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Dieses Thema hat 581 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Ray Offline



Beiträge: 1.930

22.11.2015 20:00
#241 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Die Wendeltreppe (USA 1945)

Regie: Robert Siodmak

Darsteller: Dorothy McGuire, George Brent, Ethel Barrymore, Kent Smith, Rhonda Fleming u.a.



Film Noir Nummer 17:


Anfang des 20. Jahrhunderts geht in Neuengland ein Serienkiller um. Sein Ziel: Frauen mit Gebrechen. Zwangsläugig scheint daher die junge Helen, die aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in ihrer Kindheit stumm ist und in einem großen, abgelegenen Anwesen eine alte Frau pflegt, gefährdet. Neben dem weiteren Dienstpersonal wird das Haus noch von zwei Söhnen der alten Dame bewohnt. Unter ihnen ist der Killer...

Der Film startet furios, lässt im zweiten Drittel nach, bevor er im letzten Drittel wieder zur Anfangsform zurückkehrt. Im Vorspann zeigt die Kamera aus der Vogelperspektive die titelgebende Wendeltreppe. Auf dieser werden sich noch dramatische Szenen abspielen... Die Spannungszenen wurden von Siodmak schlichtweg perfekt in Szene gesetzt. Schaurige Dekors, die wunderbar ausgeleuchtet sind und ein meisterhaftes Spiel von Licht und Schatten entstehen lassen. Grusel in seiner hochwertigsten Form. Auffällig ist, dass Siodmak im Wege des Kopfkinos äußerst brutale Szenen entstehen lässt, wobei er die Morde entweder im Schatten geschehen lässt und nur links und rechts die Hände der Opfer zu sehen sind, oder aber die nach oben ausgestreckten, sich windenden Arme einblendet. Manchmal ist weniger eben mehr... Die Morde werden noch durch ein anderes, aus den Werken Dario Argentos bekanntes Merkmal intensiviert: vor jedem Mord gibt es eine Nahaufnahme auf die Augen des Mörders. Vor der inszenatorischen Perfektion dieser Szenen kann man sich nur verneigen.

Schade, dass der Film im zweiten Drittel die Spannungskurve auf Kosten einer leicht schnulzig daherkommenden Lovestory fast gänzlich schleifen lässt.


"Die Wendeltreppe" ist ein höchst atmosphärischer Gruselfilm, der von Robert Siodmak meisterhaft inszeniert wurde. Aufgrund des schwächeren zweiten Drittels ziehe ich einen halben Punkt ab und gebe 4,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

23.11.2015 18:28
#242 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Du lebst noch 105 Minuten (USA 1948)

Regie: Anatole Litvak

Darsteller: Barbara Stanwyck, Burt Lancaster, Ann Richards u.a.



Film Noir Nummer 18:


Eine durch Krankheit ans Bett gefesselte Frau befindet sich allein in einem großen Haus. Bei dem Versuch, per Telefon ihren Mann (Burt Lancaster) zu erreichen, wird sie unfreiwillig Zeugin einer Verbrechensabredung, genauer dem Plan zur Tötung einer Frau. In der Folgezeit versucht sie weiter ihren Mann anzurufen und gerät dabei an alte Bekannte sowie ihr bis dato Unbekannte, die ihr - und damit gleichsam dem Zuschauer - in Rückblenden erzählen, wie ihr Mann beim Streben nach Unabhängigkeit von seinem Schwiegervater, bei dem er einen kümmerlichen Posten in dessen Firma bekleidet, in einen Strudel geraten ist, aus dem es kein Entkommen gibt. Die Dramatik spitzt sich zu, als die Frau ihren Mann endlich erreicht und sich eine Verbindung zu dem zufällig vernommenen Gespräch der beiden Verbrecher vom Anfang des Films herauskristallisiert...

Ein Film, der ob seines Motivs der einsamen und hilflosen Frau Hochspannung verspricht und auch hält. Über weite Strecken wie ein Kammerspiel daherkommend, legt er durch seine verschiedenen Gesprächspartner (=Erzähler) geschickt Puzzleteil für Puzzleteil zusammen, bis sich zum Ende ein großes Ganzes ergibt. Die Einsamkeit der Stanwyck bekommt der Zuschauer zwischendrin immer wieder durch langsame Aufnahmen durch das große Treppenhaus vor Augen geführt. Stanwyck ist auch klar die Hauptfigur, Burt Lancaster tritt dahinter - zumindest was Spielzeit betrifft - stark zurück. Dennoch weiß auch er gerade in den Szenen mit Stanwyck voll zu überzeugen. Stanwyck, die Frau, die alles hat, aber kaum etwas damit anzufangen weiß und Lancaster als der Mann, der nichts hat, aber nach allem strebt - eine widersprüchliche Paarung, die vermuten lässt, dass genau jene Differenzen die beiden auseinanderreißen werden - so oder so.

