Der Dreiteiler handelt von einem Spionagefall, der dem Zuseher durch eine Anhäufung von fremdländisch klingenden Namen und unsympathischen Herren in dunklen Anzügen präsentiert wird. Zwei Paare ragen aus diesem Ensemble heraus. Eigentlich sind es ja zwei Dreiecksbeziehungen, die dem Publikum gezeigt werden: Claire Linton und ihr Bruder Peter, wobei Dr. Stewart Caxton als Verlobter Claires der Dritte im Bunde ist; sowie Helen Tovey und ihr Freund Larry Edwards, wobei sie noch eine Scheinbeziehung zu dem Spion Shand pflegt. Chariklia Baxevanos führt als Claire Linton die Besetzungsliste an und erhält in diesem Mehrteiler endlich Gelegenheit, zu zeigen, was sie kann. Drei Jahre zuvor hatte sie in der BEW- Verfilmung "Das Ungeheuer von London-City" einen rein klamaukigen Auftritt. Paul Albert Krumm spielt ihren süchtigen Bruder Peter - eine Rolle, die er aus dem Effeff beherrscht. Einen verzweifelten, labilen und unbeherrschten Mann gibt er auch in der Serie "Der Kommissar" und in "Sieben Tage Frist". Leider sind die Hintergründe der Spionage-Affäre so kompliziert, dass der Zuseher gar nicht erst versucht, zu erraten, wer wen weshalb bespitzelt oder erpresst. Im Grunde genommen ist es völlig gleichgültig, ob die eine oder die andere Seite an die Geheimformeln kommt. Wichtig ist, dass Claire Linton als Miss Memoria das absolute Gedächtnis besitzt und nur von ihrem Bruder in den Zustand der Hypnose versetzt werden kann, der es ihr ermöglicht, alles jemals Gehörte oder Gelesene wieder- zugeben. Diese Fähigkeit wird ihr zum Verhängnis. Man entführt sie, um an vier Zahlenfolgen zu kommen, die die Namen von Verrätern verkörpern. Die Szenen, die Claire und die zwei ihr nahe stehenden Männer zeigen, kontrastieren mit den Szenen, in denen sich dunkle Gestalten treppauf, treppab bewegen, in Autos steigen oder um Häuser schleichen. Spannung kommt in diesen Momenten nicht auf, man interessiert sich nur für das Schicksal der Geschwister Linton. Eva-Ingeborg Scholz jongliert mit zwei Männern und riskiert dabei Kopf und Kragen. Der Cliffhanger am Ende der ersten Folge läßt den Zuseher mit zweispältigen Gefühlen zurück. "Verräter" kann mit den Durbridge-Mehrteilern nicht mithalten. Victor Canning, der offenbar eine Vorliebe für Medien hatte (in seinem Roman "The Rainbird Pattern", der im Jahr 1975 von Alfred Hitchcock unter dem Titel "Familiengrab" verfilmt wurde, gibt es ebenfalls eine Frau, die als Medium tätig ist), bemüht eine Ansammlung von Geheimagenten, denen es nicht gelingt, uns für ihre Geheim- nisse zu interessieren.
Verräter (nach Victor Canning) TV, BRD 1967. Regie: Michael Braun. Drehbuch: Victor Canning. Mit: Chariklia Baxevanos, Eva-Ingeborg Scholz, Karl-Michael Vogler, Günther Schramm, Walter Kohut, Paul Albert Krumm, Hans Caninenberg, Alexander Kerst, Robert Dietl, Heinz Schubert u.v.a.m.
1. Teil
Genau wie erwartet, präsentierte sich hier eine wesentlich stärker ins Agenten- und Spionagegenre spielende Handlung, die in ihrer Ausgangssituation – unglaubhaft, aber faszinierend wie immer, wenn es um Hypnose und Gedankenbeeinflussung geht, – einen viel zu zügigen Anfang nimmt. Die Unmengen an Charakteren, die vorgestellt werden, kann man als Zuschauer nur sehr bedingt nachvollziehen und ihnen schon gar nicht volle Aufmerksamkeit schenken. Dieser Nachteil, der sicher in der Story von Victor Canning begründet liegt, welche, wie Percy Lister schon schrieb, zumindest im ersten Teil nicht die Chance hat, an Durbridge auch nur ansatzweise heranzureichen, macht dem Film ganz schön zu schaffen. Nur wenige Figuren ragen, aufgrund ihrer bekannten Darsteller, heraus: Chariklia Baxevanos überraschte mich, da ich sie auch nur aus, sagen wir, weniger ernsten Rollen kannte. Dennoch wäre es übertrieben, sie als eine vorbildliche Darstellerin herauszustreichen – andere hätten hier mindestens ebenso überzeugen können. Paul Albert Krumm ist definitiv der Pluspunkt des Films. Neben ihm wirkt sogar Günther Schramm (nach so vielen Folgen „Kommissar“ endlich wieder einmal mit einer erkennbaren Frisur!) ein wenig statisch. Eva-Ingeborg Scholz überzeugt wie immer, sogar mit unpassender Schwarzhaarperücke.
