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Dieses Thema hat 581 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Ray Offline



Beiträge: 1.930

07.12.2015 21:20
#256 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Zwei Dinge sind mir noch aufgefallen:

1.) In allen Inhaltsangaben ist immer von "Staatsanwalt" Ferguson die Rede, in der Synchronisation heißt es hingegen stets Inspektor. Handelt es sich dabei um einen Fehler in der Synchronisation?

2.) Laut wikipedia "beträgt die Lauflänge je nach Fassung etwa 81-87 Minuten". Zudem habe er eine FSK 18-Einstufung. Die DVD von Studio Canal (Arthaus) hat eine Lauflänge von 81 Minuten und ein FSK 16-Siegel. Ist der Film auf DVD also gekürzt und wenn ja, an welchen Stellen?

Ray Offline



Beiträge: 1.930

09.12.2015 22:46
#257 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Geheimnis hinter der Tür (USA 1948)

Regie: Fritz Lang

Darsteller: Joan Bennett, Michael Redgrave, Barbara O´Neil u.a.



Film Noir Nummer 26:


Celia (Joan Bennett) hat gerade einen geliebten Menschen verloren, sucht nach Halt im Leben und findet diesen vermeintlich in ihrer Urlaubsbekanntschaft Mark (Redgrave). Kurz entschlossen heiraten die beiden und ziehen in Marks Haus in der Nähe von New York, in dem ein Sohn aus verschwiegener erster Ehe und eine mysteriöse Haushälterin noch scheinbar die harmlosesten Überraschungen darstellen...

Die oftmals gezogene Parallele zu Hitchcocks "Rebecca" ist durchaus erkennbar, denn auch hier zieht eine Frau nach überstürzter Heirat in das Anwesen eines Mannes, in dem die Nachwirkungen der ersten Frau noch nicht abgeklungen erscheinen. Auch das Ende ist ähnlich. Insoweit ist mir aufgefallen, dass Lang selten vor einem "Happy End" zurückschreckt, gerade in diesem Film wirkt es für meine Begriffe ein wenig aufgesetzt.

Dennoch empfinde ich den Film Langs im Vergleich zu "Rebecca" als das reizvollere Werk. Erstens kommt Langs Film nicht so harmlos daher wie "Rebecca". Zweitens ist die weibliche Hauptfigur nicht ganz so naiv. Drittens ist der Film optisch reizvoller. Die Szene, als Bennett das Geheimnis hinter der Tür lüftet, ist ein optischer Leckerbissen, der mehr Spannung bietet als "Rebecca" insgesamt. Viertens ist Langs Werk inhaltlich mutiger geraten, geht mehr in die "Tiefe" und zeichnet ein interessantes Psychogramm, welches der Regisseur mit den Mitteln des Films effektvoll illustriert, so etwa in der Szene der fiktiven Gerichtsverhandlung oder in der anfänglichen Trauungsszene, in der Mark aus einem Schatten hervortritt. (Da ich nicht spoilern will, verrate ich an dieser Stelle nicht mehr.) Überhaupt ist die Ausleuchtung der Szenen der in Siodmaks "Die Wendeltreppe" nahezu ebenbürtig. Die Erzählungen aus dem Off verstärken noch weiter die Dichte an Impressionen, welche der Zuschauer von den Figuren erhält.

Insgesamt bietet der Film nach etwas Anlauf kurzweilige, ambitionierte und spannende Unterhaltung. Dies sah man gleichwohl anno 1948 anders. Von der Kritik geschmäht, wurde der Film ein finanzieller Misserfolg und erblickte hierzulande nie das Licht der Kinolandschaft, sondern wurde erst mehr als zwanzig Jahre später im Westdeutschen Rundfunk erstmals gezeigt.

Zur DVD von Filmjuwelen sei gesagt, dass sie den Film ungekürzt präsentiert, wobei die einst - aus unverständlichen Gründen - geschnittenen Szenen (ca. 25 Minuten) untertitelt sind. Dies hat freilich die leidige konsequenz, dass die Sprache häufig - auch innerhalb einzelner Szenen - wechselt, wobei man Filmjuwelen keinerlei Vorwurf machen kann, besser hätte man das Problem kaum lösen können. Eine Teilsynchronisation wäre unschön, eine gänzlich neue kommt beim Zielpublikum auch selten gut an und der Film in gekürzter Fassung dürfte kaum nachvollziehbar sein. Die Bildqualität ist fast ohne Fehl und Tadel. Lobend erwähnt sei noch das Booklet, welches für Filmjuwelen überdurchschittlich gut geraten ist, weil es nicht nur Biografien und Inhaltsangaben enthält, sondern auch interessante analytische Anmerkungen.


"Geheimnis hinter der Tür" ist ein inhaltlich und visuell anspruchsvolles und mutiges Werk Fritz Langs, das wesentlich besser ist als sein Ruf. Das würdige ich entsprechend mit 4,5 von 5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

11.12.2015 21:37
#258 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Gewagtes Alibi (USA 1949)

Regie: Robert Siodmak

Darsteller: Burt Lancaster, Yvonne DeCarlo, Dan Duryea u.a.



Film Noir Nummer 27:


Steve (Burt Lancaster) kehrt aus Sehnsucht zu seiner Ex-Frau nach mehreren Jahren nach L.A. zurück. Diese hat inzwischen mit dem Gangster-Boss angebandelt. Eine für den Film Noir prädestinierte Dreieckskonstellation, die sich verkompliziert, als die drei einen gemeinsamen Coup aushecken...

Eine im Grunde genommen simple Story erzählt das vorliegende Gangsterepos und doch ist der Film etwas Besonderes. Das Duo Siodmak/Lancaster, welches schon zwei Jahre zuvor in "Die Killer" hervorragend funktioniert hat, "liefert wie bestellt", denn "Gewagtes Alibi" ist noch besser als ihr Erstling. Lancasters Darstellung sprüht nur so vor Menschlichkeit, selten kann man sich im Film Noir dermaßen in eine Figur hineinversetzen. Er wird von der umwerfend schönen Anna (DeCarlo) magisch angezogen und stürzt so ins Verderben. Großes Kino! Das trifft auch einmal mehr auf Siodmaks Regie zu. Seine Inszenierung ist edelste Fotografie. Er komponiert derart traumhafte Bilder (Überfall in Rauchschwaden,Szenen in der Bar, im Krankenhaus, Szene mit Steve und Anna vor der Bar, Anna am Klavier sitzend...), dass der geneigte Filmfreund unweigerlich ins Strahlen und bei Schilderung der Bilder ins Schwärmen gerät. Siodmak setzt mit seiner Regie Standards, an die kaum einer seiner Kolegen heranreicht. Ihm gelingt es, nach spannendem Einstieg genau im richtigen Moment das Tempo herauszunehmen, um in Rückblenden zu erzählen, wie es zum bisherigen Stand der Geschichte kam. Etwa zwanzig Minuten vor Schluss, passend zum Finale, knüpft er wieder an den Anfang an. Durch diesen einfachen Kniff erhält die eigentlich einfache Story mehr Tiefe, wobei die Rückblenden den Film nicht übermäßig verschachteln, wie es sonst gelegentlich im Noir vorkommt. Schließlich sei noch erwähnt, dass das Ende für die damalige Zeit ungemein konsequent ist und sich vom sonst noch vorherrschenden, tradierten "Happy End-Einerlei" wohltuend abhebt. Die Musik gerät in jeder Lage des Films passend.