Freilich ist dabei nicht jeder Gesprächspartner für den Verlauf der Handlung wirklich gewinnbringend. Zudem bleiben auch bezüglich der Entwicklung Lancasters ein paar Fragen offen. Das sind aber letztlich Details, die der Spannung kaum einen Abbruch tun.

"Du lebst noch 105 Minuten" - besser insoweit der Originaltitel: "Sorry, wrong number" - bietet ein erzählerisch und schauspielerisch reizvolles Kammerspiel, welches Spannung bis zur buchstäblich letzten Sekunde bereithält. 4,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

26.11.2015 21:59
#243 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Die seltsame Liebe der Martha Ivers (USA 1946)

Regie: Lewis Milestone

Darsteller: Barbara Stanwyck, Van Heflin, Lizabeth Scott, Kirk Douglas, Judith Anderson u.a.



Film Noir Nummer 19:


Drei Rezensionen in diesem Thread, die eigentlich schon alle Aspekte genannt haben. Eine verhaltene, zwei euphorische. Ich muss mich den beiden letzten anschließen.

Ich gebe zu, der etwas gewöhnungsbedürftige Titel, Gubanovs Warnung, der Film sei vor allem Melodram, in Verbindung mit den Erfahrungen, die ich mit "Briefe aus dem Jenseits" gemacht habe, machten mich ex ante etwas skeptisch: vollkommen zu Unrecht! Dieser Film beweist, dass Melodram eben nicht gleich Melodram sein muss. Denn anders als "Briefe im Jenseits" bietet der Film eine faszinierende, jedoch gleichsam realistische Story, ein hochinteressantes Figuren-Quartett voller Wechselwirkungen und schlichtweg perfekte schauspielerische Darbietungen.

Allen voran Barabara Stanwyck, die mich spätestens in diesem Film von ihren Qualitäten restlos überzeugt hat (bei "Frau ohne Gewissen" gab es noch gewisse Startschwierigkeiten, ich sollte ihn mir daher wohl nochmal zu Gemüte führen...). Es ist eine wahre Freude, ihrem Schauspiel zuzuschauen. Wie sie die Menschen um sie herum manipuliert und lenkt, traumtänzerisch zwischen Liebe und Hass umherwankt, so dass sie mitunter selbst das Gleichgewicht verliert. Nicht minder formidabel ihr "Gatte" Kirk Douglas, den ich erstmals bewusst in einem Film in Augenschein genommen habe. Ihm gelingt es, der vermeintlich eindimensionalen Figur immer wieder neue Facetten abzugewinnen. Auf der anderen Seite des Quartetts stehen Van Heflin, der Jugendfreund der beiden und die heimliche Liebe Stanwycks, ihr "Fluchthorizont". Er und seine Partnerin Lizabeth Scott sind zwar auch keine "Saubermänner", dennoch klar darauf gemünzt, die Sympathien des Publikums zu erobern.

Trotz der für einen Noir stolzen Länge von 110 Minuten wirkt der Film nicht um "um 30 Minuten zu lang", im Gegenteil, man hätte dem Treiben gut und gerne noch eine weitere halbe Stunde länger zugesehen. Aufgrund der starken Geschichte und dem hervorragenden Schauspiel fällt auch nicht weiter ins Gewicht, dass die Inszenierung wenig "Noir-Atmosphäre" vermittelt.

Ein trotz "Überlänge" absolut kurzweiliger Noir mit einer überzeugenden Geschichte und einem hervorragenden Darsteller-Quartett, aus dem Stanwyck und Douglas herausragen. 5/5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.11.2015 22:53
#244 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Zitat von Ray im Beitrag #243
Allen voran Barabara Stanwyck, die mich spätestens in diesem Film von ihren Qualitäten restlos überzeugt hat (bei "Frau ohne Gewissen" gab es noch gewisse Startschwierigkeiten, ich sollte ihn mir daher wohl nochmal zu Gemüte führen...). Es ist eine wahre Freude, ihrem Schauspiel zuzuschauen. Wie sie die Menschen um sie herum manipuliert und lenkt, traumtänzerisch zwischen Liebe und Hass umherwankt, so dass sie mitunter selbst das Gleichgewicht verliert.

