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Dieses Thema hat 581 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Ray Offline



Beiträge: 1.930

12.11.2015 23:08
#226 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Ministerium der Angst (USA 1944)

Regie: Fritz Lang

Darsteller: Ray Milland, Marjorie Reynolds, Dan Duryea, Hillary Brooke u.a.



Film Noir Nummer 7


Auf diesen Film Noir war ich besonders gespannt, weil mit Fritz Lang ein Mann auf dem Regiestuhl saß, den ich - im Gegensatz zu den bisherigen Regisseuren - schon vorher gut kannte und schätzte, insbesondere zähle ich "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" zu den besten Wallace-Epigonen. Ebenso wenig war Ray Milland für mich ein Unbekannter, spielte er doch im Hitchcock-Klassiker "Bei Anruf Mord" die Hauptrolle. Gedreht wurde das ganze nicht am Schauplatz London, sondern in Studios, was man dem Film natürlich deutlich ansieht, aber wohl zumindest auch historische Gründe haben dürfte. Zudem ist man als Wallace-Film London aus der Konserve ja bestens gewohnt...

Aber nun zum Film selbst: Erneut bekomme ich eine neue Spielart geboten, kommt der vorliegende Film doch im Grunde als Spionage-Thriller mit Suspense-Elementen à la Hitchcock daher. So gibt es eine Art MacGuffin (Inhalt des Kuchens), durch den ein Unschuldiger in den Sog einer aberwitzigen Geschichte gezogen wird. Ray Milland spielt einen Mann, der jedenfalls nach heutigen Maßstäben zu Unrecht zwei Jahre in einer Anstalt verbringen musste und nun - gerade entlassen - den nächsten Alptraum erlebt. Freilich gibt es für ihn am Ende ein freudiges Erwachen und die Geschichte mit dem Kuchen führt zu einer gelungenen Schlusspointe.

Milland überzeugt durch seine vielschichtige Darstellung, man nimmt ihn den Mann, der schon so viel durchgemacht hat - und im Verlauf des Films noch mehr durchmachen muss - voll und ganz ab. Lang, der mit dem Drehbuch unzufrieden gewesen sein soll, lieferte einige tolle Spannungssequenzen. Da wäre einmal die Szene zu Anfang, in der Neale (Milland) im Zug von einem "Blinden" überwältigt wird, dann die Séance-Sequenz (für solche Szenen hatte Lang offenbar eine Vorliebe, siehe "Dr. Mabuse, der Spieler" und "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse"), die wunderbar mystische Elemente mit solchen der schlichten Spannung verquickt, sowie der überaus furiose Showdown. Dies alles ist für die damalige Zeit technisch hervorragend umgesetzt. Kleinere Längen im Mittelteil und die nicht immer logische Handlung (Eine Torte als Transportmittel für derart wichtige Informationen?) kann man daher fast ohne Punktabzug hinnehmen.

Von den Darstellern möchte ich neben Milland Hillary Brooke hervorheben, deren Darstellung einen nicht nur in der Séance-Szene erschaudern lässt.


Alles in allem ein spannender Spionage-Thriller mit einigen inszenatorischen Rafinessen, überraschenden Wendungen und einem furiosen Finale, dass über die nicht immer logische Story und die teilweise zumindest aus der Retrospektive etwas billig wirkenden Kulissen hinwegsehen lassen. 4,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

13.11.2015 20:26
#227 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Der unheimliche Gast (USA 1944)

Regie: Lewis Allen

Darsteller: Ray Milland, Ruth Hussey, Donald Crisp, Gail Russell



Fim Noir Nummer 8?

Handelt es sich bei diesem Film wirklich um einen Film Noir? Das darf durchaus in Zweifel gezogen werden und wird auch verbreitet getan, zumal er eher als Mystery- bzw. Gruselfilm daherkommt. Der Grund, warum meine Wahl auf diesen Film fiel, war die überzeugende Darstellung Ray Millands in "Ministerium der Angst".