Was die Darsteller betrifft, so konzentriert sich freilich alles auf die Dreieckskonstellation Lancaster/DeCarlo/Duryea. Duryea, im Film Noir ein gern gesehener Gast, gibt als schmieriger Gangsterboss das entsprechende Gegengewicht zum sympathischen Steve. DeCarlo ist die klassische "Femme Fatale", wie sie im Buche steht. Im Vergleich zu Ava Gardner in "Die Killer" erscheint sie noch reizvoller.


Die vorherigen Zeilen lassen es erahnen: "Gewagtes Alibi" ist ein perfekter Film Noir: eine klassische Dreieckskonstellation inklusive hinreißender "Femme Fatale", eine vollkommene Inszenierung und ein stimmiges Finale. Folglich kann die Wertung nicht anders als 5/5 ausfallen.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

13.12.2015 19:15
#259 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

The Treasure of the Sierra Madre (Der Schatz der Sierra Madre, 1948)



Filmdaten:
Deutscher Titel: Der Schatz der Sierra Madre
Originaltitel: The Treasure of the Sierra Madre
Produktionsland: USA
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 1948
Länge: 121 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Stab:
Regie: John Huston
Drehbuch: John Huston
nach einem Roman von B. Traven
Produktion: Henry Blanke
Musik: Max Steiner
Kamera: Ted McCord
Schnitt: Owen Marks

Besetzung:

Humphrey Bogart: Fred C. Dobbs, Walter Huston: Howard, Tim Holt: Bob Curtin, Bruce Bennett: James Cody, Barton MacLane: Pat McCormick, Alfonso Bedoya: Gold Hat, Arturo Soto Rangel: El Presidente, Manuel Dondé: El Jefe, Robert Blake: Losverkäufer, Ann Sheridan: Passantin

Handlung:


Die mexikanische Stadt Tampico im Jahre 1925: Der amerikanische Verlierer und Glücksjäger Dobbs schlägt sich als Schnorrer durch den Alltag, bis er eines Tages einen temporären Job beim Bauunternehmer McCormick ergattert, wo er sich mit dem jungen Landsmann Bob Curtin, ebenfalls einer gestrandeten Existenz, anfreundet. Nach Beendigung des Bauprojekts enthält ihnen McCormick unter einem Vorwand ihren Lohn vor und vertröstet sie auf ein späteres Treffen, wo er allerdings nicht erscheint. Sie erblicken ihn jedoch später auf der Straße und schlagen ihn in einer Bar zusammen, wo sie anschließend das ihnen zustehende Geld aus seinem Portemonnaie nehmen. Bereits vorher lernten sie in einer heruntergekommenen Herberge den alten Howard, einen erfahrenen aber dennoch abgebrannten Goldgräber, kennen, der ihnen den Mund wässrig machte. Schließlich begibt sich das Trio auf Goldsuche und findet tatsächlich eine Ader. Allerdings entwickelt Dobbs sehr bald eine krankhafte Paranoia und bildet sich grundlos ein, seine beiden Kumpanen wollen ihn hintergehen. Dieser Eindruck wird verstärkt, als Curtin einen Stein umwälzen will, unter den eine gefährliche Echse gekrochen ist. Es ist zufällig dieselbe Stelle, wo Dobbs sein Gold vor den anderen versteckt hält. Als Curtin sich in die Stadt begibt, um Proviant zu holen, trifft er auf den Amerikaner James Cody, der von dem Goldfund ahnt und ihm in's Lager folgt. Er erklärt den Dreien, dass sie nun drei Möglichkeiten hätten, nämlich ihn umzubringen, davonzujagen oder am künftigen Fund zu beteiligen. Dabei führt er schlüssig aus, dass Variante 3 die vernünftigste währe. Auf Dobbs Drängen hin entscheiden sie sich dennoch für Mord, wozu es aber nicht kommt, da gefährliche Banditen heranrücken, die es zwar nicht auf das Gold, aber auf die Waffen abgesehen haben. Es folgt eine Schießerei, bei der Cody sein Leben verliert. Dobbs, Curtin und Howard haben Glück, da ein Trupp Soldaten heranrückt, welcher die Banditen zur Flucht zwingt, sie selbst jedoch nicht erblickt. Nachdem die Ader ausgebeutet ist, begibt sich das Trio auf den Rückweg, trifft dabei aber einige Indios, die Howard um Hilfe bitten, da ein Junge im Dorf mit dem Tod ringt, nachdem er aus dem Wasser gezogen wurde. Howard kann dem Jungen tatsächlich helfen und die Indios bestehen darauf, dass er einige Tage bei ihnen bleibt. Er willigt ein und bittet seine zwei Kumpanen, für ihn das Gold zu transportieren. Dobbs steigert sich allerdings mehr und mehr in seine Paranoia hinein, will sich Howards Anteil unter den Nagel reißen und beschuldigt Curtin, ihn umbringen zu wollen. Schließlich streckt er seinen Partner mit 2 Schüssen nieder und zieht alleine mit dem ganzen Gold weiter, doch sollte dieses ihm kein Glück bringen...

Anmerkungen:

"The Treasure of the Sierra Madre" ist ein Abenteuerstreifen im Film-Noir-Stil. Im Mittelpunkt steht der von Humphrey Bogart (1899-1957) gespielte charakterlich labile Verlierertyp Fred C.Dobbs. Dieser ist zu Beginn noch mit Skrupel behaftet und hat Anstand genug, zusammen mit Curtin dem betrügerischen Bauunternehmer McCormick nur den ihnen zustehenden Geldbetrag abzunehmen. Nach dem Goldfund entwickelt er sehr bald einen krankhaften Verfolgungswahn und wirft dabei auch jegliche moralische Bedenken über Bord. Schließlich geht es von ihm aus, neben der geplanten Ermordung des aufdringlichen Cody keine Alternative zuzulassen. Auch schießt er seinen Kumpel Curtin später kaltblütig mit 2 Kugeln nieder und führt, dem Wahnsinn nahe, einen interessanten inneren Monolog, nachdem sich die Stimme seines, immerhin noch vorhandenen, schlechten Gewissens meldet. Als der vermeintlich Tote am nächsten Morgen nicht mehr da ist, sucht er sichtlich beunruhigt nach stichhaltigen Erklärungen für das Verschwinden der Leiche, wie z.B., dass ein Tiger (in Mexiko???!!!) sie wohl mitgenommen hat. Das Verschwinden des Revolvers hinterfragt er dabei nicht.

Allerdings sind auch der von Tim Holt (1918-1973) gespielte Bob Curtin und der von John Hustons Vater Walter Huston (1884-1950) dargestellte Howard keine makellosen Charaktere. Immerhin schließen sie sich ohne allzu große Bedenken Dobbs Vorschlag an, Cody zu töten. Lediglich die durch das Heranrücken der Banditen veränderten Umstände verhindern, dass sie zu Mördern werden. Auch zögert Curtin einen Augenblick, bevor er Dobbs rettet, nachdem ein Stollen über ihm zusammenbricht. Curtins, mit einigen Abstrichen, einigermaßen rechtschaffener und jugendlicher Charakter bildet einen interessanten Gegenpol zu dem skrupellosen Dobbs. Der alte, lebenserfahrene, besonnene und vernünftige Howard ist wiederum der Gegenpart zu seinen beiden wesentlich jüngeren und naiveren Begleitern.

