Kriminalfilm, USA 1946. Regie: Joseph L. Mankiewicz. Drehbuch: Howard Dimsdale, Joseph L. Mankiewicz. Mit: John Hodiak (George W. Taylor), Nancy Guild (Christy Smith), Richard Conte (Mel Phillips), Fritz Kortner (Anzelmo alias Dr. Oracle), Lloyd Nolan (Police Lt. Donald Kendall), Margo Woode (Phyllis), Josephine Hutchinson (Elizabeth Conroy), Houseley Stevenson (Michael Conroy), Sheldon Leonard (Sam), Lou Nova (Hubert) u.a. Uraufführung (USA): 1. Juni 1946. Uraufführung (BRD): 27. Oktober 1977. Eine Produktion von Twentieth Century Fox.
Zitat von Irgendwo in der NachtDie Granate, die direkt unter George Taylor explodierte, raubte ihm das Gedächtnis und die Identität. Wer bin ich?, fragt sich Taylor nach seiner Entlassung aus dem Militärlazarett. Als sein wichtigster Anhaltspunkt stellt sich der Brief eines Freundes mit dem Namen Larry Cravat heraus, der Taylor 5’000 Dollar auf der Bank hinterlegt hat. Doch der Mann ohne Gedächtnis findet bald heraus, dass die Suche nach Cravat nicht nur fünf Riesen wert ist. Eine ganze Reihe von Gangstern ist hinter dem Spezi her, der zwei Millionen Dollar aus einem drei Jahre zurückliegenden Raubmord versteckt hat ...
Die Welt erholt sich vom Zweiten Weltkrieg und der Film Noir trägt sein Scherflein dazu bei. Nach den Jahren, in denen sich auch die Amerikaner den Schrecken des Kriegs gegenübersahen, war die oberste Devise, Wunden zu heilen, die in die Körper und vor allem in die Seelen der Soldaten gerissen worden waren. Für den Noir stellen gerade solche verletzten Charaktere großes Potenzial dar, weil sie den traumatischen Zustand greifbar machen, der sich nach Kriegsende aus dem Militär in die Zivilgesellschaft hinübergerettet hatte:
Zitat von Alain Silver et al.: „Introduction to Classic Noir“ in „Film Noir: The Encyclopedia“, Overlook Duckworth, New York / London 2010, S. 16fBoth the social upheaval of World War II and the sociopathy on a smaller scale of American gangsterism in the decade preceding it created a class of individuals that would frequently be depicted in film noir. [...] An [obvious] cipher for the difficulties of readjustment is the amnesiac ex-Marine George Taylor in Somewhere in the Night. His loss of memory and identity is an absolute metaphor for the inability of the noir hero to distinguish between the benign and the malignant as he moves through the complex noir underworld.
Und wie komplex die Geschichte ist! Man kann wahrlich nicht behaupten, Dimsdale und Mankiewicz, die die Geschichte zusammen mit Lee Strasberg und W. Somerset Maugham adaptierten, hätten nicht alles in „Somewhere in the Night“ gepackt, was man sich von einem guten Noir und Krimi überhaupt nur wünschen kann: In seiner Unklarheit über sein eigenes Vorleben avanciert Taylor zu einer Art Privatdetektiv, wobei er in dieser Funktion auf Nachtclubs, eine auf ihn angesetzte Femme Fatale, perfide Doktoren mit Schlägertypen-Handlangern, eine Nervenheilanstalt (sehr gelungene Szenen!) und das Hafenviertel von Los Angeles trifft. Da ist es kaum verwunderlich, dass die Geschichte mit jeder Minute immer verschachtelter wird und jede Aufklärung über Taylors Identität eigentlich nur noch mehr Verwirrung beim Publikum stiftet. Ist auch dies ein gewollter Fingerzeig? Eine Warnung davor, schlafende Hunde lieber doch nicht zu wecken?
John Hodiak erhält für seine Verkörperung des fragwürdigen Helden in kaum einer Anmerkung uneingeschränktes Lob zugesprochen. Für einen traumatisierten Soldaten, einen auf dem Parkett der Unterwelt unversierten Grünschnabel und dennoch irgendwie verdächtigen Tunichtgut wirkt sein Auftritt stellenweise tatsächlich allzu steif, doch in den ruhigeren Momenten des Films überzeugt er ungleich mehr. Seine Filmbeziehung mit Nancy Guild – die eine für eine Leading Lady im Noir ungewöhnlich freundliche und loyale Rolle spielt – wird ebenso überzeugend aufgebaut wie die Recherche bei Elizabeth Conroy, die fast zu einem eigenständigen kleinen Drama im Film heranwächst, als sich zwischen den beiden ein bemerkenswerter Dialog über die Einsamkeit in den Kriegsjahren entwickelt.
Die Jagd nach Larry Cravat gestaltet sich tempo- und abwechslungsreich, bleibt aber nicht ohne lose Enden und wird zum Teil auch recht vorhersehbar aufgelöst. Interessant wäre ein Blick darauf, wie die deutsche Synchronisation mit der Entstehungsgeschichte des Namens George Taylor umging. Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, dass es ein besonderes Vergnügen ist, „Somewhere in the Night“ im Originalton zu sehen, weil sich die Charaktere – allen voran die beiden „Damen“ – in coolen Vierzigerjahre-Sprücheklopfereien geradezu im MG-Salventempo gegenseitig überbieten.
„Somewhere in the Night“ bietet einen essenziellen Blick des Film Noir auf die zeitgenössische soziopolitische Entwicklung am Beispiel eines traumatisierten Ex-Marines, der seinen ihm unbekannten Namen reinzuwaschen versucht und sich dabei anscheinend immer tiefer in spannende und ruchlose Machenschaften hineinreitet. Der Film ist in lässig-edlem Stil aufgenommen und besticht vor allem durch seine hochwertige und vielfältige Auswahl an Settings. 4 von 5 Punkten.
Deutscher Titel: Katzenmenschen Originaltitel: Cat People Produktionsland: USA Originalsprache: Englisch Erscheinungsjahr: 1942 Länge: 73 Minuten Altersfreigabe: FSK 12 (Video / DVD)
Stab:
Regie: Jacques Tourneur Drehbuch: DeWitt Bodeen Produktion: Val Lewton Musik: Roy Webb Kamera: Nicholas Musuraca Schnitt: Mark Robson
Besetzung:
Simone Simon: Irena Dubrovna Reed, Kent Smith: Oliver Reed, Tom Conway: Dr. Louis Judd, Jane Randolph: Alice Moore, Alan Napier: Carver, Jack Holt: Commodore, Elizabeth Russell: Barbara Farren, Alec Craig: Zoowärter, Bud Geary: Polizist, Mary Halsey: Blondie
Handlung:
Die aus Serbien stammende Modezeichnerin Irena Dubrovna lernt den sympathischen Oliver Reed kennen und die Beiden heiraten sehr bald. Allerdings verweigert Irena jegliche Intimität, da eine sehr schwere Last auf ihrer Seele lastet. Einer alten serbischen Legende zur Folge gab es einmal einen bösen schwarzmagischen Kult, der größtenteils ausgerottet wurde. Die intelligentesten und bösesten Vertreter dieses sinisteren Kults sollten allerdings überlebt haben. Irena hält sich für einen Abkömmling dieser Linie, für eine Katzenfrau, die sich in einen Panther verwandelt, sobald ein Mann sie küsst oder ihre Eifersucht provoziert wird. Tatsächlich reagieren harmlose Haustiere panisch auf ihr Erscheinen und die Besitzerin einer Tierhandlung erwähnt, dass der tierische Instinkt sich nicht täuschen ließe, da Tiere sofort spüren, wer gut oder böse ist. Oliver entfremdet sich mehr und mehr von seiner, zwar liebreizenden, emotional allerdings unnahbaren Frau und verliebt sich in seine wesentlich unkompliziertere Arbeitskollegin Alice. Irena ist tief verletzt, und Alice fühlt sich wiederholt von einer Raubkatze verfolgt. Der Psychiatar Dr.Judd, welcher die unglückliche Irena behandelt, hat sich in diese verliebt und möchte Oliver und Alice helfen, die Ehe zu annullieren. Allerdings erscheint Irena nicht. Bei einem späteren Treffen mit Dr.Judd wird sie von diesem geküsst ...
Anmerkungen:
Motiviert durch die obigen Besprechungen habe auch ich mir nach über 30 Jahren Jacques Tourneurs „Cat People“ wieder einmal angesehen. Besonders hellhörig machte mich Gubanovs Aussage, es wäre nicht klar, ob Irena sich tatsächlich verwandelt, oder ob sie lediglich von einer psychischen Krankheit gequält wird und sich alles nur einbildet.
Der Film hat einen sehr klassischen, gepflegten und angenehm-altmodischen Grusel-Flair mit gekonntem Schattenspiel, was ihn mit Recht zu einem Klassiker macht. Grundsätzlich sehe ich ihn als Gruselfilm. Ob es sich nun auch um einen Film-Noir handelt oder nicht, ist für mich nicht wichtig, weshalb ich mir diesbezügliche Diskussionen verkneife.
Mein Hauptinteresse gilt der Frage, ob der Horror in diesem Streifen eingebildet oder real ist. Meiner Auffassung nach ist das Übernatürliche hier ganz klar real präsent. Mein Hauptargument dafür ist, wie schon oben erwähnt, dass Dr.Judd von einem Panther angefallen und getötet wird, nachdem er Irena küsst. Man sieht den Panther, und Judd wehrt sich mit einer Klinge, die dabei abbricht. Irena flüchtet mit der abgebrochen Klinge in der Schulter und öffnet erst danach den Pantherkäfig. Dass sämtliche Tiere Irena instinktiv fürchten würde ich nicht mit einer psychischen Krankheit in Verbindung bringen, da sie ja so keine wirkliche Bedrohung für diese wäre. Sie sehnt sich ja nach Zuneigung, auch von Seiten der Tiere. Nur kann sie aufgrund ihres tragischen Schicksals diese nicht wirklich auf sich ziehen. Auch Alice hört im Schwimmbad das Knurren einer Raubkatze und findet danach das zerfetzte Kleidungsstück. Das mit dem Kleidungsstück könnte theoretisch natürlich Irena gemacht haben. Aber das Knurren war immerhin deutlich hörbar.