Barbara Stanwyck ist ohne jede Frage die ungekrönte Königin des Film Noir. Glücklicherweise hat sie recht häufig in Filmen des Genres mitgewirkt, sodass man viele schauspielerische Seiten kennenlernen darf, die immer wieder aufs Neue begeistern. Eine gesunde Mischung aus "Double Indemnity" und "The Strange Love of Martha Ivers" stellt in dieser Hinsicht auch "The File on Thelma Jordon" dar.

Ich freue mich schon besonders auf eine Sichtung von "Sorry, Wrong Number", den du ja schon begutachtet hast, der aber bisher leider nur in den USA in zufriedenstellender Bildqualität erschienen sein soll. Das wäre ein Titel, den ich mir sehr in der Koch-Media-Noir-Collection wünschen würde.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

27.11.2015 15:50
#245 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Besten Dank, dann auch noch unter der Regie Robert Siodmaks, den ich ebenfalls für seine Vielseitigkeit schätze. Eine deutsche VÖ scheint auch nicht vorhanden zu sein, also noch ein Film für Koch Media.

Zur Qualität der deutschen DVD zu "Sorry, wrong number" kann ich nur sagen, dass sie in der Tat nicht besonders gut ist. Andererseits bekommt man die DVD für ca. 5 Euro. Dafür finde ich es okay, zumal man dann nicht alzu viel Verlust hat, wenn doch mal eine adäquate VÖ kommt, und man bis dahin den Film schonmal hat und nicht ewig warten muss. Aber das muss natürlich jeder selber wissen.

Bei "Die Wendeltreppe" war die Qualität übrigens, obwohl es sich um das gleiche Label und die gleiche Preiklasse handelte, sehr gut. Zumindest, was Bild/Ton angeht.

Ray Offline



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28.11.2015 08:35
#246 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Die Spur des Falken (USA 1941)

Regie: John Huston

Darsteller: Humphrey Bogart, Mary Astor, John Lorre, Gladys George u.a.



Film Noir Nummer 20. Zum Jubiläum der Film, dem der Ruf vorauseilt, den Beginn der "Schwarzen Serie" zu markieren.

Detektiv Spade (Bogart) soll im Auftrag einer Frau einen Mann beschatten, der angeblich einen schlechten Einfluss auf ihre Schwester haben soll. Spade schickt seinen Kollegen. Ergebnis der Observierung: Spades Kollege und der zu Observierende sind tot. Spade bemerkt schnell, dass die Frau ihm etwas verschwiegen hat. Seine Spur führt ihm zu einer ominösen Figur, einem schwarzen Falken, welche Objekt der Begierde einiger zwielichtiger Personen (u.a. Peter Lorre) ist...

Der Film startet direkt in medias res, bereits nach wenigen Minuten gibt es zwei Leichen. Eine "Femme Fatale" (Mary Astor) ist in gewisser Hinsicht auch ausgemacht und Bogart zeigt von Anfang an eine ansprechende, weil äußerst "coole" Art. Seine Figur ist mit allen Wassern des Detektivsgeschäfts gewaschen. Ob Polizei, Kriminelle oder die genannte Femme Fatale, es gibt niemanden in dem Film, mit dem er sich nicht anlegt. Solche "auflehnerischen" Typen sollten einige Jahrzehnte später auf der Tagesordnung des Spannungskinos stehen ("Bullit", "Shaft", "Dirty Harry", "Chinatown" u.a.). Auch die Erzählung bleibt in der ersten Hälfte, in der vor allem der im Vergleich zu "M" etwas schmaler gewordene Peter Lorre überzeugt, stringent.

In dem Moment jedoch, in dem der Falke zum alleinigen Thema wird, verflacht die Handlung und Huston verliert sich ein wenig in der Zurschaustellung von Scharmützeln. Für diesen Film gilt, was für "Martha Ivers" nicht galt: er ist für einen Noir gut 20 Minuten zu lang.

