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Dieses Thema hat 36 Antworten
und wurde 5.359 mal aufgerufen
 Francis Durbridge
Seiten 1 | 2 | 3
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

07.01.2018 20:15
#31 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

Die „Tim Frazer“-Mehrteiler sind mir generell als etwas unscheinbar in Erinnerung geblieben, was sicher auch an Max Eckart lag. Ich werde diesen Eindruck in einigen Wochen überprüfen können. Doch zunächst zum Finale von „Der Andere“:



Francis Durbridge: Der Andere (Teile 5 und 6)

Teile 5 und 6 des TV-Kriminalmehrteilers, BRD 1959. Regie: Joachim Hoene. Drehbuch: Francis Durbridge. Übersetzung: Marianne de Barde. Mit: Albert Lieven (David Henderson), Wolf Frees (Detective Inspector Mike Ford), Heinz Klingenberg (Detective Sergeant Robert Broderick), Helmuth Rudolph (Dr. Sheldon), Ingeborg Körner (Katherine Walters), Manfred Inger (Harry Vincent), Hans Zesch-Ballot (Ralph Merson), Esther Queil (Maria Rocello), Werner Schumacher (Polizist Sanders) u.a. Erstsendungen: 14. und 16. Oktober 1959. Eine Produktion des Nord- und Westdeutschen Rundfunkverbands.

Zitat von Der Andere (Teile 5 und 6)
Maria Rocello verlässt auf Anraten David Hendersons Medlow, weil auch ihr von Seiten des Mörders Gefahr drohe. Es stellt sich heraus, dass nicht Henderson für die Verbrechen verantwortlich ist; auf einem belastenden Brief wurde seine Handschrift gefälscht. Ein ehemaliger Kollege Inspector Fords, der mittlerweile für die Abwehr arbeitet, beruft sich auf Billie Reynolds’ Tagebuch, in dem einer ihrer Verehrer stets nur mit „R“ abgekürzt wurde. „R“ ist ihr Mörder und der Spion, der Paolo Rocello auf der Spur war. Für den geheimnisvollen „R“ kommen in Medlow eine ganze Reihe Verdächtige in Frage, sodass ihm eine gewitzte Falle gestellt werden muss ...


Obwohl mit Joachim Hoene ein absoluter Frischling auf dem Regiestuhl Platz nahm, der zugegebenermaßen auch von seinem Ziehvater John Olden, welcher die Produzentenrolle einnahm, beaufsichtigt wurde, entwickelt „Der Andere“ in seinen letzten zwei Folgen eine enorme Spannung. Das Experiment, Durbridge nach Deutschland zu bringen, war mit großem Erfolg geglückt; inwiefern man sich die englische Verfilmung, die 1956 von der BBC live ausgestrahlt worden war und heute als verschollen gilt, zum Vorbild nehmen konnte, ist dabei sogar fraglich. Bevor sich Durbridge ein dauerhaftes Zuhause beim WDR unter der künstlerischen Leitung von Wilhelm Semmelroth einrichtete, zeigt er sich bei der Vorgängeranstalt NWRV schon in den allerbesten Händen. Die Personalien, die den „Anderen“ von allen übrigen Schwarzweiß-Durbridges unterscheiden, machen den Mehrteiler zu einem ganz einmaligen und besonderen Erlebnis.

Neben dem Geheimdienstler Harry Vincent, der wie ein Gini aus der Flasche in Teil 5 auftaucht und in Teil 6 alle Unklarheiten beseitigt (nicht unbedingt ein besonders fairer Stil, aber sehr wirkungsvoll), profitiert der Abschluss des Sechsteilers vor allem von zwei Personen: Einerseits sorgt das Auftauchen der geheimnisvollen Maria Rocello für Aufhorchen. Man weiß nicht recht, ob sie Gerechtigkeitssinn oder Rachsucht nach Medlow führen und wie genau sie über die Machenschaften ihres Bruders im Bilde ist. Andererseits rückt auch Albert Lieven wieder in den Mittelpunkt und darf diesmal ganz unverhohlen Charmepunkte einsammeln. Der immens starke Verdacht gegen ihn schloss ihn natürlich von Anfang an als echten Hintermann aus und die einzige Frage bezüglich seiner Person war stets nur, wie überzeugend Durbridge seine Unschuld belegen würde. Das Ergebnis: Er schafft es ausnehmend nachvollziehbar und befriedigend; und Lieven gefällt sich als Strippenzieher im Endkampf gegen den mysteriösen „R“ ausnehmend gut.

Dessen Identität wird im letzten Moment mit großem Brimborium einschließlich Mordversuch an Katherine Walters und Flucht vor der Polizei enthüllt – ein Showdown, wie er im Buche steht und nach fünf Teilen auch mit Fug und Recht erwartet werden kann. Die Auflösung ist nicht nur logisch, sondern führt in dezenten Untertönen auch vor Augen, wie wohl gehütet die Doppelidentität eines im Geheimen operierenden Durbridge-Mörders ist und welch einen Paukenschlag deren Enthüllung bei den anderen Beteiligten des Rätsels auslöst. Mit über 90 Prozent Sehbeteiligung stellte „Der Andere“ auch an den heimischen Fernsehapparaten einen Paukenschlag dar und gilt damit als einer der ersten Straßenfeger.

