Jenseits allen Zweifels (Beyond a Reasonable Doubt, USA 1956)
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Dana Andrews, Joan Fontaine, Philip Bourneuf u.a.
Film Noir Nummer 121:
Zeitungsverleger Spencer ist erklärter Gegner der Todesstrafe. Zusammen mit seinem Schwiegersohn in spe, Tom Garrett einem erfolgreichen Journalisten und Romanautor, möchte er auf die Thematik aufgrund von Indizienbeweisen zur Todesstrafe Verurteilter aufmerksam machen. Im Anschluss an einen ungeklärten Mordfall fälschen sie Indizien, die zu Toms Verhaftung und Verurteilung führen sollen. Nach der Verurteilung soll mithilfe angelegter Beweise enthüllt werden, dass die Verurteilung auf Basis fingierter Indizien erfolgte. Zunächst läuft alles nach Plan, bis während der gerichtlichen Verhandlung etwas Unvorhergesehenes passiert...
„Jenseits allen Zweifels“ ist Fritz Langs letzter Hollywood-Film. Infolge des ordentlichen Erfolgs mit „Die Bestie“ wurde er von RKO und Produzent Bert E. Friedlob damit beauftragt, einen weiteren Film zu inszenieren. Wie im Vorgänger übernahm Dana Andrews die Hauptrolle. Der Plot des Films ist von der Grundidee absolut faszinierend, außerdem hält er in der zweiten Hälfte zwei handfeste Überraschungen parat. Potential für einen Vorzeige-Noir wäre demnach allemal vorhanden. Ein solcher ist „Jenseits allen Zweifels“ gleichwohl nicht. Dafür ist die Inszenierung für Lang-Verhältnisse ein wenig inspirationslos. Zudem bleibt Philip Bourneuf, der den karriereorientierten Staatsanwalt und Quasi-Gegenspieler des Films gibt, blass. Auch Joan Fontaine, die die Verlobte von Dana Andrews spielt und im letzten Drittel dramaturgisch zur Schlüsselfigur wird, vermag kaum Akzente zu setzen. Dana Andrews selbst enttäuscht hingegen einmal mehr nicht.
Wie „Die Bestie“ ist „Jenseits allen Zweifels“ inzwischen in mehreren Ländern auf Blu-Ray und erstmals im Originalformat (2,00: 1) erschienen. In Deutschland wartet man dagegen weiter auf eine erstmalige Veröffentlichung im Heimvideo-Bereich.
Fritz Langs letzter Hollywood-Film ist sehenswert, reizt sein großes vorhandenes Potential jedoch nicht aus. 4 von 5 Punkten.
Wäre doch eine schöne Ergänzung für die Reihe "Édition Film Noir". Mit diesem Film habe ich (wie bei "While the City Sleeps" neben Lang vor allem wegen Dana Andrews) schon lange geliebäugelt.
Das stimmt, zumal man sich ja auf bisher unveröffentlichte Titel konzentriert und mit "Todeshaus am Fluss" auch schon einen Lang-Titel im Katalog hat. "Lebensgier" würde auch noch passen.
"Blut im Schnee", der als dritter Titel der Reihe erscheint, hat inzwischen auch schon ein Veröffentlichungsdatum. Es ist der 24. Januar 2020.
Koch Media hat seine Film Noir-Reihe zwar offiziell eingestellt. Das hindert das Label freilich nicht, weiter Noirs zu veröffentlichen: Am 13. Februar erscheint "Rattennest" auf Blu-Ray und DVD.
Flüsternde Schatten (Chase a Crooked Shadow, UK 1958)
Regie: Michael Anderson
Darsteller: Anne Baxter, Richard Todd, Herbert Lom, Faith Brook, Alexander Knox u.a.
Film Noir Nummer 122:
Kimberley Prescott lebt zurückgezogen in einer Villa an der Costa Brava. Eines Tages schlägt ein Mann in ihrem Haus auf, der ihr gegenüber erklärt, ihr Bruder zu sein. Kimberley ist irritiert und ruft die Polizei, um den Mann aus dem Haus zu befördern. Zu ihrer Überraschung kann der Mann sich jedoch entsprechend ausweisen und sogar im Haus befindliche Bilder ihres Bruders, die Kimberley zum Gegenbeweis holen lässt, zieren sein Gesicht. Wird Kimberley Opfer einer Intrige? Und wenn ja, welches Motiv hat der Fremde?