Der Film macht es einem leicht, sich schnell mit ihm wohl zu fühlen. Ray Millands Stimme gibt aus dem Off eine wunderschöne Einleitung, wobei das peitschende Wasser und die Cliffs eingeblendet werden. Die Geschwister Fitzgerald (Ray Milland und Ruth Hussey) machen Urlaub an einem abgelegenen Teil von Devonshire, sehen ein einsames Haus, betreten es und beschließen spontan - beide dem Stadtleben in London überdrüssig - den Eigentümer zwecks Kaufs aufzusuchen. Dies gelingt und man wird sich schnell einig, wobei die durch die rasche Übereinkunft eigentlich euphorische Stimmung durch Andeutungen des Eigentümers, Commander Beech, gebremst wird, dass es in dem Haus zu mysteriösen Vorkommnissen gekommen sei, welche die Mieter des Hauses vertrieben hätten. Auch die Tochter des Commander, Stella, (bezaubernd: Gail Russell) verhält sich sonderbar. Kaum sind die Geschwister Fitzgerald eingezogen, scheinen sich die Andeutungen des Commander zu bewahrheiten...

"Der unheimliche Gast" bietet einen durch die Bank weg überzeugenden Cast, hervorragende Kameraarbeit (Oscar-nominiert), sowie insbesondere zu Anfang schaurig-schönen Grusel in dem einsamen Haus. "Entspannung" bietet die sich andeutende Lovestory zwischen Roderick Fitzgerald und Stella. Ab Mitte des Films nimmt der Film seinen "Grusel-Wusel" jedoch ein wenig zu ernst und beraubt sich so ein wenig seiner Möglichkeiten, denn Atmosphäre ist weiter genug da.

Insgesamt ein Film, der allemal einen Blick wert ist, soweit man nicht zwingend einen klassischen Film Noir sehen möchte, sondern auch bereit ist, sich auf einen Gruselfilm im "Haunted-House-Stil" einzulassen. Die schwächere zweite Hälfte verleitet mich allerdings dazu, auch hier einen Punkt abzuziehen, so dass in der Gesamtabrechnung "nur" 4/5 Punkten verbleiben.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

13.11.2015 22:10
#228 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Auf die Sichtung dieses Films freue ich mich schon - ob nun purer Noir oder nicht. Die Inhaltsangabe erinnert mich an Agatha Christies "Ruhe unsanft", was beinahe wie abgesprochen zu meinem eigenen heutigen Filmabend passt.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

13.11.2015 23:07
#229 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Bin kein ausgewiesener Christie-Experte (kenne nur die wirklich "klassischen" Verfilmungen wie "Tod auf dem Nil"), aber nach Lektüre einer Inhaltsangabe des Romans würde ich sagen, dass du nicht ganz falsch liegst.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

13.11.2015 23:48
#230 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Die Killer (Rächer der Unterwelt) (USA 1946)

Regie: Robert Siodmak

Darsteller: Burt Lancaster, Ava Gardner, Edmond O´Brien u.a.



Film Noir Nummer 9:

Zu diesem Film habe ich im Thread noch keine Besprechung gefunden, obschon er nach mehreren Quellen zu den großen Klassikern des Genres zählt. Immerhin stolze vier Oscar-Nominierungen hat der Film seinerzeit erhalten und Robert Siodmak als einen der gefragtesten Regisseure Hollywoods etabliert. Darüber hinaus fungierte er als Sprungbrett für die Karrieren Burt Lancasters und Ava Gardners.


"Die Killer" beruht auf der gleichnamigen Geschichte von Ernest Hemingway, auf der auch der Film "Der Tod eines Killers" von Don Siegel mit Lee Marvin und Ronald Reagan basiert, den ich interessanterweise erst vor wenigen Monaten gesehen habe. Siegel war für den vorliegenden Film vorgesehen, wurde aber dann durch Siodmak ersetzt. 1964 drehte er dann doch eine eigene Version. Beide Filme erzählen nach der Ermordung des Opfers in Retrospektive, wie dieses in kriminelle Machenschaften geriet. Im Endeffekt geht es um die "Nachwehen" eines Coups, internen Verrat und Habgier.

Im Vergleich zu den bisher gesehenen Filmen aus dem Bereich Noir würde ich diesen als einen vergleichsweise "harten" Beitrag bezeichnen. Die Hauptfigur erliegt schon in den Anfangsminuten einem Kugelhagel. Auffällig ist die äußerst dynamische und vermutlich ebenso innovative Umsetzung der Action-Sequenzen, die sehr rau und realistisch inszeniert wurden. Die Rückblenden zeichnen das Porträt eines unsteten Mannes, ein "gefundenes Fressen" für Gangster und die obligatorische "Femme Fatale" (Ava Gardner), die (nicht nur) die Welt dieses Noir bevölkern. Nach und nach fügt sich ein Puzzle des "warum" zusammen, an deren Ende der Zuschauer durchaus überrascht wird, was sicherlich für die geschickte Komposition der Handlungsversatzstücke spricht.

