Der Kriminalroman "Melissa" von Francis Durbridge wurde im Jahr 2006 vom Berliner Aufbau Taschenbuch Verlag neu aufgelegt. Übertragen wurde der Text aus dem englischen Original mit dem Titel "My wife Melissa" von Peter Th. Clemens.
Der Roman ist in der Ich-Form geschrieben. Der Leser erfährt die Ereignisse aus dem Blick- punkt von Guy Foster. Deshalb findet man keine erläuternden Personenbeschreibungen wie beispielsweise in "Das Halstuch". Dennoch ist es möglich, anhand von Zitaten einen näheren Blick auf die handelnden Personen zu werfen.
Guy Foster ist Journalist. Er arbeitete neun Jahre lang beim "London Mercury" bis das Blatt einging. Seitdem war er als freier Schriftsteller tätig, obwohl ihn seine Frau Melissa lieber in einer festen Stellung bei einer Zeitung gesehen hätte. Sie heirateten vor etwas über drei Jahren, nachdem Paula Hepburn, eine gemeinsame Freundin, sie miteinander bekannt gemacht hatte.
Guy Foster wird von Günther Stoll gespielt, der mit dieser Rolle berühmt geworden ist. Meines Erachtens ist es DIE Rolle seines Lebens. Er scheint wie prädestiniert für die Rolle des ruhigen, ungeselligen Außenseiters, der lieber in Ruhe an seiner Schreibmaschine sitzt, als auf lauten Parties seine Nächte zu verbringen. Er ist ahnungslos und die perfekte Zielscheibe für den Spott, die Lügen und Tricks, die man mit ihm treibt.
Melissa Foster ist vor drei Jahren von Südafrika nach England gekommen. Nach dem Tod ihrer Eltern, die ihr dreihundert Pfund hinterlassen haben, wollte sie in London ihr Glück als Schauspielerin versuchen, nachdem sie in ihrer Heimat bereits an Laienbühnen gewirkt hatte. Sie ist eine bemerkenswert hübsche, selbstsichere und durchaus extravagante Frau, die "eine Närrin mit neuen Hüten war. Je länger Guy ohne feste Stellung war, um so verrücktere Hüte kaufte sie. Ihre Schränke waren voll teurer Kleidung und sie war ohne die geringsten Sorgen, wie ihr Mann dies bezahlen könnte."
Ruth Maria Kubitschek hat in diesem Mehrteiler leider nur einen kurzen Auftritt. Der ist jedoch so wirkungsvoll, dass ihr Bild während der gesamten Sendung nicht verblasst. Sie bringt die richtige Mischung aus Stolz, Ironie, sicherem Auftreten und Charme mit. Es gelingt ihr, einen nachhaltenden Eindruck zu hinterlassen.
Don Page "träumt immer noch von schnellen Wagen - trotz seines ernstlichen Rennunfalls in Le Mans vor einem oder zwei Jahren." Er wird als gutaussehend, 26jährig und guter Freund von Melissa beschrieben, den Guy nicht sonderlich leiden kann.
Erik Schumann war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten zwar bereits 40 Jahre alt, passt jedoch sehr gut in die Rolle des ehemaligen Rennfahrers, der stets gut gekleidet, bester Laune und charmant ist, andererseits jedoch von heimlichen Zweifeln geplagt wird. Seine zwei Seiten ( der Gastgeber fröhlicher Parties und der Patient des Nervenarztes Dr. Swanson ) reihen ihn in den Kreis der Verdächtigen ein.
Zitat von Percy ListerDon Page Erik Schumann war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten zwar bereits 40 Jahre alt, passt jedoch sehr gut in die Rolle des ehemaligen Rennfahrers
Für mich die übelste Fehlbesetzung aller Durbridge-Mehrteiler! Schumann ist weder smart noch gutaussehend, weder Draufgänger noch Partytier. Das passt irgendwie gar nicht. Dass der nebenbei noch einen psychischen Knax haben soll, macht die Sache fast noch ein Stückchen ulkiger. Aber die deutsche "Melissa" wimmelt ja vor Fehlbesetzungen: Stoll, Kubitschek, Suschka tun es Schumann gleich und scheitern spektakulär.
Don Page hatte - ähnlich wie Marian Hastings in "Das Halstuch" - einen Autounfall, bei dem er betrunken war. Er wurde damit von Joyce Dean erpresst, die sein Gespräch mit Dr. Swanson mitangehört hat. Page hatte auf nüchternen Magen einige Whiskey getrunken und riskierte, wegen Trunkenheit am Steuer vor Gericht gestellt zu werden. Er log und es gelang ihm, der Anklage zu entkommen. Bei Dr. Swanson hat er sich ausgesprochen. Er hatte also keinen "psychischen Knax", sondern einfach Probleme, die ihm seelisch zusetzten.