Altmodisch gediegene, aber nichtsdestotrotz enorm fesselnde Mini-Serie um zwei Mordfälle mit latent politischem Hintergrund, vor dem reizvolle Verdächtige agieren. Der erste Durbridge ist bereits exzellent gemacht und setzt mit seiner Stringenz der Erzählung und dem Aufbau der Verdächtigen ein Musterbeispiel für die Produktionen der kommenden Jahre. 4,5 von 5 Punkten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

07.01.2018 20:39
#32 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #31
inwiefern man sich die englische Verfilmung, die 1956 von der BBC live ausgestrahlt worden war und heute als verschollen gilt
Das ist nur teilweise richtig, denn die in die Livehandlung integrierten Außendrehinserts, das heißt, das wenige auf Film gedrehte Material (Darsteller geht ins Haus, geht zum Hausboot), überlebt.

Zitat
Der immens starke Verdacht gegen ihn schloss ihn natürlich von Anfang an als echten Hintermann aus

Sag das nicht, in einer anderssprachigen Version ist es genau so! :-) Gewöhnungsbedürftig, aber den Zuseher nicht minder überraschend. Wer rechnet schon damit?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

07.01.2018 20:50
#33 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

Das wäre in der Tat ein absoluter Knalleffekt gewesen.

Jan Offline




Beiträge: 1.753

08.01.2018 20:03
#34 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

Freut mich, dass Dich "Der Andere" auch gefesselt hat. In der Tat gibt es keinen zweiten Durbridge, bei dem ich mich zunächst mehr überwinden muss, ihn in den Player zu legen, der mich dann aber wie kaum ein zweiter in seinen Bann zieht, wenn ich ihn denn erst einmal begonnen habe zu sehen. Hervorragendes Ensemble, feinsinnig inszeniert und mit prägnantem Musik-Sound versehen. "Der Andere" ist wohl genau das, was man einen Geheimtipp nennt. Abseits vom Halstuch, Tim Frazer, etc. en Mehrteiler, der sich hinter den berühmten Nachfolgern nicht verstecken muss!

Gruß
Jan

Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

08.01.2018 22:51
#35 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

@Jan: Du hast das gut beschrieben. Mir geht es ähnlich, nur daß bei mir "Der Andere"
geschont wird, damit ich beim erneuten Anschauen möglichst die gleiche Freude wie
beim ersten Mal erlebe. Für mich ist "Der Andere" der beste Durbridge Mehrteiler und
Lieven als auch als Gegenpol der Bogart "Wolf Frees" in seiner tölpelhaft, naiven,
sympathischen Art herausragend gut.

Gruss
Havi17

Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

09.01.2018 07:09
#36 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

Zitat von Jan im Beitrag #34
In der Tat gibt es keinen zweiten Durbridge, bei dem ich mich zunächst mehr überwinden muss, ihn in den Player zu legen, der mich dann aber wie kaum ein zweiter in seinen Bann zieht, wenn ich ihn denn erst einmal begonnen habe zu sehen.

Genau so geht es mir auch. Guibanov hat mich angesteckt. Auf Grund seiner Rezensionen der ersten Teile habe auch ich die DVDs wieder mal aus dem Regal gekramt - und war sehr positiv überrascht. Vielleicht starte ich ja mal wieder eine chronologische Sichtung der deutschen Durbridge-Klassiker...

Ray Offline



Beiträge: 1.930

15.03.2018 17:26
#37 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Der Andere (1) Zitat · Antworten

Zumindest die drei Mehrteiler, welche ich vor zwei Jahren ausgespart hatte, weil die letzten Sichtungen noch nicht so lange her waren, möchte ich vor dem Durbridge-Grand-Prix nochmal auffrischen. "Der Andere" macht den Anfang...

Der Andere (BRD 1959)

Regie: Joachim Hoene

Darsteller: Albert Lievn, Wolf Frees, Heinz Klingenberg, Helmuth Rudolph, Ingeborg Körner, Sigurd Fitzek, Michael Rittermann, Andreas von der Meden, Hans Zesch-Ballott, Marianne Wischmann u.a.



„Der Andere“ gehört zwar heute gemeinhin mit Sicherheit nicht zu den bekanntesten Titeln, die nach Francis Durbridge im deutschen Fernsehen realisiert wurden. Dennoch darf sich das sechsteilige Kriminalstück – wie Sigurd Fitzeck in dem der Straßenfeger-DVD beiliegenden Interview auch nachdrücklich betont – rühmen, die Erfolgswelle losgestoßen zu haben. Der Erstling ist (noch) weitgehend Kammerspiel, Außenaufnahmen sind eher die Ausnahme und auch sonst muss man sich immer erst wieder an den technischen Fernsehstandard der Endfünfziger gewöhnen, wenn man „Der Andere“ nach längerer Zeit erneut in den Player legt.

