Nachdem ich den Sechsteiler in meinem Urlaub wieder einmal gesehen habe, möchte ich gerne erneut ein paar Eindrücke wiedergeben. Wenn man nach einem Ausflug am Abend ins Hotelzimmer kommt, ist es sehr entspannend, den Laptop einzuschalten, ein paar gute Knusperlis bereitzulegen und "Tim Frazer" ins Laufwerk zu legen. Beginnt es dann auch noch zu regnen, so ist es eine wahre Wohltat, sich zurückzulehnen und Max Eckard auf seiner Suche nach dem unverbesserlichen Hans Quest zu begleiten. Die aufpeitschenden Wellen am Hafen; der Leuchtturm, der den Schiffen den richtigen Weg weist und die erleuchtete Dorfschenke "Three Bells" zeigen dem Zuschauer, dass er sich hier in einem kleinen Küstenort befindet. Verheißen die ersten Bilder noch Unheil, wird dieser Eindruck durch den friedlich an einem Tisch lesenden Tim Frazer abgemildert. Er strahlt Ruhe und Besonnenheit aus. Die geräumige Gaststube und der Wirt Norman Gibson tragen viel dazu bei, dass man versteht, warum Frazer gerne dort ist und die Tage abseits des Londoner Lärms genießt. Wie dramatisch die Jagd nach Harry Denston werden wird, spürt man zu Beginn noch nicht. Zunächst freut man sich über die Bekanntschaften, die der Amateurdetektiv im Laufe der ersten Folgen schließt. Natürlich wird der Zuseher, der Harmonie und Freundschaften erwartete, enttäuscht: Ähnlich wie bei "Der Fall Salinger" täuschen Auftreten und Erscheinung der netten Leute und am Ende zücken die selben Hände, die Frazers Hand zuvor noch voller Herzlichkeit geschüttelt haben, Pistolen. Freundliche Mienen werden zu versteinerten Gesichtern voller Hass und einzig und allein der distanzierte Charles Ross bietet Frazer einen neuen Hafen an: eine Stellung in seiner Abteilung. Das Kriminalspiel ist bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzt und man hat das Gefühl, einem eingespielten Ensemble bei einer besonders gelungenen Aufführung zuzusehen. Max Eckard gebührt für sein natürliches Spiel große Anerkennung. Er tritt je nach Situation gütig, mitfühlend oder hartnäckig auf. Er verliert sein Ziel nie aus den Augen, auch wenn er manchmal den Eindruck vortäuscht, dass er ganz beiläufg auf bestimmte Dinge zu sprechen kommt. Dies ist das Geheimnis seines Erfolgs. Er wird von seinen Gegnern unterschätzt. Wohlmeinende Ratschläge, unerwartete Hilfestellung und Gastlichkeit öffnen ihm so manche Tür und führen dazu, dass er mehr erreichen kann als ein offizieller Ermittler. Natürlich gibt es auch einige Punkte, die man verbessern könnte. Gegen Ende hätte ich mir einige zusätzliche Szenen gewünscht. Man erfährt nicht genug über die Rolle, die Ruth Edwards bei den Geschäften ihres Mannes Donald gespielt hat. Frazer hätte sie zusammen mit Anya im Krankenhaus besuchen können. Ebenso hätte ich gerne eine gemeinsame Szene von Harry Denston und Helen Baker gesehen. Man hätte auch eine kurze Sequenz mit dem Erfinder der gestohlenen Formel einbauen können, der sich bei Frazer und Ross bedankt, dass seine Arbeit nicht in die falschen Hände geraten ist.
Zitat Man erfährt nicht genug über die Rolle, die Ruth Edwards bei den Geschäften ihres Mannes Donald gespielt hat. Frazer hätte sie zusammen mit Anya im Krankenhaus besuchen können. Ebenso hätte ich gerne eine gemeinsame Szene von Harry Denston und Helen Baker gesehen. Man hätte auch eine kurze Sequenz mit dem Erfinder der gestohlenen Formel einbauen können, der sich bei Frazer und Ross bedankt, dass seine Arbeit nicht in die falschen Hände geraten ist.