Der Film ist als Agentenfilm, nun gut, ich verstehe nicht viel davon, sicherlich nicht atemberaubend. Die Bedeutung der Zahlen hält den Zuschauer aber doch recht gespannt, auch wenn ansonsten nicht viel Substanz zu finden ist. Die Szenen mit „Miss Memoria“ hätten düsterer und unheimlicher inszeniert werden können und wären so sicher besser hängen geblieben. Interessant die Variabilität des Anspruchs: Während man Krumms Peter Linton als Süchtigen zeigt und die Möglichkeit der Unterbewusstseinsbeeinflussung während der Hypnose aufwirft, sorgen frivole Einwürfe wie die angedeutete „Gesangsnummer“ eher für peinlich berührtes Kopfschütteln. Insgesamt doch recht durchwachsen. Mal sehen, ob sich „Verräter“ noch zum Positiven entwickelt. Es bleibt immerhin auch noch ein Auftritt von Ernst-Fritz Fürbringer abzuwarten...
Zitat von GubanovDie Unmengen an Charakteren, die vorgestellt werden, kann man als Zuschauer nur sehr bedingt nachvollziehen und ihnen schon gar nicht volle Aufmerksamkeit schenken.
Absolute Zustimmung! Ich finde, das der erste Teil zu der Sorte Durchschnitts-Film die man schnell wieder vergisst. Die Musik von Peter Thomas ist jedoch ein guter Ohrwurm.
Ernst Fritz Fürbringer bringt ein wenig Vertrautheit mit, obwohl er als Werkzeug der Bösen geholt wird. Er stellt den Leiter einer Klinik auf dem Kontinent dar und soll Claire Linton hypnotisieren. Die Szenen sind bewundernswert ruhig und ohne den sonst üblichen Einsatz von Hysterie inszeniert. Parallel dazu sieht man, wie der sturzbetrunkene Peter Linton von Helen Tovey in die Arme ihrer Komplizen geleitet wird. Erstmals wird angedeutet, dass die Geschwister Linton aller Voraussicht nach getötet werden, sobald sie ihren Zweck erfüllt haben. Die beiden Seiten kommen abwechselnd ins Bild und man muss sich beherrschen, nicht die Vorspultaste zu drücken. Obwohl die drei Teile jeweils nur ungefähr eine Stunde dauern, ziehen sich die Debatten und Diskussionen der Geheimagenten ewig hin. Es wird telefoniert, misstraut und beobachtet, was das Zeug hält. Günther Schramm erhält leider wenig Gelegenheit, als Mann der Mitte auf eigene Faust zu ermitteln und Heinz Schubert als Inspektor hält sich im Hintergrund. Dafür darf Reinhard Glemnitz einmal richtig böse sein. Die Szene mit dem Jungen, der Claires Puderdose mit der Nachricht für ihren Verlobten findet, ist sehr nett gemacht und lockert die düstere Atmosphäre auf. Da ich den ZDF Theaterkanal nicht empfangen kann, muss ich mich mit einer Aufnahme begnügen, deren Bildqualität recht grobkörnig ist. Das trägt nicht gerade dazu bei, das Sehvergnügen zu steigern. Ein großes Plus ist jedoch Peter Thomas` Musik, aber dies überrascht wohl am wenigsten.