Sehr gut gefällt mir übrigens die Szene auf Irenas und Olivers Hochzeit, wo eine katzenartige Frau sich Irena zuwendet und zu ihr sagt „Moja Sestra“ (Serbokroatisch für „Meine Schwester“).
Simone Simon (1910-2005), Jane Randolph (1915-2009) und Kent Smith (1907-1985) sind sehr sympathische Schauspieler, die allesamt in ihren Rollen das nötige menschliche Verständnis für ihre Situation wecken.
Fazit:
Schöner Klassischer Gruselfilm, der in seiner kurzen und bündigen Handlung sehr viel Spannung und Filmkunst verpackt. 4 von 5.
Liebesdrama, USA 1947. Regie: Lewis Allen. Drehbuch: Robert Rossen (Buchvorlage „Desert Town“: Ramona Stewart). Mit: John Hodiak (Eddie Bendix), Lizabeth Scott (Paula Haller), Burt Lancaster (Tom Hanson), Wendell Corey (Johnny Ryan), Mary Astor (Fritzi Haller), Kristine Miller (Claire Lindquist), William Harrigan (Richter Berle Lindquist), James Flavin (Sheriff Pat Johnson), Jane Novak (Mrs. Lindquist), Anna Camargo (Rosa) u.a. Uraufführung (USA): 15. August 1947. Uraufführung (BRD): 11. Juni 1985. Eine Produktion von Paramount Pictures.
Zitat von Desert Fury – Liebe gewinntPaula Haller hat ihren eigenen Kopf. Von ihrer kontrollsüchtigen Mutter, die von den Bewohnern der kleinen Wüstenstadt Chuckawalla gemieden wird, weil sie ein erfolgreiches Spielcasino leitet, will sie sich im Alter von 19 Jahren mit aller Kraft loseisen. Anstatt auf Mutters Vorschlag einzugehen, den Hilfssheriff Tom zu heiraten, der Paula endlich auch zu gesellschaftlichem Ansehen verhelfen würde, hängt der eigensinnige Backfisch wie eine Klette am Falschspieler und Betrüger Eddie Bendix. Von dem geht die Kunde, er habe seine erste Frau ermordet!
In der Wüste von Nevada entfachen fünf Personen ein Melodram, das so heiß ist wie der Sand des Mountain West in der Mittagssonne. Blogger Jake Hinkson fasste das Geschehen in seiner auch sonst hinreißend unterhaltsamen Abrechnung mit „Desert Fury“ wie folgt zusammen:
Zitat von Jake Hinkson: „Desert Fury: Noir Camp Taken to Extremes“ at CriminalElement.com, QuelleJohn Hodiak stars as a gangster who arrives in the town of Chuckawalla accompanied by his overly-attentive buddy Wendell Corey. They run into Lizabeth Scott. She’s the spoiled daughter of Mary Astor, the shady owner of a gambling joint called The Purple Sage. Burt Lancaster is a deputy sheriff who has the hots for Liz, but he’s jealous because she has the hots for Hodiak. Hodiak has the hots for Liz, but this makes his buddy Wendell Corey jealous because Corey seems to want to keep Hodiak all for himself. And Mary Astor is jealous of just about everyone. Frankly, I forget what exactly happens next. In my defense, the “story” here is simply a series of scenes wherein these five people enter rooms, swear allegiances, throw off allegiances, and then slap each other across the face (in the course of this film I counted four people popped across the kisser, which works out to about one slapdown every twenty minutes or so). Liz Scott eventually storms out of every room she enters.
Wenn ein Film so haarsträubend melodramatisch und schmonzettig ist wie „Desert Fury“ und dann auch noch in buntestem Technicolor erstrahlt, macht dies seine Einordnung in den Noir-Kanon schwierig. Ich fühlte mich beim Sehen weniger in einem Beitrag der Schwarzen Serie als etwa bei „Katzenmenschen“; zugleich berücksichtigen diverse Quelle das Wildwest-Drama jedoch als Bestandteil des Genres – begonnen bei Analytikern wie Foster Hirsch und Eddie Muller über unzählige Internetblogger und die Marketing-Abteilung des DVD-Labels Koch Media bis hin zu den Mitwirkenden an der IMDb, die „Desert Fury“ außerdem gar im Kriminalbereich verorten. Doch zugestanden – so ganz zu Unrecht trägt der Film zumindest seine Noir-Plakette nicht, brodeln neben den offensichtlichen Liebschaften zwischen Scott und Hodiak sowie zwischen Lancaster und Scott doch noch verschiedene weitere Zuneigungen, die eher – hmm – sonderbarer Natur sind.
Zitat von Adam Lounsbery: „Desert Fury (1947)“ at Film Noir of the Week, QuelleThe love triangle formed by Paula, Eddie, and Tom is weak sauce compared with the love triangle formed by Paula, Eddie, and Johnny. Johnny is more than just Eddie’s „muscle“. He’s his longtime companion, his best friend, and – just possibly – his lover. [...] Johnny hates Paula, and seems insanely jealous of her relationship with Eddie. [...] The relationship between Eddie and Johnny isn’t the only hint of a gay union. Paula and Fritzi are so close in age, and Fritzi’s attitude toward her daughter lacking so much maternal warmth, that they seem more like a lesbian couple than anything else. [...] Lizabeth Scott and Burt Lancaster might walk off into the sunset at the end of the picture, but their lips never meet. The final – and most passionate – kiss of the film is the one Fritzi plants on Paula’s lips.
Wenn man dann auch noch die Anspielungen auf das große Geständnis, das Fritzi ihrer Tochter über ihre frühere Beziehung zu Eddie Bendix zu machen gedenkt, auf die Goldwaage legt, so mag man gar vermuten, dass Bendix mit Frau Haller dereinst erst für die Zeugung Paulas sorgte. Die Abwesenheit der anderen (vorgeschobenen?) Vaterfigur durch frühen Tod erscheint vor diesem Hintergrund als bewusster Stilgriff der Autoren, hier dezent so etwas wie eine Inzest-Thematik anzuschneiden. So blättert die Farbe langsam von der Fassade der herrschaftlich residierenden Familie und der Zuschauer enthält immerhin unterhaltsame Entschädigung für die weitgehende Abwesenheit bzw. die sofortige Durchschaubarkeit des einzigen Mordrätsels.
Den Umstand, dass in den 1940ern die Farbfilme noch etwas Besonderes waren, merkt man „Desert Fury“ unumwunden an. Schon im Vorspann wird gesondert auf das Aufnahmeverfahren und einen eigens verpflichteten Technicolor Color Director hingewiesen. Und eben diese Natalie Kalmus achtete darauf, dass das teure Material einer besonders augenfälligen Verwendung zugeführt wurde. Wenn vor dem Haus der Hallers im grünen Garten vor einem blauen Himmel Paula mit einem weinrot-braunen Wagen vorfährt oder Paulas in ihrem blauen Badezimmer einen blauen Bademantel, im Schlafzimmer jedoch einen gelben trägt, ihr Rock in einer weiteren Szene alle Farben des Regenbogens in sich vereint und ein mehrere Meter entferntes Kaminfeuer den ganzen Salon der Halverson Ranch in orange-glühendes Licht versetzt, so dürfte es auch einer gewissen sarkastischen Komponente nicht entbehren, wenn von „gloriosem Technicolor“ die Rede ist.
Hinkson schreibt „Desert Fury“ die Zurückhaltung einer Transvestitenrevue zu und trifft damit in mehrfacher Hinsicht ins Schwarze: Diese Produktion zeigt, dass der Versuch, alles größer, spektakulärer und bunter zu gestalten, auch nach hinten losgehen kann. Viele Noirs werden eher wegen ihrer Einfachheit geschätzt. Dieser Film ist pompös und überkandidelt, aber gerade deshalb auch nicht ohne Unterhaltungswert. Die Schauspieler hauen herrlich auf die Pauke, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass mein Gefallen für das Drama die komplett falschen Gründe hatte ... 3 von 5 Punkten.
Auch auf die Gefahr hin, mich damit lächerlich zu machen, möchte ich Interessierten diesen Noir-Zeichentrickfilm ans Herz legen. Ich habe ihn vor einigen Jahren mal gesehen, und er hat mir irre gut gefallen. Er handelt zwar in der Gegenwart, ist aber in schwarzweiß gezeichnet (mit einigen Farb-Effekten) und hat einen wirklich tollen und typischen Noir-Plot. Es geht um einen Kerl, der am Hollywood Boulevard neben einem toten Polizisten aufwacht und sein Gedächtnis verloren hat. Auf der Suche nach seiner Identität gerät er in eine extrem mysteriöse Geschichte, wobei ihm ständig jemand nach dem Leben trachtet.
Filmdaten:
Deutscher Titel: Film Noir Originaltitel: Film Noir Produktionsland: Vereinigte Staaten, Serbien Originalsprache: Englisch Erscheinungsjahr: 2007 Länge: 96 Minuten Altersfreigabe: FSK 16
Stab:
Regie: D. Jud Jones, Risto Topaloski Drehbuch: D. Jud Jones Produktion: Miodrag Certic Musik: Mark Keller Kamera: Radan Popovic Schnitt: Namub Elephantine
Thriller, USA 1952. Regie: Henry Hathaway. Drehbuch: Charles Brackett, Walter Reisch, Richard L. Breen. Mit: Marilyn Monroe (Rose Loomis), Joseph Cotton (George Loomis), Jean Peters (Polly Cutler), Casey Adams (Ray Cutler), Denis O’Dea (Inspektor Starkey), Richard Allan (Patrick), Don Wilson (Mr. J.C. Kettering), Lurene Tuttle (Mrs. Kettering), Russell Collins (Mr. Qua), Will Wright (Bootsverleiher) u.a. Uraufführung (USA): 21. Januar 1953. Uraufführung (BRD): 9. Oktober 1953. Eine Produktion von Twentieth Century Fox.