Solche ergänzende Szenen wären 1962/63 rein rechtlich leider nicht möglich gewesen, da das Drehbuch von Durbridge nicht verändert werden durfte, es sei denn vom Meister selbst. Dies geschah später oft auf Wunsch des WDR oder des Regisseurs, wo dann wie in WIE EIN BLITZ und DAS MESSER das Ende (etwas) umgeschrieben wurde. Durbridge selbst dürfte da schon ziemlich stur gewesen sein, denn er erlaubte es ja bei TF-Salinger trotz mehrfacher Intervention des deutschen Teams nicht, dass die sechs Folgen zu drei Folgen zusammengefasst werden.
Die Rolle von Mrs. Edwards in der ganzen Sache wird für mich auch immer ein bißchen zu wenig durchleuchtet.
Schade, dass Francis Durbridge zwar ein raffinierter Tüftler und Erfinder ausgeklügelter Suspense-Geschichten war, doch seine Auflösungen nicht immer bis ins Detail erläutert werden. Nachdem man fünf Teile lang mitgerätselt hat, möchte man am Ende des sechsten Teils wissen, weshalb Kleinigkeiten wichtig waren oder warum sich bestimmte Personen verdächtig gemacht haben.
Zitat von Georg Durbridge selbst dürfte da schon ziemlich stur gewesen sein, denn er erlaubte es ja bei TF-Salinger trotz mehrfacher Intervention des deutschen Teams nicht, dass die sechs Folgen zu drei Folgen zusammengefasst werden.
Daher kam es auch Anfang 1964 zu einem Eklat und der Dritte Tim Frazer wurde abgesagt. Als in dieser Zeit GFH das Produktionsruder beim WDR in die Hand nahm konnte er sich mit den Dreiteilern durchsetzen und begann mit den Produktionsvorbereitungen zu DIE SCHLÜSSEL.
Weiter vorne wurde schon erwähnt, dass das Bild auf DVD (und ebenso im wahrscheinlich identischen Master bei 1Festival) abgerundete Ecken hat. Meine Frage: Warum fallen diese Ecken von Einstellung zu Einstellung anders aus? Mal sind alle 4 zu sehen, dann nur 2 etc. Sogar im Abspann kann man das Spiel von Tafel zu Tafel beobachten? Am Overdub meines Fernsehers kann es nicht liegen. Ist das eine Art Pan and Scan der Abtastung?
Das sind die Ränder der Kameraobjektive! Es gab damals kein Zoom. Im Studio standen 4-5 Kameras, wovon eine die Hauptkamera war und ca. 70-80% der Handlung filmte. Musste es zu einer Nahaufnahme etc. kommen, schaltete man kurz auf eine andere Kamera, drehte das Objektiv (jede Kamera hatte fünf Objektive) - ein Vorgang, der auch Lärm verursachte - und schaltete dann wieder auf die andere Kamera um. Die Produktion war ja so - genauer nachzulesen auf meiner Homepage - chronologisch und nur ein Take pro langer Szene. Ähnlich wie heute bei Livesendungen, wo es mehrere Kameras gibt und es wird hin- und hergeschaltet. Es wurde alles durchgespielt. Deshalb probte man die Szenen auch inständig vorher, damit nichts daneben ging, weil man das MAZ-Material nicht schneiden konnte. Der Regisseur legte die Kameraeinstellungen gemeinsam mit dem 1. Kameramann (bei Tim Frazer: Karl Heinz Werner) fest.
Früher, bei den alten Fernsehgeräten dürfte das ja gar nicht aufgefallen sein. Das Bildformat war ja damals nicht rechteckig, sondern die Seiten waren etwas gebogen und die Ecken abgerundet.
Kürzlich wieder einmal gesehen und kann folgendes Fazit ziehen:
- Sehr schöne schauspielerische Leistungen (Eckhard und Koch gefallen mir ausgesprochen gut (vielleicht Kochs beste künstlerische Darstellung in ihrer Karriere)). Auch EF Fürbringer wirkt in seiner Darstellung äußerst überzeugend. - dramaturgisch viele schöne Spannungsbögen (das Schiffsmodell als Geheimnis der Zusammenhänge ist klasse gewählt!) - Hans Quest hätte meiner Meinung zum Teil etwas temporeicher inszenieren können (gerade die Szenen zu Beginn im Gasthaus hätten etwas mehr Schnitte und Bewegung gebrauchen können)
Insgesamt einer der besseren Durbridge der 60er Jahre und der bis 1964 beste 6-Teiler (3,5/5 Punkte)
Zitat von Peter RossHans Quest hätte meiner Meinung zum Teil etwas temporeicher inszenieren können (gerade die Szenen zu Beginn im Gasthaus hätten etwas mehr Schnitte und Bewegung gebrauchen können)
Gerade diese langsame Erzählart war aber von Durbridge gewollt, nachdem er nach dem Erfolg von "Das Halstuch" etwas völlig Anderes (na ja..., so anders dann auch wieder nicht) schreiben wollte. Rückblickend (d.h. nach Sicht aller Teile) kann man glaube ich sagen, dass es dem Autor (und auch dem Regisseur) hervorragend gelingt, die Spannung ganz langsam aufzubauen und diese gegen Ende hin bis ins Unerträgliche zu steigern. Ich finde übrigens, dass es der Regie gut gelungen ist, die Atmosphäre in dem Fischerdörfchen Henton einzufangen.