„Flüsternde Schatten“ ist ein wunderbarer, kleiner, klassischer Thriller. Eine Frau sieht sich urplötzlich einer mysteriösen Bedrohung ausgesetzt. Die Beklemmung, die sich durch die Präsenz des Mannes auf dem Anwesen ausbreitet, überträgt sich auf das Publikum. Man leidet mit Kimberley mit und fragt sich, welche Motive der Mann wohl haben mag. Denn dass Kimberley verrückt ist, wie ihr „Bruder“ der Polizei weiß machen will, glaubt man zu keiner Sekunde. Die sonnige Kulisse gibt einen wunderbaren Kontrast zur Stimmung des Films. Die Kameraarbeit ist vortrefflich, den Verantwortlichen gelingen enorm stimmungsvolle Schwarzweiß-Bilder in der großzügigen Villa, die mitunter für wohligen Grusel sorgen. Auch die gelegentlich eingestreute Gitarrenmusik trägt ihren Teil dazu bei. In der Hauptrolle agiert Anne Baxter („Ich beichte“, „Gardenia“, „Alles über Eva“). Sie wirkt verletzlich und weckt so beim Betrachter umgehend Beschützerinstinkte. Richard Todd kann in der Rolle des vermeintlichen Bruders sein ganzes Können aufbieten und entwickelt eine enorme Präsenz. Einen kleinen, aber feinen Part hat Faith Brook, die mit ihrer kalten Ausstrahlung bisweilen an Gisela Uhlen erinnert. Abgerundet wird der Cast durch Herbert Lom in der Rolle des Ermittlers. Aufgrund diverser Schurkenrollen traut man ihm ebenfalls nie so ganz über den Weg. „Flüsternde Schatten“ gerät insgesamt enorm kurzweilig und wartet im Finale mit einer handfesten Überraschung auf, die erstmal verarbeitet werden will und Logik-Spezialisten das ein oder andere Rätsel aufgibt.
In Deutschland ist der Film leider noch nicht erschienen. Die UK-DVD von Optimum Classic präsentiert den Film in guter Qualität, enthält aber keinen deutschen Ton.
Kleines Thriller-Juwel mit starker Besetzung und überraschendem Ende. 4,5 von 5 Punkten.
Ich sah den Film 1958 im Kino und war begeistert. Habe ihn zwar lange nicht mehr gesehen aber hochspannend in Erinnerung. Mich wundert dabei, dass er in Deutschland offenbar nicht gelaufen ist.
Mich überrascht, dass "Crooked Shadow" als Noir eingestuft ist. Der ist für mich eher im Stile der Hammer-Thriller der frühen 60er. Demnach könnten diese eigentlich auch als Noir-Filme laufen.
Zitat von Old Rascal im Beitrag #501Ich sah den Film 1958 im Kino und war begeistert. Habe ihn zwar lange nicht mehr gesehen aber hochspannend in Erinnerung. Mich wundert dabei, dass er in Deutschland offenbar nicht gelaufen ist.
Interessant! Schön, dass es hier auch Leute gibt, die die Filme noch im Kino erlebt haben. Laut IMDB soll der Film in der BRD im Kino gelaufen (Starttermin: 18. September 1958). Dass er in Deutschland noch nicht erschienen ist, sollte sich auf fehlende DVD und Blu-Ray-Auswertungen beziehen.
Zitat von patrick im Beitrag #502Mich überrascht, dass "Crooked Shadow" als Noir eingestuft ist. Der ist für mich eher im Stile der Hammer-Thriller der frühen 60er. Demnach könnten diese eigentlich auch als Noir-Filme laufen.