Ich finde, Erik Schumann entspricht durchaus dem Bild eines Lebemanns, der schnelle Wagen fährt und gerne Cocktail-Parties gibt. Er sonnt sich im Ruhm früherer Tage und hat sich leider die falschen Freunde ( das Ehepaar Paula und Felix Hepburn, die Schauspielerin Carol Stewart ) ausgesucht. Oberflächliche Menschen, die auf seine Kosten trinken und sich amüsieren.
Paula und Felix Hepburn zählen zum Freundeskreis von Guy Foster. "... Paula, die eine unenthüllte Zahl von Jahren älter ist als er - mindestens zehn, behauptet Melissa -, ganz entschieden die Fröhlichkeit des Frühlings ausstrahlt."
Hanne Wieder und Hubert Suschka wurden beide im Jahr 1925 geboren, passen deshalb altersmäßig gut zueinander und ergänzen sich als Filmehepaar ideal. Ihre Beziehung ist von einem Geheimnis umrankt und Dreh-und Angelpunkt, wenn es um den Mordfall Melissa Foster geht.
Zitat von Percy ListerDon Page Erik Schumann war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten zwar bereits 40 Jahre alt, passt jedoch sehr gut in die Rolle des ehemaligen Rennfahrers
Für mich die übelste Fehlbesetzung aller Durbridge-Mehrteiler! Schumann ist weder smart noch gutaussehend, weder Draufgänger noch Partytier. Das passt irgendwie gar nicht. Dass der nebenbei noch einen psychischen Knax haben soll, macht die Sache fast noch ein Stückchen ulkiger. Aber die deutsche "Melissa" wimmelt ja vor Fehlbesetzungen: Stoll, Kubitschek, Suschka tun es Schumann gleich und scheitern spektakulär.
Gruß Jan
Kann ich zwar überhaupt nicht nachvollziehen, aber das ist schließlich Deine Meinung. Für mich zählt MELISSA - und das hauptsächlich wegen Stoll, Kubitschek usw. - zu den besten Durbridge-Filmen. Ich finde alle hier in ihren Rollen sehr überzeugend.
"Dr. Norman Swanson hatte einen schmalen, eiförmigen Kopf, straff zurückgebürstetes schwarzes Haar, unbestimmbare, da hinter der dicken Brille versteckte Augen, blassen Teint, straff über die Knochen gespannte Haut, dünne Lippen, betontes, sehr sauber rasiertes Kinn. Seine Stimme war kultiviert, sein Verhalten höflich, aber entschieden. Ich schätzte ihn auf Anfang vierzig."
Bis auf das Alter ( der Schauspieler Bessler war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits 60 Jahre alt ) passt Albert Bessler sehr gut auf diese Beschreibung des korrekten, aber undurchsichtigen Nervenarztes.
"Inspektor Cameron war eine eindrucksvolle Erscheinung, groß, breitschultrig, muskulös, nach meiner Schätzung gut zweihundert Pfund schwer. Im Gegensatz zu meiner bisherigen Meinung über die äußere Aufmachung von Kriminalbeamten verwendete er Sorgfalt auf seine Kleidung. Sein Anzug aus gutem dunklem Tuch war maßgeschneidert, sein Hemd makellos sauber, modern und elegant." "....sein massives, walroßähnliches Gesicht mit den großen, intelligenten Augen und den etwas spärlichen Haarsträhnen, die nicht nach hinten, sondern nach vorn gekämmt waren."
Siegfried Wischnewsky spielt den Scotland-Yard-Inspektor mit Routine. Er hatte bereits in "Er kann´s nicht lassen" Gelegenheit, sich auszuprobieren. Allerdings zeigt er im Umgang mit Guy Foster mehr Verständnis, als ein paar Jahre früher mit Pater Brown. Er strahlt Ruhe und Vertrauenswürdigkeit aus und gibt damit nicht nur Foster das Gefühl, dass der geheimnisvolle Mord an Melissa bald aufgeklärt sein wird, auch wenn alles dagegen spricht.
Zitat von Percy Lister Siegfried Wischnewsky spielt den Scotland-Yard-Inspektor mit Routine.