Da ich schon vorher Rezensionen gelesen hatte, war mir bekannt, dass die deutsche Fassung nicht gerade als "gelungen" zu bezeichnen ist. Insbesondere die eintönige und unpassende Musik, aber auch die bisweilen in Richtung "Schnodderdeutsch" abdriftende Synchronisation sind in einem Film anno 1941 schlicht Fehl am Platze. Diesen Umstand kann man freilich dem Film an sich nicht zur Last legen, weil er der mutmaßlichen Intention der Macher zuwider läuft. Ich nehme mir daher fest vor, den Film in nächster Zeit nochmal im Originalton zu begutachten.


Bis dahin allerdings muss ich mich der Wertung Gubanovs aus dem Jahre 2009 im Ergebnis anschließen. Ein solider Noir mit einem überzeugenden Hauptdarsteller, dessen Story ab Mitte des Films jedoch ein wenig im Sande verläuft, wodurch das Tempo unnötig verschleppt wird. 3,5/5 Punkten.

Ray Offline



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28.11.2015 08:58
#247 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Das kleine Jubiläum von 20 Filmen nehme ich zum Anlass, eine kleine Bilanz zu ziehen. Nur zwei Filme waren mir weniger als vier Punkte wert. Das deutet stark darauf hin, dass ich mich in diesem Genre sehr heimisch fühle. Von Gubanovs Anregungen abgesehen, war meine Auswahl einigermaßen willkürlich. Fritz Lang z.B. scheint mir ein wenig unterrepräsentiert, da habe ich noch Einiges vor mir (insbesondere "Gefährliche Begegnung" steht noch aus).


Hier meine vorläufige Top 20:


1. Niagara
2. Zeuge gesucht
3. Spiel mit dem Tode
4. Die seltsame Liebe der Martha Ivers
5. Opfer der Unterwelt
6. Laura (Eindeutig zu niedrig, behalte mir insofern vor, bei der nächsten Sichtung auf 5/5 zu erhöhen; möchte aber jetzt auch nicht das Bild verfälschen, indem ich nachträglich an den Wertungen schraube.)
7. Die Wendeltreppe
8. Die Killer
9. Ministerium der Angst
10. Du lebst noch 105 Minuten
11. Der unheimliche Gast
12. Frau ohne Gewissen
13. Frau am Abgrund
14. Unter Verdacht
15. Die Lady von Shanghai
16. Der Mann mit der Narbe
17. Die blaue Dahlie
18. Der schwarze Spiegel
19. Die Spur des Falken
20. Briefe aus dem Jenseits


Bester Regisseur: Robert Siodmak(weil sehr vielseitige Regie)

Bester Hauptdarsteller: Ray Milland (In allen drei Filmen sehr überzeugend.)

Beste Hauptdarstellerin: Gene Tierney (Sie hat aus Gründen persönlicher Sympathie noch einen knappen Vorsprung vor Barbara Stanwyck.)

Ray Offline



Beiträge: 1.930

30.11.2015 21:47
#248 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Gehetzt (USA 1936)

Regie: Fritz Lang

Darsteller: Henry Fonda, Sylvia Sidney, Barton MacLane u.a.



Film Noir Nummer 21:


Ein Mann (Henry Fonda) verlässt hoffnungsfroh das Gefängnis, um mit seiner Geliebten Joan ein neues Leben zu beginnen. Doch zunächst stößt er bei der Gesellschaft allgemein - vertreten durch Vermieter und Arbeitgeber - aufgrund seiner Vergangenheit im Gefängnis auf grundsätzliche Ablehnung und dann wird er auch noch Opfer eines Justizirrtums...

Rein formal fällt kaum auf, dass Langs Werk gut zehn bis fünfzehn Jahre älter ist als der gemeine Film Noir. Vor allem die Szene des Banküberfalls im Regen oder die tragische Fluchtaktion im Nebel des Gefängnisareals sind optische Reizpunkte. Auch darstellerisch geriet der Film ansprechend, insbesondere Fonda strahlte eine ungemeine Menschlichkeit aus.

Gleichwohl muss man einräumen, dass sich der Film bisweilen - möglicherweise seiner Entstehungszeit geschuldet - ein wenig in Kitsch verliert, als Beispiel sei die Szene am Froschteich genannt. Auch die im wahrsten Sinne des Wortes bedingungslose Liebe bis hin zu einer Art "Bonnie & Clyde"-Gemeinschaft wirkt trotz aller Tragik doch etwas überzogen.