Auf Seiten der Darsteller möchte ich Ava Gardner hervorheben. Schon auf dem Cover erschien sie mir als ideale "Femme Fatale". Und so ist es auch. Bereits in der ersten Szene, in der sie Lancaster singend um den Finger wickelt, bestätigt diese Vermutung. Ihre tiefen Blicke und ihr Spiel mit den Wimpern lassen erahnen, dass sie "etwas im Schilde führt". Gleichwohl tappt der Zuschauer bis zum Schluss im Dunkeln, auf welcher Seite sie steht. Reife Leistung!

Kleiner Kritikpunkt: Nach dem gelungenen Einstieg benötigt der Film etwas Zeit, bis er sich neu ausgerichtet und auf die Nacherzählung des Geschehens eingestellt hat. Sobald der Film wieder in die Spur gefunden hat, hangelt sich dieser auf hohem Niveau von Etappe zu Etappe bis hin zum Finale.


Im Vergleich zu Siodmaks "Der schwarze Spiegel" aus dem gleichen Jahr sehe ich diesen vorne, da die Story weniger vorhersehbar und erzählerisch reizvoller daherkommt. Ich habe wenig auszusetzen und gebe daher 4,5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

14.11.2015 20:42
#231 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Die blaue Dahlie (USA 1946)

Regie: George Marshall

Darsteller: Alan Ladd, Veronica Lake, William Bendix u.a.



Film Noir Nummer 10, also ein kleines Jubiläum.


Ein Kriegsveteran kehrt zurück und muss feststellen, dass die Welt, aus der er einst herausgerissen wurde, sich stark verändert hat. Ein Umstand, der vor allem vor seiner Ehefrau (Doris Dowling) nicht halt gemacht hat. Sehr schnell nach der Rückkehr merkt der Zuschauer, dass diese von kurzer Dauer werden wird. Und so kommt es auch. Kleinere Auseinandersetzungen münden in einen heftigen Streit, weswegen er (Johnny Morrison, gespielt von Alan Ladd) fluchtartig das Haus verlässt. Kurz darauf wird seine Ehefrau erschossen, er ist der Gejagte und muss nun auf eigene Faust herausfinden, wer der wahre Täter ist...

Der Film bietet eine reizvolle Ausgangssituation (der unschuldig Verfolgte), auch wenn sie durchaus bekannt erscheint (Hitchcock lässt grüßen). Es gibt einen recht überschaubaren Kreis von Verdächtigen, der noch kleiner wird, wenn man sich die naheliegendste Option, Mrs. Morrisons Liebhaber, den Clubbesitzer Eddie Harwood, Eigentümer der "Blauen Dahlie", hinwegdenkt.


ACHTUNG SPOILER


Kurz vor Schluss wähnt man sich auf der richtigen Spur, auf einmal ergibt die ein oder andere Szene, die man zuerst nicht ganz einzuordnen vermag, einen Sinn. Der Film läuft zielsicher auf eine überraschende, aber absolut überzeugende, weil ein Leitmotiv des Films (der Krieg und seine Nachwirkungen) repräsentierende Lösung zu und schlägt dann urplötzlich eine andere Richtung ein. Die Frage nach dem "warum" hat Gubanov in seiner wie immer äußerst fundierten Rezension präsentiert. Dieser Art der "Auflösung" wurde "von oben" eine Absage erteilt. So bekommt der Zuschauer zwar eine ebenfalls überraschende, aber völlig willkürliche Lösung präsentiert. Schade.


SPOILER ENDE


Dennoch ist der Film einen Blick wert. Das Motiv der "Blauen Dahlie" zieht sich wunderbar durch einen Film, welcher interessante Charaktere bietet, statt der klassischen "Femme Fatale" in der Hauptrolle eine ungewöhnliche Damenfigur bereithält und - mit Abstrichen - eine "Heimkehrergeschichte" mit einem konventionellen Kriminalfall gut verbindet. Daher noch 4/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

14.11.2015 22:59
#232 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Zeuge gesucht (USA 1944)

Regie: Robert Siodmak

Darsteller: Ella Raines, Alan Curtis, Franchot Tone, Thomas Gomez u.a.