Erwähnenswert ist auch die Mitwirkung des deutschstämmigen Herman Brix/Bruce Bennett (1906-2007) als James Cody. Als Kugelstoßer war er bei den Olympischen Spielen 1928 dabei, wo er die Silbermedaille gewann. Dieser Ruhm führte dazu, dass er 1935, parallel zu Johnny Weismüller, in dem Serial "The New Adventures of Tarzan" als Tarzan besetzt wurde. Er war auch ursprünglich anstelle von Johnny Weismüller für die Rolle vorgesehen, brach sich dann aber eine Schulter. 1938 spielte er in dem Serial "Hawk of the Wilderness" einen ähnlichen Dschungelhelden namens Kioga. In Deutschland wurde dabei ein Etikettenschwindel betrieben und dieses Serial ebenfalls als Tarzan-Geschichte vermarktet. Ab 1939 nannte er sich Bruce Bennett und schaffte auch den Sprung zu anspruchsvolleren Rollen. Er Starb 2007 im Alter von 100 Jahren.

Auch Regisseur John Huston (1906-1987) bekleidete eine kleine Rolle. Dobbs gerät, während er auf der Straße um Geld bettelt, dreimal an den gleichen Mann, ohne es zu merken. Dieser wird von John Huston selbst gespielt und gibt ihm beim dritten Mal zwei Münzen, mit dem Ratschlag, sich auf eigene Beine zu stellen und ihn in Zukunft nicht mehr zu belästigen.

Die Geschichte zeigt, was die Aussicht auf plötzlichen Reichtum aus nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehenden Menschen machen kann und dass die größte aller Gefahren in der menschlichen Natur liegt. Dobbs hat zwar das gesamte Gold in seinen Besitz gebracht, doch wird ihm dies kein Glück bringen, da er nun völlig auf sich allein gestellt mit Bedrohungen konfrontiert wird, die nur von einer wie Pech und Schwefel zusammenhaltende Gruppe bewältigt werden können.

Der Film war für seine Zeit sehr untypisch und erlangte erst im Laufe der Jahre und Jahrzehnten die angemessene Wertschätzung. Zum Zeitpunkt seiner Uraufführung hatte er leider nicht den verdienten Erfolg. Das lag wohl daran, dass Bogart nicht so zu sehen war, wie ihn seine Fans kannten. Er ist hier weder strahlend noch heldenhaft, sondern völlig heruntergekommen. Außerdem ist der Streifen ausgesprochen düster und pessimistisch, hat kein Happy-End und zeigt auch keine Liebesgeschichte. Vielmehr ist er eine Abrechnung mit dem Kapitalismus und seinen Auswüchsen.

Sehr mysteriös und verschleiert ist die Identität des Autors B.Traven (1882-1969). Hinter dem Pseudonym verbirgt sich vermutlich der deutsche Theaterdarsteller und Anarchist Otto Feige. Am Set von "The Treasure of the Sierra Madre" sollte B.Traven erscheinen, wurde aber von seinem Agenten Hal Croves vertreten. Heute wird angenommen, dass B.Traven, Hal Croves und Otto Feige ein und dieselbe Person sind. Dennoch gibt es auch gegenteilige Meinungen. John Huston selbst zweifelte daran, dass Hal Croves B.Traven war, da er ihm dies aufgrund seines wenig eindrucksvollen Auftretens ganz einfach nicht zutraute. Croves hat immer verneint B Traven zu sein, sich aber so verhalten, dass der Schluss naheliegend sein musste.

Fazit:

Hochspannender und reizvoll inszenierter Abenteuer-Noir um Paranoia, Habgier und einen vom Winde verwehten Goldschatz. 5 von 5.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

13.12.2015 23:01
#260 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Schwarzer Engel (USA 1946)

Regie: Roy William Neill

Darsteller: Dan Duryea, June Vincent, Peter Lorre u.a.



Film Noir Nummer 28:


Eine Sängerin wird tot aufgefunden, ein Mann wird verhaftet und zum Tode verurteilt. Seine Frau versucht nun alles, um seine Unschuld zu beweisen...

"Zeuge gesucht", so könnte man die ersten Minuten des Films zusammenfassen. Auch im 1944 von Robert Siodmak inszenierten Noir wird ein Mann fälschlicherweise des Mordes beschuldigt und bedarf des überobligatorischen Einsatzes einer ihn liebenden Dame, um noch Hoffnung auf Freiheit zu bekommen. In "Zeuge gesucht" wird relativ schnell klar, dass die "Retterin" ein Bündnis mit dem falschen Mann eingegangen ist, vorliegend wird der Täter erst spät entlarvt. Dennoch ist das Geschehen in "Zeuge gesucht" deutlich spannender, gerade weil man weiß, "wie der Hase läuft" bzw. laufen wird oder kurz: wegen der "Suspense". Hier ist der Kreis der potentiellen Mörder äußerst überschaubar, gleichwohl schickt das Drehbuch den Zuschauer nicht ungeschickt aufs Glatteis, so dass die Auflösung einigermaßen überzeugend gerät. Inhaltlich gleicht der Film über weite Strecken einem "klassischen Krimi", wobei die Noir-Elemente an den entscheidenden Stellen umso mehr hervortreten und so einen gelungenen Kontrast bieten.

Dan Duryea, den ich erst unlängst zweifach in Nebenrollen als schmierigen Fiesling gesehen habe, bekam hier die Chance, sich einmal in einer Hauptrolle zu beweisen. Leider fehlt ihm "das gewisse Etwas", um diese vielschichtige Rolle adäquat auszufüllen, die eindimensionalen Rollen scheinen ihm mehr zu liegen. Noch weniger positiv wird mir June Vincent in Erinnerung bleiben, die zu wenig Charme entwickelt, als man mit ihr in dem Maße mitfiebern würde wie mit einer Ella Raines in "Zeuge gesucht". So verbleibt letzten Endes nur Peter Lorre als schauspielerisches Pfund, der eine gewohnt erstklassige Leistung abliefert.

Ansonsten möchte ich den gelungenen Vorspann, der die Hauptfiguren mit Bild vorstellt, sowie die dynamische Kamerafahrt in der Eingangssequenz, in der vom Straßenrand hoch durch ein Fenster in ein oberes Stockwerk zum baldigen Tatopfer hineingefilmt wird,als Pluspunkte nennen. Ein für die damalige Zeit bemerkenswerter Effekt, den man in ähnlicher Form zwei Jahre später in "Spiel mit dem Tode" präsentiert bekommen würde. Im Übrigen bewegt sich die Inszenierung jedoch mangels ewähnenswerter Einfälle nur auf durchschnittlichem Niveau.