Inhaltlich kann das Werk unter Spannungsgesichtspunkten durchaus überzeugen. Die erste Leiche lässt nicht lange auf sich warten. Geschickt wird Neugierde geweckt, etwa durch den lateinischen Ausspruch „Suaviter in modo, fortiter in re“ („Mild in der Art, hart in der Tat“), der zunächst handschriftlich in dem Buch notiert ist, das Lehrer Henderson Roger, dem Sohn des ermittelnden Inspektor vor dem Leichenfund gab, und kurz darauf auf der Rückseite der Uhr des Todesopfers eingraviert zu lesen ist. Diese Uhr hatte Henderson dem Toten nachträglich umgelegt. Überhaupt gibt Hendersons Verhalten Rätsel auf: einerseits hat er sich offenbar in der Vergangenheit um Rogers schulische Entwicklung sehr verdient gemacht. Andererseits ist es doch bemerkenswert, wie unverhohlen und selbstsicher er sich in Lügen verstrickt, als sei es ihm gleichgültig, ob die Unwahrheit seiner getätigten Aussagen entlarvt werde oder nicht. Vor dem Hintergrund von Hendersons Vorgeschichte mit seinem Sohn ist es Inspektor Ford zunächst unangenehm, Henderson überhaupt dienstlich entgegenzutreten. Zusehends verliert er ob dessen Verhalten jedoch Geduld und Höflichkeit Henderson gegenüber. Albert Lieven macht die facettenreiche Rolle des Henderson ganz offenbar große Freude und es gelingt ihm, diese auf den Zuschauer zu übertragen. Er ist derjenige, der den Mehrteiler letztlich trägt und in besonderem Maße interessant macht. Der Rest des Casts ist von den Namen her vergleichsweise unspektakulär, wobei man nicht vergessen darf, dass die Krimiwelle erst dazu ansetzte, loszurollen, dementsprechend hatten sich die prägenden Gesichter noch nicht so herausgebildet wie einige Jahre später. Obwohl keiner seine Sache schlecht macht, hinterlassen die übrigen Darsteller noch Luft nach oben, allen voran Ingeborg Körner als Miss Walters und Marianne Wischmann als Billie Reynolds. Körner taugt nur bedingt als „love interest“ für den geheimen „Helden“ der Geschichte und die Rolle der Billie Reynolds hätte z.B. Eva Pflug wohl prägnanter ausfüllen können. Der eigenwillige Wolf Frees dürfte ähnlich wie Max Eckard die Gemüter spalten. Er nuschelt sich so durch den Film und seine Augen wandern in den Szenen oft suchend durch die Gegend, als ob sie nach Stichworten für seinen Text Ausschau halten würden. Momente, in denen er den Sohn im Teenager-Alter als „Lausebengel“ tituliert, weil dieser zu viel Eis gegessen und nun Bauchschmerzen hat, laden heutzutage zum Schmunzeln ein. Und genau das tut Frees' Performance u.a. aus den o.g. Gründen generell oft während dieses Mehrteilers, weswegen es trotz oder gerade wegen seiner Macken Spaß macht, ihm zuzusehen.

Sechs Teile benötigen freilich fünf Cliffhanger, wovon zumindest zwei ganz besonders zu überzeugen wissen: jener nach Folge 2, als Henderson Billie Reynolds betäubt und derjenige vor der letzten Folge, als „Der Andere“ zur Tür hinein gebeten wird. In der letzten Folge übt man sich nach meinem Empfinden ein wenig zu lange in Geheimniskrämerei. Mehrfach liegt die Lösung auf dem Tisch und es wird im entscheidenden Moment weggeblendet. Dieser Eindruck mag indes womöglich auch dem Umstand geschuldet sein, dass mir die Auflösung noch bekannt war und ich dementsprechend nicht mehr so auf die Folter gespannt werden konnte wie das Fernsehpublikum anno 1959. Die Regie des relativ unbekannten Joachim Hoene ist für die Entstehungszeit sehr ordentlich, auch die Musik von Siegfried Franz erweist sich als zur Atmosphäre des Mehrteilers passend. Der Spionage-Hintergrund ermöglicht es letztlich, Vieles vorangegangene plausibel werden zu lassen, obwohl die konkrete Art und Weise der „Zusammenarbeit“ zwischen Geheimdienst und „Dorfpolizei“ nicht immer realistisch erscheint. Generell kann man auf den Täter durchaus kommen, was die Produktion jedoch keineswegs abwerten soll.


Wenn einen die Endfünfziger-Produktions-Standards und der eher unspektakuläre Cast nicht stören, kann dieser erste deutsche Durbridge-Mehrteiler durchaus sein vorhandenes Potential entfalten. An die allerbesten Vertreter seiner Zunft kommt „Der Andere“ dennoch nicht ganz ran. 4 von 5 Punkten.

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