Zitat von NiagaraVor der Kulisse der tosenden Niagarafälle schmiedet Rose Loomis einen teuflischen Plan: Ihr Geliebter soll ihren Mann umbringen und ihn an der Besichtigungsplattform unter dem Wasserfall in die Gischt stoßen. Doch als das Vorhaben misslingt und statt George Loomis der Liebhaber tot aufgefunden wird, erleidet Rose einen Nervenzusammenbruch. Der Polizei kann sie in ihrem Zustand zunächst nichts von der falschen Identität der Leiche erzählen, sodass George die Gelegenheit nutzt, bittere Rache an Rose zu nehmen ...
Zitat von David Sterritt: „Niagara“ at Turner Classic Movies, QuelleIt’s interesting that the filmmakers recognized a dark side to [the] Niagara [Falls] that makes it an appropriate setting for a film-noir storyline. Although the area is most famous as a vacation and honeymoon destination, researchers and journalists report that more suicides take place there than anywhere else in North America, and in the past century more than five hundred bodies have been pulled from the river below the falls. Those facts are very much in keeping with the film’s gloomy aspects.
Die dramatische Anziehungskraft der in die Tiefe stürzenden Wassermassen verbindet „Niagara“ auf ausdrucksstarke Weise mit den Strudeln und Verwirbelungen in der menschlichen Seele. Gleich zu Beginn wird ein Blick in die düstere Philosophie von George Loomis geworfen, der von umherspritzendem Wasser durchtränkt, über die Felsen in der Nähe der Niagarafälle klettert. Es ist ein Schauplatz, der eines Noirs wahrhaft würdig ist: schön und schrecklich zugleich; er präsentiert ein sehenswertes Naturspektakel und starke Zerstörungskraft in einem. Und außerdem schreibt er die Voraussetzungen für die technische Umsetzung des Thrillers fest: Eine klassische Schwarzweißproduktion hätte die Facetten des Handlungsorts kaum einfangen können; Regenbögen und Pellerinen wären verblasst und der Ausblick aus den Ferienhäusern auf den Klippen hätte statt spektakulären Grün- und Blautönen nur eine trostlos graue Landschaft gezeigt (einmal ganz von Lippenstift und Kleidern der Monroe abgesehen). Was „Niagara“ besonders macht, ist aber gerade, dass der Film trotz seiner Noir-Aspekte ein Tribut an Schönheit und Kraft und die Farben des Lebens darstellt.
Die kleineren Ungereimtheiten (das Verhalten der Cutlers an der Grenze oder das Ertönen des vereinbarten Liedsignals trotz des misslungen Plans [welch anderer Titel als „Kiss“ könnte Marilyns Erkennungszeichen sein?]) fallen im aufrüttelnden Konstrukt des Films kaum ins Gewicht. Während der Einstieg etwas schleppend gerät und teilweise einen für Beiträge des Genres ungewöhnlichen, eher hitchcockesken Humor aufweist, werden die Ereignisse ab der Mordplanung rasant und nachdrücklich in Szene gesetzt. Gegenseitige Abneigungen und das aufeinanderhockende Lauern der Protagonisten steigern sich zu emotionalen Ausbrüchen, zu Flucht und zu Gewalt. Diese gipfelt in einer zweiten Mordtat im Glockenturm an der kanadisch-amerikanischen Grenze, die mustergültig vorbereitet und in elegante Bilder aus ungewöhnlichen Kameraperspektiven verpackt wird. Der eine oder andere Filmforscher ist so hingerissen, diese Sequenz mit einem Orgasmus zu vergleichen.
Erotik spielt keine kleine Rolle in „Niagara“. Marilyn Monroe etablierte sich mit den Szenen im knappen pinken Kleid („Man müsste mit 13 Jahren anfangen zu üben, um so ein Kleid tragen zu können“) als Sexsymbol und Eigenmarke – und unterstrich diesen Anspruch nicht nur im Physiognomischen, sondern auch in der Selbstverständlichkeit ihres anrüchigen Auftretens. Wo sich lustvolles Knistern und heimtückische Mordpläne vereinigen, ist der Begriff der Femme Fatale nicht weit entfernt, doch anstatt nur noch eine weitere dieser Rollenschablonen auszufüllen, versuchte sich Monroe an einer Variation der Type mit der ihr eigenen kindlichen Hilfslosigkeit und Zutraulichkeit. Diese Eigenschaften gestalten sie verwunderbarer als etwa Frauen vom Kaliber einer Barbara Stanwyck und sorgen für abwechslungsreiche Zwischentöne in „Niagara“.
Wenig mit dem Schema des klassischen Noir haben die Cutlers zu tun, die als strahlendes Pärchen für die leichteren Momente sorgen als Miss Monroe und der grimmige Cotton. Casey Adams’ Rolle ist ein typischer Bob-Cummings-Part und nicht unähnlich dem All-American-Boy, den Kent Smith in „Katzenmenschen“ spielt. Da diese Bodenständigkeit in einigen Szenen allzu dick aufgetragen ist, kann es nachträglich als Glücksgriff des Drehbuchs gewertet werden, Ray Cutler nur am Rande abzuhandeln und seiner Frau Polly die Hauptaufgabe als Ermittlerin zukommen zu lassen. Auch in diesem Punkt lockert „Niagara“ die strikten Noir-Regeln vom toughen Private Eye oder dem sich hartnäckig auflehnenden unschuldig verdächtigten Mann.
Auf halbem Wege zwischen Noir und Hitchcock nutzt dieser Thriller die bildschöne und doch sinistre Ausstrahlung der Niagarafälle als Backdrop für zwei dramatische Verbrechen. Die sich beständig fester drehende Spannungsschraube sowie das facettenreiche Spiel der Kunstfigur Monroe und ihres geerdeteren Gegenstücks Jean Peters sorgen für erstklassige Unterhaltung, die über ein paar Längen zu Beginn bald hinwegblicken lassen. 4,5 von 5 Punkten.
Liebesdrama, USA 1952. Regie: Fritz Lang. Drehbuch: Alfred Hayes (Vorlage: Clifford Odets). Mit: Barbara Stanwyck (Mae Doyle), Paul Douglas (Jerry d’Amato), Robert Ryan (Earl Pfeiffer), Marilyn Monroe (Peggy), Keith Andes (Joe Doyle), J. Carrol Naish (Onkel Vince), Silvio Minciotti (Papa d’Amato), Diane & Deborah Stewart (Baby Gloria d’Amato) u.a. Uraufführung (USA): 16. Juni 1952. Uraufführung (BRD): 31. Oktober 1952. Eine Produktion von Wald-Krasna Productions für RKO Radio Pictures.
Zitat von Vor dem neuen TagNach zehn Jahren in der weiten Welt kehrt Mae Doyle ins heimische Fischerdorf zurück. Ihrem Umfeld ist sie entwachsen – und doch unternimmt die vom Leben enttäuschte Frau einen letzten Versuch, sich mit ihrem Schicksal abzufinden: Sie heiratet den Kapitän Jerry und schenkt ihm eine Tochter. Doch nach einem Jahr Ehe brennen die Sicherungen durch: Mae hat genug vom Leben als Haus- und Ehefrau und Joe kommt hinter ihre Affäre ...
Ein Film Noir ohne jedes Verbrechen? Auch das kann funktionieren, wie Fritz Lang in der 1952er Version des Clifford-Odets-Bühnenstücks „Clash by Night“ beweist. Alles, was an diesem Film den Stempel „Noir“ verdient, liegt allein in den Charakteren, in ihren Beziehungen, Lebenserfahrungen und -umständen verborgen. Dabei muss der Zuschauer die gedankliche Leistung erbringen, die üblichen Prämissen des Genres nicht nur in Bezug auf die Frage „Krimi / kein Krimi?“, sondern auch hinsichtlich der Protagonisten wie in einem gespiegelten Abbild zu betrachten. Mit Robert Ryan tritt ein Homme Fatal seinem weiblichen Opfer in Gestalt Barbara Stanwycks gegenüber, die im Stil heimgekehrter Soldaten vom rauen Weltgeschehen verletzt und enttäuscht erscheint und damit leichte Beute für Vorspiegelungen und Verlockungen darstellt.
„Clash by Night“ zeichnet den Kampf der Mae Doyle nach, die zynisch ist, weil sie eine innere Unsicherheit in sich trägt. Sie wägt die beiden Männer Ryan und Douglas gegeneinander ab und entscheidet sich zunächst für die Vernunft, bevor die Triebe sowie die Flucht vor Verantwortung und Alltäglichkeit zu romantisch-düsteren Verwicklungen führen. Diese gipfeln in mehreren dramatischen Szenen, unter denen der eine titelgebende „Clash“ kaum eindeutig zu identifizieren ist. Das Dreigestirn bekämpft sich stark, aber nicht mit aller Stärke – größter Schwachpunkt der Produktion dürfte neben ihrer prinzipiell nicht nötigen Überlänge das Weglassen des sich im Theaterstück zutragenden finalen Mordes sein. Dieser wäre von der Filmzensur kaum erlaubt worden, weil sich dann die Frage nach dem Schicksal des Babys nur schwer zufriedenstellend hätte beantworten lassen. Aus der vorliegenden Fassung hingegen lässt sich eine eindeutige Botschaft für das traditionelle Familienkonzept und das Durchhalten auch in schwierigen Zeiten der Beziehung ablesen.