Film Noir Nummer 11 bedeutet die Rückkehr auf die "eigenen Pfade", denn entgegen der bisherigen Rezensionen war ich absolut begeistert von diesem Werk. Wer hätte gedacht, dass mir ausgerechnet das Lexikon des Internationalen Films aus der Patsche hilft, mit dem ich sonst nur selten einer Meinung bin?

„Spannender, psychologisch stimmiger Kriminalfilm, dessen raffiniert konstruierte Romanvorlage geschickt umgesetzt wurde. Überraschende Wendungen und Perspektivwechsel sowie einige äußerst suggestiv entwickelte Sequenzen machen den Film zu einem der reizvollsten Vertreter des film noir.“

– Lexikon des internationalen Films

Ein Mann lernt in einer Bar eine ihm unbekannte Frau mit auffälliger Hutbekleidung kennen und geht mit ihr in eine Revueveranstaltung. Zu Hause angekommen, findet er in seiner Wohnung die Polizei samt seiner getöteten Ehefrau. Seine Zeugin, die ihm ein vermeintlich "wasserdichtes Alibi" verschaffen könnte, lässt sich nicht auffinden. Alle Menschen, welche die beiden gemeinsam gesehen haben, können sich nicht erinnern. Oder wollen sie nicht? Der Mann wird verurteilt. Seine letzte Hoffnung ist seine Angestellte Carol. Tiefe Gefühle für ihren Chef veranlassen sie dazu, sich auf die Suche nach der einzigen Zeugin zu machen...

Eine Frau hilft einem Mann aus einer für ihn auswegslosen Situation, eine Konstellation, die Wallace-Fans in Gestalt von "Der Fälscher von London" kennen und - jedenfalls in meinem Fall - sehr schätzen. So auch hier. Die vermeintlich schwache Carol (hervorragend: Ella Raines) macht sich allen Widerständen zum Trotz auf, um ihren Chef zu retten.

ACHTUNG SPOILER

Bereits gegen Mitte des Films wird der wahre Täter demaskiert. Und das nach allen Regeln der Kunst. Franchot Tone bringt in dieser Szenen den Zuschauer zum Schaudern. Man achtet danach unweigerlich besonders auf seine Hände... Spätestens ab da bietet der Film ein Höchstmaß an Spannung, denn Tone alias Jack Marlow, Freund des Verurteilten, steigt kurz darauf in die Ermittlungen ein, d.h. Unschuld und Täter bilden, am Rande begleitet vom mehr oder weniger privat weiter ermittelnden Inspektor, ein Team. Das große Finale, der Moment, in der Carol alles "wie Schuppen von den Augen fällt", ist vorgezeichnet. Dieses wird - wie alle Spannungsszenen im Film - meisterhaft inszeniert. Ein wunderbares Spiel mit Licht und Schatten, Nah- und Fernperspektiven, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

"Natürlich" übersteht Carol das ganze Geschehen, ohne dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird und "natürlich" gibt es auch noch das unvermeidliche Happy End mit dem nun freigesprochenen Chef. Quasi wie im "Fälscher von London". Wer es da hinnimmt, tut es auch hier. Dass die Tätermotivation freilich etwas dunkel bleibt, kennt man ebenfalls von Wallace. Also: sei´s drum.

SPOILER ENDE


"Zeuge gesucht" ist ein hochspannender Film Noir mit einer sympathischen Heldin und einem dämonischen Killer. Das Duell der beiden wurde von Robert Siodmak bestmöglich in Szene gesetzt. Ich bin in Spendierlaune und gebe daher - Achtung - 5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

15.11.2015 21:06
#233 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Unter Verdacht (USA 1944)

Regie: Robert Siodmak

Darsteller: Charles Laughton, Ella Raines, Stanley Ridges



Film Noir Nummer 12

Nachdem ich von "Zeuge gesucht" äußerst angetan war, fiel mir die Wahl für den nächsten Film leicht, denn auch das vorliegende Werk vereint Robert Siodmak vor und Ella Raines hinter der Kamera. Interessanterweise ist es letzten Endes keiner von beiden, der den Film wesentlich prägt, es ist vielmehr Hauptdarsteller Charles Laughton (bekannt aus "Zeugin der Anklage"), der das Geschehen vollends an sich reißt.

Das Werk basiert wie der deutsche Film "Dr. Crippen an Bord" aus dem Jahre 1942 auf dem wahren Fall des Dr. Crippen. Nur wird in dieser Version Robert Siodmaks der Name nicht gebraucht. Dennoch geht es auch hier um einen Mann, der seine Frau tötet und die sich anschließende Frage, ob er damit durchkommt...