Lang gelang bereits anno 1936 ein optisch mitunter herausragendes Werk, das trotz der zu honorierenden Botschaft, welches es vermittelt, etwas über das Ziel hinausschießt. Wegen der schauspielerisch guten Leistungen dennoch 4/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

01.12.2015 20:47
#249 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Engelsgesicht (USA 1952)

Regie: Otto Preminger

Darsteller: Jean Simmons, Robert Mitchum, Mona Freeman u.a.



Film Noir 22 führt mich "back to the roots", denn Otto Preminger war es, der mich mit "Laura" für dieses Genre begeistern konnte. "Frau am Abgrund" war etwas schwächer, dennoch "gelungen", so dass ich gespannt war, wie mir dieses Werk gefallen würde, welches heute verbreitet als "Kultfilm" bezeichnet wird und mit Robert Mitchum immerhin einen über Genregrenzen hinaus bekannten Schauspieler vorweisen kann.

Nun, ich wurde leider enttäuscht. Fangen wir gleich bei Mitchum an. Seine Darstellung ist absolut gleichgültig, ja beinahe nichtssagend, was mit den Dingen, die ihm im Film wiederfahren, so gar nicht zusammenpassen will. Wesentlich besser agiert Jean Simmons, die die Rolle der "Femme Fatale" gut ausfüllt.

Leider kommt der Film nur sehr schwer in die Gänge und hat - von den beiden "Schockszenen" einmal abgesehen - kaum bemerkenswertes zu bieten. Diese beiden Autocrashs sind trotz ihrer Vorhersehbarkeit in ihrer drastischen Darstellung schockierend geraten und rauben einem für kurze Zeit den Atem. Doch zwei gute Szenen machen noch keinen guten Film, zumal Preminger sich sonst inszenatorisch sehr zurückhält. Hier und da merkt man dem Film seine ungewöhnlichen Produktionsumstände - nur 18 Drehtage, permanente Streitigkeiten vor und hinter der Kamera - an. Selbst die Gerichtsszenen sorgen kaum für Spannung. Und dass man Geschworene mit einer derart "billigen" Finte überzeugen kann, erscheint zumindest aus der Retrospektive zweifelhaft.

Schließlich sind die Handlungsweisen der Betroffenen an zu vielen Stellen des Films nur schwer nachvollziehbar, weswegen es dem Zuschauer schwer fällt, sich mit ihnen zu solidarisieren.


Zwei eindrucksvolle Szenen und eine gute Hauptdarstellerin machen noch keinen guten Film. Das beweist das vorliegende Werk. 2,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

02.12.2015 21:51
#250 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Ausgestoßen (UK 1947)

Regie: Carol Reed

Darsteller: James Mason, Kathleen Ryan, Robert Newton u.a.



Film Noir Nummer 23:


Auf der Flucht von einem Überfall erschießt Johnny (James Mason) infolge eines Schwächeanfallas einen Menschen. Die anderen Gefährten lassen ihn "hängen", so dass Johnny - selbst verwundet - durch die Straßen stapft, verfolgt von der Polizei und seinen ehemaligen "Freunden"...

Noir aus Großbritannien? Erstmal ein befremdliches Gefühl. Doch dieses Problem löst der Film sehr gut, denn die Außenaufnahmen des schneebedeckten Belfast sind sehr schön eingefangen und gehören zu den (wenigen) Pluspunkten des Films.

"Ausgestoßen" beginnt einigermaßen rasant mit der Planung und Ausführung eines Überfalls. Nach dessen "Fehlschlag" verliert sich das Werk Carol Reeds ("Der dritte Mann") jedoch in der ewig gleichen Illustration der zur Passivität verurteilten Hauptfigur und der Einführung (zu) vieler Nebenfiguren und in Konsequenz auch Handlungsstränge, welche den Film nicht nur zäh erscheinen lassen, sondern auch die Konzentration auf die wesentlichen Punkte mitunter vermissen lässt. Es zählt gerade zu den Stärken des Film Noir, Dreiecks- und Viereckskonstellationen zu einem hochspannenden Konstrukten zu erwecken. Das fehlt im vorliegenden Film völlig. Überdies bleibt James Mason leider ziemlich blass und läuft gefühlt - auch vor seiner Verletzung - mit einem einzigen Gesichtsausdruck durch die Szenerie. Auch im Übrigen weiß kein Darsteller nachhaltig zu überzeugen. Den vielerorts zu lesenden Lobeshymnen kann ich mich daher so gar nicht anschließen.