Mit Hammer-Thrillern kenne ich mich nicht so gut aus wie du. Rein zeitlich passt "Flüsternde Schatten" halt gerade noch rein, die Grenze zieht man ja üblicherweise 1958 heute. Ich finde das für den Film Noir charakteristische Licht- und Schattenspiel in "Flüsternde Schatten" schon sehr ausgeprägt. Im Noir-Kanon finden sich generell einige Thriller klassischer Machart, wie z.B. "Zeuge gesucht", den du ja inzwischen auch in deiner Sammlung hast. Insofern kann man "Flüsternde Schatten" m.E. guten Gewissens zumindest auch als Film Noir bezeichnen. Hatte deine Rezension vorher nicht gesehen (Danke fürs Verlinken!). Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich die Rezension vielleicht auch darein gepackt. Aber hier ist er wie gesagt auch nicht falsch aufgehoben denke ich.
Zitat von patrick im Beitrag #502Mich überrascht, dass "Crooked Shadow" als Noir eingestuft ist. Der ist für mich eher im Stile der Hammer-Thriller der frühen 60er. Demnach könnten diese eigentlich auch als Noir-Filme laufen.
Mit Hammer-Thrillern kenne ich mich nicht so gut aus wie du. Rein zeitlich passt "Flüsternde Schatten" halt gerade noch rein, die Grenze zieht man ja üblicherweise 1958 heute. Ich finde das für den Film Noir charakteristische Licht- und Schattenspiel in "Flüsternde Schatten" schon sehr ausgeprägt. Im Noir-Kanon finden sich generell einige Thriller klassischer Machart, wie z.B. "Zeuge gesucht", den du ja inzwischen auch in deiner Sammlung hast. Insofern kann man "Flüsternde Schatten" m.E. guten Gewissens zumindest auch als Film Noir bezeichnen. Hatte deine Rezension vorher nicht gesehen (Danke fürs Verlinken!). Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich die Rezension vielleicht auch darein gepackt. Aber hier ist er wie gesagt auch nicht falsch aufgehoben denke ich.
@Ray Mich stört überhaupt nicht, dass der Film als Noir aufscheint. Auch wollte ich nicht suggerieren, du hättest ihn in dem von mir in`s Leben gerufenen Thread besprechen sollen. Das hätte wohl auch nicht mehr gepasst, da er dort ja schon viel zu weit vorne ist. Ich habe ihn nur verlinkt, um ihn mit deiner Besprechung zusammenzubringen. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn die schwarzweißen Hammer-Thriller hier aufscheinen würden. Die würden dir sicher auch gefallen. Ich meine jetzt nicht die Horror-Hammer, sondern die Psychothriller.
"Ministerium der Angst" habe ich inzwischen gesichtet und er hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht finde ich über Weihnachten etwas zeitlichen Raum, ihn zu besprechen. Der momentane Holmes-Marathon nimmt meine zeitlichen Ressourcen doch recht kräftig in Anspruch.
@Old Rascal mich würde interessieren, was du von den Hammerfilmen hältst. Die fallen doch genau in deine Glanzzeit. Wenn du in den 60ern in England warst kann doch kaum ein Weg daran vorbeigeführt haben. Vielleicht sind Horrorfilme nicht jedermanns Sache, aber Hammer hatte ja Anfang der 60er mehrere Psychothriller, die den Noir nicht unähnlich sind. Einer meiner Lieblingsfilme dieses Genres ist "Ein Toter spielt Klavier" (Scream of Fear/Taste of Fear).