"Schwarzer Engel" ist ein solider Noir, der den Vergleich zum storytechnisch ähnlichen "Zeuge gesucht" jedoch in jeder Hinsicht verliert. 3,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

20.12.2015 21:11
#261 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Katzenmenschen (USA 1943)

Regie: Jacques Tourneur

Darsteller: Simone Simon, Kent Smith, Tom Conway, Jack Holt u.a.



Film Noir Nummer 29:


Eine zurückgezogene Frau und ein lebensfroher Mann lernen sich im Zoo kennen und heiraten kurz darauf. Doch die Frau hat mit inneren Dämonen zu kämpfen, die mehr und mehr nach außen dringen...

Ich persönlich würde ihn schon als Film Noir bezeichnen, zumal die Genregrenzen insoweit ja ohnehin sehr weit abgesteckt sind. "Katzenmenschen" wartet mit einer im wahrsten Sinne des Wortes "fabelhaften" Story auf, die von Regisseur Tourneur in prägnanten schwarzweißen Bildern erzählt wird. Mit Licht und Schatten kreiert er mehr Grusel als manch expliziter Horrorfilm. Die Erzählung gerät angesichts der kurzen Lauflänge von ca. 70 Minuten naturgemäß sehr dicht, dennoch sind die wesentlichen Charaktere, insbesondere die Rolle der Hauptfigur, sehr differenziert herausgearbeitet, so dass sich Momente der Stärke und Schwäche abwechseln. Highlights sind sicher die Verfolgungsjagd durch die Straße und die Szene im Schwimmbad auf Seiten der Gruselszenen sowie Simons Seelenstriptease in der Badewanne auf der anderen Seite. Alles in allem kommt das Ensemble äußerst sympathisch rüber. So lässt sich im Endeffekt auch verschmerzen, dass der Grund für die Dämonen der Hauptfigur weitgehend dunkel bleiben.


"Katzenmenschen" bietet eine ungewöhnliche, übernatürliche Geschichte, welche dank der prägnanten Inszenierung und des sympathischen Schauspiels dennoch nie lächerlich wirkt. 4,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

21.12.2015 21:48
#262 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Goldenes Gift (USA 1947)

Regie: Jacques Tourneur

Darsteller: Robert Mitchum, Jane Greer, Kirk Douglas u.a.



Film Noir Nummer 30:


Ein Mann führt ein scheinbar beschauliches Leben auf dem Lande, wird aber bald von seiner Vergangenheit eingeholt. Einst hatte er einen Auftrag als Privatdetektiv nicht entsprechend ausgeführt, weil er sich von dem "Ziel", einer verführerischen Dame, hatte um die Finger wickeln lassen. Mit einem zweiten Auftrag soll er alles wiedergutmachen. Doch dieser ist ein Falle...

Was folgt, ist ein nicht immer leicht zu durchschauenes Netz aus Lügen und Intrigen. Die Hauptfiguren des Films sind so noir, wie es nur geht. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum der Film heute einen solch guten Ruf genießt. Jane Greer ist eine Femme Fatale par excellence. So schön, aber auch so böse. Kirk Douglas kann in der Rolle des Gangsterbosses mit seiner durchtriebenen Spielweise an seine hervorragende Leistung aus "Die seltsame Liebe der Martha Ivers" anknüpfen, für den er zuvor vor der Kamera stand. Mit Robert Mitchum habe ich persönlich weiter so meine Schwierigkeiten. Bereits in "Engelsgesicht" war er für mich einer der Schwachpunkte und auch hier wirkt er über weite Strecken teilnahms- und lustlos. Möglicherweise ist das einfach seine Interpretation von "Coolness", bei mir kommt sie jedenfalls (noch) nicht gut an.

In Bezug auf die Inszenierung habe ich natürlich "Katzenmenschen" noch unmittelbar vor Augen und so fällt auf, dass Tourneur auch hier Licht und Schatten äußerst effektvoll einzusetzen weiß. Geradezu ein Musterwert an Spannung stellt die Szene, die zur Tötung Fishers führt, dar: die beiden ehemaligen Partner prügeln sich, wobei Jane Greer eingeblendet wird und auf bzw. hinter ihr die Schatten der beiden "Prügelknaben" zu sehen sind. Eine äußerst virtuose Art, eine Schlägerei filmisch umzusetzen.

Ansonsten geht dem Film gegen Ende ein wenig die Luft aus. Vieles erscheint vorhersehbar. Eine Rückkehr Mitchums zu seinem "Naivchen vom Lande" scheint ausgeschlossen, überhaupt bleiben im Grunde keine Charaktere mehr übrig, mit denen sich der Zuschauer identifizieren kann, so dass er die finalen Geschehnisse einigermaßen gleichgültig hinnehmen kann.


"Goldenes Gift" bietet einen wendungsreichen Plot, eine bisweilen virtuose Inszenierung und überwiegend ansprechende darstellerische Leistungen. Aufgrund der weniger überzeugenden Darbietung Robert Mitchums und des etwas schwächeren letzten Drittels jedoch "nur" 3,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

22.12.2015 21:29
#263 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Gilda (USA 1946)

Regie: Charles Vidor

Darsteller: Rita Hayworth, Glenn Ford, George Macready u.a.



Film Noir Nummer 31:


Als ein Glücksspieler namens Johnny Farrell (Glenn Ford) wegen Falschspiels in Buenos Aires auffällt und bedroht wird, hilft ihm ein wohlhabender Mann (George MacReady) aus der Patsche. Der Mann, Mundson, nimmt ihn mit in sein Casino und gibt ihm eine Anstellung. Er vetraut ihm für die Zeit einer Geschäftsreise sogar sein Etablissement an. Doch als Mundson von der Geschäftsreise zurückkehrt, ist alles anders. Er hat die verführerische Gilda (Rita Hayworth) geheiratet. Gilda ist eine Verflossene Farrells...

Willkommen in der für den Noir typischen Dreieckskonstellation, bei der von Anfang klar ist, dass allenfalls zwei Figuren gesund und munter den Film überleben. Ein Film Noir, dessen Titel einen Frauennamen trägt, der aus fünf Buchstaben besteht. Laura? Ja, aber es gibt eben auch Gilda! Gilda verkörpert von Rita Hayworth ist - natürlich - eine "Femme Fatale" wie sie im Buche steht. Gelocktes Haar, laszive Blicke, leidenschaftliche Worte von sich gebend, mit einem Schmollmund ausgestattet, gerne eine Zigarette im Mund, singen und tanzen kann sie natürlich auch.

Die Story ist nicht der Rede wert und trägt auch kaum die 107 Minuten Film, die überdies mit einem nur bedingt überzeugenden Finale enden. Dieser Film lebt eindeutig von der Hassliebe der Protagonisten, insbesondere der zwischen Gilda und Johnny. Die gemeinsamen Szenen prickeln und brodeln und flackern nur so, eine Eskalation scheint stets unmittelbar bevor zu stehen. Rita Hayworth reißt dabei das Geschehen vollkommen an sich, nicht nur in der legendären Striptease-Szene. Dies ahnte auch Humphrey Bogart und lehnte daher eine Rolle ab.

Die Inszenierung von Charles Vidor ist ansprechend ausgefallen, insbesondere gelangen ihm einige sehr gelungene Licht/Schatten-Kontrastaufnahmen zwischen den führenden Akteuren.