Der äußerlich gereiften und innerlich gar verhärmten Stanwyck wird mit der jungen Marilyn Monroe ein wirkungsvolles Kontrastbild gegenübergestellt, auf das sich die Stanwyck-Figur an einem Punkt wörtlich als Mutter bezieht. Der Film wendet auf vielsagende Weise das Prinzip der Parallelität an, indem der Monroe-Rolle die gleiche Zukunft an der Seite eines ähnlich heißblütigen und unsicheren Mannes prognostiziert wird – Robert Ryan und Jungstar Keith Andes sind sich in ihrer Erscheinung nicht einmal unähnlich.
Während die technische Seite des Films – wie von Lang zu erwarten – wenig Raum zur Kritik lässt (er hätte nur das Tempo engagierter forcieren sollen), so muss die Idee, die Handlung in ein Dorf an der Küste zu verlegen, als dem Endergebnis abträglich bezeichnet werden. Durch das omnipräsente Seemannsmilieu erlagen die Verantwortlichen verschiedenen Versuchungen, die „Clash by Night“ teils langweilig, teils ärgerlich unelegant wirken lassen: Nebenfiguren wie die das Vaters und des Onkels wirken überzeichnet und nicht nur unfreiwillig komisch, sondern richtiggehend störend. Das einfache Flair wurde übertrieben ausgereizt; viele Handlungen, Dialoge und ganze Szenen(-stränge) erscheinen irrelevant, absurd, belanglos, schäbig. Schließlich erscheint die Besetzung des Jerry mit Paul Douglas suboptimal, weil er Stanwycks Anbandeln mit dem Käpt’n, ihr Einlassen auf seinen Heiratsantrag und ihr gemeinsames Kind (im Alter von 45 Jahren für Fünfzigerjahrestandards ohnehin eher sonderbar) nicht gerade glaubhaft erscheinen lässt.
Der Plot gerät ähnlich dem von „Desert Fury“ zu dem eines zum Scheitern verurteilten Liebesfilms, bietet unterschwellig jedoch mannigfaltige Indizien für Freunde des Noir-Genres. Fritz Langs geschicktes Spiel mit Kameraeinstellungen und Chiaroscuro macht die heruntergekommene Atmosphäre nur stellenweise wett, während Stanwyck bemüht gegen Unzulänglichkeiten in der Cast-Liste ankämpft. Hier haben wir es mit einem Film zu tun, in dem die weiblichen Darstellungsleistungen meilenweit besser ausfallen als die männlichen – durch die Bank weg. 2,5 von 5 Punkten.
In seinem Interview mit Charles Higham und Joel Greenberg aus dem Jahr 1969 resümiert Lang:
Zitat von Barry Keith Grant (Hrsg.): „Fritz Lang Interviews“, UP of Mississippi, Jackson 2003, S. 118[W]orking with Barbara Stanwyck was one of the greatest pleasures of my career. She’s fantastic, unbelievable, and I liked her tremendously. When Marilyn missed her lines – which she did constantly – Barbara never said a word. I remember a particularly difficult scene between the two of them in which Barbara was hanging out some laundry and Marilyn had to say one or two lines. Although Marilyn missed her cue three or four times, all Barbara said was, „Let’s try it again“.
Besonders hervorzuheben ist auch, dass die deutsche DVD-Auswertung des Films, obwohl es sich um ein Low-Budget-Produkt aus dem Hause Schröder Media / Polar-Film handelt, den amerikanischen Audiokommentar mit Peter Bogdanovich und Interviewausschnitten von Fritz Lang enthält, der ursprünglich für die Auswertung in der mittlerweile vergriffenen Film Noir Classics Collection 2 von Warner Bros. US aufgenommen wurde und viele dieser kleinen Anekdoten zum Film beinhaltet. Man sollte sich auch nicht vom mittelmäßigen (und fehlleitenden) Photoshop-Cover abschrecken lassen – das FSK-flatschenlose Wendecover zeigt das originale US-Kinoplakatartwork.
Kriminalfilm, USA 1948. Regie: Steve Sekely. Drehbuch: Daniel Fuchs (Buchvorlage: Murray Forbes). Mit: Paul Henreid (John Muller / Dr. Bartok), Joan Bennett (Evelyn Hahn), Eduard Franz (Frederick Muller), Leslie Brooks (Virginia Taylor), John Qualen (Swangron), Mabel Paige (Putzfrau), Herbert Rudley (Marcy), Charles Arnt (Coblenz), George Chandler (Aubrey), Sid Tomack (Artell, Manager) u.a. Uraufführung (USA): 18. August 1948. Uraufführung (BRD): 28. März 1950. Eine Produktion von Bryan Foy Productions und Eagle-Lion Films.
Zitat von Der Mann mit der NarbeJohnny Muller ist ein unverbesserlicher Gangster. Keine Woche, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden ist, überfällt er mit seinen Kumpanen das Spielcasino der Unterweltgröße Rocky Stansyck. Der Raubzug schlägt fehl und drei Männer sterben im Kugelhagel. Johnny entkommt, doch er wird von Stansycks Handlangern verfolgt. Seine letzte Chance besteht darin, eine andere Identität anzunehmen. Da erfährt er aus Zufall, dass er dem Psychiater Dr. Bartok verblüffend ähnlich sieht. Nur eine Narbe auf der Wange fehlt ihm noch ...
Johnnys Selbstverstümmelung mit dem Ziel, in die Schuhe Dr. Bartoks zu schlüpfen, steht exemplarisch für alle selbst auferlegten Einschränkungen und Scheuklappen, mit denen die Figuren in „Hollow Triumph“ durch die Welt laufen. Für den intelligenten Muller gibt es kein höheres Prinzip als die schnelle (kriminelle) Befriedigung seiner Wünsche, während Dr. Bartok in seiner herablassenden Art nur die Dinge wahrnimmt, die er sehen und hören will. Sekretärin Evelyn bringt sich dagegen mit Pessimismus und Selbstmitleid um ihre besten Jahre. „Ich hasse alles, was ich kenne. Ich hasse alles an mir, ich hasse dich!“ ruft sie verbittert aus und demonstriert, dass auch ein schönes Gesicht nicht vor inneren Narben feit.
Für den Österreicher Henreid, der nach den anfänglichen üblichen Nazirollen von den Studiobossen zu einem Frauenschwarm stilisiert wurde, bot „Der Mann mit der Narbe“ eine Fluchtmöglichkeit aus festgefahrenen Rollenklischees. Bereits 1943 berichteten die Zeitungen launig von einem Image, auf das sich Henreid über die Jahre verständlicherweise nicht beschränken lassen wollte:
Zitat von „Paul Henreid: Movies’ New Hearthrob“, The Coshocton Tribune, 25. April 1943, S. 9Paul Henreid is no longer playing Nazis. He’s Hollywood’s latest heartthrob, the romantic leading man of Joan of Paris, Now, Voyager, Casablanca and the forthcoming Devotion, and the characteristics that made the lady from Dubuque, Iowa, write him a mash note when he was wearing a swastika on his armband are more in evidence than ever. His effect upon the ladies is not limited to such feminine co-stars as Bette Davis, Ingrid Bergman, Ida Lupino and Olivia de Havilland. When he eats in the studio cafe, the waitresses have trouble remembering the orders. As he bites into a mouthful of roast beef, he lets eyes roll poetically in the direction of the nearest female, and apparently there is something about his look that is calculated to make ladies forget they are in the studio cafe or even at the Warner Brothers studio.
Nicht nur befreite sich Henreid aus den Händen eigensinniger Produzenten, indem er die Produktionsverantwortung für „Hollow Triumph“ einfach selbst in die Hand nahm und damit bei der Eagle-Lion Films, der langen amerikanischen Leine der britischen Rank Film Organisation, unterkam. Auch wirkt es wie ein Schlag gegen alle Klischees, wenn der kriminelle Teil seiner Doppelrolle den aufrichtigen im Schutze der Nacht umbringt – mit ihm stirbt Henreids Image als Leinwandgigolo, Held und Liebhaber.
In seiner Inszenierung stützt sich „Hollow Triumph“ auf die unkonventionelle Schwarzweißfotografie John Altons sowie auf gut verteilte Spannungsmomente. Vom Überfall auf das Spielcasino an lastet ein dauerhafter Druck auf Muller, der dem Zuschauer immer wieder präsent gehalten wird, z.B. in der ungemein aufregenden Szene in der Autowerkstatt, als die Schergen Stansycks auf Muller treffen, das aber gar nicht realisieren, weil sie nicht beachten, wer da in der Uniform des Angestellten steckt. Ähnliche Referenzen wiederholen sich mehrfach; auch die Figur des Managers im medizinischen Unternehmen, in dem Muller zuerst Fuß fassen will, ist ein erstklassiges Beispiel für die Geringschätzung der unteren Angestellten. So ist es auch folgerichtig keiner der dekadenten Bekannten Dr. Bartoks, der den Fehler mit der Narbe bemerkt, sondern „nur“ die Putzfrau, die sich dem Doppelgänger des Psychiaters schließlich anvertraut.
Die Koch-Media-DVD enthält eine TV-Synchronisation aus dem Jahr 1978, in der neben Günther Ungeheuer Emely Reuer, Günther Sauer und Erich Ebert zu hören sind. Diese Fassung muss bereits die zweite deutsche Vertonung sein, nachdem der Film 1950 zum ersten Mal in hiesigen Kinos gezeigt wurde. Leider ging man nicht den gleichen Weg wie bei „Spiel mit dem Tode“, wo beide Synchronisationen auf DVD gepresst wurden. Das wirft die Frage auf, ob die ältere der beiden Übertragungen im Fall des „Mannes mit der Narbe“ überhaupt noch erhalten ist.
Ein rabenschwarzer Blick auf eine „bittere kleine Welt“ zeugt von der Großspurigkeit und dem Egoismus der Menschen, mit dem sie sich ihr eigenes Grab schaufeln. Johnny Muller kämpft mit allen Mitteln gegen sein Schicksal an, kann ihm letztlich aber nicht entkommen. Der Film endet mit einer ironischen Wendung, die in der pessimistischen Grundstimmung fast ein wenig untergeht. Henreids und Bennetts Auftritte sind bemerkenswert. Gute 4 von 5 Punkten.