Meine Glanzzeit naja, die ging ja glücklicherweise noch etwas länger:))
Ich habe jetzt die Titel nicht mehr so im Kopf, aber wenn du den Film mit Susan Strasberg meinst, der ist hervorragend:))
Natürlich kenne ich die Hammer. Das waren ja vor allem Filme mit Vampiren, Mumien,etc. und hatten mit Peter Cushing ein kräftiges Zugpferd. Er war ja eigentlich ein Fernsehstar der allerersten Stunde und wurde von den Kino-Producenten praktisch abgeworben um die Leute wieder in die Filmtheater zu locken. Cushing war ein ausgesprochen netter Schauspieler, den ich sehr gerne mochte. Ich habe einige Interviews mit ihm gehört und einmal eine Ausstellung mit seinen Malereien besucht. Ein echter Gentleman. Ich mochte die alten Universal-Verfilmungen mit Boris Karloff, Bela Lugosi, etc sehr gern, die verschiedenen Frankenstein Verfilmungen mit Cushing rein inhaltlich aber weniger, da sie das Thema ganz anders zeigten. Die erste Dracula Verfilmung mit Cushing und Lee ging uns Ende der 50er aber wirklich kräftig unter die Haut. Das verfehlte nicht seine Wirkung. Sowas hatten wir bis dahin noch nie gesehen. Lugosi hatte ja keine Eckzähne und man sah auch kein Blut. Hammer war sehr auf Effekte und Action ausgerichtet und wahnsinnig beliebt, für damalige Verhältnisse auch recht grausam. Ich habe das zwar geschaut und fühlte mich gut unterhalten, fand das aber insgeheim etwas zu modern. Modern ist vielleicht das falsche Wort. Das sind sie heute sicher nicht mehr. Aber im Vergleich mit den Universals war da schon einiges zu verdauen. Den Leuten gefiel das damals, ich selbst hatte immer einen Faible für ältere Filme und Hammer wollte eben moderner sein. Das Spektrum das sie entfalteten war sehr breit und ich habe mir das meiste davon angesehen. Die von dir erwähnten schwarzweißen Thriller von Hammer gefielen mir am besten, weil sie wirklich noch dem alten Stil treu blieben. Leider hielt sich das dann nicht mehr lange. Allerdings waren die Handlungen teilweise oft konstruierter und unrunder als bei den klassischen Noirs. Als Noir würde ich sie auch nicht unbedingt bezeichnen. Das waren für mich Filme mit Schauspielern wie Humphrey Bogart, Burt Lancaster, Lauren Bacal, Robert Mitchum,usw. Aber eigentlich ist die Definition ja egal. Leider ging Hammer dann ja den Weg der Fließbandproduktionen, was selten eine Steigerung der Qualität zur Folge hat.
Zitat von patrick im Beitrag #502Mich überrascht, dass "Crooked Shadow" als Noir eingestuft ist. Der ist für mich eher im Stile der Hammer-Thriller der frühen 60er. Demnach könnten diese eigentlich auch als Noir-Filme laufen.
Mit Hammer-Thrillern kenne ich mich nicht so gut aus wie du. Rein zeitlich passt "Flüsternde Schatten" halt gerade noch rein, die Grenze zieht man ja üblicherweise 1958 heute. Ich finde das für den Film Noir charakteristische Licht- und Schattenspiel in "Flüsternde Schatten" schon sehr ausgeprägt. Im Noir-Kanon finden sich generell einige Thriller klassischer Machart, wie z.B. "Zeuge gesucht", den du ja inzwischen auch in deiner Sammlung hast. Insofern kann man "Flüsternde Schatten" m.E. guten Gewissens zumindest auch als Film Noir bezeichnen. Hatte deine Rezension vorher nicht gesehen (Danke fürs Verlinken!). Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich die Rezension vielleicht auch darein gepackt. Aber hier ist er wie gesagt auch nicht falsch aufgehoben denke ich.
@Ray Mich stört überhaupt nicht, dass der Film als Noir aufscheint. Auch wollte ich nicht suggerieren, du hättest ihn in dem von mir in`s Leben gerufenen Thread besprechen sollen. Das hätte wohl auch nicht mehr gepasst, da er dort ja schon viel zu weit vorne ist. Ich habe ihn nur verlinkt, um ihn mit deiner Besprechung zusammenzubringen. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn die schwarzweißen Hammer-Thriller hier aufscheinen würden. Die würden dir sicher auch gefallen. Ich meine jetzt nicht die Horror-Hammer, sondern die Psychothriller.
"Ministerium der Angst" habe ich inzwischen gesichtet und er hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht finde ich über Weihnachten etwas zeitlichen Raum, ihn zu besprechen. Der momentane Holmes-Marathon nimmt meine zeitlichen Ressourcen doch recht kräftig in Anspruch.
Alles gut, so hatte ich das auch nicht verstanden. Ich könnte mir, auch wenn ich bei Hammer wie gesagt nicht so gut bewandert bin, vorstellen, dass man sie allgemein (auch) deshalb nicht im Bereich Noir verortet, weil sie für sich schon so ein starkes eigenes Subgenre bilden. Bei Hitchcock ist es ja ähnlich. Filme wie "Ich beichte" oder "Im Schatten des Zweifels" könnte man für sich genommen ohne Probleme auch als Film Noir ansehen. Aber die Hitchcock-Filme werden verbreitet ja auch wie eine Art eigenes Genre angesehen und daher weniger im Film Noir-Kontext besprochen.