Langsam lichten sich die Verwirrungen um die drei, oder eigentlich vier, Interessensgruppen dieses Spionage- und Abwehrthrillers, d.h. langsam wird der Zuschauer gewahr über die Strukturen und Zugehörigkeiten der einzelnen Parteien und langsam gewinnen die Handlungsträger an Individualität und Wiedererkennungswert. Nach nun etwa 120 Minuten ist dies aber auch nötig. Während der Vorzug des ersten Teils, Paul Albert Krumm, nur verhältnismäßig wenig Platz eingeräumt bekommt (dafür aber eine erstklassige Szene mit Reinhard Glemnitz hat), werden nun andere Präferenzen stärker betont: Durchsetzt mit schönen Londonaufnahmen und auch sonst idealen Schauplätzen (die einsame Burg, die Praxis Dr. Caxtons, die Wohnung Helen Toveys), nimmt die Handlung einen wirklichen Schub Schwung auf, der zumindest mich an den zweiten Teil fesselte. Ernst-Fritz Fürbringers Auftritt als Dr. Friedland gelingt ohne Fehl und Tadel, auch Eva-Ingeborg Scholz’ doppeltes Spiel gewinnt an Reiz und schließlich muss ich auch das Casting der Agenten loben. Überforderte man im ersten Teil den Zuschauer noch, so laufen hier nun Vogler, Kohut, Caninenberg, Kerst, Fühler (ein einprägsames Gesicht, das uns bereits aus „Der Hexer“ von 1956 und einer Stahlnetz-Folge bekannt ist), Braut, Glemnitz, Fitzek und wie sie alle heißen nicht unbedingt zu Höchstformen, aber zu angenehmer Spielfreude auf. Zwar bleibt Heinz Schubert in seinem kurzen Auftritt erwartungsgemäß nichtssagend, doch Günther Schramms Agieren erfreut umso mehr. Er darf auch wieder einmal unter Beweis stellen, wie gut er „mit Kindern kann“. Ich konstatiere: Es verwickelt sich.
PS: Die hier so gelobte Musik von Peter Thomas halte ich im Übrigen nicht für übermäßig gut gelungen. Gewiss, sie treibt das Geschehen gut voran, doch einprägsam ist etwas anderes.
Interessant ist auch, zu erfahren, dass im Jahr 1966 bereits ein Victor-Canning-Stoff fürs Fernsehen umgesetzt worden war. Unter dem Titel "Das ganz große Ding" spielte mit Carl-Heinz Schroth, Horst Tappert, Brigitte Grothum, Herbert Mensching, Tilly Lauenstein und Walo Lüönd eine recht prominente Crew.
Mit einem spannenden Countdown auf der Burg, einem der herausragenden Schauplätze dieses Dreiteilers, endet Victor Cannings „Verräter“ auf angemessene Art und Weise. Überhaupt vermittelt Teil 3 ein zufriedenstellendes Gefühl der Vereinigung der Schwäche des ersten und der Stärke des zweiten Teils. So gibt es gut ausmachbare Höhepunkte (die Ermordung John Shands gehört definitiv dazu; insgesamt ist Walter Kohut ein großes Lob für seine Darstellung auszusprechen), daneben aber einige Längen, die man wirkungsvoller hätte überbrücken können. Regisseur Michael Braun, später auch verantwortlich für einige Kommissar-Folgen, erreichte freilich nicht die Klasse der durchschnittlichen Durbridge-Konkurrenz in Form von Hans Quest, Paul May oder Rolf von Sydow, kann es aber zumindest mit dem ebenfalls 1967 gedrehten „Mann namens Harry Brent“ locker aufnehmen – auch, was die Besetzung angeht. Diese muss noch einmal hervorgehoben werden: (meine liebste) Eva-Ingeborg Scholz, Günther Schramm, Paul Albert Krumm, Hans Caninenberg, Alexander Kerst, Armas Sten Fühler, Ernst-Fritz Fürbringer, Thomas Braut, Reinhard Glemnitz, Siegurd Fitzek – da lohnt sich das Einschalten allein schon der Namen wegen. Abermals erlebt der Zuschauer im letzten Teil eine Hypnose mit, was auf kluge Art den Bogen zwischen der ersten und der letzten Folge schließt. Natürlich muss bei der Bewertung hinzugefügt werden, dass die Geschichte vollkommen fantastisch und aus der Luft gegriffen, teilweise recht unlogisch und auch sonst ziemlich unwahrscheinlich ist, aber was soll’s: 2 und 4 und 3 machen im Durchschnitt immer noch gute drei Punkte für einen unterhaltsamen Mehrteiler, der seinen Straßenfeger-Status zu Recht besitzt.