Kriminalfilm, USA 1946. Regie: Henry Hathaway. Drehbuch: Jay Dratler, Bernard C. Schoenfeld. Mit: Mark Stevens (Bradford Galt), Lucille Ball (Kathleen), Clifton Webb (Hardy Cathcart), William Bendix (Stauffer alias Fred Foss), Kurt Kreuger (Anthony Jardine), Cathy Downs (Mari Cathcart), Reed Hadley (Lt. Frank Reeves), Constance Collier (Mrs. Kingsley), Colleen Alpaugh (Mädchen mit der Pfeife), Charles Cane (Polizist in Tonys Wohnung) u.a. Uraufführung (USA): 9. April 1946. Uraufführung (BRD): 13. August 1954. Eine Produktion von Twentieth Century Fox.
Zitat von Feind im DunkelJemand hängt dem Privatdetektiv Bradford Galt an den Fersen. Der patente Schnüffler identifiziert den Verfolger als Fred Foss und findet heraus, dass dieser im Auftrag seines alten Studienfreunds Anthony Jardine arbeitet. Welche Rechnung hat Jardine noch mit Galt offen, nachdem Galt für dessen Tat bereits zwei Jahre im Zuchthaus gesessen hat? Plötzlich lässt sich die Antwort auf diese Frage leicht finden – als nämlich Jardine tot in Galts Wohnung liegt. Ein Mann im Hintergrund hat Galt hereingelegt!
Die New Yorker Straßenschluchten sind tief und in die dunkelsten Ecken tritt selten ein Lichtstrahl. Bradford Galt lebt in einer dieser Ecken, zurückgezogen in ein beunruhigendes Gemisch aus dunkler Vergangenheit, gefährlichen Klienten und billigen Nylonstrümpfen für seine Sekretärin. Direkt neben dem Hochbahnviadukt hat er seine Detektei eröffnet, in der er sich in ausgedehnten Einleitungsszenen mit einem nächtlichen Verfolger duelliert. Was zunächst wie das pflichtschuldig vorgetragene Kräftemessen zweier taffer Gauner wirkt, entpuppt sich im Lauf der Geschichte, die das schäbige Umfeld Galts und Foss’ mit den luxuriösen Villen Jardines und Cathcarts sowie dessen Kunstgalerie kontrastiert, lediglich als Vorgeschmack auf ein perfekt ausgefeiltes Täuschungsmanöver.
Zitat von Alain Silver: „The Dark Corner“ in „Film Noir: The Encyclopedia“, Overlook Duckworth, New York / London 2010, S. 88Darkness becomes the pervasive motif of Galt’s world. Although the streets he walks are frequently daylit and Galt’s nemesis dresses in a white suit, his office and apartment are filled with ominous shadows. They leave isolated wedges of light on the back walls and bisect figures and faces. This visual instability, conveyed by cinematographer MacDonald’s broken shafts of crosslight, is incorporated by director Hathaway into a pattern of narrative irony that balances Galt’s uncertainty against Cathcart’s intellectual arrogance and amoral self-assurance.
Der Plan, von dem „The Dark Corner“ erzählt, ist so überlebensgroß und fantastisch, dass er in einem bodenständigen Noir fast ein wenig deplatziert wirkt. Auf jeden Fall kann er nur dem Hirn eines exzentrischen Sonderlings entspringen, auf den Clifton Webb seinerzeit gewissermaßen ein Abo hielt. In einer wohlkalkulierten Reprise seines Auftritts aus „Laura“ demonstriert Webb als Kunsthändler nicht nur exquisiten Geschmack, sondern auch jene Kaltblütigkeit und Perversion, die bei Verbrecherfiguren im besten Fall mit Intelligenz einhergeht. Cathcart ist ein Fuchs, der tödliche Pläne schmiedet und nicht mit der Wimper zuckt, Unbeteiligte in seine Ränkespiele zu verwirren; der aber auch eine ungesunde Besessenheit mit seiner idealisierten Frau an den Tag legt. Nicht nur der Umstand, dass Webb selbst homosexuell war, befeuert derlei Spekulationen auch für seine Rolle im Film: Cathcart suchte sich Mari nach dem Vorbild eines Gemäldes aus, die Beziehung der beiden gleicht eher einer einseitigen Bewunderung als einer echten Liebe und dass die Eheleute getrennte Schlafzimmer haben, versteht sich beinah von selbst. Die traurige, platonische Einbahnstraße könnte keinen größeren Unterschied zur kumpelhaften Beziehung darstellen, welche sich zwischen Mark Stevens und Lucille Ball entwickelt.
Die abgesehen von Sam Spade und Philip Marlowe im Noir eher seltene Figur des Privatdetektivs wird von Script und Regie sehr effektiv ausgekostet. Sobald für den Zuschauer klar ist, wer hier gegen wen antritt, gestalten sich die Versuche Galts, seinem Gegenspieler auf die Schliche zu kommen, unterhaltsam und temporeich. Die sarkastische Variation, dass diesmal nicht der Bad Guy, sondern der Sleuth auf der Flucht vor dem Arm des Gesetzes ist, verleiht der Detektivgeschichte eine Wendung, die den Kenner der Materie zum Schmunzeln bringt. Mark Stevens gelingt in dieser Zwangslage die charismatische Darstellung eines Mannes, der bisher stets auf sich allein gestellt war und für den so etwas wie Vertrauen ein Fremdwort im harten Kampf um die eigene Unschuld ist. Eigentlich schade, dass Stevens nie den Aufstieg in die Riege der ganz großen Namen des damaligen Kinos schaffte.
Hard-boiled Noir meets Classic Noir – „Feind im Dunkel“ nimmt sich die Schilderung eines ambitionierten Kriminalfalls vor, für dessen rundum gelungene Darstellung anfangs zu viel Zeit auf Milieustudien verwendet wird. Erst als eine Leiche den Verdacht in seine Richtung lenkt, sieht sich Bradford Galt dazu angehalten, die sonderbaren Ereignisse intensiver zu untersuchen. Von da an bekommt der Zuschauer einen hochspannenden Fall geboten, der geschickt mit den Standards des Detektivgenres spielt. 4 von 5 Punkten.
Kriminalfilm, USA 1949. Regie: Otto Preminger. Drehbuch: Ben Hecht, Andrew Solt (Buchvorlage „Methinks the Lady“: Guy Endore). Mit: Gene Tierney (Ann Sutton), Richard Conte (Dr. William Sutton), José Ferrer (David Korvo), Charles Bickford (Lt. James Colton), Barbara O’Neil (Theresa Randolph), Eduard Franz (Martin Avery, Anwalt), Constance Collier (Tina Cosgrove), Fortunio Bonanova (Feruccio di Ravallo), Ian MacDonald (Hogan, Ladendetektiv), Bruce Hamilton (Sgt. Robert Jeffreys) u.a. Uraufführung (USA): 28. November 1949. Eine Produktion von Twentieth Century Fox.
Zitat von Frau am AbgrundAls Frau eines bekannten Psychoanalytikers führt Ann Sutton ein Leben im goldenen Käfig. Eines Tages bricht ihre kleptomanische Veranlagung durch; aus den Fängen des Kaufhausdetektivs befreit sie der wortgewandte David Korvo. Zunächst vermutet Ann in Korvo einen Erpresser, doch der Mann kann sie davon überzeugen, dass er ihr nur helfen will: Mit Hypnose geht er ihren Problemen auf den Grund. Das ist aber nicht alles: Nach einer weiteren Hypnosebehandlung findet sich Ann im Kaminzimmer der Society-Lady Theresa Randolph wieder – und die Hausherrin sitzt ermordet auf dem Sofa ...
In einer Mischung aus „Laura“ und „Spellbound“ vereint Otto Preminger das von Luxus und Müßiggang geprägte Ambiente der amerikanischen Oberklasse, die sich ihre Ablenkung im Aufbau eigener Prominenzstrukturen schafft, mit der Faszination für Psychoanalyse, Hypnose und Astrologie. Wer auf den Cocktailpartys von Tina Cosgrove aufschlägt, gehört automatisch zur „High Society“: Der pseudomedizinische Scharlatan David Korvo macht da keine Ausnahme. Am Beispiel Ann Suttons führt der Film vor Augen, wie leicht es eloquente Betrüger haben, bereits angeknackste Personen um den Finger zu wickeln und zu manipulieren, ihnen Gedanken gegen Verbündete bis hin zum eigenen Ehemann einzuflüstern und sie auf diese Weise in eine hörige Disposition zu versetzen, die als Grundlage für eine Hypnose wie geschaffen ist. So verbildlicht auch „Whirlpool“ das Leitmotiv der Schwarzen Serie Hollywoods: Beeinflussung auf der einen und die Abgabe der eigenen Entscheidungskraft auf der anderen Seite. Dabei ist es dieses Mal die Frau, die sich lenken lässt. Tierney tritt glaubhaft als unsichere und an sich selbst zweifelnde Hilfesucherin auf, die nicht versteht, was in ihrem Geist vorgeht. Ihr Auftreten ist mit dem angstvollen Blick eines Rehs im Scheinwerferlicht eines herannahenden Autos zu vergleichen.
Bleiben wir bei Analogien aus dem Tierreich, so attribuieren wir José Ferrer als David Korvo die Eigenschaften einer Schlange, die sich vorsichtig an ihr Opfer herantastet, es in eine Abhängigkeitssituation führt und diese hinterlistig ausnutzt. Willentlich führt der Film Korvos Taktiken als wissenschaftlich unhaltbar, aber dafür umso effektiver vor. Der Quacksalber und Manipulant übt seinen Einfluss vor allem in Form seines ungemeinen Überzeugungstalents aus, mit dem er den Kaufhausbesitzer, die Kleptomanin Ann Sutton, ihre Vorgängerin Theresa Randolph, die Polizei und schließlich sogar sich selbst blendet. Jene Szene, in der Korvo sich selbst hypnotisiert, um keine körperlichen Schmerzen zu spüren, sollte nicht für bare Münze genommen, sondern als Metapher dafür herangezogen werden, dass der Täuscher sich sein fatales Universum so überzeugend zurechtgezupft hat, dass er mittlerweile selbst an seine eigenen Tricks glaubt.