"Ausgestoßen" ist ein zwar optisch ansprechender, vom Handlungsverlauf und der schauspielerischen Darstellung jedoch nur mäßiger Noir, dem ich deswegen nicht mehr als 2,5/5 Punkten geben kann.

Tarzan Offline



Beiträge: 1.038

05.12.2015 18:41
#251 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Ganz besonderes Film-Noir-Flair verspruehen einige mexikanische Produktionen der "goldenen Jahre" zwischen 1943 und 1952. Wenn Schoenheiten wie Maria Felix oder Dolores del Rio die "Femme Fatale" geben und Charakterakteure wie Pedro Armendariz im Verbrechen ruehren...

Es gibt da etliche Meisterwerke darunter. Hier ein Link zu dem Thema:
http://www.nytimes.com/2015/07/19/movies...-noir.html?_r=0

Ein sehr interessantes Recherchethema mit Filmbeitraegen abseits der bekannten Norm. Ein Arbeitsgebiet, auch in Zusammenarbeit mit dem mexikanischen Film-Institut.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

05.12.2015 19:35
#252 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Besten Dank, habe den Artikel mit Interesse gelesen! Bei Armendariz denkt man ja in erster Linie an seinen Auftritt in "Liebesgrüße aus Moskau" kurz vor seinem Tod. Dass er auch eine "Noir-Vergangenheit" hatte, war mir nicht bewusst. Da scheint ja der ein oder andere lohnenswerte Film dabei zu sein.

Falls du davon welche gesehen hast, könntest du ja vielleicht mal den einen oder anderen hier im Thread vorstellen. Wäre mit Sicherheit eine Bereicherung.

Tarzan Offline



Beiträge: 1.038

05.12.2015 19:57
#253 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Pedro Armendariz war ein sehr vielseitiger Charakterschauspieler, der neben Bond alles von Western bis Krimis konnte! Hatte noch das grosse Vergnuegen, seinen Sohn kennenzulernen.

Die in dem Beitrag erwaehnten Film Noirs liegen mir vor. Vielleicht komme ich ueber den Winter dazu, hier eine kleine Uebersicht zu schreiben.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

06.12.2015 21:49
#254 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Gefährliche Begegnung (USA 1944)

Regie : Fritz Lang

Darsteller: Edward G. Robinson, Joan Bennett, Dan Duryea u.a.



Film Noir Nummer 24:


Richard Wanley erzählt in einer seiner Psychologie-Vorlesungen, dass es einen qualitativen Unterschied zu einem Mord, einem Totschlag oder gar einem durch Notwehr gerechtfertigten Totschlag gäbe. An diese zutreffende Differenzierung scheint er jedoch nicht allzu stark zu glauben, denn als ihm infolge der "Gefährlichen Begegnung" mit einer schönen jungen Frau (Joan Bennett) in ihrer Wohnung ihr Liebhaber auflauert und er dessen Würgeattacke nur durch einen Totschlag in Notwehr abwenden kann, fürchtet er, man werde ihm nicht glauben und versteckt mit Hilfe seiner flüchtigen Bekannten das Opfer im Wald. Dabei stellt sich der in kriminalistischen Dingen offenbar gänzlich ungeübte Wanley allerdings derart ungeschickt an, dass es aus dem Strudel scheinbar kein entrinnen gibt. Erst recht nicht, als sich ein Mann bei Wanleys Bekannten meldet und sie erpresst. Doch am Ende kommt alles ganz anders...

Wie von Gubanov versprochen, bietet "Gefährliche Begegnung" einen Noir mit hohem Wohlfühl-Faktor. Der Film veranschaulicht äußerst pointiert, wie schnell ein Mann aus bester Gesellschaft ohne jedweden zweifelhaften Lebenswandel in den Abgrund geraten kann. Wie in der Runde mit seinen zwei Freunden zuvor diskutiert, kann das Wohl und Wehe mitunter von einem Drink abhängen. Ähnlich wie Siodmak in "Unter Verdacht" gelingt es Lang, die Sympathien der Zuschauer auf die tollpatschigen "Verbrecher" zu lenken. Seine Inszenierung ist voller Symbole (Uhr, Regen) und die musikalische Untermalung verdientermaßen für den Oscar nominiert. Gerade im Finale weiß sie die Spannung erheblich zu steigern. Eine Schlusspointe wie die im vorliegenden Film spaltet naturgemäß die Gemüter, erscheint aber aufgrund der angesprochenen angelegten Sympathielenkung konsequent, weil so der Zuschauer einst beruhigt - aber doch sehr aufmerksam - den Weg nach Hause angetreten haben wird. Erinnerungen wurden dabei an "Ministerium der Angst" wach, ein Film Langs, der mit einer ähnlich gelungenen Schlusspointe aufwarten konnte (Stichwort: Torte).