"Put the blame on Gilda": one woman-Show von Rita Hayworth. 4/5 Punkten.

Tarzan Offline



Beiträge: 1.038

24.12.2015 18:54
#264 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Vorankündigung zum Thema:

In einer Bar in Mexiko… mit Robert Mitchum

Eine Cantina irgendwo in Mexiko. Gitarrenklänge im Hintergrund. Die Gäste sitzen träge in ihren Stühlen. Melancholie liegt in der Luft. An der Bar ist ein US-Amerikaner auszumachen: Robert Mitchum. Bald wird eine üppige Schönheit an dem Ort erscheinen. Dieses Szenarium ist ein beliebtes Bestandteil der Film Noirs mit Mitchum. Wie auch die Landschaften und Straßenzüge Mexikos im Allgemeinen. Szenenwechsel. Bridgeport im nördlichen Kalifornien am Highway 395. Der kleine, beschauliche Ort ist für den Großteil der Reisenden nur Durchgangsstation auf der Reise am Rande der kalifornischen Sierra Nevada. Lediglich Freunde des Fischfangs wissen die Gegend etwas mehr zu schätzen, sind die Seen und Bäche in der Umgebung doch ergiebige Fanggründe. Nicht so viel hat sich geändert, seit hier wichtige Szenen des berühmten Film-Noir-Klassikers OUT OF THE PAST (Goldenes Gift) mit Robert Mitchum entstanden.
Autor Reiner Boller begibt sich auf Spurensuche zum Film Noir mit Robert Mitchum nach Mexiko und Kalifornien. Das Erlebte ist in einem Reisebericht zusammengefasst. Ergänzt wird der Bericht aus staubigen und einsamen Gegenden oder mexikanischen Bars mit einem Einblick in die Produktion der Filmklassiker, auf den Mann an der Bar (Robert Mitchum), seine Femmes fatales, wie auch auf den Film-Noir-Schauplatz Mexiko. Ein Tequila-Abenteuer der geheimnisvollen Art anlässlich des 70. Jahrestages des Klassikers OUT OF THE PAST, den der Autor sehr schätzt.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

30.12.2015 16:50
#265 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Detour - Umleitung (USA 1945)

Regie: Edgar G. Ulmer

Darsteller: Tom Neal, Ann Savage, Claudia Drake u.a.



Film Noir Nummer 32:


Auf dem Weg nach Hollywood, um seine Geliebte zu heiraten und mit ihr ein gemeinsames Leben zu beginnen, ereignet sich aus der Sicht Al Roberts´ (Tom Neal) eine "Verkettung unglücklicher Umstände"...

Bereits in den ersten Szenen erkennt der Zuschauer dieses B-Films von Edgar G. Ulmer das fatalistische Moment: Al Roberts erscheint dem Zuschauer als desillusionierter, gebrochener Mann. Seine Blicke triefen nur so vor Melancholie. Als ein Gast in dem Lokal, in dem Roberts sitzt, die Jukebox anstellt, kommt es fast zur Eskalation. Entschuldigend gibt Roberts zu Protokoll, dass er das ausgewählte Lied nicht mehr möge. Früher hingegen mochte er dieses Lied. Er hatte sich mit dem Leben eines zweitklassigen Jazzpianisten arrangiert und hatte gar noch Ambitionen, zumindest im privaten Bereich. Roberts Schilderungen aus dem Off erzählen eine kleine große Geschichte, die Parabel eines Verlierers, der sich stets von den äußeren Umständen, die ihm wenig wohlwollend gesinnt sind, (Der Tod seiner Mitfahrgelegenheit zwingen ihn zur Flucht, die Frau, die er in der Folge seinerseits mitnimmt, macht ihm das Leben zur Hölle, was schließlich in einem zweiten "Unfalltod" endet.) unterkriegen lässt.

Natürlich merkt man dem Film an, dass das Budget niedrig und die Drehzeit nicht besonders lang waren. Doch aus diesen spärlichen Mitteln hat Regisseur Ulmer, frei von vielen Zwängen der Major Studios, ein Kleinod geschaffen, dass man so schnell nicht vergisst und mit einem vielfachen Budget kaum hätte besser werden können. Die Konzentration an Darstellern und Schauplätzen geben dem Werk eine selten anzutreffende Dichte.


Ulmers Parabel eines notorischen Verlierers zählt heute zurecht zu den besten Film Noirs aller Zeiten. 5/5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

06.01.2016 20:17
#266 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

BEWERTET: "Schock!" (Shock) (USA 1946)
mit: Vincent Price, Lynn Bari, Frank Latimore, Anabel Shaw, Michael Dunne, Renee Carson, Reed Hadley, Charles Trowbridge u.a. | Drehbuch: Eugene Ling nach einer Geschichte von Albert deMond | Regie: Alfred Werker



Belmont Arms, San Francisco: Die junge Janet Stewart mietet sich in dem Hotel ein, um dort auf die Ankunft ihres Ehemanns Paul zu warten. Leutnant Stewart hat seine Frau durch seinen Kriegseinsatz lange nicht gesehen. Da sich sein Flugzeug um zwölf Stunden verspätet, wird die Geduld seiner Frau erneut strapaziert. Als sie in der Nacht auf die Veranda ihres Zimmers tritt, beobachtet sie einen Streit im Haus gegenüber. Ein Mann erschlägt seine Frau mit einem Kerzenleuchter. Janet erleidet einen schweren Schock und wird von ihrem Mann bei dessen Rückkehr in die Obhut des Psychiaters Richard Cross übergeben. Was er nicht weiß: Dr. Cross ist der Mörder und findet bald heraus, dass Janet Zeugin seines Verbrechens wurde....

"Als Schock bezeichnet man auch die heftige seelische Reaktion (z.B. Erstarrung, Erregung) auf ein plötzliches, überwältigendes Ereignis." (Brockhaus)

Die Themen Isolation und Einsamkeit werden durch die subtile Zeichnung der Figuren explizit betont. Im Mittelpunkt dieser die Person angreifbar machenden Situation steht Janet Stewart (Anabel Shaw), deren Verzweiflung aus der Ungewissheit über den Verbleib ihres Mannes resultiert. Dadurch ist sie von Beginn an geschwächt und empfänglich für negative Ereignisse, da sie diese unbewusst vorwegnimmt. Ihre Alpträume ebnen den Weg für die Hilflosigkeit, mit der sie auf den Mord im Haus gegenüber reagiert. Die Konfrontation mit der realen Gewalt, die sie als Zuschauerin erlebt, betont die Sensibilität dieser Frau, deren Existenz von ihrer Liebe zu Paul dominiert wird. Ihre indirekte Gegenspielerin ist Schwester Jordan (Lynn Bari), deren Willenskraft bereits zur Beseitigung ihrer Rivalin Mrs. Cross geführt hat. Ihr Einfluss auf Richard Cross ist beachtlich und hat aus dem kompetenten Arzt einen Zerrissenen gemacht, dessen Überlegungen zwischen der skrupellosen Selbstsucht seiner Geliebten und seinem (auch durch den hippokratischen Eid bedingten) Gewissen hin-und herpendeln.