Richard Conte bleibt als Nervenarzt ebenso im Hintergrund wie Charles Bickford als über den Tod seiner Frau verbitterter Polizist. Wie in den meisten Noirs ließe sich auf das Personal am Rande des Geschehens vergleichsweise leicht verzichten, weil es den fundamentalen Zweikampf des Bösen gegen das Gute (und nicht umgekehrt!) nicht wesentlich tangiert. Dem zentralen Motiv der Entfremdung von verlässlichen Gesellschaftsstrukturen dient vielmehr die unheilvolle Inszenierung, die über den Schlüsselszenen eine tranceartige Aura entfaltet und die unterbewussten Intentionen der Figuren greifbar macht.
Im vielfach von einfachen, geradezu abgetakelten Milieus bestimmten Genre stellt „Whirlpool“ eine elegante Abwechslung dar: Von Anfang an verströmt der Film ähnlich seinen anfangs genannten Vorbildern eine Atmosphäre materieller und gesellschaftlicher Privilegien. Recht schnell bemerkt man dann jedoch, dass sich die Zugehörigkeit zu den „oberen Zehntausend“ schwerwiegend auf die persönliche Freiheit der Protagonistin auswirkt. Anns paradoxes Gefühl, nur zur Pflichterfüllung da zu sein, wo doch gerade sie der Pflicht enthoben ist, einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen, mag als Fingerzeig auf Spleens und Egoismus von Müßiggängern verstanden werden. In dieser Hinsicht rückt Otto Preminger die Insignien des sozialen Aufstiegs durch profitable Heirat nicht als bloße Schmuckelemente vor die Kamera, sondern demonstriert mit ihrer Hilfe, wie sich ein sogenannten „sorgenfreies Leben“ von ganz allein mit künstlichen Sorgen aufpumpen kann.
„Whirlpool“, der Strudel, der Gene Tierney immer tiefer in die Fänge des teuflischen Tunichtguts Ferrer treibt, wird von „Laura“-Regisseur Otto Preminger mit einer ausgewogenen Mischung aus Charme und Spannung zum Leben erweckt. Auf die medizinischen Erläuterungen sollte man sich tunlichst nicht stützen, doch als Zeugnis einer traum- und hypnoseartigen Noir-Interpretation zeigt der Film seine wahren Stärken. Er eröffnet nicht nur die Jagd auf einen besonders bösartigen Mörder, sondern auch auf Anhaltspunkte dafür, inwiefern die psychischen Probleme der Hauptfigur selbst- oder fremdverschuldet sind. 4,5 von 5 Punkten.
Kriminalfilm, USA 1951. Regie: Tay Garnett. Drehbuch: Mel Dinelli, Tom Lewis. Mit: Loretta Young (Ellen Jones), Barry Sullivan (George Z. Jones), Bruce Cowling (Dr. Ranney Grahame), Margalo Gillmore (Mrs. Edwards), Bradley Mora (Hoppy aka Billy), Irving Bacon (Mr. Carston, Postbote), Georgia Backus (Mrs. Warren), Don Haggerty (Mr. Russell), Art Baker (Poststellenleiter), Richard Anderson (Matrose) u.a. Uraufführung (USA): 30. März 1951. Uraufführung (BRD): 3. März 1976. Eine Produktion von Metro-Goldwyn-Mayer.
Zitat von Grund zur AufregungFür Ellen Jones beginnt der aufregendste Tag ihres Lebens wie jeder andere. Sie muss sich um ihren kränkelnden Mann George kümmern, der durch eine Herzkrankheit ans Bett gefesselt ist. Doch auch Eifersucht treibt sein Herz um: Urplötzlich beschuldigt George seine Frau, eine Affäre mit dem Hausarzt zu haben und zu versuchen, ihn umzubringen. Unter falschem Vorwand lässt er Ellen dem Postboten einen belastenden Brief an den Staatsanwalt mitgeben. Dann bedroht er sie mit einer Pistole. Ellen wird klar: Hier geht es um Leben und Tod ...
Mit einem dezenten Wink in Richtung des Klassikers „Sorry, Wrong Number“ verdeutlicht MGM mit seiner Interpretation des anfälligen Nervenkostüms eines bettlägerigen Ehepartners, dass ein Film Noir nicht zwangsläufig voller düsterer Bilder stecken muss. Im Grunde wirkt ein tödliches Schicksal viel bedrohlicher, wenn es statt auf abgefeimte Existenzialisten auf eine Frau in einem sonnigen Vorort von Los Angeles trifft, die versucht, ein unauffälliges Leben zu führen, mit ihren Nachbarn gut auszukommen und bald eine eigene Familie zu gründen. Loretta Young ist diese ganz normale amerikanische Hausfrau – sie steht für die Alltäglichkeit des Films, für die unheimliche Ahnung, dass Todesangst und der Kampf um die eigene Reputation nicht nur über Gangster, Nachtschwärmer und Morallose, sondern über Menschen wie dich und mich, über jeden der damaligen Kinozuschauer unvermittelt hereinbrechen könnten ...
Georges Anschuldigungen weiten sich sehr schnell von einer bloßen Beleidigung zu einer handfesten Bedrohung aus und tragen den Film problemlos – „Cause for Alarm!“ bleibt im wahrsten Sinne des Wortes spannend von Anfang bis Ende. Die unaufgeregte Umgebung mit ihren spießigen Vorgärten und neugierigen Nachbarinnen kontrastiert mit der rapide anziehenden Story auf eine sarkastische Weise, indem es für Ellen immer schwieriger wird, vor ihrem Umfeld zu verheimlichen, was sich gerade in ihrem Haus abgespielt hat. Dennoch brechen auch auf ihrer Seite angewohnte Muster von Vertrauensseligkeit durch, etwa wenn sie trotz einer Leiche im Schlafzimmer den Schlüssel zur Haustür nicht etwa mitnimmt, als sie das Haus verlässt, sondern unter den aufmerksamen Augen der Frau im Garten nebenan am üblichen, nicht sonderlich innovativen Versteck auf den Fensterläden deponiert.
Loretta Young gab sich alle Mühe, die gehetzte Aufregung ihrer Ellen Jones deutlich zu machen. Kaum ein Satz kommt ihr über die Lippen, der nicht verrät, wie aufgewühlt und verstört sie ist. Stellenweise strapaziert ihr engagiertes Spiel damit nicht nur die Nerven des Publikums, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Geschichte, die voraussetzt, dass über lange Zeit niemand einen ernsthaften Verdacht schöpft. Überzeugender ist, dass sie den Arzt Dr. Grahame nicht täuschen kann: Als er am Ende wieder auf der Bildfläche erscheint, dauert es vom ersten Satz zwischen den beiden bis zu seiner Frage, ob George tot ist, nur eine reichliche Minute!
Ellens außerordentliches Interesse, den Brief wiederzubekommen, sowie ihre Geheimniskrämerei lassen stellenweise den Verdacht aufkommen, dass George mit seinen Anschuldigungen doch Recht gehabt haben könnte. Leider wird explizit auf diese Möglichkeit nie abgehoben, obwohl sie in Anbetracht der kurzen Filmlaufzeit noch eine naheliegende, lohnenswerte Ausbaumöglichkeit geboten hätte. In seiner vorliegenden Konzeption erscheint „Cause for Alarm!“ dagegen etwas zu einseitig motiviert und in der Rückschau trotz großer Spannung etwas zu harmlos für eine hohe Wertung.
Das geringe Budget der Produktion ist kein Hinderungsgrund, eine ergreifende Geschichte zu erzählen. Im Gegenteil: Durch die lebensnahe Schlichtheit erledigt „Cause for Alarm!“ seine Aufgabe, der Protagonistin wie auch dem Filmfreund Schauer über den Rücken zu jagen, sehr effektiv. Es hätte allerdings einer deutlich ausgefeilteren Dramaturgie bedurft, um diesen niedlichen, kleinen Thriller zu den besten Noirs zählen zu können. 3,5 von 5 Punkten.
Die DVD von Chandler Film: Hier noch eine im Noir-Genre mit seinen oftmals makellosen DVD-Auswertungen seltene Warnung: Die DVD „Cause for Alarm! – Grund zur Aufregung“ taugt lediglich als Schnäppchen; die 16,99 Euro, die ich dafür hingeblättert habe, ist sie definitiv nicht wert. Mittelmäßige bis verwaschene Bildqualität, keine Extras und dann auch noch Untertitel, die sich an der deutschen Synchronisation statt am Originaltext orientieren und damit mehr irritieren als helfen. Am schwersten wiegt aber der Umstand, dass wie bei der amerikanischen Billig-DVD von Roan eine Sequenz von etwa 2 Minuten schlichtweg fehlt (genauere Hinweise dazu sowie Screenshots des identischen Masters beim DVDBeaver).
Kriminalfilm, USA 1958. Regie und Drehbuch: Orson Welles (Buchvorlage „Badge of Evil“: Whit Masterson). Mit: Charlton Heston (Mike Vargas), Janet Leigh (Susan Vargas), Orson Welles (Captain Hank Quinlan), Joseph Calleia (Sergeant Pete Menzies), Akim Tamiroff (Onkel Joe Grandi), Joanna Moore (Marcia Linnekar), Ray Collins (Staatsanwalt Adair), Dennis Weaver (Nachtportier im Mirador-Motel), Valentin de Vargas (Pancho), Mort Mills (Al Schwartz) u.a. Uraufführung (USA): 23. April 1958. Uraufführung (BRD): 5. September 1958. Eine Produktion von Universal International Pictures.