"Unter Verdacht" ist ein Film der sehr atmosphärisch und auf liebenswerte Weise hausbacken daherkommt. Anders als Rudolf Fernau kommt Charles Laughton sehr sympathisch rüber, ganz anders sein Gegenüber, Inspektor Huxley (Stanley Ridges), so dass der Zuschauer sich unweigerlich auf Laughtons Seite schmeißt. Dennoch macht der Film auch nicht vor Unglaubwürdigkeiten Halt: so "stürzt" sich der Inspektor bei seinem ersten Auftritt geradezu auf Laughton und stellt ohne nachvollziehbaren Anlass eine zwar im Ergebnis richtige, aus objektiver Sicht - das erreichbare Wissen des Inspektors zugrundegelegt - jedoch hanebüchene Theorie auf. Auch die Liebesgeschichte zwischen Laughton und Raines ist ein wenig aufgesetzt. Nicht zuletzt, bei aller Liebenswürdigkeit, fehlt dem Film mitunter ein wenig "Biss". Dafür ist er dann nicht genug "Noir", sondern eher liebenswerter "Krimi", was sich auch an der - im Vergleich zu "Zeuge gesucht" - zurückhaltenden Inszenierung Siodmaks zeigt.

Nichtsdestoweniger ist "Unter Verdacht" ein absolut sehenswerter Film mit einem überragenden Charles Laughton in der Hauptrolle. 4/5 Punkten.

Ray Offline



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16.11.2015 22:15
#234 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Spiel mit dem Tode (USA 1948)

Regie: John Farrow

Darsteller: Ray Milland, Charles Laughton, Maureen O´Sullivan u.a.



Film Noir Nummer 13 vereint die für mich bis dato überzeugendsten männlichen Hauptdarsteller des Genres, nämlich Ray Milland und Charles Laughton. Genau diese beiden Herren liefern sich in diesem Spiel ein Katz und Maus-Spiel und das, ohne dies zu wissen.

Gleich die Einführungssequenz lässt erahnen, dass man es mit einem hochwertigen Film zu tun haben wird. Die Kamera fährt in das Gebäüde des Zeitschriftenimperiums von Earl Janoth (Charles Laughton), für welches George Stroud (Ray Milland) arbeitet. Aus dem Off gibt dieser sein Innenleben Preis. In den letzten 36 Stunden hat er nahezu alles verloren, wurde zum Gejagten und versteckt sich nun in einer überdimensionalen Uhr, dem stolzen Prunkstück der Firma. Wie es dazu kam? Das erzählt der Film im Rückblick, bis er sich nach ca. 80 Minuten wieder dort einfindet, wo er begonnen hat und denn Rest der Geschichte erzählt. Inzwischen haben sich die Ereignisse nur so überschlagen...

Was Erzählweise, Kameraführung, Ausleuchtung und Figurenzeichnung anbelangt, ist "Spiel mit dem Tode" eher ein typischer Thriller. Genauso wenig ist der eigenwillige, gleichsam absolut erfrischende Einsatz von Humor dem Film Noir eher fremd. Der Zuschauer bekommt einen atemlosen Thriller geboten, der geschickt mit Symbolen spielt (die überdimensionale Uhr als der ewig gleich ablaufende Alltag, als Überwacher, als Mahnmal für die Endlichkeit, als Symbol für eine Gesellschaft, die sich in geregelten Abläufen verliert...) und übt so bei aller turbulenten Unterhaltung leise Gesellschaftskritik. Das Darsteller-Duo Milland/Slaughton ist hervorragend, wobei mir insbesondere bei Slaughton, nachdem ich ihn gestern in "Unter Verdacht in einer komplett anderen Rolle sah, einmal mehr auffiel, wie facettenreich sein Spiel ist. Schließlich kulminiert die Hatz in einem actionreichen, gleichwohl überzeugenden Finale.

Ein hochspannender Thriller mit überzeugenden Darstellern, erfrischender Komik und leiser Gesellschaftskritik, an dem ich nichts auszusetzen habe. Daher 5/5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

17.11.2015 22:00
#235 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Briefe aus dem Jenseits (USA 1947)

Regie: Martin Gabel

Darsteller: Robert Cummings, Susan Hayward, Agnes Moorehead u.a.