Ein beliebtes Sujet des Psychothrillers ist die Annahme, dass einem Arzt besonders viele Möglichkeiten zur Verfügung stehen, einen unliebsamen Gegner zu beseitigen. Durch seinen Zugang zu lebenserhaltenden, aber auch lebensvernichtenden Mitteln, erhebt er sich zum Herr über Leben und Tod und stellt somit für seine Patienten Rettung oder Gefahr dar. Ein Sanatorium als Gefängnis für Widersacher und Brutstätte von Verbrechen gehört auch bei prominenten Kollegen wie Dr. Mabuse zum guten Ton. Vincent Price, dessen maliziöser Charme sich in den Vierziger Jahren noch in distinguierten Bahnen bewegt, überzeugt als Dr. Richard Cross, der mit sich selbst um die Sinnhaftigkeit seines Tuns ringt. Statt ihn als kaltblütigen Mörder darzustellen, verleiht er seiner Figur Nachdenklichkeit, Gewissenskonflikte und Selbstreflexion. Sein Mienenspiel verrät die Zweifel ob der Richtigkeit seiner Handlungen, die durch seine Geliebte angefeuert wurden. Statt als dämonischer Schrecken zu agieren, hält der charismatische Schauspieler in seinen frühen Filmen mit Aktivismus zurück und bedient die feinen Töne. Die Unberechenbarkeit seines Geistes resultiert nicht aus dem in späteren Produktionen gern beschworenen Wahn, sondern aus der Introvertiertheit einer kultivierten Unnahbarkeit.

Mit rund 70 Minuten präsentiert sich "Schock" als kurzweilige Lektion in psychologischem Nervenkitzel, bedient sich aber zeitgleich aus der Requisite des klassischen Horrorfilms (Frankenstein-Verschnitt rebelliert während eines Gewitters), während ein Kriminalermittler den Mordfall zunehmend akribisch unter die Lupe nimmt. 5 von 5 Punkten

Gubanov ( gelöscht )
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06.01.2016 20:45
#267 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten



Schock! (Shock)

Kriminalfilm, USA 1945. Regie: Alfred L. Werker. Drehbuch: Eugene Ling. Mit: Vincent Price (Dr. Richard Cross), Lynn Bari (Krankenschwester Elaine Jordan), Frank Latimore (Lieutenant Paul Stewart), Anabel Shaw (Janet Stewart), Stephen Dunne (Dr. Stevens), Reed Hadley (Staatsanwalt O’Neill), Renee Carson (Miss Hatfield, Oberschwester), Charles Trowbridge (Dr. H.J. Harvey), John Davidson (Mr. Edwards), Ruth Clifford (Margaret Cross) u.a. Uraufführung (USA): 10. Januar 1946. Eine Produktion von Twentieth Century Fox.

Zitat von Schock!
Janet Stewart erwartet ihren Mann zurück aus Kriegsgefangenschaft. Vom Balkon ihres Hotelzimmers aus beobachtet sie am Vorabend seiner Rückkehr einen Mord. Ein Mann erschlägt seine Frau mit einem Kerzenständer. Am nächsten Tag entdeckt Paul Stewart seine Frau im Schockzustand. Er zieht den Nervenspezialisten Dr. Cross hinzu, ohne zu wissen, dass Cross der Grund für die Apathie seiner Frau ist – weil der Psychologe den Mord im Nebenzimmer beging. Nun setzt Cross alles daran, die lästige Zeugin auszuschalten. Einige Zufälle kommen ihm bei seinem Plan zupass, andere bringen ihn in unerwartete Gefahr ...


Der Verlust von Selbstkontrolle gehörte schon immer zu den beängstigensten Vorstellungen, die das Spannungs- und Horrorkino seinem Publikum präsentierte. Eine besonders heimtückische Form dieses Kontrollentzugs findet sich in jenen Filmen, in denen Protagonisten entgegen den Tatsachen für wahnsinnig erklärt werden sollen. Was auch immer die Betroffenen zu sagen haben – kaum einer hört ihnen zu, weil jede Rechtfertigung von Außenstehenden nur zu schnell im Leichtglauben an die Götter in Weiß als das Geschwafel einer Verrückten abgetan wird, vor allem wenn die betreffende Person schon vorher neurotisch veranlagt war. Der Arzt scheint sich in einer unantastbaren Position zu befinden und hält die Machtstellung inne, Besuchszeiten, Medikamentierung und Heilungsprozess nach Belieben zu beeinflussen, wenn die Grundsätze des Hippokratischen Eids erst einmal über Bord geworfen sind.

„Schock!“ präsentiert diese Genremerkmale in Reinform. Die Schritte, die Janet Stewart in die totale Abhängigkeit von Dr. Cross führen, sind schnell gegangen – der Film hält sich in seinen knappen 67 Minuten nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Die „Endstation Irrenanstalt“ kommt gebührend düster daher, wird als einsamer, sturmumtoster Ort mit gefährlichen Insassen und skrupellosem Personal gezeigt. Überraschend dabei: Cross ist nicht einmal der schlimmste Unmensch. Obwohl er von Vincent Price, dem Gruselbösewicht schlechthin, gespielt wird, agiert Cross nur nach den Anweisungen einer noiresken Femme fatale, die ihn zu immer neuen Vertuschungsaktionen anstachelt. Die Versuche, die eigene Haut zu retten, nehmen an Drastik und Dreistheit immer weiter zu und kulminieren in den nicht für sanfte Gemüter geeigneten Aufnahmen einer Insulinschocktherapie. Diese Szenen wirken für die damalige Zeit recht gewagt und sorgten nachvollziehbarerweise für einige negative Publicity:

Zitat von AFI Catalog: „Shock“ at Turner Classic Movies, Quelle
When Shock opened in New York in early March 1946, it generated a considerable amount of controversy because of its depiction of insulin shock therapy. In a special feature article, New York Times film critic Bosley Crowther condemned the film’s irresponsible treatment of psycho-therapy: „... there are thousands of veterans whose experiences during the war have rendered them more or less needful of psycho-therapy ... Confidence in the doctor is of vital importance ... a film such as Shock breeds just the opposite in distraught, suspicious minds.“ The medical profession also protested. In a letter to MPAA president Eric Johnston [...] the president of the American Psychiatric Association stated that the executive committee of the APA was of the opinion that Shock was „an unsuitable and undesirable picture to be shown to the general public and that it will do a good deal of harm.“


Auf die Freunde plakativen Medizingrusels werden die Szenen vom heutigen Standpunkt aus eher harmlos wirken, ebenso wie vom gesamten Film eine sehr distanzierte Wirkung ausgeht. Im Gegensatz zu vielen seiner Genregenossen spricht „Schock!“ gewisse Gegenwartsrealitäten zwar an, bewegt sich aber letztlich doch ganz dezidiert in einem Fantasievakuum, das sich aus verbildlichten Alpträumen und Klischees speist. Entsprechend erfüllen die Figuren effektiv die ihnen zugedachten Funktionen, ohne über das Notwendige hinaus ein Eigenleben zu entwickeln, wie man es von den Spitzenfilmen der Schwarzen Serie her kennt. Dies merkt man gerade den beiden Verbrecherfiguren an, die den ihnen in den Weg gelegten Hindernissen von Anfang an nicht gewachsen scheinen. Ihr Scheitern ist nicht allein Hays-Code-Vorgabe, sondern logische Konsequenz einer Selbstüberschätzung, die ruhigeren und clevereren Noir-Schurken in diesem Maße kaum passiert wäre.