Das wiederum kann ich mal wieder nicht nachvollziehen. Wischnewsky ist das herausragende Beispiel des Dreiteilers. Eine Paradebesetzung quasi. Routiniert verbinde ich persönlich eher mit Attributen wie eingespielt, alltäglich. Unter all den schlecht ausgesuchten Darstellern ist er ein wahrer Glücksgriff. Übertrifft sogar den stets passend besetzten Albert Lieven zuvor. Er ist der absolute Aktivposten des Films.
Zitat von Percy Lister Er strahlt Ruhe und Vertrauenswürdigkeit aus und gibt damit nicht nur Foster das Gefühl, dass der geheimnisvolle Mord an Melissa bald aufgeklärt sein wird, auch wenn alles dagegen spricht.
Der Witz an der Sache ist, dass Wischnewskys Inspektor dem Hauptverdächtigen diese Gewissheit eben nicht von Anfang an vermittelt. Seitens der Regie war gottlob das feine Gefühl vorhanden, den Inspektor sich langsam aber sicher wandeln zu lassen. Cameron ist nämlich anfangs keineswegs davon überzeugt, in Guy Foster nicht den Täter vor sich zu haben. Da baut sich Indiz um Indiz auf und Cameron wird allmählich zum regelrechten Vertrauten des Hauptverdächtigen, währenddessen alle vermeintlichen Foster-Freunde um ihn herum mehr und mehr als Verräter entlarvt werden. Cameron bekommt Fosters Hausschlüssel, bringt ihm Milch und Zeitung mit. Diesen Wandel empfand ich immer als ausserordentlich gelungen inszeniert!
Mit Routine meine ich, dass er durchaus ein echter Polizeibeamter sein könnte. Er beherrscht seine Rolle und tritt sicher auf. Man glaubt ihm, dass er seit Jahrzehnten mit der Aufklärung von Mordfällen betraut ist und sich durch seinen klaren Verstand und seine Besonnenheit auszeichnet.
Da es noch einige Mitglieder im Forum gibt, die diesen Mehrteiler noch nicht kennen, möchte ich gerne ein paar wesentliche Stellen aus dem Buch zitieren. Sie beziehen sich auf die mysteriösen Vorkommnisse nach Melissas Tod...
"Nach und nach stahl sich etwas Anderes in mein Bewußtsein. Der Brief flatterte unbeachtet zu Boden, als mir klar wurde, daß die Wohnung förmlich vibrierte vor - Musik ! Melissas Melodie ! Sie kam aus dem Wohnzimmer. Ich eilte zur Wohnzimmertür. Gott allein weiß, was ich zu finden hoffte. Dachte ich, Melissa wäre mir zurückgegeben worden ?"
( Seite 36 Tb-Ausgabe der Aufbau-Edition "Melissa", 2006 )
"Ich hatte Jacke, Hose und Hemd, Schuhe und Strümpfe bereits ausgezogen, als ich die Wohnungstür klicken hörte. Es war ein winziges Geräusch, aber seine Wirkung auf meine Nerven glich einem Trompetenstoß. Ich rannte hinaus in die Diele, wo mein Blick von einem der bodenlangen Fenstervorhänge gefangen wurde, der sich leicht zu bewegen schien. Ich holte tief Luft und schob die Vorhänge blitzschnell auseinander. Natürlich stand dort niemand. Aber - war es Einbildung ? Oder glaubte ich wirklich, den Hauch eines unverwechselbaren Parfüms wahrzunehmen ?"
...."Als ich mich vom Fenster abwandte, berührten meine nackten Zehen etwas Weiches, Zartes. Ich bückte mich und hob ein Taschentuch auf. Es war klein, leicht parfümiert, mit einem aufgestickten Buchstaben in einer Ecke. Der Buchstabe war M ...."
( Tb-Ausgabe "Melissa", Aufbau-Verlag S. 66 / 67 )
Beim Lesen des Romans entfaltet sich ein ganz besonderer Zauber, vor allem wenn man zuerst den deutschen Fernseh-Mehrteiler gesehen hat und deshalb ständig das traurige Gesicht von Günther Stoll vor Augen hat.
"Sie war tot. Und doch war sie überall. Von meinem Schreibtisch lächelte mir ihre Fotografie entgegen. Ihr handgeschriebener Brief sprach zu mir, wenn ich die Kassette aufmachte. Ihre Lieblingsmelodie hatte erst gestern Abend die ganze Wohnung erfüllt..." (Seite 67)
Ich habe vor ein paar Jahren alle deutschen Durbridge-Krimis gelesen - und war von den meisten begeistert. Vor allem MELISS hat es mir - nicht nur als Film - angetan.