Gerichtssaal an und stimmt trotz der Tatsache, dass noch einige Dinge geschehen werden, bevor wir uns wieder mit großem Interesse in einen solchen bewegen, hervorragend auf die Thematik des Streifens ein. In einer effizient konzipierten und hochkarätig gespielten auf den Vorspann folgenden Szene, die die Ursprünge der Geschichte im Theater nur allzu deutlich vor Augen führt, wird daraufhin der vorliegende Fall dargelegt. Sie etabliert eine ungeheure Zahl an Charakteren, die allesamt von fähigen Darstellern mit prominenten Namen und oftmals bekannten Gesichtern dargestellt werden. Im größten Part brilliert dabei Charles Laughton, der für mich in Hitchcocks „Der Fall Paradin“ noch Anlass zu Kritik und Unwohlsein bot, hier jedoch wesentlich geschmackvoller und restriktiver geführt wirkt, was seinem Hang zu unangenehmer Übertreibung in ausreichendem Maße entgegenwirkt und seinem Spiel die überflüssige Schärfe nimmt. Sein Rechtsanwalt besitzt damit alle Charakteristika, die eine Figur dieses Rollenfachs, welche gleichsam auch eine einigermaßen akzeptable Hauptperson abgeben soll, benötigt. Seine Eigenheiten und Besonderheiten kommen dabei vor allem in der erfrischenden Umsetzung eines eigentlich abgehalfterten Themas, des von seinem Arzt reglementierten Mannes mit der leidenden Gesundheit, und damit in dem hervorragenden Spiel zwischen Laughton und „Krankenschwester“ Elsa Lanchester (beide zurecht für einen Oscar nominiert) zur Geltung.
Doch auch die anderen Schauspieler erzielen überragende Leistungen. Mich hat es besonders gefreut, die Charakterdarsteller Ian Wolfe und Henry Daniell zu sehen, die mit ihren bemerkenswerten Interpretationen bereits die Sherlock-Holmes-Filme mit Basil Rathbone bereicherten. Marlene Dietrich in der weiblichen Hauptrolle ist unsagbar passend und es fällt schwer, zu glauben, dass der Film auf einer Vorlage basiert, die nicht persönlich für sie geschrieben und stets von ihr umgesetzt wurde. Tyrone Power gelingt es, am Anfang sowohl den sympathischen Sonnyboy zu mimen als auch am Ende, ohne den Zuschauer maßlos zu enttäuschen, ins komplette Gegenteil, einen Mörder und, – so erscheint es uns im Film – viel schlimmer!, einen egoistischen Weiberhelden, umzuschlagen. Selbst John Williams („Dial M for Murder“), mit dem ich mich wohl nie anfreunden werde, störte mich hier nicht in dem Maße, das ich befürchtet hatte. Dies liegt wohl daran, dass er sowieso nur eine untergeordnete Rolle spielt, die kaum Initiative ergreift.
Lobenswert hervorzuheben ist darüber hinaus vor allem die Synchronisation. Es handelt sich um eine Kinosynchronisation, die nur ein Jahr nach Produktion des Films in Deutschland angefertigt wurde und über die namhaften Stimmen von Eduard Wandrey, Tilly Lauenstein, Paul Klinger, Siegfried Schürenberg, Friedrich Joloff, Agnes Windeck und Werner Peters verfügt, welche einerseits dem Produktionsstatus gerecht werden und andererseits der deutschen Filmfassung Griffigkeit und Vertrautheit zubringen.