Vincent Price in einer Musterrolle als böser Arzt, der von einer leider eher schwachen Lynn Bari zu Scheußlichkeiten am laufenden Band angesteckt wird. Einigermaßen ungeniert spielt „Schock!“ mit jenen Gruselelementen, die man mit Irrenhäusern für gewöhnlich assoziiert, ohne seine Sachlichkeit jemals ganz abzulegen oder gar gegen ein gänzlich unheimliches Flair auszutauschen. 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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10.01.2016 14:20
#268 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten



Tote schlafen fest (The Big Sleep)

Kriminalfilm, USA 1946. Regie: Howard Hawks. Drehbuch: William Faulkner, Leigh Brackett, Jules Furthman (Buchvorlage: Raymond Chandler). Mit: Humphrey Bogart (Philip Marlowe), Lauren Bacall (Vivian Rutledge), John Ridgely (Eddie Mars), Martha Vickers (Carmen Sternwood), Regis Toomey (Chief Inspector Bernie Ohls), Bob Steele (Lash Canino), Sonia Darrin (Agnes Lowzier), Louis Jean Heydt (Joe Brody), Tommy Rafferty (Carol Lundgren), Charles Waldron (General Sternwood) u.a. Uraufführung (USA): 23. August 1946. Uraufführung (BRD): 29. September 1967. Eine Produktion von Warner Bros.

Zitat von Tote schlafen fest
Privatdetektiv Philip Marlowe erhält von General Sternwood den Auftrag, den Erpresser seiner Tochter Carmen zu überführen. Bei nächster Gelegenheit stolpert Carmen in eine noch peinlichere Falle, als Marlowe sie neben der Leiche des Erpressers auffindet. Marlowe stößt darauf, dass nicht nur Carmen, sondern auch ihre Schwester Vivian in krumme Geschäfte von Falschspiel bis hin zu Mord verwickelt ist. Mit seinen Nachforschungen macht er sich vor allem den Bandenchef Eddie Mars zum Feind. Marlowe muss sich schon sehr anstrengen und manchmal auch auf die Hilfe Vivians vertrauen, um allen Mordanschlägen durch Mars’ Handlanger zu entgehen ...


„My, my, my! Such a lot of guns around town and so few brains!“ beklagt sich Philip Marlowe an einer Stelle im Film. Während man zwar durchaus eine gewisse Gehirnakrobatik an den Tag legen muss, um der Handlung lückenlos zu folgen, so trifft er damit doch den Kern des Geschehens, das sich in vielen Szenen auf die Frage „Wer schießt zuerst?“ beschränkt. Genau an dieser Toughness wird zwar landläufig der Noir-Wert festgemacht – „The Big Sleep“ gilt schließlich als eines der absoluten Zugpferde des Genres. Ob man sich davon aber nachhaltig beeindrucken lässt, wird ebenso wie die Beurteilung des erneut auf supercool getrimmten Humphrey Bogart davon abhängen, ob man den Noir eher als ein Genre des desillusionierten Fressens und Gefressenwerdens oder als ein Spielfeld elaborater und feinsinniger Kriminalrätsel betrachtet. Freunde letzterer Kategorie werden an „The Big Sleep“ trotz des verschachtelten Plots eher wenig Vergnügen haben.

Zitat von James Paris et al.: „The Big Sleep“ in „Film Noir: The Encyclopedia“, Overlook Duckworth, New York / London 2010, S. 46
The Big Sleep graphically displays the chaotic underworld of the novel through noir setting and visualisation rather than plot. The complexities of narrative exist of course, but they do not constitute the main ground against which the noir figure of Marlowe is defined. Instead, The Big Sleep stresses expressionistic characterisation and visual style, rather than events. This is completely in accord with the novelist’s intention, as the story is ultimately reduced and then irretrievably tangled into minor significance as the characters increase their interaction.


Die Steigerung der Interaktion bedeutet im Wesentlichen das immer weiter zugespitzte Hineinrutschen in Gangsterkreise und kann zum Beispiel an dem von Treffen zu Treffen gefährlicheren Umgang zwischen Marlowe und Mars beobachtet werden. Gleichsam beschleicht mich das Gefühl, dass neben dem Plot auch die Charaktere ein bisschen zu wenig Fleisch auf den Rippen haben. Gewinn- und Genusssucht, Macht und verkümmerte Moral sind die einzigen Kräfte, die zum Vorschein kommen, wenn Marlowe die Falltür zur Unterwelt anhebt. Von individuellen Motivationen merkt man höchstens bei Vivian Rutledge und dem „kleinen“ Harry Jones etwas, während die übrigen Figuren von Mars über Agnes und Canino bis hin zu Brody eher als Abziehbilder einer pessimistischen, kaum aber realistischen Kunstwelt fungieren.

Die überlange Laufzeit schadet „The Big Sleep“ insofern, als man einige ohnehin eher unnötige Verwicklungen hätte einsparen und gleich zum Wesentlichen kommen sollen. Dann hätte der Film im Idealfall die ganze Zeit über so ausgesehen wie seine letzte halbe Stunde, die für die Längen des zuvor Gesehenen entschädigt und Bacall und Bogart endlich eine intelligente Kollaboration abfordert, anstatt sich kratzbürstig oder too cool for school zu verhalten. Jene Szenen, in denen sich die beiden nicht aus taktischen Gründen, sondern durch echte Zuneigung und gegenseitige Abhängigkeit näherkommen, geraten fraglos zu den stärksten des Films, der sich dadurch allerdings trotz literarisch hochangesehener Vorlage als simple mit Revolvern, Kinnhaken und Handschellen verhinderte Romanze entpuppt und hauptsächlich für Fans der Hauptdarsteller lohnenswert ist.

Der Film Noir ist vor allem deshalb ein so dankenswertes Genre, weil man dort selbst hinter kleinen Filmen häufig große Interpretationsspielräume entdecken kann. Im Fall von „The Big Sleep“ scheint die Sache genau umgekehrt gelagert zu sein: Ein aufgeblasenes Waffen- und tough guy-Bohei kaschiert eine originelle, aber letztlich doch eher konservative Liebesgeschichte. Die dichte Atmosphäre mit ihren wiederkehrenden Schauplätzen und mustergültigen Galgenvögeln garantiert, dass trotz Längen kein big sleep ausbricht, sondern immerhin 3 von 5 Punkten eingefahren werden.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

10.01.2016 14:26
#269 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Schön, dass du das neue Jahr wieder mit einigen Noir-Filmen beginnst, wie immer äußerst lesenswert.