Gubanov
(
gelöscht
)
Beiträge:
09.12.2012 14:31
#43 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Tim Frazer (4)
Ich fand "Tim Frazer" bei der zweiten Sichtung in diesem Jahr überraschend langatmig bis teilweise sogar langweilig. Spannung, noch dazu solche, die "ins Unerträgliche" geht, konnte ich nicht feststellen. So unterschiedlich die Wahrnehmungen.
"Tim Frazer" hat einen sehr langsamen Spannungssaufbau. Die vielen Verwicklungen, die nach und nach auftauchen sind m. E. schon sehr spannungsfördernd: der Name "Anja" und das Mädchen gleichen Namens, die Bedeutung des Schiffs, der Tankwart, der um jeden Preis das Auto kaufen will, Harry Denston, der nie auftaucht, die geheimnisvolle Nachricht "Anstrow ist nicht tot" usw. Vergleicht man die Ereignisse am Anfang und gegen Ende, dann geht die Spannungskurve schon rapide nach oben. Gerade bei Dir hätte ich übrigens gedacht, Gubanov, dass Du langsame Erzählmethoden schätzt, wo Du doch ein großer Fan Sherlock Holmes', Pater Browns und der Miss-Marple- und Poirot-Verfilmungen (mit David Suchet) bist, die ich z.B. immer viel zu langweilig weil langsam finde. Darüber hinaus magst du ja auch noch die langsamen Inszenierungen von Theodor Grädler. In jedem Falle sind solche Sachen aber auch immer Stimmungssache, wenn man sich Filme öfters ansieht, wird man immer wieder erleben, dass sie einem mal mehr, mal weniger gefallen.
Hab ihn im Rahmen des Mehrteiler Grand-Prix nun auch mal wieder gesehen und ich muss sagen, der gemächliche Spannungsaufbau passt eigentlich in zweierlei Hinsicht: zum einen geschieht zu Beginn ja keinerlei Verbrechen, welches einen dynamischen Ermittler, wie z.b Harry Yates im Halstuch, auf den Plan rufen könnte, der einzige Tote im ersten Teil fällt nicht etwa einem Verbrechen zum Opfer, sondern einem Sturm, einem für einen Seemann nicht unüblichen Risiko. Zum anderen ist Tim Frazer ja, im Gegensatz zum schneidigen Kriminalisten Yates, eben kein professioneller Ermittler sondern Ingenieur, der gewohnt ist sorgfältig zu beobachten und zu analysieren, ohne befürchten zu müssen, die Objekte seiner Neugier versuchen sich dieser zu entziehen. In die Rolle eines Ermittlers gerät er nur zufällig, seiner Bekanntschaft zum gesuchten Harry Denston wegen. Je länger die Sache sich hinzieht, desto mehr passt sich Tim Frazer aber den Gegebenheiten an, er beginnt zu bluffen und kann sich auch körperlich zur Wehr setzen, wenn nötig. Letztendlich gelangt er zum Ziel. Er findet den gesuchten Freund und ist auch derjenige, der das eigentliche Objekt der Begierde, den versteckten Mikrofilm, findet und den gesammten Fall damit erfolgreich löst.
Max Eckard verkörpert Tim Frazer auch ideal, ein symphatischer, etwas gemütlich wirkender Hauptdarsteller, dem man den neugierigen Ingenieur sofort abnimmt, welcher mit einer gewissen Hartnäckigkeit auch dann auf der Spur des gesuchten Freundes bleibt, als die Sache rauher wird.