Wilder erzählt die Kriminalgeschichte ohne Umschweife, aber mit einigen kunstvollen Ausschmückungen in wohl überlegten Rückblenden. Dem Zuschauer wird so geholfen, sich ein Bild von Opfer und Täter zu machen, anstatt sie wie in „Der Fall Paradin“ nur zu durch Worte, nicht durch Taten beschriebenen Schablonen herabzustufen. Nur eine einzige Person bleibt unantastbar – und das ist die Titelfigur Christine Helm Vole. Auf diese Art leitet Wilder ihre Mystik her und die Gewissheit des Zuschauers, dass sie in diesem Film mehrfach für Seitenwechsel und für Überraschungen sorgen wird.
So zumindest wird es versprochen. Und wenn der Film auch in allen anderen Punkten meine volle Zusprache erhält, so muss ich doch sagen, dass mir die als so unglaublich komplex vorangekündigten Wendungen der Geschichte absolut voraussehbar erschienen. Dies begann mit Christines Aufruf als Zeugin für die Anklage – ein erster Clou, der für mich wohl die größte Überraschung des Films gewesen wäre, gäbe es den viel zu verräterischen Filmtitel nicht. Doch was passiert weiter: Sobald die Sache mit den belastenden Briefen ins Rollen kommt, kann sich der auch nur halbwegs krimierfahrene Zuschauer sicher sein, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und dass es – logischerweise – niemand anders als Christine gewesen sein kann, der sie geschrieben hat. Die entsprechende Schlussfolgerung, dass es dann auch Christine war, die Max erfand, um sich so glaubhaft zu machen, weil sie ihren (Nicht-)Ehemann liebte und ihn retten wollte, ist im Handumdrehen aufgebaut, auch wenn ich einschieben muss, dass ich die Dietrich in ihrer Verkleidung am Bahnhof nicht erkannt habe.
Ein weiterer Punkt, den vorauszuahnen nicht schwerfällt, ist, dass die unverschämt gutaussehende und immer auf den Zuschauerbänken auftauchende Brünette sicher keine Statistin, sondern eine in den Plot verwickelte Person ist – und als dann die Story mit dem Reisebüro auftaucht, kann man sich sicher sein, wer sich hinter der geheimnisvollen Bekanntschaft des Angeklagten verbirgt. Mr. Vole liebt sie – das sollte klar sein. Dementsprechend ist auch klar, dass die Dietrich am Ende die Enttäuschte spielen darf. Und weil zu guter Letzt kein Mörder ungestraft davonkommen darf – schon gar nicht so ein ausgesprochener Fiesling wie Power ihn schlussendlich darstellt –, ist es nur folgerichtig, wenn Christine ihn denn umbringt und Sir Wilfrid, um den Kreis zu schließen, ihre Verteidigung übernimmt.
Wo an diesen Geschehnissen jetzt auch nur die geringste Überraschung versteckt war, erschließt sich mir absolut nicht. Es obliegt mir aufgrund meiner Nichtkenntnis der Originalkurzgeschichte sowie des Theaterstücks von Christie nicht, als Urheber dieser zu leicht aufzuwickelnden Folgenkette die queen of crime oder Drehbuchautor und Regisseur Wilder verantwortlich zu machen. Auch bin ich mir nicht sicher, ob es mich nun traurig oder unglaublich stolz stimmen soll, einen der als raffiniertesten Plots der Filmgeschichte gelobten Stoff ohne weitere Probleme selbst aufgeklärt zu haben. Überraschungen fehlten mir aber in jedem Falle.

„Zeugin der Anklage“ ist ein vergnüglicher, ideal besetzter und straff geplanter und umgesetzter Gerichtskrimi. Leider lässt sich die Auflösung zu leicht herleiten – dafür gibt es einen Punkt Abzug, weil jede schlechtere Bewertung den Qualitäten des Films nicht entsprechend Rechnung tragen würde. 4 von 5 Punkten.

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Billyboy03 Offline




Beiträge: 714

26.07.2009 18:27
#2 RE: Billy Wilder: "Zeugin der Anklage" (USA 1957, nach Agatha Christie) Zitat · Antworten

Hallo Gubanov,

erstmal vielen Dank für diese recht detaillierte Bewertung dieses Klassikers.
Deinem Haupteinwand, es handele sich hier um eine doch vorhersehbare Geschichte, möchte ich lediglich mit dem Hinweis auf die Entstehungszeit dieser Geschichte und des Films begegnen. Wir sollten nicht vergessen, daß wir inzwischen einige Tausend (!) Filme und Plots später existieren, was dazu führt, beihnahe alles schon mal gesehen oder gelesen zu haben. Der Ruf des Films rührt sicher auch aus seiner Entstehungszeit her, wo die Wendungen allemal für Aufsehen gesorgt haben dürften. Und brilliant gespielt und inszeniert wirkt der Film auch heute noch. Also bleibt sicher festzuhalten: ein Meilenstein des Gerichtsthrillers!
Da stimmen wir sicher überein.

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BillyBoy03

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