Zitat von Im Zeichen des BösenBei der Untersuchung einer Autobombenexplosion in einer Kleinstadt an der Grenze bekommen sich der mexikanische Drogenfahnder Mike Vargas und der amerikanische Captain Hank Quinlan in die Haare. Vargas erfährt durch Zufall, dass Quinlan Beweise gegen Mordverdächtige fälscht, und will ihn bloßstellen. Der korrupte Quinlan lässt sich das nicht gefallen und setzt sich zur Wehr: Gemeinsam mit der hiesigen Drogenmafia will er Vargas diskreditieren. Es entflammt ein erbitterter Zweikampf, von dem auch Vargas’ frisch gebackene Ehefrau nicht verschont bleibt ...
In Zuordnungen, die sich auf die absoluten Klassiker des Noir-Kanons beschränken, findet man manchmal die Aussage, die Periode des klassischen Film Noir spanne sich zwischen „Die Spur des Falken“ (1941) und „Im Zeichen des Bösen“ (1958) auf. Diese Interpretation geht mit dem zumeist „in den späten Fünfzigerjahren“ verorteten Ende der Noir-Periode und dem Anfang der Sechziger festgesetzten Aufkommen des Neo-Noir einher. Tatsächlich gestaltet sich „Im Zeichen des Bösen“ auf der einen Seite sehr typisch für den Zyklus der Schwarzen Serie, auf der anderen Seite aber bereits als Übergangsstück in modernere Zeiten. Allein schon der profane Unterschied, einen Noir in Breitbildformat zu sehen, wirkt sich deutlich auf das Sehempfinden aus. Auch der Umstand, dass Orson Welles sich nicht an Studiodreharbeiten band, sondern so gut wie alles on location drehte, distanziert seinen Film von den herkömmlichen Vertretern seiner Zunft.
Diese „modernen Zeiten“ verlangten auch, dass „Im Zeichen des Bösen“ noch kompromissloser und bedrohlicher, noch abgewrackter und trister daherkommt als viele andere Noirs. Eine obrigkeitskritische Vorlage aus dem Pulp-Genre erwies sich für so abgeranzten Stoff als perfekte Grundlage. Und Orson Welles suhlt sich geradezu in den Hinterzimmer- und Drogen- und Korruptionsmachenschaften der Grenzstadt. Seine eigene Rolle legte er so unsympathisch und widerwärtig an, wie man es sich nur vorstellen mag. Seit seiner besseren Hollywood-Zeit schon merklich aufgedunsen, ließ er sich noch einmal von Maske und Kostümbildner unterfüttern, was optisch überzeugender gelang als das Unterfangen, aus Charlton Heston eine Hispano-Type zu schminken. Dieser Versuch regt gerade in Nahaufnahmen eher zum Schmunzeln und dem frommen Wunsch an, Heston möge seine coole Sonnenbrille doch bitte lieber aufbehalten.
Trotz Überlänge leidet „Im Zeichen des Bösen“ nicht an Aussetzern, ist durchweg spannend und in seinen brutaleren Momenten ohne Zurückhaltung inszeniert. Die Qualität des Keine-Augen-Verschließens erreicht hier vielleicht ihren Höhepunkt in der bisherigen Noir-Geschichte.
Zitat von Blake Lucas, Tracey Thompson: „Touch of Evil“ in Alain Silver et al.: „Film Noir: The Encyclopedia“, Overlook Duckworth, New York / London 2010, S. 306[The] cinematic fluidity [of the opening sequence] is continued throughout Touch of Evil and not only creates tension as a visual device but is also appropriate to the shadowy characters and their complex and rapid comings and goings across the border. Russell Metty’s camerawork exhibits film noir lighting at its peak and the matching of studio shots with Venice locations is especially effective. The scene in the hotel room where Quinlan murders Grandi is particularly memorable. The sometimes clichéd device of an exterior neon light flashing into a room is powerfully expressive as Quinlan and Grandi move in and out of darkness within a restricted space.
Trotz der besonders düsteren Aura durchbrechen regelmäßig amüsante Auflockerungen die aufgeheizte Stimmung. Als gelungen kann man die naiv-kämpferische Anlage der Mrs. Vargas durch Janet Leigh bezeichnen – auch wenn sie wenig mehr Platz zugesprochen bekommt als die übliche verfolgte Unschuld im Wallace-Krimi, so macht sie das beste aus ihrer Rolle und tritt sogar mit pfiffiger Gehässigkeit einem Gangsterboss entgegen. Völlig in den Mustopf griff man dagegen bei der Ausgestaltung des Nachtportiers im Motel. Hatte man hier die Möglichkeit, zwei Jahre vor „Psycho“ bereits eine durch und durch erschreckende Highway-Absteige zu zimmern, so verwarf man diese achtlos mit den platten und unpassenden Albernheiten von Dennis Weaver. Seine Szenen stehen symptomatisch für das große Problem von Orson Welles: Er war zwar ein engagierter und in gewisser Beziehung durchaus genialer Regisseur, wusste aber einfach manchmal nicht, wann er den Bogen überspannte. Passend hierzu urteilt die „Film Noir Encyclopedia“ knapp:
Zitat von Blake Lucas, Tracey Thompson: „Touch of Evil“Initially underrated by all but a few, Touch of Evil is now perhaps a bit overrated, at least in relation to some less widely known but equally impressive noir films.
Die atmosphärische Dichte einer von Klüngeleien durchdrungenen und Intrigen zerfressenen Stadt im Nirgendwo der Wüstengrenze ergänzt sich mit einer temporeichen Krimistory und den dunklen Charakteren, die als Sprachrohr für rassistische Vorbehalte, Gewalt und Einschüchterung dienen. Leider gelingt der Film nicht in allen Aspekten so stilsicher, wie man es sich von einer Produktion dieser Größenordnung erwarten möchte. 4 von 5 Punkten.
PS – Kuriosum am Rande: Die Altauflage der DVD, die vor der Neuprüfung im Jahr 2005 veröffentlicht wurde, trägt doch tatsächlich das FSK-Siegel „Keine Jugendfreigabe“.
Der General starb im Morgengrauen (The General Died at Dawn)
Kriegsdrama, USA 1936. Regie: Lewis Milestone. Drehbuch: Clifford Odets. Mit: Gary Cooper (O’Hara), Madeleine Carroll (Judy Perrie), Akim Tamiroff (General Yang), Dudley Digges (Mr. Wu), Porter Hall (Peter Perrie), William Frawley (Brighton), J.M. Kerrigan (Leach), Philip Ahn (Oxford), Lee Tung Foo (Mr. Chen), Leonid Kinskey (Stewart) u.a. Uraufführung (USA): 2. September 1936. Uraufführung (BRD): 30. April 1981. Eine Produktion von Paramount Pictures.
Zitat von Der General starb im MorgengrauenIn China kämpfen die Truppen von General Yang brutal um die Herrschaft über ganze Provinzen. Der Amerikaner O’Hara hilft, Geld außer Landes zu schmuggeln, um für die betroffene Bevölkerung Waffen zu kaufen, sodass diese gegen Yangs Schergen rebellieren kann. Auf seine Spur setzt die Gegenseite den Agenten Peter Perrie, der sich eines einfachen Tricks bedient, um O’Hara zu ködern: der weiblichen Reize seiner attraktiven Tochter Judy. Die kooperiert jedoch nur unwillig ...
Revolutionskämpfe in China – man könnte sich einen angenehmeren und passenderen Einstieg in einen Film Noir vorstellen. An die an „Macao“ erinnernde Dschunkenästhetik des Vorspanns, die nur ein Beispiel für die kreative Tricktechnik des Films darstellt, schließen sich die kommenden Szenen in ihrer sonderbaren Exotik lückenlos an. Sonderbar, weil „Der General starb im Morgengrauen“ auf unangenehme Weise realistischer wirkt als das, was Josef von Sternberg in hollywoodisierter Bildsprache in „Macao“ demonstrierte: den amerikanischen Hang zu ostasiatischen Sujets. Hier wird der aber nicht als wohlfeiles Anhängsel eines Kriminalfilms demonstriert, sondern umgekehrt hängt eine fadenscheinige Krimihandlung an stark nationalistischen, an durch und durch politisierten Motiven. Das betrifft nicht nur General Yang, sondern umgekehrt auch den stolzen Patrioten O’Hara, der die amerikanischen Tugenden der Demokratie und des sich ungefragt Einmischens perfektioniert hat. Er spricht von Selbstbestimmung, Freiheit und der Herrschaft des Volkes, bedient sich aber genauso gern seiner Fäuste, wenn jemand seine Meinung nicht eins zu eins teilt.
Zunächst ist „Der General starb im Morgengrauen“ noch bemüht, die scherenschnittartige Story vom Schmuggeln eines hohen Geldbetrags (Hitchcocks Macguffin lässt grüßen) zügig umzusetzen – auch wenn für O’Haras Entscheidung, statt wie angewiesen mit dem Flugzeug doch mit der Bahn zu reisen, keine Begründung geliefert wird. Veranlassten die Zensoren etwa einen Schnitt eines ersten Zusammentreffens von O’Hara und Judy? Doch je weiter sich der Plot entwickelt, desto mehr verliert sich die Produktion in Folklore und Melodramatik – das Finale auf dem Schiff mäandert ziellos vor sich hin; der Überlebenskampf des Generals zieht sich ähnlich einer unhöflichen Metapher ebenso wie die zweite Filmhälfte. Es kann zudem nicht als sonderlich zuträglich betrachtet werden, dass im Titel bereits auf den Ausgang der Geschichte hingewiesen wird.