Schön, dass du dir schon mal einen Film aus der Box vorgenommen hast und dir "Ministerium der Angst" so gut gefallen hat. Von der Güte gibt es zum Glück noch einige mehr in der Kollektion, du kannst dich also freuen. Falls du Zeit und Muße findest, würde ich mich über eine Rezenson freuen.
Vor wenigen Tagen ist mit "Mördersyndikat San Francisco" (Hoodlum Empire) übrigens ein weiterer Film Noir auf DVD erschienen. Die Kritik bei "Der Film Noir" liest sich allerdings nicht so vielversprechend. Kann hier irgendwer Gegenteiliges berichten oder die negative Kritik bestätigen?
Produktion: Hal B. Wallis, Jack L. Warner, USA 1942
Mit: Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, Claude Rains, Paul Henreid, Conrad Veidt, Sydney Greenstreet, Dooley Wilson, S. Z. Sakall, Peter Lorre, Madeleine Lebeau, Leonid Kinskey, Joy Page, John Qualen, Curt Bois Handlung:
Casablanca Ende 1941. Zahlreiche gestrandete Existenzen wollen auf der Flucht vor den Nazis Lissabon erreichen, sitzen aber nun in Nordafrika fest. Capitaine Louis Renault ist Polizeichef in Casablanca und sehr darum bemüht, in dieser nicht besetzten und vom Vichy-Regime verwalteten Zone nicht den Unmut der Deutschen aufkommen zu lassen. Dies gestaltet sich umso schwerer als der berühmte tschechoslowakische Widerstandskämpfer Victor Laszlo mit seiner wunderschönen Frau Ilsa ebenfalls dort auftaucht. Der Deutsche Major Strasser möchte alles in Bewegung setzten, Laszlo entweder zum Sprechen zu bewegen oder auszuschalten, was sich auf Casablancas neutralem Boden als schwierig erweist. Er setzt daher Capitaine Renault unter Druck. Als zentraler Treffpunkt fungiert das "Cafe Americaine" des Amerikaners Rick. Dieser ist nach einer gescheiterten Liebesbeziehung ein desillusionierter Zyniker geworden, der immer wieder betont keine Bereitschaft zu haben, für irgendjemanden den Kopf hinzuhalten und der jegliche Politik verachtet. Als sich Victor Laszlos Frau Ilsa als seine verflossene Liebe entpuppt, werden alte Wunden wieder aufgerissen, vor allem als das die Flucht beabsichtigende Paar ihn darum bittet ihnen jene Transitvisa zu geben, die durch den inzwischen exekutierten Mörder zweier Deutscher in Ricks Hände gelangt sind...
Anmerkungen:
Casablanca ist ein eindrucksvolles Zeitdokument der Kriegsjahre mit sehr viel Lokalkolorit und schöner Bildersprache. Humphrey Bogart fungiert hier in seiner wohl populärsten Rolle als desillusionierter Lokalbesitzer Rick, der ausgerechnet jene Frau wieder treffen muss, die ihm einst seine Träume zerstört hat. Er findet sich nun in einer durch politischen Druck extrem verzwickten Dreiecksbeziehung wieder, in der jeder den anderen, trotz einer geradezu ausweglos verfahrenen Situation, achtet und schätzt. Von seinen Gefühlen auf eine wahre Achterbahnfahrt geschickt, ringt Rick mit dem Gedanken Ilsa, die ihn nach wie vor liebt, wieder für sich zu gewinnen. Ihre Liebesbeziehung fand im Jahre zuvor in Paris statt, als Ilsa aufgrund einer Missinformation glaubte, ihren Gatten in einem Konzentrationslager verloren zu haben. Die Romanze wird in der Mitte des Films im Rückblick gezeigt. Nachdem die Nazis in Paris einmarschierten, floh der auf der schwarzen Liste der Deutschen stehende Rick nach Casablanca, wo die Fäden mit seiner Vergangenheit nun wieder zusammenlaufen. Er macht Renault den Vorschlag, Victor Laszlo zu verhaften und ihn selbst mit Ilsa flüchten zu lassen. Renault ist ein korrupter Opportunist - sicher kein Held, im Grunde aber keineswegs unmenschlich. Auch Rick ist im Herzen ein anständiger Kerl, der bei diversen Kriegen in den 30er-Jahren immer die Underdogs unterstützt hat. Trotz der gegenseitigen Wertschätzung zwischen den Nicht-deutschen Hauptfiguren entwickelt sich ein intensiver zwischenmenschlicher Spannungsbogen, der sich durch die wieder aufflackernde Liebe und den extremen Druck, unter den nun alle geraten sind, auf irgendeine Weise entladen muss.