Film Noir Nr.14


Ein Literaturagent (Cummings) reist nach Venedig, um im Haus einer alten Frau nach verschollenen Liebesbriefen eines Dichters zu suchen, um diese in großer Auflage auf den Markt zu bringen. Die Bewohner des Hauses nehmen seine Ankunft und sein Interesse nur sehr zurückhaltend auf und des Nachts ereignen sich seltsame (surreale) Dinge...

Mit Film Noir hat dieser Streifen nur sehr wenig gemein. Die Story trieft nur so vor Melodramatik. Die Performance der Hauptdarsteller kommt in Theatralik dem Stummfilm sehr nahe (oder der Performance Lil Dagovers in "Die seltsame Gräfin", die ich aber alles in allem noch recht gut fand). Das Verwirrspiel um die Identitäten (eine junge Mitbewohnerin des Hauses schlüpft in der Nacht in die Rolle des jüngeren Ichs der hundertjährigen Besitzerin, der Empfängerin der begehrten Liebesbriefe und hält den Literaturagenten - warum auch immer - für den Dichter der Briefe) mündet in einem großen Knall. Den erlebt jedoch nur, wer tapfer durchhält. Denn außer einer gelungenen Grundstimmung bzw. -atmosphäre und allenfalls solidem Handwerk vor und hinter der Kamera hat der Film nichts zu bieten, was ihn anno 2015 noch interessant erscheinen lassen.

Kurz und gut: meine erste Enttäuschung im Bereich Film Noir, wenn man diesen Film denn überhaupt hinzuzählen will. Ein mit melodramatischem Ballast beschwertes Schaudermärchen, das auch handwerklich nur in Ansätzen überzeugt. Daher nur 2/5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

17.11.2015 22:30
#236 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Hab ich im Regal, muss ich bei Gelegenheit testen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

18.11.2015 16:42
#237 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Das ist sehr kameradschaftlich. Würde mich interessieren, wie du als erfahrener Noir-Seher den Film beurteilst. Bin aber sicher, dass es nicht der einzige Film ist, der bei dir noch ungesehen im Regal steht, daher keine Eile.

Der-Film-Noir.de ist etwas großzügiger und gibt 3/5.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

18.11.2015 20:59
#238 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Der Mann mit der Narbe (USA 1948)

Regie: Steve Sekely

Darsteller: Paul Henreid, Joan Bennett, Eduard Franz u.a.



Film Noir Nummer 15


Nach der Enttäuschung von gestern wieder ein Film, mit dem ich im Ergebnis "einverstanden" bin.

Kaum aus der Haft entlassen, plant Ganove Muller (Paul Henreid) den nächsten Coup. Als dieser schief läuft, taucht er unter und bemerkt durch einen Zufall, dass ein Arzt namens Dr. Bartok ein exaktes Ebenbild seiner selbst ist - mit einer Ausnahme: einer Narbe auf der rechten Wange...

So weit, so hanebüchen. Denn nicht genug, dass der Kleinganove dem Arzt zum Verwechseln ähnlich aussieht. "Natürlich" kennt der Ganove sich aufgrund eines entsprechenden (abgebrochenen) Studiums in der Marterie auch bestens aus, so dass es keinem der Patienten auffällt, dass ein anderer vor ihnen sitzt.

Der Film nutzt diese Unstimmigkeiten jedoch geschickt aus, indem er noch einen Schritt weiter geht, sich quasi selbst karikiert und so der Gesellschaft geschickt den Spiegel vorhält: Muller fügt sich die ihm fehlende Narbe wegen eines falschen Fotos auf der verkehrten Seite zu und niemand merkt es - mit Ausnahme der Putzfrau. Dies steht exemplarisch für den damals wie heute vorherrschenden, in gewisser Weise auch natürlichen Egoismus und die Oberflächlichkeiten im täglichen gesellschaftlichen Umgang. Dieser Aspekt sowie das passende Finale lassen über die inhaltlichen Schwächen weitgehend hinwegesehen. Erwähnenswert erscheint noch die gelungene Kameraarbeit, der Aufnahmen wie der Schlag Mullers gegenüber der Sekretärin sowie das erste Betreten der Praxis Mullers in der Rolle des Dr. Bartok aus subjektiver Perspektive zu verdanken sind.