Unter seiner dicken Maske kommt Akim Tamiroffs darstellerisches Talent leider nur sehr verhalten zum Vorschein. Ebenso wie in den Wallace-Filmen Pinkas Braun und Christopher Lee für ihre maskierten Chinesenrollen kritisiert wurden, kann man auch Tamiroffs Versuch als gescheitert betrachten. Gerade von einem weniger geringschätzigen Standpunkt gegenüber östlichen Kulturen, als er im Kintopp des Jahres 1936 offenbar gegeben war, wird klar, wie stereotyp und vorurteilsbehaftet nicht nur die Diktatorenfigur Yang, sondern auch „der Chinese an sich“ in einem Film wie „Der General starb im Morgengrauen“ abgebildet wird: Während die interessanten Abenteuer alle von amerikanischen Identifikationsfiguren durchlaufen werden, taugen fernöstliche Statisten lediglich als Kanonenfutter, als Postkarten-Impression oder tumbes Militärgefolge.
In dieser unausgegorenen Mischung aus China-Romanze und den politischen Anliegen des Autors Clifford Odets kommt das Definierende eines Noir (oder wenigstens Prä-Noir), ein packender und auswegloser Krimi, deutlich zu kurz. Das Duo an der Spitze der Besetzungsliste versucht, möglichst viel herauszuholen, bleibt aber letztlich ähnlich anonym wie der recht und schlecht in einen Asiaten verwandelte Akim Tamiroff. 2,5 von 5 Punkten.
PS: Auch Jahrzehnte nach dem Entstehungszeitpunkt von „Der General starb im Morgengrauen“ noch nicht alltägliche Effekte wie die Überblendungen im Vorspann oder der oben abgebildete Split-Screen halten immerhin das technische Interesse an dem Melodram wach. Dafür ist Regisseur Lewis Milestone ein Lob auszusprechen – man sollte sich nicht von Koch Medias Booklet-Beschriftung, es handele sich um einen Fritz-Lang-Film verwirren lassen. Da hatte offenkundig einfach jemand vergessen, die Beschriftung seit Noir-Collection-Titel #6 „Du und ich“ auszuwechseln.
mit: Ella Raines, Franchot Tone, Alan Curtis, Thomas Gomez, Fay Helm, Elisha Cook jr., Andrew Tombes u.a. | Drehbuch: Bernard C. Schoenfeld nach einem Roman von Cornell Woolrich | Regie: Robert Siodmak
Nach einem Streit mit seiner Frau verlässt der Ingenieur Scott Henderson die Wohnung, um eine Revue zu besuchen. Er ist in Begleitung einer Frau, die einen auffallenden Hut trägt. Als er nach der Vorstellung nach Hause kommt, erwartet ihn die Polizei: Seine Frau ist erwürgt worden und man hält ihn für den Mörder. Da er weder den Namen, noch die Adresse seines Alibis kennt, kann er nicht beweisen, dass er unterwegs war und wird deshalb verurteilt. Während er auf seine Hinrichtung wartet, setzt seine Privatsekretärin alle Hebel in Bewegung, jene unbekannte Frau zu finden....
"Was ist irgendein Leben im Vergleich zu meinem?"
Als der deutsche Regisseur Robert Siodmak in den Vereingten Staaten von Amerika Fuß fasste, inszenierte er anfangs nur B-Pictures. Unverkennbar sind die Erfahrungen, die er aus Europa mitbrachte und wie so viele seiner emigrierten Kollegen in seinen Film einfließen ließ. Für einen Noir ungewöhnlich, steht diesmal nicht ein männlicher Held im Mittelpunkt, sondern eine patente junge Frau, die von der Sorge um ihren Vorgesetzten getrieben, sich an finstere New Yorker Schauplätze begibt, um eine Entlastungszeugin zu finden. Sie erhält dabei dezente Unterstützung von dem Inspektor, der ebenfalls an die Unschuld des Verurteilten glaubt, offiziell aber nicht handeln darf. Ella Raines ist die Leuchtfigur zwischen den düsteren, desillusionierten Männern, die insgesamt schlecht wegkommen. Sie lassen sich entweder kaufen, haben sich nicht unter Kontrolle oder stellen sich als wahnsinnig heraus. Die Tatsache, dass Joan Harrison eine der wenigen Frauen ist, die als unabhängige Produzentin fungierte, unterstreicht noch einmal den Fakt, dass die Rolle der Frau in "Phantom Lady" zumindest vom klassischen Schema abweicht. Neben der aktiven Carol gibt es wenige weitere Frauen: das Mordopfer wird (wegen des immer noch gültigen Hays-Codes) nicht gezeigt, sie blickt nur auf einem schmeichelnden Gemälde von der Wand herab. Die gesuchte Zeugin ist eine seelisch kranke Frau, deren Verlobter kurz vor der Hochzeit verstarb.
So sehr der Film sich auf die Jagd nach dem vermeintlichen Phantom konzentriert - und hier für einige Längen in der ersten Hälfte sorgt - so wage bleiben seine Gründe für die Mordtaten. Ein Täter, der sich heroisierende Monumentalplastiken der faschistischen Kunst ins Wohnzimmer stellt und offensichtlich an der fixen Idee leidet, nicht gegen seinen Zwang zum Töten ankämpfen zu können, entspringt dem Bild, das man sich in den USA wohl über die 'verrückten' Nazis gemacht hat; Irre, die unberechenbar und geistig abnorm sind. Leider verharmlost diese Sichtweise die Tatsache, dass geplanter (Massen-)Mord durchaus rationalen Überlegungen folgen kann. Franchot Tone, der optisch an den Demagogen Goebbels erinnert, zeigt einen eleganten Asketen, dessen Abwesenheit und Freundschaft zum Ehemann der Ermordeten ihn von Beginn an verdächtig erscheinen lässt. Sein lauerndes Spiel und die damit verbundene Gefahr für die Heldin würzen die zweite Hälfte des Films mit spannenden Elementen und sorgen für einige Höhepunkte.
N.B. Die Szene mit der dicken Frau, die im Gerichtssaal während der Urteilsverkündung geräuschvoll in einen Apfel beißt, wurde 1952 von Alfred Hitchcock in "I Confess" kopiert. Sie zeigt die Präpotenz des Einzelnen, dessen Interesse für die Mitmenschen sich auf Sensationsgier beschränkt.
Die Milieustudie des Großstadtmolochs, der seine Unschuldigen zu verschlingen droht, wird von Siodmak facettenreich inszeniert. Die teilweise unausgewogene Beschäftigung mit Nebenfiguren lähmt den Handlungsstrang in der ersten Hälfte, wird aber durch die stärkere Fokussierung auf den Täter wieder ausgeglichen. 3,5 von 5 Punkten
BEWERTET: "Ministerium der Angst" (Ministry of Fear) (USA 1944)
mit: Ray Milland, Marjorie Reynolds, Carl Esmond, Hillary Brooke, Percy Waram, Dan Duryea, Alan Napier, Erskine Sanford u.a. | Drehbuch: Seton I. Miller nach einem Roman von Graham Greene | Regie: Fritz Lang
Vor zwei Jahren wurde Stephen Neale angeklagt, seine schwerkranke Frau mit Gift getötet zu haben. Da es sich um eine Tötung auf Verlangen handelte, wurde er pro Forma in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Nach seiner Entlassung begibt er sich nach London, das unter dem Eindruck der Luftangriffe durch die Nazis lebt. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung gewinnt er eine Torte, die jedoch nicht für ihn bestimmt war, wie sich bald herausstellt. Nach einem Anschlag auf sein Leben sucht er nach den Hintermännern und gerät ins Visier einer gefährlichen Spionageorganisation....
London war wie ein mächtiges, prähistorisches Tier, imstande, furchtbare Verletzungen und Verstümmelungen zu erleiden, aus zahllosen Wunden zu bluten und dennoch Leben und Beweglichkeit zu bewahren. (...) Die Londoner hielten allem stand und hätten auch noch größerer Belastung standgehalten. Damals glaubten wir fest, dass das Ende die völlige Vernichtung der Hauptstadt sein würde. Winston Churchill berichtet in seinen Memoiren über den Zweiten Weltkrieg über die Stimmung in London während der Bombardements. Ein ähnliches Bild zeichnet Fritz Lang in den Einstellungen, die dem Film eine unterschwellige, permanente Bedrohung verleihen. Sein Held hat keine blütenweiße Weste, sondern wird in der ersten Einstellung als Bewohner einer Nervenheilanstalt gezeigt. Dennoch zweifelt das Publikum keinen Augenblick an seiner Integrität, was vor allem am sympathischen Spiel von Ray Milland liegt, der immer eine Leichtigkeit transportiert, die man heute "cool" nennen würde.
Die kuriosen Elemente, die der 'man on the run' auf seinem Weg streift, zeigen die Unwahrscheinlichkeit des Lebens, das in seiner Unkonventionalität oftmals abstrakt und unglaubwürdig wirkt. Hilfe kommt unerwartet und von einer Person, die selbst in Gefahr schwebt, ohne es zu wissen. Die Botschaft des Films ist, dass das Böse bereits mitten unter uns ist, auch wenn es sich zu tarnen versteht. Glamouröse Akzente wie die Séance und die eleganten Interieurs wahren den Schein, verschleiern aber, dass die Vertrauensfrage überlebenswichtig geworden ist. Der Unterhaltungswert des Films ist hoch und zeichnet ein Bild der Zuversicht, das spätestens in den Schlusssekunden das Traumbild zurückholt, das Millionen von Kinogängern stets suchen und meistens auch finden. Überraschende Wendungen wie die Vorgänge im Zug oder im leeren Apartment, brechen ein vorübergehendes Gefühl der Sicherheit oder Klarheit immer wieder auf und bauen die Welt des Protagonisten laufend neu auf. Kleinigkeiten werden relevant und weisen auf größere Zusammenhänge hin, so wie alles, was Menschen im Krieg tun wichtig ist. Die Stimmung erinnert tatsächlich an die Sherlock-Holmes-Filme mit Basil Rathbone und ist deshalb sowohl nostalgisch, als auch anheimelnd.
Spannender Ausflug in die Vergangenheit mit einem Ensemble, das den alten Hollywood-Charme sehr gut verkörpert. 4,5 von 5 Punkten