Die liebreizende Ingrid Bergmann ist hier in ihrer Glanzzeit zu sehen, ebenso Humphrey Bogart als nach außen hin rauhbeiniger Zyniker, der aber seine menschliche Seite nicht zu unterdrücken vermag. Mit Claude Rains als zwar durchaus sympathischen aber doch moralisch nicht so ganz untadeligen und sarkastischen Polizeichef hat man bei der Besetzungsliste ebenfalls in's schwarze getroffen. Er ist einerseits zwar korrupt und opportunistisch, andererseits aber wiederum charmant und gewitzt und am Ende sogar loyal. Sein beißender Humor ist wirklich vom Feinsten und die Situationskomik regt besonders in jener Szene die Lachmuskeln an, in der ein Bediensteter ihm seinen Spielgewinn genau dann aushändigt, als er die Schließung der Bar wegen Glücksspiels verkündet. Als Nazioffizier agiert der Deutsche Immigrant Conrad Veidt (1893-1943), der bereits in der Stummfilmzeit von sich Reden machte und im wahren Leben ein entschiedener Gegner der Nazis war. Er darf im O-Ton einen starken deutschen Akzent zum Besten geben. Den Major Strasser stellt er streng, steif, verschlagen und kalt dar, sodass er fast schon wie eine Karrikatur eines unsympathischen SS-Offizieres wirkt. Peter Lorre tritt nur relativ kurz aber prägnant als Mörder zweier Deutscher auf, der für seine Tat mit dem Leben bezahlen muss. Natürlich suhlt sich der vorliegende Streifen im Propaganda, was sich dann auch noch in einem Gesangsduell zwischen "Lieb Vaterland" und "La Marsellaise" zuspitzt, das für Ricks Bar nicht ohne Folgen bleibt. Vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens wurde aber eine beeindruckende Geschichte mit viel Gefühl, Leidenschaft und Idealismus gewoben, was jenen Stoff liefert, der großes Kino ausmacht.
Fazit:
Casablanca ist aufgrund der ausgesprochen intensiv eingefangenen 40er-Jahre-Atmosphäre in den Bars und auf den Straßen vor dem Hintergrund des Krieges und den inzwischen legendär gewordenen Floskeln wirklich ein besonderer Film, was ich persönlich erst jetzt erkannt habe. Die schwere Prüfung, die das Schicksal sämtlichen Protagonisten aufgrund widrigster Umstände aufgezwungen hat, verleiht der Geschichte eine ganz besondere Spannung, Kurzweiligkeit und auch Rührseligkeit. Melodrama-,Kriegsabenteuer- und Thrillerelemente greifen ineinander und werden von einem ausnahmslos tadellos agierenden Darstellerensemble bedient. 4 von 5 Punkten.
Schöne Besprechung, "Casablanca" muss ich mir bei Gelegenheit auch mal wieder ansehen.
Irgendwo in der Nacht (Somewhere in the Night, USA 1946)
Regie: Joseph L. Mankiewicz
Darsteller: John Hodiak, Nancy Guild, Richard Conte u.a.
Film Noir Nummer 123:
Kriegsveteran George Taylor leidet unter Gedächtnisverlust. Auf der Suche nach seiner eigenen Identität stößt er schnell auf den Namen Larry Cravat, den er in der Folge beschließt, ausfindig zu machen. Es stellt sich heraus, dass Cravat einen Raubmord begangen hat und noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs untergetaucht ist. Aus diesem Grunde ist Taylor nicht der einzige, der auf der Suche nach Cravat ist, und gerät schon bald in größte Gefahr...