Mit inhaltlichen Mängeln behafteter, gleichwohl kurzweiliger und konsequenter Film, der Spannungskino mit charmanter Gesellschaftskritik verbindet. 4/5 Punkten.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

19.11.2015 07:44
#239 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Film Noir (2007)



Filmdaten:
Deutscher Titel: Film Noir
Originaltitel: Film Noir
Produktionsland: Vereinigte Staaten, Serbien
Originalsprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 2007
Länge: 96[1] Minuten
Altersfreigabe: FSK 16
Stab:
Regie: D. Jud Jones,
Risto Topaloski
Drehbuch: D. Jud Jones
Produktion: Miodrag Certic
Musik: Mark Keller
Kamera: Radan Popovic
Schnitt: Namub Elephantine


Handlung:

Die männliche Hauptfigur wacht völlig ohne Gedächtnis unter dem Hollywood-Schild neben einem Wagen und einem erschossenen Mann auf, den er offensichtlich auf dem Gewissen hat. Auch hat er keinerlei Papiere bei sich und nicht die geringste Erinnerung daran, wer er eigentlich selbst ist. Dem Ausweis der Leiche entnimmt er, dass es sich um einen Polizisten handelt, und er begibt sich zu dessen Haus, das leer zu sein scheint. Nachdem er aufsperrt geht allerdings das Licht an, und er blickt in eine Menge verdutzter Gesichter von Familienangehörigen und Polizeikollegen des Toten, die eine Überraschungsparty steigen lassen wollen. Von den Cops gejagt, gelingt ihm mit nur knapper Not die Flucht, und er setzt die Suche nach seiner, im Dunkeln liegenden, Identität fort. Aufgrund eines Anrufs auf seinem Handy vermutet er, der Privatdetektiv Sam Ruben zu sein, und macht dessen Büro ausfindig, erkennt aber an der Reaktion der Sekretärin, dass seine Annahme falsch ist und erkundigt sich nach Ruben, der angeblich für längere Zeit abwesend ist. Kurz nachdem er Rubens Büro verlässt, ruft ihn besagte Sekretärin auf seinem, eigentlich Ruben's, Handy an und berichtet von dem Besuch, wobei er von ihr als David Hudson bezeichnet wird. Warum ist er aber im Besitz von Rubens Mobiltelefon? Schließlich findet er David Hudsons Wohnung und muss erkennen, dass dieser offenbar ein Drogendealer ist, der auf Sado-Maso steht und charakterlich so ziemlich das letzte und verkommendste darstellt, was man sich ausmalen kann. Er wird von allen gehasst, kennt allerdings eine Reihe hübscher Frauen, die bereitwillig mit ihm schlafen, ihn im Grunde genommen aber ebenfalls verachten. Rasch muss er erkennen, dass ihm eine Gruppe Schwerbewaffneter nach dem Leben trachtet, wobei er immer wieder nur um Haaresbreite entkommt. Obwohl er von allen als David Hudson erkannt wird, erscheint ihm dessen Charakter völlig fremd. Auch die Frauen, welche sich mit ihm einlassen, spüren einen offensichtlichen Wandel in der Persönlichkeit. Als er dann noch erfährt, dass der David Hudson, zu welchem seine Sozialversicherungsnummer gehört, vor 32 Jahren im Alter von nur 3 Jahren verstarb, ist seine Verwirrung perfekt. Von Sam Ruben, der neben den besagten Mordgesellen ebenfalls hinter ihm her ist, fehlt weiterhin jede Spur...

Anmerkungen:

"Film Noir" ist ein, in der Gegenwart angesiedelter, Animationsfilm mit einer ausgesprochen spannenden Handlung und atmosphärischen Dichte, der zwar Elemente des modernen Actionfilms enthält, trotzdem aber primär den Flair der Film-Noirs aus den 40er- und 50er-Jahren ausstrahlt. Dies wird durch Mark Kellers wunderbar passende jazzige musikalische Untermalung verstärkt. Der mysteriöse Plot um den, unter Amnesie leidenden, Protagonisten auf der Suche nach sich selbst, mit teils niederschmetternden Erkenntnissen, ist von Anfang bis Ende fesselnd, wobei man ständig mit neuen Fragen und überraschenden Wendungen konfrontiert wird. Die vorkommenden Personen sind zwar nicht wirklich real gezeichnet, allerdings ist die Gestaltung trotzdem ausgesprochen ansprechend und enthält, obwohl grundsätzlich in schwarzweiß gehalten, an verschiedenen Stellen zahlreiche Farbeffekte. Die Hauptfigur ist ein hartgesottener und eigentlich rechtschaffener Kerl, der, nachdem er die Leiche des Cops entdeckt, den Schluss ziehen muss, dass er wohl der "Bad Guy" in dieser Geschichte ist. Schließlich gerät er in ein Milieu von gemeingefährlichen Häschern und willigen Frauen. Auch wenn hier verschiedene Elemente der alten Vorbilder einfließen, was Kennern des Genres nicht verborgen bleibt, vermag die Story bestens zu unterhalten und ist ein kleines Kunstwerk des Animationsfilms.