An dieser Stelle der Hinweis, dass "Tote schlafen fest" und "Gangster in Key Largo" am 04.02. neu auf Blu-Ray erscheinen werden.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.01.2016 20:35
#270 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Danke für die Blumen, @Ray! Nach deinem wahrhaftigen Besprechungsmarathon war es Ehrensache, mich bald wieder aus dem Noir-Herbstschlaf zurückzumelden. Und ich bringe für die Anhänger von Bogie und Bacall auch Versöhnliches mit:



Die schwarze Natter (Dark Passage)

Kriminalfilm, USA 1947. Regie und Drehbuch: Delmer Daves (Buchvorlage: David Goodis). Mit: Humphrey Bogart (Vincent Parry), Lauren Bacall (Irene Jansen), Bruce Bennett (Bob), Agnes Moorehead (Madge Rapf), Tom D’Andrea (Sam, Taxifahrer), Clifton Young (Baker), Douglas Kennedy (Kennedy, Polizist), Rory Mallinson (George Fellsinger), Houseley Stevenson (Dr. Walter Coley), Leonard Bremen (Ticketverkäufer am Busbahnhof) u.a. Uraufführung (USA): 5. September 1947. Uraufführung (BRD): 29. September 1950. Eine Produktion von Warner Bros.

Zitat von Die schwarze Natter
Vincent Parry flieht aus dem St.-Quentin-Gefängnis. Er hat Glück, denn eine Autofahrerin versteckt ihn in ihrem Wagen und dann sogar in ihrer Wohnung. Parry erfährt, dass sie sich schon während seiner Verhandlung für ihn interessierte und mit der Hauptbelastungszeugin aus dem Prozess befreundet ist. Derweil macht ihm ein Taxifahrer, der Parry wiedererkennt, den Vorschlag, sich einer Gesichtsoperation bei einem ihm bekannten Spezialisten zu unterziehen. Diese Veränderung gibt Parry die Gelegenheit, den Täter, für dessen Mord er im Gefängnis saß, unerkannt aufzuspüren ...


Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass gerade diejenigen Kritiker, die den mangelnden Fatalismus von „Dark Passage“ betonen, gleichzeitig monieren, das Schicksal schleiche sich zu häufig helfend in die Handlung ein. Natürlich muss der Zuschauer Unwahrscheinlichkeiten in Kauf nehmen, um die Geschichte von Vincent Parry zu verdauen – doch dies ist in den meisten Filmen und ganz sicher in den meisten Film Noirs der Fall und damit kein Faktor, der dieser Produktion im Speziellen angelastet werden sollte. Ich bin jedenfalls tausendmal eher bereit, mich von einer so fantasievollen Handlung wie hier ohne „kritische Rückfragen“ nach Wahrscheinlichkeiten unterhalten zu lassen, anstatt mich an bodenständiger, aber einfallsloser Mobgewalt wie in „The Big Sleep“ oder „The Maltese Falcon“ zu langweilen. Das ist jedoch sicher eine Frage der individuellen Präferenz.

Im Zentrum von „Dark Passage“ steht das Spiel mit Identitäten und Gesichtern. Im Stil eines Hitchcock-Films mit Man on the Run-Konzept wird die interessante Idee aufbereitet, dass Schuld nicht an tatsächliche Taten, sondern an Persönlichkeiten und ihre äußeren Erkennungsmerkmale gebunden ist. Plastische Chirurgie als Mittel der Loslösung von zugesprochener Schuld nimmt dieser Film seinem Genrekollegen „Der Mann mit der Narbe“ vorweg, richtet darauf aber noch wesentlich stärker seine gesamte formale Struktur aus. Man sieht Vincent Parry im ersten Drittel des Films entweder nur von hinten oder im Schatten oder betrachtet das Geschehen durch dessen eigene Augen (für das Jahr 1947 eine gewagte technische Leistung, die Delmer Daves sehr überzeugend in langen Sequenzen und offenkundig aufwendigen Choreografien gelingt). Im zweiten Drittel trägt er die Bandagen seiner Operation, im dritten ist er mit neuem Gesicht unterwegs. Diese klassische Dreiaktstruktur konfrontiert den zweifelhaften Helden mit immer neuen Herausforderungen und Gefahren, was den Film kurzweilig und spannend hält. Freilich sieht man Humphrey Bogarts Gesicht auf diese Weise erst nach 59 Minuten. „Is it that bad?“ fragt er sarkastisch dazu. Jeder weitere Kommentar erübrigt sich ...



Die abwechslungsreiche Bildgestaltung und der Dreh an Originalschauplätzen in San Francisco macht „Dark Passage“ zu einem optisch überdurchschnittlich gelungenen Noir. Von dunklen Straßenfluchten mit Hochhauskulisse bis hin zu einzigartigen Zeitdokumenten der Golden Gate Bridge, von POV-Einstellungen bis hin zu einer surrealistischen Alptraumsequenz – der Zuschauer wird mit einer atmosphärischen Arbeit erster Klasse verwöhnt, die vor publikumswirksamen Momenten nur so strotzt. Umso bedauerlicher ist es, dass „Dark Passage“ zur Entstehungszeit aus politischen Gründen und aufgrund schlechter Mundpropaganda, die sich im Gegensatz zu anderen früher missachteten Noirs bis heute gehalten hat, kein Erfolg an den Kinokassen beschieden war.

Bogart und Bacall präsentieren eine spannende Variation der Hauptrollen, stimmen Vincent Parry und Irene Jansen doch kaum mit ihren sonstigen Auftritten überein. Vergebens sucht man den toughen Allesbesteher oder den launischen Rührmichnichtan – stattdessen gehen hier (für einen Noir ungewöhnlich) zwei aufrichtige Personen auf Mördersuche, die einander in jeder Situation vertrauen können und es ohne Wenn und Aber ernst miteinander meinen. Zu oldschool? Vielleicht – aber gleichzeitig ein schöner Blick auf die sonst durch moderne Persönlichkeitsmakel oder Katz-und-Maus-Spiele verborgene Chemie und Sympathie, wie sie zwischen dem Ehepaar Bogart und Bacall im echten Leben auch bestanden haben muss.

Darüber hinaus präsentiert „Dark Passage“ ungewöhnlich gut abgerundete Nebenrollen, bei denen Qualität vor Quantität geht. Beispiele für die Effektivität des Scripts (und / oder der Buchvorlage?) beim raschen Skizzieren einprägsamer Figuren, die den Zuschauer auch lange nach ihren Auftritten noch beschäftigen, sind das schrullige Duo aus Taxifahrer und Gesichtschirurg sowie das einsame Pärchen, das am Busbahnhof zueinander findet und damit das Happy End vorwegnimmt. Einen besonderen Nachdruck verleiht Agnes Moorehead ihrer Rolle, die schon in ihrer ersten Szene, in der sie nur durch einen Türspion zu sehen ist, Dominanz und Entschlossenheit ausstrahlt. Überraschend ist dagegen, wie sich Clifton Youngs Charakter im Laufe des Films entwickelt. Er bleibt jedoch trotz seiner Wendung in der zweiten Hälfte dem Leitmotiv des Films treu, dass aus bösen Absichten und düsteren Handlungen entfremdeter Personen immer noch positive Konsequenzen erwachsen können.

Innovation auf technischer und inhaltlicher Ebene: „Dark Passage“ dreht nicht nur die Kamera um 180 Grad von Bogart weg, sondern auch die Prämissen des sonst so pessimistischen Film Noir auf den Kopf. Eine gesunde Abwechslung, wenn man auch einmal nach vorn blicken und sich dabei von einer kreativen, wendungsreichen Story unterhalten lassen darf. 5 von 5 Punkten.

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