Die Suche nach der eigenen Identität ist ein Leitmotiv, das sich durch viele Filme der Schwarzen Serie zieht und bietet stets eine interessante Ausgangssituation für einen spannenden Thriller. Erst recht, wenn im Laufe der Handlung Zweifel an der Hauptfigur aufkommen, für die man nicht zuletzt aufgrund ihres schweren Schicksals sogleich Sympathien empfindet. Auf diesem Level funktioniert „Irgendwo in der Nacht“ recht gut, wenngleich Joseph L. Mankiewicz im weiteren Verlauf seiner Karriere wesentlich ambitioniertere Filme inszenieren sollte („Der Hass ist blind“, „Alles über Eva“). Was dem Film ein wenig abgeht, ist Zugkraft in der Hauptrolle. John Hodiak müht sich, ist jedoch kein Darsteller vom Format eines Burt Lancaster oder Richard Widmark, die aus einem derartigen Film mit ihrem Charisma noch weitaus mehr hätten herausholen können. Die finale Auflösung kommt zudem wenig überraschend. Dafür überzeugt Nancy Guild in einer positiv besetzten Frauenrolle mit sympathischem Spiel und einer erinnerungswürdigen Gesangseinlage gegen Mitte des Films. In einer Nebenrolle ist der im Bereich Film Noir viel beschäftigte Richard Conte („Gardenia“, „Geheimring 99“) zu sehen.
In Deutschland ist der Film nie in die Kinos gekommen, aber immerhin wie so viele Werke dieser Gattung in den 1970er-Jahren im TV ausgestrahlt worden. Eine DVD- und Blu-Ray-Auswertung fehlt hierzulande bis heute.
„Irgendwo in der Nacht“ punktet durch einen simplen, aber spannenden Plot, eine solide Inszenierung sowie gute Leistungen von Nancy Guild und Richard Conte. Mit einer besseren Besetzung in der männlichen Hauptrolle wäre allerdings noch mehr drin gewesen. 4 von 5 Punkten.
Darsteller: Ida Lupino, Cornel Wilde, Richard Widmark, Celeste Holm u.a.
Film Noir Nummer 124:
Die Sängerin Lily Stevens wird von Nachtclub-Eigentümer Jefty Robins für abendliche Auftritte engagiert. Jefty ist begeistert von Lily und macht ihr Avancen, die sie jedoch nicht erwidert. Weniger überzeugt ist zunächst Pete Morgan, Jugendfreund Jeftys und Manager des Clubs. Als Jefty einige Tage verreist ist, kommen sich Lily und Pete allerdings näher. Jefty, der inzwischen beschlossen hat, Lily einen Heiratsantrag zu machen, kocht nach seiner Rückkehr vor Wut und versucht alles, um dem neuen Glück im Weg zu stehen...
Ida Lupino gilt als erste Regisseurin eines Film Noirs, hat aber auch als Schauspielerin in einigen Werken der Schwarzen Serie mitgewirkt. In der vorliegenden Produktion von 20th Century Fox übernahm sie die Hauptrolle der „Nachtclub-Lilly“. Auch wenn Lupino nicht mit der besten Gesangsstimme gesegnet ist, geraten ihre Gesangs-Nummern durchaus stimmungsvoll. Ansonsten lässt Regisseur Jean Negulesco den Zuschauer lange im Unklaren, in welche Richtung sich der Film hinbewegen wird. Dennoch fällt die erste Hälfte keineswegs langweilig aus. Dafür sorgen nicht nur die Gesangsnummern, sondern vor allem die gelungenen Dialoge zwischen Lupino und Filmpartner Cornel Wilde („Geheimring 99“, „Todsünde“). Die zweite Filmhälfte gehört dann ganz klar Richard Widmark, der wie schon zuvor in seinem ersten Filmauftritt in „Der Todeskuss“ mit voller Hingabe einen Psychopathen mimen darf. Hier entwickelt sich der Film zum klassichen Thriller und hält einen spannenden und gut gefilmten Showdown parat. Insgesamt ist der Film nicht zuletzt wegen der prominenten Besetzung Freunden der Schwarzen Serie zu empfehlen.
Klassische Dreicksgeschichte mit einem hingebungsvoll aufspielenden Richard Widmark als abgedrehter Fiesling. 4,5 von 5 Punkten.