Fazit:


Sehr spannende, von Jazzmusik untermalte, Hommage an die Film-Noirs der alten Schule. 5 von 5.

Ray Offline



Beiträge: 1.930

20.11.2015 22:46
#240 RE: Sammelthread "Film Noir" Zitat · Antworten

Opfer der Unterwelt (D.O.A.) (USA 1950)

Regie: Rudolph Maté

Darsteller: Edmond O´Brien, Pamela Britton, Neville Brand u.a.



Film Noir Nummer 16

Ein Mann betritt ein Polizeirevier und meldet einen Mord. Welchen? Seinen eigenen! Alles weitere erzählt der Film in Rückblenden...

Hauptfigur klärt eigenen Mord auf. Die Idee hat wahrlich das Zeug zum Klassiker. Und was die Einführungssequenz verspricht, kann der Film auch über weite Strecken halten. Nachdem in den ersten ca. 20 Minuten erzählt wird, wie es zur (verzögernd zum Erfolg führenden) Ermordung kam, zeigt der Rest des Films die Hatz des Hauptcharakters nach seinem Mörder und den Gründen für die Tat.

Auf Seiten der Darsteller sind gleich mehrere hervorzuheben: allen voran natürlich Hauptdarsteller Edmond O´Brien, der seine fatalistische Figur derart gelungen auf die Leinwand bringt, dass der Zuschauer sich wunderbar in seine Lage versetzen und mitfiebern kann. Man wünscht ihm einfach von Herzen, dass er noch vor seinem Tode seinen Mörder zu fassen bekommt. Des Weiteren Neville Brand, der einen psychopathischen Handlanger mit der Brillianz eines Klaus Kinski darbietet. Auch von weiblicher Seite gibt es viel Positives zu vermelden. Da wäre zum einen Beverly Garland als Sekretärin Miss Forster, die ihre kleine Rolle mit starker Präsenz und voller Präzension ausfüllt. Ein absolut bemerkenswertes Filmdebüt. Schließlich gibt Laurette Luez eine hinreißende "Femme Fatale" ab.

Der Film ist für die damalige Zeit erstaunlich konsequent, wenn man einmal von der allzu naiven und mitunter störenden Paula, Angestellte und Geliebte der Hauptfigur, absieht, die freilich gleichsam den Abrutsch der Hauptfigur von dem Leben in Normalität hin zur Unterwelt, in der er schließlich sein Ende findet, symbolisiert. "Opfer der Unterwelt" dürfte mit Leichtigkeit der actionreichste Noir sein, den ich bisher gesehen habe (Filme des Neo Noir mal außen vor). Da wäre insbesondere die absolut mitreißende Szene, in der O´Brien durch die Straßen von San Francisco jagt, welche durch Überblenden dynamisiert wird und - wie zu lesen ist - wohl ohne spezielle Absperrungen gefilmt wurde. Darüber hinaus gibt es Verfolgungsjagden und Schusswechsel, wie man es in einem Noir kaum gewohnt ist. Sehr erfrischend. Schließlich gibt es auch so etwas wie "Galgenhumor", etwa, wenn O´Brien in der genannten Jagdszene vor einem Zeitungsstand eine Verschnaufspause macht und neben ihm die Zeitschrift "LIFE" aufgebahrt ist. Kleine Details, die den Film abrunden.

Abschließend sei noch angemerkt, dass die DVD von KOCH MEDIA nur die englische Originalfassung mit optionalen deutschen Untertiteln enthält. Der Film ist zwar 1952 im Constantin-Verleih erschienen, die entsprechende Synchronfassung scheint allerdings nicht auffindbar zu sein. Schade.

"Opfer der Unterwelt" ist ein wahrhaft "schwarzes B-Movie". Der grandiose Einstieg wird durch die straffe und weitgehend konsequente Inszenierung adäquat fortgeführt. Sowohl vor als auch hinter der Kamera werden bemerkenswerte Leistungen abgeliefert. Daher will auch ich konsequent sein und gebe daher 5/5 Punkten. Klare Empfehlung!

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