Zu mäkeln gibt es kaum etwas, vielleicht hängt das Tempo hier und da ein wenig durch, so etwa vor dem Übergang ins letzte Drittel und auch Bennett mimt von zwei passiven Figuren die weniger interessante. Ob es (auch) an ihrem Spiel liegt, kann ich nicht mit Sicherheit feststellen. Der von Gubanov angestellte Vergleich zu "Laura" kam mir wegen des Bildes auch und scheint daher nicht fern zu liegen.


"Gefährliche Begegnung" ist ein lehrreicher, pontierter und sauber inszenierter Wohlfühl-Noir mit überraschendem Ende. 4,5/5 Punkten ist mir das Werk Fritz Langs deshalb wert.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

07.12.2015 21:14
#255 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Der Tiger (USA 1951)

Regie: Bretaigne Windust, Raoul Walsh

Darsteller: Humphrey Bogart, Ted de Corsia, Everett Sloane u.a.



Film Noir Nummer 25:


Joe Rico (Ted de Corsia) soll als Kronzeuge gegen einen gewissen Mendoza aussagen, der ein Mordsyndikat betrieben hat. Rico ist jedoch äußerst labil, weil er befürchtet, Mendoza könne ihm auch aus der Zelle heraus nach dem Leben trachten. Daher versucht er zu fliehen und stürzt dabei versehentlich in den Tod. Staatsanwalt Ferguson (Humphrey Bogart) bleibt nur noch eine Nacht neues belastendes Beweismaterial gegen den "Tiger" Mendoza zu sammeln, da am nächsten Tag die Verhandlung gegen ihn steigen soll...

Von diesem Zeitpunkt an erzählt der Film bis zum Showdown in Rückblenden, wie Ferguson im Rahmen der Ermittlungen auf Rico gestoßen ist. Diese verschachtelte Erzählweise erfordert seitens des Zuschauers erhöhte Wachsamkeit, zumal die Schilderung auch sehr dicht geraten ist. Insoweit wäre es wünschenswert gewesen, man hätte die Rückblenden hier und da unterbrochen, um den Zuschauer bezüglich des status quo besser an die Hand zu nehmen. Wer im entscheidenden Moment, in dem die Rückblende einsetzt, nicht aufpasst, ist schnell "draußen".

Davon abgesehen fällt auf, wie rau der Film geraten ist. Für die damalige Zeit erscheint er äußerst brutal. Dass Tötungen explizit gezeigt werden, findet man im Film Noir nicht besonders oft vor. Regie und Kameraarbeit sind gut, wenn ich nicht vorher gelesen hätte, dass ein Regiesseurwechsel während der Dreharbeiten stattgefunden hat, wäre es mir wohl nicht aufgefallen. Gerade das Finale, das wieder in der Gegenwart angesiedelt ist, wird äußerst spannend und vergleichweise actionreich dargeboten, was eine willkommene Abwechslung bietet. Bogart hat mir wie schon in "Die Spur des Falken" gut gefallen, der vorliegende Film an sich sagt mir sogar mehr zu. Auch Ted de Corsia als Rico zeichnet das Porträt eines sich in einer auswegslosen Situation befindlichen Menschen beklemmend "echt".

Ein kleines Manko liegt für meine Begriffe noch in der Tatsache begründet, dass der Film sehr abrupt endet. Es hätte das Werk abgerundet, wenn man zum Schluss noch eine Szene von der Verhandlung, dem entsprechenden Urteil und Bogarts Reaktion gezeigt hätte.


"Der Tiger" ist ein Spät-Noir mit einer ambitionierten, mitunter etwas zu verschachtelten Erzählweise und einer äußerst rauen Grundstimmung, der sich Bogart durch seine knallharte Darstellung anpasst. 4/5 Punkten für "Dirty Humphrey"

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